TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/20 LVwG-2021/26/1613-10

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Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §62 Abs2
AWG 2002 §63 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Aicher über die Beschwerde der AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 07.05.2021, Zl ***, betreffend die Untersagung der Einbringung weiterer Abfälle in eine Bodenaushubdeponie nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

1)

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 07.05.2021 wurde auf der Rechtsgrundlage des § 62 Abs 2 iVm § 63 Abs 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 der beschwerdeführenden Gesellschaft die weitere Einbringung von Abfällen (Aushubmaterial) in die mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018 bzw mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 14.01.2019 bewilligte Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken **1, **2, **3 und **4, alle KG Y, mit sofortiger Wirkung untersagt.

Zur Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Konsensinhaberin über die abfallrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf den angeführten Grundstücken in Y verfüge, wobei das genehmigte Volumen der Aushubdeponie 55.000 m³ betrage.

Aufgrund von Hinweisen, dass die bewilligte Kubatur bereits erreicht und auch überschritten werde, sei eine amtliche Vermessung veranlasst worden, dies mit dem Ergebnis, dass am Deponieareal eine Kubatur von 55.482 m³ aufgetragen worden sei, wobei die Genauigkeit der Vermessung mit ± 5 % angegeben worden sei.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.01.2021 sowie vom 23.04.2021 sei die Deponiebetreiberin aufgefordert worden, die weitere Einbringung von Abfällen (Aushubmaterial) in die Deponie zu unterlassen, wobei auch der Hinweis erfolgt sei, dass bei Nichtbefolgung ein behördliches Verbot oder die Deponieschließung in Aussicht genommen würden.

Nachdem die Anlieferung von Bodenaushubmaterial in die verfahrensgegenständliche Deponie nicht eingestellt worden sei und aufgrund des durchgeführten Verfahrens der Verdacht des konsenswidrigen Betriebs der genehmigten Bodenaushubdeponie bestehe, nämlich in Form der Überschreitung des bewilligten Deponievolumens, sei nunmehr behördlich anzuordnen gewesen, dass keine weiteren Abfälle mehr in die Bodenaushubdeponie eingebracht werden dürften. Die bestehende Verdachtslage einer Überschreitung des bewilligten Deponievolumens sei ausreichend, um das Anlieferungsverbot zu rechtfertigen.

2)

Gegen diese verwaltungspolizeiliche Maßnahme der Untersagung der Einbringung weiterer Abfälle in ihre bewilligte Bodenaushubdeponie gemäß dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.05.2021 richtet sich die vorliegende Beschwerde der AA, mit welcher die Durchführung einer mündlichen Rechtsmittelverhandlung und die Behebung des bekämpften Bescheides beantragt wurden.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels brachte die beschwerdeführende Gesellschaft kurz zusammengefasst vor, dass bei der gegenständlichen Deponie der konsentierte Zustand noch nicht hergestellt sei, es stünden noch die Herstellung der endgültigen Profile und dafür erforderliche Planierungs- sowie Verdichtungsmaßnahmen aus.

Durch die Verdichtungsmaßnahmen würde sich zwangsläufig das Volumen verringern, bei Erreichen des Endzustandes werde die bewilligte Kubatur eingehalten werden.

Beim derzeitigen Deponiezustand könne noch nicht beurteilt werden, ob überhaupt eine Überschüttung vorliege. Entsprechend dem Bericht der Deponieaufsicht vom 29.04.2021 ergebe sich ein Volumen der noch unverdichteten Schüttung in einer Bandbreite von 52.800 m³ bis 57.800 m³, woraus eine Überschreitung des genehmigten Volumens von 55.000 m³ nicht ableitbar sei.

Dementsprechend würden die Voraussetzungen für die Anwendung der gesetzlichen Regelungen des § 62 Abs 2 sowie des § 63 Abs 4 AWG 2002 nicht vorliegen.

