TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/13 W111 2221752-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2021
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Entscheidungsdatum

13.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55

Spruch


W111 2221752-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2020, Zl. 770662701-180894197, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation aus der Teilrepublik Tschetschenien, reiste zusammen mit seiner Mutter und drei seiner Geschwister illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.07.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.11.2007 abgewiesen und der minderjährige Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen wurde. Gleichlautende Entscheidungen ergingen in den Verfahren seiner gemeinsam mit ihm eingereisten Familienmitglieder sowie seines bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingereisten Vaters und drei weiterer Geschwister.

2. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.05.2008, Zahl 316.181-1/6E-XIV/08/08, wurde der gegen den dargestellten Bescheid eingebrachten Berufung gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben und dem damals minderjährigen Beschwerdeführer abgleitet vom Status seines Vaters, dem mit Bescheid vom gleichen Datum zu Zahl 311.303-2/8E-XIV/08/08, Asyl gewährt worden war, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater des Beschwerdeführers wurden im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde gelegt:

Der Vater des Beschwerdeführers, der im Jahre 1999 einem verwundeten Kämpfer geholfen und ihn medizinisch versorgt hätte, sei vermutlich aufgrund eines Verrats Jahre später deswegen in das Blickfeld tschetschenischer uniformierter Einheiten geraten, welche ihn festgenommen, entführt, drei Tage lang in einem Keller gefangen gehalten und ihn misshandelt sowie ihn zu zwingen versucht hätten, diverse Papiere zu unterschreiben, weil ihm unterstellt worden sei, tschetschenische Kämpfer unterstützt zu haben. Auch sein Verwandtschaftsverhältnis zu seinem namentlich bezeichneten Neffen, welcher ebenfalls wegen Unterstützung tschetschenischer Kämpfer in das Blickfeld der russischen bzw. tschetschenischen Behörden geraten wäre, sei dem Vater des Beschwerdeführers vorgeworfen worden und es sei offenbar angenommen worden, dass der Vater des Beschwerdeführers regimefeindliche Tätigkeiten unternehme. Der Vater des Beschwerdeführers gehöre somit zu einem Personenkreis, dem ein Naheverhältnis zu islamistischen Separatisten unterstellt werde und der deshalb von anti-separatistischen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung besonders betroffen sei. Angesichts der aufgrund wiederholter Terroranschläge angespannten und gegenüber Personen aus dem Kaukasus feindlichen Stimmung in der gesamten Russischen Föderation, in Verbindung mit der Ethnie des Vaters des Beschwerdeführers, sei – abgesehen davon, dass er den Behörden auch namentlich bekannt wäre – auch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Genannte außerhalb Tschetscheniens keinerlei asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt wäre oder dagegen effektiven behördlichen Schutz zu erwarten hätte. Wie aus den getroffenen Länderfeststellungen hervorginge, wäre es diesem überdies wegen der gegenüber Personen aus dem Nordkaukasus praktizierten Restriktionen beim Erwerb von Zuzugsgenehmigungen praktisch unmöglich, sich außerhalb Tschetscheniens niederzulassen und sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

