TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/21 LVwG-2021/39/2088-5

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Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Index

90/02 Führerscheingesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FSG 1997 §1 Abs3
FSG 1997 §37 Abs1
FSG 1997 §37 Abs4 Z1
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in. Mair über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.07.2020, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem FSG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem beschwerdegegenständlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 02.04.2020 um 07.50 Uhr in X, Richtung/Kreuzung: W B ***, km ***.***, das Fahrzeug PKW, **-*****, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, war, da ihm diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2020, GZ: ***, entzogen wurde. Dadurch habe er die Rechtsvorschrift des § 37 Abs 1 FSG iVm § 1 Abs 3 FSG verletzt. Es wurde über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 750,00 (7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 37 Abs 1 FSG iVm § 37 Abs 4 Z 1 FSG verhängt und ihm ein Ersatz der Verfahrenskosten vorgeschrieben.

In seiner Beschwerde stellte der (damals noch rechtsfreundlich) vertretene Beschwerdeführer in Abrede, zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt zu haben, es wäre vielmehr seine Ehefrau die Lenkerin gewesen. Der Beschwerdeführer habe einen Arzttermin in Garmisch-Partenkirchen gehabt, eine Terminbestätigung des aufgesuchten Arztes wurde der Beschwerde beigelegt. Im Übrigen sei am 02.04.2020 auch keine Anhaltung des Fahrzeuges erfolgt, sodass der Beschwerdeführer auch die nunmehr von der belangten Behörde zitierte Auskunft nicht erteilen habe können. Darüber hinaus wäre die verhängte Geldstrafe zu hoch und nicht angemessen, der Beschwerdeführer verfüge über ein Einkommen von lediglich Euro 1.178,13 (Rente wegen Erwerbsminderung)

Zum Beweis bot der Beschwerdeführer die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Ehefrau BB an.

II.      Beweiswürdigung:

Es wurde Einschau gehalten in den vorgelegten Strafakt der belangten Behörde.

Bereits am 02.12.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt. In dieser wurden der Beschwerdeführer, der Zeuge BI CC und die Zeugin BB (Ehefrau des Beschwerdeführers) einvernommen.

Infolge eines Richterwechsels wurde am 15.09.2021 vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol in Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes eine neuerliche öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser erfolgten zeugenschaftliche Einvernahmen der amtshandelnden Beamten der PI Z (BI CC, DD) sowie der Ehefrau des Beschwerdeführers.

Zu klären gilt die entscheidende Frage, wer zur vorgeworfenen Tatzeit am vorgehaltenen Tatort Lenker des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges war. Diesbezüglich liegen einander widersprechende Zeugenaussagen vor.

Erwiesen ist, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2020, Zl ***, die Lenkberechtigung für 6 Monate entzogen wurde. Die vorgeworfene Tatzeit fällt in diesen Zeitraum. Dies blieb unbestritten.

III.     Rechtslage:

§ 1 Abs 3 Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 74/2015, lautet:

„Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. ….“

§ 37 Abs 1 und 4 Z 1 Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 74/2015, lauten:

„(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen nach diesem Bundesgesetz, die einen bestimmten Alkoholgrenzwert zum Lenken oder Inbetriebnehmen von Kraftfahrzeugen festlegen, sind unbeschadet des Abs. 3 Z 3 jedoch nur dann zu bestrafen, wenn keine Übertretung der StVO 1960 oder des § 37a vorliegt. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

(4) Eine Mindeststrafe von 726 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl

1. die Lenkberechtigung entzogen wurde oder

….“

§ 45 Abs 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52/1991 (WV) idF BGBl I Nr 58/2018, lautet:

„(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

….“

IV.      Erwägungen:

Die amtlichen Zeugenaussagen, Lenker des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges wäre der Beschwerdeführer gewesen, sind diamentral zur Zeugenaussage der Ehefrau des Beschwerdeführers, welche sich selbst als Lenkerin benennt.

Alle drei Zeugen machten für die entscheidende Richterin bei ihrer Vernehmung gleichermaßen einen glaubwürdigen Eindruck und vertraten ihre Positionen für sich überzeugend. Keine/r der Vernommenen verwickelte sich in seinen Aussagen – dies auch nicht im Zuge jeweils vertiefender und detaillierter Nachfrage durch die entscheidende Richterin – in inhaltliche Widersprüche. Die Zeugin beharrte über Vorhalt der Aussagen der amtshandelnden Beamten nachdrücklich auf ihrer Schilderung des Geschehens.

Alle drei Einvernommenen standen als Zeugen unter Wahrheitspflicht, wurden nachdrücklich über ihre Wahrheitspflicht belehrt und auf die strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage hingewiesen. Die Zeugin BB wurde über ihr Aussageverweigerungsrecht als Angehörige des Beschwerdeführers belehrt, ungeachtet dessen bestand sie auf ihrem Aussagerecht.

Sowohl die Zeugin BB als auch der Zeuge BI CC blieben in der mündlichen Verhandlung am 15.09.2021 bei ihren bereits in der mündlichen Verhandlung am 02.12.2020 gemachten Aussagen und wich keiner von beiden davon auch nur in geringfügig sich widersprechender Weise ab, aus welchem Grunde sich ansonsten berechtigte Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer jeweiligen Aussage ziehen ließen und diese widersprüchlichen Aussagen damit im Rahmen der Beweiswürdigung gegeneinander abzuwägen waren.

Die Aussagen der Zeugen bzw der Zeugin waren jede für sich glaubhaft und überzeugend, es war keiner der Aussagen größere Glaubhaftigkeit gegenüber einer der anderen beizumessen. Die beweiswürdigende gleichwertige Beweiskraft ergibt sich für das erkennende Gericht in schlüssiger Weise.

Wiewohl es einem amtlichen Organ zugestanden werden muss, über seine amtlichen Wahrnehmungen getreue Aussagen zu machen, kann aber auch der glaubhaften Zeugenaussage eines Angehörigen allein aus dem Grunde seiner Angehörigeneigenschaft nicht schon für sich geringerer Wahrheitswert zugemessen werden. Das alleinige Abstellen auf den inneren Wahrheitsgehalt eines Beweismittels gemäß dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung bewirkt, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind, also alle die gleiche abstrakte Beweiskraft haben. Ihr Beweiswert hängt nur von ihrem inneren Wahrheitsgehalt ab.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der vorliegenden Beweismittel bzw des durchgeführten Beweisverfahrens sohin nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen letztlichen Sicherheit festzustellen, ob bzw dass der Beschwerdeführer das ihm angelastete Vergehen einer Übertretung des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne im Besitz einer dafür notwendigen Lenkberechtigung zu sein, tatsächlich zu verantworten hat. Die Tat konnte letztlich nicht erwiesen werden. Verbleiben nach eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten, dann hat nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ die Einstellung des Verfahrens zu erfolgen (vgl etwa VwGH 16.12.2020, 2009/16/0094, uva). Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung desselben zu verfügen, wenn die einem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen werden kann.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter Punkt IV zitierte höchstgerichtliche Judikatur wird verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Mair

(Richterin)

Schlagworte

in dudio pro reo

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.39.2088.5

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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