TE Vwgh Beschluss 2021/9/28 Ra 2021/11/0136

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des L I in W, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Juni 2021, Zlen. 1. VGW-041/008/13330/2020/E-1 und 2. VGW-041/008/13328/2020/E-9, betreffend 1. Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags und 2. Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet iA AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit den angefochtenen (nach mehreren Rechtsgängen - unter anderem wegen Aufhebung einer Wortfolge in § 33 Abs. 3 VwGG mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2020, G 178/2020 - ergangenen) Beschlüssen wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung einen Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers (in die Beschwerdefrist) ab und unter einem seine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 13. Februar 2018 wegen Übertretung des AVRAG als verspätet zurück. In beiden Beschlüssen erklärte es gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

2        Begründend stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, das Straferkenntnis sei dem Revisionswerber laut Rückschein am 15. Februar 2018 durch Ausfolgung (an einen Ersatzempfänger) zugestellt worden. Am 22. Februar 2018 habe die Vertretung des Revisionswerbers per E-Mail die Ausarbeitung eines Rechtsmittels angekündigt und um Akteneinsicht ersucht. Mit E-Mail vom 26. Februar 2018 habe die belangte Behörde der Vertretung des Revisionswerbers - unter Hinweis auf die Zustellung des Straferkenntnisses am 15. Februar 2018 - den Strafakt elektronisch übermittelt. Am 16. März 2018 sei die Beschwerde per E-Mail bei der belangten Behörde eingebracht worden. Durch ein E-Mail der belangten Behörde vom 9. April 2018 sei der Vertretung des Revisionswerbers die Verspätung aufgefallen, weshalb sie am 10. April 2018 die Beschwerde nochmals vorgelegt und einen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht habe.

Begründend sei darin ausgeführt worden, die Vertretung des Revisionswerbers habe fälschlich angenommen, dass das Straferkenntnis „am 15.02.2018 erfolglos zugestellt und am 16.02.2018 für [den Revisionswerber] zur Abholung hinterlegt worden sei“, weshalb die Beschwerdefrist am 16. März 2018 ablaufe. Da dieses Fristende auch vom Revisionswerber seiner Vertretung mitgeteilt worden sei, habe man die Beschwerde erst am 16. März 2018 eingebracht.

In seiner Äußerung zum die Beschwerde betreffenden Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts habe der Revisionswerber auf den am 10. April 2018 eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag verwiesen, die Rechtmäßigkeit der Zustellung vom 15. Februar 2018 und die verspätete Beschwerdeeinbringung jedoch nicht bestritten.

3        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, es könne weder bei der Vertretung des Revisionswerbers noch bei diesem selbst von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden, wenn der Revisionswerber seiner Vertretung ein unrichtiges Zustelldatum nenne und jene „als sorgfältige berufsmäßige Parteienvertretung“ etwa durch Akteneinsicht das richtige Zustelldatum jederzeit leicht hätte erkennen und die Frist daher richtig hätte berechnen können, dies jedoch - trotz des Hinweises im E-Mail der belangten Behörde vom 26. Februar 2018 auf das Zustelldatum 15. Februar 2018 - nicht getan habe. Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher abzuweisen und die Beschwerde wegen Überschreitung des Fristendes am 15. März 2018 als verspätet zurückzuweisen.

4        Gegen diese Beschlüsse richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Verwaltungsgericht die Verfahrensakten vorgelegt hat.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer (gesonderten) Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

6        Soweit die Revision - unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit - einen erheblichen Begründungsmangel darin erblickt, dass der Aufbau des angefochtenen Erkenntnisses den in der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestellten Anforderungen nicht entspreche, zeigt sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil nicht ersichtlich ist, dass das Landesverwaltungsgericht eine Trennung des Erkenntnisses in Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung vermissen lässt, geschweige denn in einer solchen Art und Weise, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dadurch maßgeblich beeinträchtigt wäre (vgl. etwa VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0045). Welchen Sachverhalt das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat, ist vorliegendenfalls zweifelsfrei erkennbar.

7        Wenn weiters vorgebracht wird, es liege kein „Verspätungsvorhalt, gezielt auf die Versäumung der Beschwerdefrist“, vor, so widerspricht dies sowohl dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt als auch dem Akteninhalt. Aus letzterem ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 17. April 2018 dem Revisionswerber zur Kenntnis brachte, seine am 16. März 2018 eingebrachte Beschwerde erweise sich im Hinblick auf die Zustellung des Straferkenntnisses am 15. Februar 2018 als verspätet, und dass der Revisionswerber mit Antwortschreiben seiner Vertretung vom 19. April 2018 auf die erfolgte Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrags im Hinblick auf seine „Beschwerde vom 16.03.2018“ verwies.

8        Der Revisionswerber bringt sodann vor, das Verwaltungsgericht vertrete eine der ständigen hg. Judikatur widersprechende Rechtsmeinung, wenn es den Irrtum des Revisionswerbers über das Zustelldatum nicht als nur minderen Grad des Versehens einstufe.

9        Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bzw. des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0113, mwN).

10       Abgesehen davon, dass eine derartige Fehlbeurteilung von der Revision nicht aufgezeigt wird, ist mit diesem Vorbringen die Begründung für die Zulässigkeit der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, da nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0087, mwN).

11       Gleiches gilt für das abschließende Zulässigkeitsvorbringen, in dem - ohne Relevanzdarstellung - gerügt wird, der Beweisantrag auf Vernehmung zweier Zeugen sei vom Verwaltungsgericht „unbegründet bzw. unberechtigt abgelehnt“ worden. Überdies widerspricht das Vorbringen der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, in der im Abschnitt „Beweiswürdigung“ dargelegt wird, dass sich die Feststellungen über die Annahme des falschen Zustelldatums ausschließlich auf das als wahr zugrunde gelegte Wiedereinsetzungsvorbringen des Revisionswerbers gründeten, weshalb eine Aussage der Vertretung oder anderer Zeugen dazu entbehrlich gewesen sei.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass auf den mit ihr verbundenen Antrag auf aufschiebende Wirkung eingegangen werden musste.

Wien, am 28. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110136.L00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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