Auch die belangte Behörde habe im bekämpften Bescheid lediglich von einem „Verdacht“ gesprochen, dass eine Überschüttung gegeben sein könne. Dieser bloße Verdacht der Nichteinhaltung von Bescheidvorgaben vermöge die angeordnete Maßnahme nicht zu tragen.

Mit dem Rechtsmittelschriftsatz wurden mehrere näher genannte Beweisaufnahmen beantragt.

3)

Vom Landesverwaltungsgericht Tirol wurden zwei öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlungen durchgeführt.

Im Rahmen der ersten Rechtsmittelverhandlung am 14.07.2021 wurden ein Sachverständiger für Fragen der Geoinformation, das bestellte Deponieaufsichtsorgan sowie ein Vertreter der Konsensinhaberin zur Sache näher befragt.

In der Folge wurde vom entscheidenden Verwaltungsgericht eine neuerliche amtliche Vermessung des auf der Deponiefläche und im Gegenstandsbereich aufgebrachten Materialvolumens in Auftrag gegeben.

Die daraufhin erstellte Fachstellungnahme vom 06.08.2021 wurde mit den Verfahrensparteien in der zweiten Beschwerdeverhandlung am 12.08.2021 erörtert.

Im Anschluss an die Rechtsmittelverhandlung am 12.08.2021 wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerdeentscheidung mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet. Die Niederschrift über diese Verhandlung wurde den Parteien mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 16.08.2021 samt einer Belehrung nach § 29 Abs 2a VwGVG zugestellt, worauf die belangte Behörde mit Eingabe vom 18.08.2021 einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses nach § 29 Abs 4 VwGVG stellte.

II.      Sachverhalt:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein administrativrechtliches Verfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, der Konsensinhaberin einer abfallwirtschaftsrechtlich genehmigten Bodenaushubdeponie wurde der verwaltungspolizeiliche Auftrag erteilt, die weitere Einbringung von Abfällen (Aushubmaterial) in die genehmigte Deponie mit sofortiger Wirkung zu unterlassen.

Die verfahrensgegenständliche Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken **1, **2, **3 und **4, alle KG Y, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018 abfallwirtschaftsrechtlich genehmigt, wobei auch die erforderliche (befristete und dauernde) Rodung nach dem Forstgesetz 1975 und die notwendige wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurden.

Entsprechend dieser Bewilligung beträgt das Deponievolumen 55.000 m³ und wurde die Genehmigung befristet bis 31.12.2023 erteilt, wobei die abzulagernden Abfallarten genau spezifiziert wurden und die Bewilligung an die Einhaltung verschiedener Nebenbestimmungen gebunden wurde.

Schließlich wurde mit dem angeführten Bescheid der belangten Behörde auch die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung zur Errichtung und zum Betrieb der verfahrensbetroffenen Bodenaushubdeponie erteilt.

Die für das Deponievorhaben vorgelegten Projektunterlagen wurden zu einem wesentlichen Bestandteil des Genehmigungsbescheides erklärt, die bewilligten Planunterlagen enthalten auch Darstellungen der Geländeprofile nach Herstellung des Deponiekörpers.

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 14.01.2019, LVwG-***, wurden mehrere Beschwerden gegen den Genehmigungsbescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018 als unbegründet abgewiesen.

Eine dagegen erhobene Revision blieb erfolglos, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.02.2020, Ra ***, wurde die Revision als unbegründet abgewiesen.

Aufgrund einer Verdachtslage, dass bei der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie das bewilligte Deponievolumen bereits überschritten werde, forderte die belangte Behörde mit Schreiben vom 20.01.2021 die Konsensinhaberin und nunmehrige Beschwerdeführerin auf, die weitere Einbringung von Abfällen (Aushubmaterial) in die Deponie mit sofortiger Wirkung zu unterlassen, dies unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 62 Abs 2 iVm § 63 Abs 4 AWG 2002 der Anordnung eines behördlichen Einbringungsverbots im Falle der Nichtbeachtung der Aufforderung.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.04.2021 erfolgte eine weitere Aufforderung gemäß § 62 Abs 2 iVm § 63 Abs 4 AVG 2002 an die Konsensinhaberin,