3. Nachdem der Beschwerdeführer – nach Erreichen der Volljährigkeit – wiederholt wegen der Begehung von Körperverletzungsdelikten rechtskräftig verurteilt worden war, leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Aktenvermerk vom 10.04.2019 das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein und gewährte dem Beschwerdeführer am 06.06.2019 im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme Parteiengehör. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, seine Muttersprache sei Tschetschenisch, außerdem spreche er Englisch sowie Deutsch und verstehe Russisch, letztere Sprache könne er jedoch nicht gut sprechen. Der Beschwerdeführer sei gesund, benötige keine Medikamente und könnte uneingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen. Der Beschwerdeführer habe in Tschetschenien die Volksschule bis zur zweiten Klasse besucht, sei dann nach Österreich gekommen und habe hier den Schulbesuch fortgesetzt und die Pflichtschule absolviert. Bislang habe der Beschwerdeführer noch nicht gearbeitet, er beginne nun seine erste Lehre. Er habe in der Vergangenheit Lehrverhältnisse begonnen, diese aber immer wieder abgebrochen. Zudem habe er mehrere Praktika absolviert. Welche Angehörigen noch in seinem Herkunftsstaat leben würden, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, zumal er zu niemandem in Kontakt stehe. Nach seinen aktuellen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland gefragt, gab der Beschwerdeführer an (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 42 f): „Vor vielen Menschen. Ich bin von denen geflüchtet.“ Befragt, auf welche Leute er sich beziehe, antwortete der Beschwerdeführer: „Den ganzen Leuten, die unter der Macht sind und zu dieser Macht stehen.“ Auf die Frage, ob er noch etwas hinzuzufügen hätte, erklärte der Beschwerdeführer: „Um meine Familie.“ und konkretisierte, es sei offiziell so, dass der Krieg vorbei wäre; „die“ wollten aber ihre Leute zurückhaben, es gebe genug Keller, wo Leute hineingeschmissen und ausgepeitscht würden. Es gäbe viele Menschen, die abgeschoben worden wären und verschwunden seien. Dies hätten ihm viele Landsleute erzählt. Nochmals nach seinen konkreten Ängsten gefragt, meinte der Beschwerdeführer, er fürchte sich vor der Macht Kadyrows. Er könne nicht einmal Russisch, wie sollte er dorthin. Auf Vorhalt, dass er jedoch Tschetschenisch beherrsche, erwiderte der Beschwerdeführer: „Aber auch nicht so gut.“ Nach Vorhalt, dass er sich zuvor mit seiner Mutter auf Tschetschenisch unterhalten hätte, erklärte der Beschwerdeführer, dies sei Umgangssprache gewesen. Nochmals gefragt, was ihm im Fall einer Rückkehr drohen würde, gab der Beschwerdeführer an, dies nicht zu wissen. Es gebe eine Bedrohung für ihn, er wisse jedoch nicht, welche. Er lebe seit 13 Jahren in Österreich. Seine Familie sei damals wegen des Krieges und der Verfolgung seines Vaters ausgereist. Auf die Frage, weshalb sein Vater verfolgt werde, erwiderte der Beschwerdeführer: „Weil es gegen diese Macht ist. Er hat dies nicht gewählt, das ist keine Demokratie. Ich würde gerne in meiner Heimat leben, aber erst dann wenn ich sicher bin, dass ich dort lebendig bleibe. Woher soll ich wissen, was passieren kann. Ich bin mir 100% sicher, dass jeder einzelne Tschetschene, der in Österreich lebt, dort gefahren hätte.“ Auch in einem anderen Teil seines Heimatlandes könne er nicht leben, kein Mensch brauche ihn. Nur seine Mutter brauche ihn. Auch sein in Russland lebender Onkel brauche ihn nicht, dieser habe bestimmt andere Sorgen und habe selbst nicht genug zum Leben. Befragt, woher er dies wisse, gab der Beschwerdeführer an, er wisse es; vielleicht könnte er zwei oder dreimal dort essen.

In Österreich habe der Beschwerdeführer die Schule abgeschlossen, Kurse besucht, Lehren angefangen und wieder beendet. Jetzt beginne er wieder eine Lehre und mache diese hoffentlich zu Ende. In Österreich lebe seine Familie, er spaziere nie mit seinen Landsleuten. Er betreibe Kampfsport in einem Verein. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes strafbare Handlungen begangen, sei jedoch nirgends schuld gewesen. Er habe nur Pech gehabt. Er habe noch nie Probleme mit Drogen oder mit Raub gehabt und sei auch noch nie in seiner Heimat oder im Gefängnis gewesen. Er hätte nur einem Landsmann geholfen und sei dann geschlagen worden, er hätte diesen dann auf den Boden gebracht. Der andere hätte dann die Polizei gerufen und der Beschwerdeführer sei schuldig gesprochen worden, obwohl er nichts gemacht hätte.

