TE Vwgh Beschluss 2021/9/28 Ra 2020/05/0111

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82000 Bauordnung
L82003 Bauordnung Niederösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BauO NÖ 2014 §35 Abs2
BauO NÖ 2014 §4 Z6
BauO NÖ 2014 §4 Z7
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/05/0112
Ra 2020/05/0113
Ra 2020/05/0114
Ra 2020/05/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision 1. des M R,2. des K W, 3. des W W und 4. der P S, alle in W, und 5. der H L in S, alle vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansely, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 20. Jänner 2020, LVwG-AV-107/001-2018, betreffend Abbruchauftrag nach der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde H; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 31. Mai 2017 verpflichtete die Baubehörde 1. Instanz J.K. als Eigentümerin des Bauwerks sowie die Revisionswerber und weitere Personen als Grundeigentümer der Parzelle 362/4, EZ X, KG Y, den auf dem Grundstück 362/4 (konkret am südöstlichen Ende des Grundstücks) angrenzend an das Grundstück 362/14 gelegenen, im Ausmaß von 7,35 x 7,67 x 2,01 bzw. 4,76 m errichteten Uferverbau in massiver Ausführung sowie die Auskragung in die Wasserfläche (Liegefläche mit Stufenanlage) im Ausmaß von 3,39 x 2,10 m und 4 Stufen, welche ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden seien, bis zum 30. September 2017 gemäß § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) zu entfernen.

2        Die Revisionswerber erhoben gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher sie im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügten. Der Bescheid begründe nicht, weshalb eine Baubewilligung erforderlich sei. Der vormalige Eigentümer habe ohnehin eine Baubewilligung für den Uferverbau erhalten. Art und Umfang des abzubrechenden Uferverbaus seien nicht ausreichend determiniert. Darüber hinaus handle es sich um einen einheitlichen Uferverbau, der sich über mehrere Grundstücke erstrecke, welche nicht vom angefochtenen Bescheid umfasst wären.

3        Mit Bescheid vom 23. November 2017 wies die belangte Behörde diese Berufung unter Festsetzung einer neuen Leistungsfrist ab.

4        Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 erhoben die Revisionswerber dagegen Beschwerde, in der sie im Wesentlichen abermals vorbrachten, es liege eine gültige Baubewilligung für den gegenständlichen Uferverbau, der ein Gesamtbauwerk darstelle, vor. Außerdem seien Verfahrensvorschriften verletzt worden; so entspreche der Bescheid nicht den Begründungsvoraussetzungen und auch eine Überprüfung der Flächenwidmung sei nicht erfolgt.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der Beschwerde der Revisionswerber, soweit sie sich gegen die Verpflichtung zum Abbruch des näher umschriebenen Uferverbaus richtet, statt und behob in Abänderung des bekämpften Bescheides der belangten Behörde den Bescheid der Baubehörde 1. Instanz diesbezüglich ersatzlos (Spruchpunkt 1.). Weiters wies es die Beschwerde, soweit sie sich gegen die bescheidmäßig auferlegte Verpflichtung zum Abbruch der am südöstlichen Ende des Grundstücks gelegenen Auskragung in die Wasserfläche (Liegefläche mit Stufenanlage) richtet, unter Änderung bzw. Korrektur der Abmessungen des Abbruchobjekts als unbegründet ab (Spruchpunkt 2.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

6        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit im Rahmen dieser Revision von Interesse - aus, die Revisionswerber seien gemeinsam mit acht weiteren Personen grundbücherliche Miteigentümer des Grundstücks Nr. 362/4; EZ X, KG Y. Am nördlichsten Teil der auf dem Grundstück Nr. 362/4, angrenzend zum Grundstück Nr. 362/14, gelegenen Uferverbauung befinde sich eine Auskragung in die Wasserfläche (Liegefläche mit Stufenanlage). Diese Auskragung weise eine Stahlkonstruktion samt Holzabdeckung auf, die auf der gesamten Tiefe der Betonplatte des Uferverbaus, welche der Auskragung als Unterbau diene, befestigt worden sei. Die Auskragung weise Ausmaße von 7,54 m (Länge nördlich) bzw. 8,69 m (Länge südlich) x 2,10 m (Breite) und vier Stufen (in einer Breite von 1,40 m) auf; sie sei nachträglich im Zeitraum zwischen 2008 und 2011 errichtet worden. Diese Auskragung lasse sich mit einfachen Mitteln und ohne die Substanz des verbleibenden Uferverbaus nachteilig zu beeinträchtigen von der Betonkonstruktion trennen.