- die weitere Einbringung von Abfällen (Aushubmaterial) sowie

- die weitere nicht konsensgemäße Anlieferung mit nicht dem Bewilligungsbescheid entsprechenden Fahrzeugen und die festgelegten täglichen sowie wöchentlichen Fahrten überschreitend

mit sofortiger Wirkung zu unterlassen, dies erneut unter Hinweis, dass bei Nichtbeachtung ein behördliches Einbringungsverbot oder die behördliche Schließung der Deponie in Aussicht genommen werde.

Im Verlauf des Jahres 2021 erfolgten insgesamt 5 Vermessungen des Materialauftrags im Bereich der streitverfangenen Bodenaushubdeponie in Y, sämtliche mit der Zielsetzung, die Einhaltung des bewilligten Deponievolumens von 55.000 m³ zu überprüfen.

Von der Abteilung Geoinformation des Amtes der Tiroler Landesregierung erfolgten 3 Vermessungen, nämlich am 12.01.2021, am 27.05.2021 und am 04.08.2021.

Von der Deponieaufsicht wurde am 28.04.2021 eine Vermessung durchgeführt und erfolgte am 01.07.2021 eine von privater Seite beauftragte Vermessung mittels Drohnenbefliegung.

Sämtliche Vermessungen erbrachten unterschiedliche Messergebnisse, wobei hinsichtlich der Messergebnisse der Abteilung Geoinformation des Amtes der Tiroler Landesregierung und der Deponieaufsicht Messungenauigkeiten angegeben wurden, während dies für die private Vermessung nicht geschah.

In den Berichten zum einen des Deponieaufsichtsorganes und zum anderen des Amtssachverständigen der Abteilung Geoinformation über die durchgeführten Vermessungen finden sich auch Hinweise darauf, dass die Messergebnisse unter anderem Materialmengen mitumfassen, die zum Zeitpunkt der Vermessung noch aufgelockert waren, also noch nicht verdichtet in den Deponiekörper eingebaut gewesen sind.

Während der Vermessungen der Abteilung Geoinformation des Amtes der Tiroler Landesregierung am 12.01.2021 sowie am 27.05.2021 wurde auf die verfahrensbetroffene Bodenaushubdeponie abzulagerndes Material angeliefert, die Befüllung der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie war im Zeitpunkt der beiden genannten Vermessungen gerade im Gange.

Am 04.08.2021 wurde auf der bewilligten Deponiefläche ein Materialauftrag im Ausmaß von 50.033 m³ festgestellt, im Nahbereich der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie wurde ein weiterer Materialauftrag (gegenüber dem ursprünglichen Gelände) im Ausmaß von 5.712 m² festgestellt, wobei es sich dabei hauptsächlich um Humusmieten handelt, die bei der Rekultivierung der Bodenaushubdeponie Verwendung finden sollen.

Die am 04.08.2021 festgestellten Materialauftragswerte sind mit einem Ungenauigkeitsfaktor von ± 5 % behaftet.

Auf der Basis der am 04.08.2021 erhobenen Vermessungswerte können unter Zugrundelegung der mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018 bewilligten Geländeprofile nach Herstellung des strittigen Deponiekörpers noch zusätzliche 5.325 m³ in der verfahrensbetroffenen Bodenaushubdeponie eingebaut werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die streitverfangene Bodenaushubdeponie bisher über das konsentierte Deponievolumen von 55.000 m³ hinaus befüllt, mithin überfüllt worden ist.

III.     Beweiswürdigung:

Beweiswürdigend ist in der vorliegenden Rechtssache festzuhalten, dass sich der vorstehend festgestellte Sachverhalt im Wesentlichen aus der gegebenen Aktenlage sowie aus dem vom Gericht ergänzend eingeholten Gutachten aus vermessungstechnischer Sicht ergibt.

