TE Vwgh Beschluss 2021/9/28 Ra 2021/05/0136

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82003 Bauordnung Niederösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BauO NÖ 2014 §21 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/05/0137
Ra 2021/05/0138
Ra 2021/05/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision 1. des H K, 2. der J K, 3. des G K und 4. der K K, alle in M und alle vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Dr. Peter Gloß und Mag. Alexander Enzenhofer, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 28. Mai 2021, LVwG-AV-650/001-2020, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde M; mitbeteiligte Parteien: 1. C P und 2. A A, beide in M; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich folgender, von der Revision unbestritten gebliebener Sachverhalt:

2        Am 20. Mai 2019 beantragten die mitbeteiligten Parteien die Erteilung einer Baubewilligung für ein näher beschriebenes Bauvorhaben auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG M.. Die revisionswerbenden Parteien sind Eigentümer zweier an das Baugrundstück angrenzender Grundstücke.

3        Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 wurden (unter anderem) die revisionswerbenden Parteien gemäß § 21 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 2014 (in der Folge: NÖ BauO 2014) über die Anhängigkeit des Bauansuchens informiert und aufgefordert, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung schriftlich bei der Marktgemeinde M. einzubringen. Gleichzeitig wurden die revisionswerbenden Parteien auf das Erlöschen ihrer Parteistellung für jenen Fall hingewiesen, dass innerhalb der genannten Frist keine Einwendungen erhoben würden.

4        Diese Verständigung wurden den erst- bis drittrevisionswerbenden Parteien am 1. August 2019 und der viertrevisionswerbenden Partei am 2. August 2019 zugestellt.

5        Mit Eingabe vom 13. August 2019, bei der Baubehörde eingelangt am 16. August 2019, erhoben die revisionswerbenden Parteien Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

6        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde M. vom 5. November 2019 wurde den mitbeteiligten Parteien die baubehördliche Bewilligung für das beantragte Bauvorhaben unter der Vorschreibung von Auflagen erteilt.

7        Der dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand der Marktgemeinde M. mit Bescheid vom 7. Mai 2020 keine Folge und bestätigte die erteilte baubehördliche Bewilligung vollinhaltlich.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (in der Folge: LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab (1.) und sprach aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (2.).

9        Begründend führte das LVwG hierzu zusammengefasst aus, die Prüfung der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der revisionswerbenden Parteien sei auf jene Einwendungen beschränkt, die innerhalb der vierzehntägigen Frist ab der Zustellung der Verständigung gemäß § 21 Abs. 1 NÖ BauO 2014 erhoben worden seien. Hinsichtlich neuer, innerhalb dieser Frist nicht vorgebrachter, Einwendungen sei die Parteistellung (teilweise) erloschen. Das spätere Vorbringen (laut Beschwerde) betreffend die ostseitige Gebäudehöhe, die Garagenhöhe, den Garagenabstand und mangelnde Feststellungen hinsichtlich des Lichteinfalles seien in den am 13. August 2019 erhobenen Einwendungen nicht geltend gemacht worden und daher zufolge bereits eingetretener Präklusion nicht mehr beachtlich. Hinsichtlich der Höhe der in Rede stehenden Einfriedungen und der Standsicherheit der Gartenmauer sei die Parteistellung hingegen aufgrund rechtzeitig erhobener Einwendungen gewahrt, diese Einwendungen seien jedoch nicht mehr Gegenstand des Beschwerdevorbringens gewesen.

10       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, die Begründung des LVwG hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Einwendungen sei widersprüchlich und es würden Feststellungen dazu fehlen, ob die revisionswerbenden Parteien in einem Wohngebäude mit mehr als vier Wohnungen wohnen.

11       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Dem in § 28 Abs. 3 VwGG normierten Erfordernis, dass die Revision „gesondert“ die Gründe zu enthalten hat, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, wird nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan. Vielmehr ist in den „gesonderten“ Gründen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2019/06/0092, oder auch VwGH 30.10.2018, Ra 2017/05/0039, jeweils mwN).