7        Bei der Auskragung handle es sich um eine bauliche Anlage iSd § 4 Z 6 NÖ BO 2014, deren Errichtung auch nach den Vorgängerbestimmungen zur NÖ BO 2014 bewilligungspflichtig gewesen sei. Eine Baubewilligung liege nicht vor.

8        Die Miteigentümer des Grundstücks Nr. 362/4, sohin auch die Revisionswerber, seien zu Recht als Adressaten des Abbruchauftrags betreffend die näher bezeichneten Abbruchobjekte herangezogen worden, zumal nach § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 ein Abbruchauftrag gegenüber den Bauwerkseigentümern zu erlassen sei.

9        Die Uferverbauung sei nicht bloß auf dem Grundstück Nr. 362/6, sondern teilweise auch auf den Grundstücken Nr. 362/9, 362/14 und 362/4 errichtet worden. Der gegenständliche Grenzüberbau sei ein Bauwerk (der Uferverbau), das unteilbar sei. In Anbetracht des Ausmaßes der Überbauung könne nicht mehr von einem bloß geringfügigen Grenzüberbau gesprochen werden, sodass Miteigentum an dem vom Abbruch bedrohten Uferverbau-Teilstück samt der mit der Uferverbauung kraftschlüssig verbundenen Auskragung in die Wasserfläche bestehe.

10       Beim Uferverbau handle es sich um ein einheitliches Bauwerk, weshalb sich der aufgetragene Abbruch im Hinblick auf die Abgrenzung des Gegenstandes des baupolizeilichen Auftrages gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einheitlichkeit des Bauwerks als rechtswidrig erweise.

11       Hinsichtlich der Auskragung sei die Beschwerde jedoch als unbegründet abzuweisen, da diese mit einfachen Mitteln von der Unterkonstruktion getrennt werden könne. Bei der Auskragung in die Wasserfläche und der als Unterbau dienenden Uferverbauung handle es sich nicht um ein einheitliches (und untrennbares) Bauwerk, sondern um ein getrenntes und teilbares Bauvorhaben. Die Auskragung in die Wasserfläche sei vollständig vom Abbruchauftrag erfasst gewesen, es seien lediglich Präzisierungen hinsichtlich der äußeren Ausmaße des Abbruchobjekts vorzunehmen gewesen.

12       Gegen dieses Erkenntnis (ausgenommen Spruchpunkt 1.) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision zunächst vorgebracht, es seien keine ausreichenden Feststellungen zur Qualifikation der Auskragung bzw. des Holzstegs als Bauwerk getroffen worden. Der Sachverständige habe nicht behauptet, dass zu ihrer Herstellung besondere Fachkenntnisse erforderlich gewesen seien. Die Auskragung sei von J.P für J.K. hergestellt worden, welcher weder statische noch bautechnische Sachkunde aufweise. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung scheitere es schon am Bauwerksbegriff.

17       Die Frage, ob eine konkrete bauliche Maßnahme ein Bauwerk darstellt, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2018/06/0108; zur Beurteilung als Superädifikat 1.6.2021, Ra 2019/05/0052 und 0053, bzw. als Loggia 16.3.2021, Ra 2020/05/0260).

18       Das Verwaltungsgericht führte zur Auskragung aus, es handle sich dabei um eine bauliche Anlage iSd § 4 Z 6 NÖ BO 2014 (Anmerkung: Das sind alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind), die infolge kraftschlüssiger Verbindung mit der horizontalen Ortbetonplatte des Uferverbaus als Untergrund selbst kraftschlüssig mit dem Boden verbunden sei. Für ihre Errichtung sei ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen, insbesondere zur Gewährleistung der Statik, erforderlich, um damit Gefahren für Personen oder Sachen, insbesondere durch ein Einstürzen dieser Anlage, hintanzuhalten.