Die Feststellungen zum Verfahrensgegenstand, zur Konsenslage und zu den Aufforderungsschreiben der belangten Behörde an die Bewilligungsinhaberin der streitverfangenen Bodenaushubdeponie, weitere Materialanlieferungen auf diese Deponie zu unterlassen, beruhen auf den vorliegenden Aktenunterlagen.

Gegen die Aktenunterlagen bestehen seitens des erkennenden Verwaltungsgerichts keine Bedenken, solche wurden auch von den Verfahrensparteien nicht vorgebracht.

Die getroffenen Feststellungen zu den im Jahr 2021 durchgeführten insgesamt 5 Vermessungen zum Materialauftrag im Verfahrensbereich gehen ebenfalls auf aktenkundige Schriftstücke zurück.

Dass der vorstehenden Sachverhaltsfeststellung die Vermessungsergebnisse vom 04.8.2021 zugrunde gelegt worden sind, nicht aber jene der zeitlich vorangegangenen Vermessungen, beruht auf der einfachen, nichtsdestotrotz aber überzeugenden Überlegung, dass die Vermessung vom 04.08.2021 die aktuellste ist und damit die Geländegegebenheiten im Bereich der Verfahrensörtlichkeit am besten wiedergibt.

Den früheren Vermessungsergebnissen kann nämlich insofern weniger Beweiskraft zugemessen werden, als in diesen noch viel umfangreicher Materialmengen enthalten waren, welche noch nicht verdichtet in den Deponiekörper eingebaut gewesen sind. Zudem hat sich die Situation vor Ort nicht nur durch Verdichtungsmaßnahmen (beim Einbau des angelieferten Bodenaushubmaterials in den Deponiekörper), sondern überdies durch fortlaufende Anlieferung von Deponiematerial ständig verändert. Auf diese Unsicherheiten der festgestellten Vermessungsergebnisse haben die darüber erstellten Berichte – mit Ausnahme des von privater Seite beauftragten Vermessungsberichts – auch hingewiesen.

Aufgrund der aufgezeigten Umstände ist die Beweiskraft der früheren Vermessungsergebnisse deutlich herabgesetzt, im Grunde sind sie als überholt zu betrachten. Die von privater Seite beauftragte Vermessung leidet außerdem an dem Mangel, dass keinerlei Ungenauigkeitsfaktor bezüglich dieses Vermessungsergebnisses angegeben wurde.

Daher hat das entscheidende Verwaltungsgericht bei der vorliegenden Rechtsmittelentscheidung auf das aktuellste Vermessungsergebnis abgestellt, dieses wurde von den Verfahrensparteien anlässlich der Beschwerdeverhandlung am 12.08.2021 in keiner Weise entkräftet bzw substantiiert in Zweifel gezogen.

Die erfolgte Nichtfeststellung zu einer konsenswidrigen Überfüllung der strittigen Bodenaushubdeponie stützt sich auf das amtliche Vermessungsergebnis vom 04.08.2021.

IV.      Rechtslage:

Die belangte Behörde hat die angefochtene Entscheidung auf die Bestimmungen des § 62 Abs 2 sowie des § 63 Abs 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl I Nr 102/2002, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 8/2021, gestützt.

Diese Gesetzesvorschriften haben dabei folgenden Wortlaut:

㤠62.

(…)

(2) Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.

(…)

§ 63.

(…)

(4) Unbeschadet des § 79 hat die Behörde das vorübergehende Verbot der Einbringung von Abfällen oder die Schließung der Deponie anzuordnen, wenn ungeachtet wiederholter Mahnung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen Verpflichtungen aus diesem Bundesgesetz oder einer Verordnung nach § 65 über Deponien oder Auflagen des Genehmigungsbescheides oder Anordnungen nicht eingehalten werden. Dies gilt auch, wenn keine angemessene Sicherstellung geleistet wird.“

V.       Erwägungen:

1)

Die belangte Behörde hat das in Beschwerde gezogene verwaltungspolizeiliche Verbot der weiteren Einbringung von Abfällen (Aushubmaterial) in die bewilligte Bodenaushubdeponie in Y auf die Gesetzesbestimmungen des § 62 Abs 2 und des § 63 Abs 4 AWG 2002 gegründet.