16       Die vorliegende Revision legt weder konkret dar, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das LVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewichen wäre, noch zeigt sie auf, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet habe; bereits aus diesem Grund erweist sie sich daher als unzulässig.

17       Soweit zur Zulässigkeit außerdem als Begründungsmangel gerügt wird, das LVwG habe keine Feststellung dazu getroffen, ob die revisionswerbenden Parteien in einem Wohngebäude mit mehr als vier Wohneinheiten wohnen, ist darauf hinzuweisen, dass bei behaupteten Verfahrensmängeln bereits in der Zulässigkeitsbegründung der Revision die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzulegen ist. Die Relevanz von geltend gemachten Verfahrensfehlern ist dabei in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, oder auch VwGH 20.7.2021, Ra 2020/04/0171, jeweils mwN). Diesem Erfordernis kommen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht nach. Sollte das genannte Vorbringen auf § 21 Abs. 1 vorletzter Satz NÖ Bau 2014 abzielen, wonach der Behörde bei Wohngebäuden mit mehr als vier Wohnungen die Möglichkeit einräumt wird, die Verständigung nach der genannten Gesetzesbestimmung durch Anschlag an einer den Hausbewohnern zugänglichen Stelle in den betroffenen Gebäuden vorzunehmen, ist die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels schon deshalb nicht zu sehen, weil den revisionswerbenden Parteien die Verständigung vom 30. Juli 2019 gemäß § 21 Abs. 1 NÖ BauO 2014 (unstrittig) persönlich zugestellt wurde.

18       Zur vermeintlich widersprüchlichen Begründung des LVwG hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Einwendungen der revisionswerbenden Parteien genügt es weiters, auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hinzuweisen, wonach das LVwG zwischen jenen Einwendungen, die innerhalb der nach § 21 Abs. 1 NÖ Bau 2014 eingeräumten vierzehntägigen Frist erhoben wurden, und jenem Vorbringen (der Beschwerde), welches außerhalb der genannten Frist erhoben wurde, differenziert. Der von der Revision gerügte Widerspruch, das LVwG sei zugleich von der Rechtzeitigkeit von Einwendungen und einem aufgrund nicht rechtzeitig erhobener Einwendungen erfolgten Verlust der Parteistellung ausgegangen, liegt somit nicht vor.

19       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. für viele etwa VwGH 1.4.2021, Ra 2019/05/0334, mwN). Von dieser Rechtsprechung ist das LVwG im angefochtenen Erkenntnis nicht abgewichen; dass die inhaltliche Beurteilung des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien und die genannte, im Einzelfall vorgenommene Differenzierung ihrer Einwendungen durch das LVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, wird in den Zulässigkeitsgründen nicht behauptet, und ebensowenig wird die Frage der Kognitionsbefugnis des LVwG angesprochen.

20       Der Vollständigkeit halber ist schließlich darauf hinzuweisen, dass bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zukommt, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 7.10.2020, Ra 2020/05/0198, mwN).

21       Soweit als Revisionspunkt gegenständlich geltend gemacht wird, „in wie weit der Nachbar - bei Fristsetzung - rechtzeitig Einwendungen zur Geltendmachung seiner Parteistellung und nach § 21 der NÖ Bauordnung ein Vorbringen zu erstatten hat“ bezeichnen die revisionswerbenden Parteien kein ihnen als Nachbarn nach der NÖ BauO 2014 eingeräumtes subjektives Recht mit hinreichender Bestimmtheit (vgl. VwGH 24.2.2021, Ra 2021/06/0012, oder auch nochmals VwGH 7.10.2020, Ra 2020/05/0198, jeweils mwN).

22       In der Revision wird somit weder eine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, noch ein tauglicher Revisionspunkt formuliert. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050136.L00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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