19       Dass diese Beurteilung unvertretbar wäre, legt die Zulässigkeitsbegründung nicht dar. Ebenso wenig führt sie aus, welche Feststellungen zur Liegefläche mit Stufenanlage das Verwaltungsgericht zu treffen gehabt hätte und zu welcher anderen, für die Revisionswerber günstigeren, Beurteilung es dabei gelangt wäre.

20       Im Übrigen ist hinsichtlich des Einwands, fachtechnisches Wissen sei nicht notwendig, da die Auskragung von einer nicht fachkundigen Person errichtet worden sei, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es bei der Beurteilung des Erfordernisses der fachtechnischen Kenntnisse zur werkgerechten Herstellung eines Baues nicht auf die subjektiven Fachkenntnisse des Bauführers, sondern darauf ankommt, ob die werkgerechte Errichtung der baulichen Anlage objektiv das Vorliegen eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse bzw. fachtechnischer Kenntnisse verlangt (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/05/0165 und 0166).

21       Außerdem nehme das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revisionswerber zu Unrecht an, dass der Holzsteg mit Stufen nicht im Eigentum der J.K. stehe. Es müsse zwischen dem Gesamtuferverbau und der davon trennbaren Auskragung auch eigentumsrechtlich unterschieden werden. Bei der Auskragung handle es sich um keinen Fall des Grenzüberbaus, da sich der Holzsteg gänzlich auf Grundstück Nr. 362/4 befinde, aber sowohl wertmäßig als auch im Vergleich zur gesamten Grundfläche nicht ins Gewicht falle. Da kein Miteigentum der Revisionswerber an der Auskragung bestehe, dürften auch keine Bauaufträge an die Revisionswerber gerichtet werden. Dieser wäre allein gegen J.K. zu richten gewesen. Diesbezüglich sei das Verwaltungsgericht von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil die Adressaten des Erkenntnisses nicht Adressaten des Abbruchauftrages sein könnten.

22       Es kann dahinstehen, ob die Beurteilung der Eigentumsverhältnisse an der verfahrensgegenständlichen Auskragung rechtsrichtig erfolgt ist. Im angefochtenen Erkenntnis wird den Revisionswerbern nämlich der Abbruch der Auskragung nicht nur als Miteigentümer des Bauwerks aufgetragen, sondern auch als Grundeigentümer der Parzelle Nr. 362/4. Dass die Revisionswerber Eigentum an der betroffenen Grundfläche haben, bestreiten sie nicht. Vor diesem Hintergrund kommt es aber auf die Frage, ob die Revisionswerber auch Miteigentum an der Auskragung haben, nicht an. Zu der Verpflichtung der Revisionswerber als Grundeigentümer trägt die Zulässigkeitsbegründung hingegen nichts vor.

23       Abschließend wird in der Revision gerügt, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Einwand der Revisionswerber auseinandergesetzt, dass eine Baubewilligung erteilt werden müsse, welche lediglich an der willkürlich falschen Flächenwidmung scheitere. Die Widmungswidrigkeit stelle seit Jahren den einzigen Grund dar, warum der gegenständliche Uferverbau samt Auskragung nicht schon längst eine Baubewilligung bekommen habe.

24       Nach der NÖ BO 2014 ist nicht (mehr) zu prüfen, ob die gegenständlichen Bauwerke bei Erlassung des Abbruchauftrages bewilligungs- bzw. anzeigefähig sind. Die Baubehörde darf nunmehr sofort einen Abbruchauftrag erlassen, sodass eine Überprüfung, ob für die konsenslos errichteten Bauwerke eine nachträgliche Baubewilligung bzw. nachträgliche Anzeige möglich ist, nicht erforderlich ist (vgl. zur dahingehend unveränderten Fassung LGBl. Nr. 6/2015 VwGH 3.8.2017, Ra 2015/05/0046 bis 0047 und 0049). Die Frage der Widmungskonformität stellt sich daher im gegenständlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Abbruchauftrags nicht.

25       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

26       Von der beantragten mündlichen Verhandlung kann gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. September 2021

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050111.L00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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