Diese beiden Rechtsgrundlagen vermögen die angefochtene verwaltungspolizeiliche Anordnung und den damit bewirkten Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin, von ihrer behördlichen Erlaubnis gemäß dem Bescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018 Gebrauch zu machen, jedoch nicht zu tragen, wozu im Einzelnen wie folgt auszuführen ist:

a)

Nach den getroffenen Feststellungen wurde auf der genehmigten Deponiefläche bis zum 04.08.2021 erst ein Materialauftrag von 50.033 m³ vorgenommen, wobei dieser Wert mit einer Ungenauigkeit von ± 5 % behaftet ist. Selbst unter Hinzurechnung einer Menge von 5 % zum amtlichen Messergebnis von 50.033 m³ wird das konsentierte Deponievolumen von 55.000 m³ noch keinesfalls überschritten, ergibt diese Hinzurechnung doch erst ein Volumen von 52.534,65 m³.

Demnach kann im Gegenstandsfall von einer ausreichend tragfähigen Verdachtslage gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 nicht ausgegangen werden, die es ermöglichte, die weitere Einbringung von Bodenaushubmaterial in die konsentierte Bodenaushubdeponie zu unterbinden.

Soweit die belangte Behörde auch in Anbetracht der Messergebnisse vom 04.08.2021 bei der Rechtsmittelverhandlung am 12.08.2021 noch auf eine ausreichende Verdachtslage gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 verwiesen hat und diese augenscheinlich darin erblickt hat, dass im Umfeld der bewilligten Deponiefläche ein Materialauftrag von 55.745 m³ festgestellt worden ist, ist vom erkennenden Verwaltungsgericht Folgendes festzuhalten:

Hier übersieht die belangte Behörde, dass die außerhalb der konsentierten Deponiefläche festgestellte (zusätzliche) Materialmenge von 5.712 m³ bei der Frage, ob eine konsenswidrige Überfüllung der Bodenaushubdeponie zu befürchten steht, nicht einfach unbesehen zum Materialauftrag auf der in Rede stehenden Deponiefläche im Ausmaß von 50.033 m³ hinzuaddiert werden kann.

Wenn auch der Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft bei seiner gerichtlichen Befragung am 12.08.2021 erklärt hat, dass die außerhalb der bewilligten Deponiefläche zwischengelagerten Humusmieten zur Rekultivierung des Deponiekörpers Verwendung finden sollen, so wird die simple Hinzurechnung der Materialmenge außerhalb der Deponiefläche zum Materialauftrag auf der Deponiefläche der Lösung der vorliegend maßgeblichen Fragestellung nicht wirklich gerecht.

So hat sich gerade im Gegenstandsfall mit Blick auf die unterschiedlichen Messergebnisse in ihrer zeitlichen Abfolge gezeigt, dass infolge von Verdichtungsmaßnahmen beim Einbau des Materials in die Deponie eine nicht unbeträchtliche Volumenreduzierung eintritt.

Außerdem darf die gegebene Messungenauigkeit von ± 5 % nicht außer Betracht gelassen werden, dies jedenfalls bei Anwendung des § 62 Abs 2 AWG 2002, zumal nach Überzeugung des Landesverwaltungsgerichts Tirol eine Messungenauigkeit zweifelsohne nicht zum Nachteil der Konsensinhaberin zur Begründung einer Verdachtslage im Sinne der zitierten Rechtsvorschrift herangezogen werden kann.