Mit Eingabe vom 19.06.2019 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zu den ihm anlässlich der Einvernahme ausgehändigten Länderberichten ein, in welcher er ausführte, er sei mit zehn Jahren nach Österreich gekommen und wisse nicht, wie das Leben in Tschetschenien sei. Ihm sei nur bekannt, dass er einen Onkel und eine Tante im Heimatland habe, zu denen er jedoch nicht in Kontakt stehe. Er wisse überhaupt nicht, wie er dort leben könnte. Er sei in Österreich groß geworden und beherrsche Deutsch besser als seine Muttersprache Tschetschenisch. Der Beschwerdeführer erachte sich als sehr gefährdet, da er aus Tschetschenien geflohen wäre und es laut NGOs immer wieder zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen komme. Der Beschwerdeführer wünsche sich, dass er sein Leben in Österreich, das mittlerweile schon seine Heimat geworden wäre, leben dürfe; all seine Freunde und die Familie würden hier leben. Der Beschwerdeführer wolle seine Zukunft weiterhin hier aufbauen und seine begonnene Ausbildung zum Koch fertigmachen.

4. Mit Bescheid vom 24.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Entscheidung vom 05.05.2008 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage zu befürchten hätte. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung habe dieser nicht glaubhaft machen können. Dieser habe in seiner Einvernahme in Bezug auf sein Heimatland keine konkreten aktuellen bzw. individuellen Fluchtgründe vorgebracht. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner Straffälligkeit nicht mehr ins Familienverfahren falle, habe sich dessen subjektive Lage maßgeblich geändert. Auch könne den Länderberichten entnommen werden, dass sich die objektive Lage im Heimatland maßgeblich geändert hätte und es gäbe keine aktuellen Hinweise einer individuellen Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage seiner Person. Da „eben ehemalige Unterstützer“ keiner Verfolgung ausgesetzt seien, lasse sich eine enorme Verbesserung der Lage im Heimatland feststellen. Aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers im Verfahren habe schließlich festgestellt werden können, dass er im Falle einer Rückkehr keine Gefährdungs- oder Bedrohungslage zu befürchten hätte. In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen, dass die früher bestandenen Voraussetzungen für eine Schutzgewährung aufgrund eines Familienverfahrens unter Verweis auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2017, Zahl L5151 1235454-3, nicht mehr vorliegen würden, der Beschwerdeführer eine individuelle Gefährdungslage nicht glaubhaft habe darstellen können und demnach kein Grund mehr zur weiteren Gewährung des Asylstatus bestehe, sodass der Status gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen wäre. Auch habe angesichts der wiederholten Straffälligkeit und jeweils raschen Rückfälligkeit keine positive Zukunftsprognose getroffen werden können.

Der Beschwerdeführer könnte seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation entgegen seinen Befürchtungen eigenständig bestreiten und würde dort Arbeitsmöglichkeiten sowie familiäre Unterstützungsmöglichkeiten vorfinden. Der Beschwerdeführer sei jung und gesund und habe durch seine dort lebende Tante und seinen Onkel familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Zudem könnte er auf Unterstützung durch seine in Österreich lebenden Angehörigen zurückgreifen. Der Beschwerdeführer habe einen Teil seines Lebens in Tschetschenien verbracht, sei innerhalb eines tschetschenischen Familienverbandes aufgewachsen und somit mit der Sprache und den Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut. Da im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auch keine allgemeine Gefährdungslage gegeben sei, hätten auch keine Gründe für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten festgestellt werden können.

Hinweise auf das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 hätten sich ebenfalls nicht ergeben.

In Österreich hielten sich die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers als Asylberechtigte auf, mit denen der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Somit ergebe sich auch kein schützenswertes Privatleben, zumal der Beschwerdeführer Bindungen zu seinen Familienmitgliedern hätte glaubhaft machen müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen wäre. Der Beschwerdeführer weise Deutschkenntnisse auf, sei in Österreich jedoch noch nie einer Arbeit nachgegangen und hätte auch sonst keine nennenswerten Bindungen vorgebracht, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden. Der Beschwerdeführer sei in Österreich wegen Körperverletzung und schwerer Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden, sein Verhalten stelle daher eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Für die Behörde sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer von der österreichischen Rechtsordnung offenbar nichts halte und es sei nicht vorhersehbar, gegen welche Person sich seine Gewaltbereitschaft als Nächstes richten werde. Der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung begründe demnach keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Familien- und Privatlebens.