Mit anderen Worten kann von einer ausreichend begründeten Verdachtslage entsprechend der Vorschrift des § 62 Abs 2 AWG 2002 nach Dafürhalten des entscheidenden Verwaltungsgerichts dann nicht gesprochen werden, wenn

-   dieser Verdacht allein auf einem Messwert gründet, dessen Ungenauigkeitsfaktor eine Interpretation des Messergebnisses nach oben oder unten in einem Umfang zulässt, dass nur eine Auslegung des Messergebnisses zum Nachteil der Bewilligungsinhaberin eine Konsensüberschreitung erbringt,

-   ohne dabei noch ausstehende Verdichtungsmaßnahmen – zu Gunsten der Konsensinhaberin – zu bedenken.

Wenn nicht noch andere Umstände hervorkommen, die dafür sprechen, dass eine konsenswidrige Überfüllung des bewilligten Deponievolumens beabsichtigt ist bzw zu befürchten steht, kann eine hinreichende Verdachtslage nach § 62 Abs 2 AWG 2002 sicherlich nicht ausschließlich mit einer für die Konsensinhaberin ungünstigen Messinterpretation begründet werden, hätte dies doch zur Folge, dass bei Annäherung an das konsentierte Deponievolumen mit Blick auf die jedenfalls immer gegebene Messungenauigkeit jedes Mal eine derartige Verdachtslage einträte, sodass – im Falle der Richtigkeit der Sichtweise der belangten Behörde - eine Deponie nie zur Gänze befüllt werden könnte.

Fallbezogen verhält es sich so, dass die festgestellten Materialmengen innerhalb und außerhalb der bewilligten Deponiefläche – ohne Bedachtnahme auf weitere Verdichtungsmaßnahmen bei Herstellung des Deponiekörpers – in etwa der konsentierten Kubatur der Bodenaushubdeponie entsprechen. Bei Abzug des Messungenauigkeitswerts von 5 % wird das genehmigte Deponievolumen deutlich unterschritten.

Auf der bewilligten Deponiefläche selbst wurde die konsentierte Kubatur des Deponiekörpers ganz klar noch nicht erreicht, dies unabhängig davon, ob der Messungenauigkeitswert nun abgezogen oder hinzugerechnet wird. Folglich kann in der vorliegenden Beschwerdesache keine ausreichende Verdachtslage gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 angenommen werden.

b)

Was nun die Rechtsgrundlage des § 63 Abs 4 AWG 2002 anbelangt, ist vom entscheidenden Verwaltungsgericht Folgendes darzulegen:

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut sieht § 63 Abs 4 AWG 2002 die Möglichkeit des vorübergehenden Verbots der Einbringung von Abfällen in eine Deponie oder die Möglichkeit der Anordnung der Schließung einer Deponie dann vor, wenn ungeachtet wiederholter Mahnung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen Verpflichtungen aus diesem Bundesgesetz oder einer Verordnung nach § 65 über Deponien oder Auflagen des Genehmigungsbescheides oder Anordnungen nicht eingehalten werden, wobei § 63 Abs 4 AWG 2002 verwaltungspolizeiliche Eingriffe in aufrechte Deponiebewilligungen ermöglicht (VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0032).

Entsprechend dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut setzt die Anwendung der in Rede stehenden Gesetzesvorschrift eine zumindest zweimalige Mahnung (arg.: „ungeachtet wiederholter Mahnung“) der Behörde an den jeweiligen Konsensinhaber voraus, dass konkrete Rechtspflichten für den Deponiebetrieb einzuhalten sind, dies unter Hinweis auf die Rechtsfolgen eines Einbringungsverbots oder einer Deponieschließung bei Missachtung der Mahnung.

Nach dem festgestellten Sachverhalt erfolgten an die beschwerdeführende Gesellschaft zwei derartige Mahnungen der belangten Behörde, nämlich mit dem Schreiben vom 20.01.2021 und mit dem Schreiben vom 23.04.2021.

Beide Ermahnungen der belangten Behörde bezogen sich auf die befürchtete Überfüllung der Bodenaushubdeponie, das zweite Mahnschreiben befasst sich auch mit nicht konsensgemäßen Anlieferungen zur Deponie

-   mittels Fahrzeugen, welche nicht als LKW mit drei oder vier Achsen zu qualifizieren sind, und

-   in einem 60 Fahrten täglich (hin und retour) und 330 Fahrten wöchentlich (hin und retour) übersteigenden Ausmaß.

Unter Hinweis auf die vorhergehenden Begründungsausführungen ist hier festzuhalten, dass auf der genehmigten Deponiefläche feststellungsgemäß eine rechtswidrige Überfüllung des bewilligten Deponievolumens nicht stattgefunden hat, vielmehr können auf der bewilligten Deponiefläche noch mehrere Tausend Kubikmeter Material aufgebracht werden. Ebenso ist die seitliche Zwischenlagerung des von der Deponiefläche abgeschobenen humosen Oberbodens außerhalb des Deponiestandorts als konsensgemäß anzusehen (vgl Seite 15 des Technischen Berichts des genehmigten Einreichprojekts).

Dass die Anlieferungsmodalitäten (einzusetzende Fahrzeuge, tägliche und wöchentliche Anzahl an Fahrten) trotz Mahnung mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.04.2021 weiterhin nicht beachtet worden wären, ist im Verfahren nicht hervorgekommen und wurde damit auch der bekämpfte Bescheid nicht begründet. Damit fehlt es vorliegend an der Voraussetzung einer Rechtsverletzung beim Deponiebetrieb trotz wiederholter Mahnung. Dementsprechend kann der in Beschwerde gezogene Bescheid auch nicht auf die Rechtsgrundlage des § 63 Abs 4 AWG 2002 gestützt werden.

2)

Zu den Beweisanträgen ist festzuhalten, dass zwei öffentliche mündliche Rechtsmittelverhandlungen in der gegenständlichen Beschwerdesache durchgeführt worden sind. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurden die begehrte Zeugeneinvernahme und die beantragte Befragung des Geschäftsführers der Konsensinhaberin durchgeführt. Schließlich wurde in der vorliegenden Rechtssache auch eine vermessungstechnische Fachstellungnahme eingeholt.

Der von der belangten Behörde gestellte Beweisaufnahmeantrag der Einvernahme eines Geschäftsführers des von privater Seite beauftragten Vermessungsbüros wurde bei der Rechtsmittelverhandlung am 12.08.2021 zurückgezogen, da aufgrund der amtlichen Vermessung am 04.08.2021 diese Beweisaufnahme aus Sicht der antragstellenden Behörde nicht mehr notwendig war, welcher Auffassung auch das erkennende Verwaltungsgericht beizutreten vermag.

Was schließlich die von der beschwerdeführenden Gesellschaft noch begehrte Einholung eines geotechnischen Gutachtens und die beantragte Vornahme eines Lokalaugenscheins anbelangt, konnte auf diese beiden Beweisaufnahmen nach Meinung des Landesverwaltungsgerichts Tirol deshalb verzichtet werden, da der Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren ausreichend geklärt werden konnte. Der Lokalaugenschein konnte schon deshalb entfallen, da eine ausreichende Anzahl von Lichtbildern über die verfahrensgegenständliche Deponie recht anschaulich die Verhältnisse vor Ort wiedergibt. Welchen Mehrwert ein Lokalaugenschein erbracht hätte, wurde nicht aufgezeigt.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Beschwerdefall stand grundsätzlich nicht eine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage im Vordergrund, nämlich die Fragestellung, in welchem Umfang die bewilligte Bodenaushubdeponie der beschwerdeführenden Gesellschaft in Y bereits befüllt worden ist und ob eine Überfüllung zu befürchten steht.

Eine über den gegenständlichen Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Fragestellungen ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen ist von der Eindeutigkeit der maßgeblichen Rechtslage auszugehen, sodass auch aus diesem Grund vorliegend keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung hervorgekommen ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Dr. Aicher

(Richter)

Schlagworte

Bodenaushubdeponie
Zulieferverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.26.1613.10

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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