5. Mit am 19.07.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich seit seinem elften Lebensjahr und somit mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich. Seine strafrechtswidrigen Taten bereue er zutiefst und habe sich vorgenommen, nie wieder straffällig zu werden. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebe in Österreich und sei ebenfalls asylberechtigt. Der Beschwerdeführer sei in Österreich aufgewachsen, habe hier die Schule abgeschlossen, sei hier bestens integriert und könne sich ein Leben in der Russischen Föderation nicht mehr vorstellen. Die Behörde habe im vorliegenden Verfahren keine Prüfung dessen vorgenommen, ob die Umstände, auf Grund deren der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden wäre, noch bestehen oder nicht; insbesondere sei eine Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Vaters des Beschwerdeführers mit keinem Wort erfolgt. Die Behörde stütze die Aberkennung des Status des Asylberechtigten fallgegenständlich auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG. Soweit sie den Endigungsgrund des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK bejahe, verkenne sie, dass die Verlusttatbestände des Art. 1 Abschnitt C GFK Ausdruck des Entfalles der Schutzbedürftigkeit seien und sich im Wesentlichen auf den Wegfall von im Herkunftsstaat aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen bestandener Verfolgungsgefahr, nicht jedoch auf die im AsylG 2005 geregelten verfahrensrechtlichen Bestimmungen, zu denen auch jene über das Familienverfahren zählen würden, beziehen würden. Eine allfällige Veränderung in den Voraussetzungen, die zur abgeleiteten Asylgewährung im Rahmen des Familienverfahrens geführt hätten, lasse sich daher nicht unter den Aberkennungstatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK subsumieren. Da die Behörde die Aberkennung nicht auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stütze, sei die von der Behörde getroffene Zukunftsprognose völlig irrelevant, nichtsdestotrotz wolle der Beschwerdeführer darauf verweisen, dass er jedenfalls keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Überdies wolle der Beschwerdeführer vorbringen, dass er sehr wohl eigene Fluchtgründe dargelegt hätte und überzeugter Gegner der Politik Kadyrows sei. Er habe in Österreich bereits an kritischen Demonstrationen gegen das tschetschenische Regime teilgenommen und fürchte aus diesem Grund im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation asylrelevante Verfolgung. Zudem sei der Beschwerdeführer Teil der Familie seines Vaters und befürchte auch aus diesem Grund asylrelevant verfolgt zu werden. Dem Beschwerdeführer drohe bei einer Rückkehr zudem jedenfalls eine Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte. Er spreche nur umgangssprachlich Tschetschenisch und kaum Russisch, könne weder Tschetschenisch noch Russisch schreiben, habe mehr als die Hälfte des Lebens in Österreich verbracht und habe in Russland keine Kernfamilie und kein soziales Netz. Ein Ausschlussgrund gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 liege nicht vor, sodass dem Beschwerdeführer jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei seit fast zwölf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Die Behörde verkenne, dass dieser immer noch über ein schützenswertes Familienleben mit seinen Eltern verfüge, da er mit diesen engen Kontakt pflege und eine gegenseitige finanzielle Abhängigkeit bestehe. Zudem sei die Mutter des Beschwerdeführers psychisch schwer krank und benötige auch aus diesem Grund die regelmäßige Unterstützung ihres Sohnes. Auch die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Geschwistern sei als Privatleben durch Art. 8 EMRK geschützt. Zudem habe der Beschwerdeführer seit etwa eineinhalb Jahren eine Freundin, welche österreichische Staatsbürgerin sei. Der Beschwerdeführer sei in Österreich sozial und wirtschaftlich integriert, habe hier den Pflichtschulabschluss gemacht und plane, künftig eine Lehre als Koch zu absolvieren oder sofort eine Arbeitsstelle zu suchen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich zwar bereits dreimal verurteilt worden, allerdings seien die Verurteilungen in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts gefallen und der Beschwerdeführer bereue seine Taten zutiefst. Die Behörde habe die Erlassung der Rückkehrentscheidung teils mit Straftaten begründet, welche der Beschwerdeführer nicht begangen hätte und unzutreffend ausgeführt, dass dieser sich aktuell in Untersuchungshaft befinde. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Der Beschwerde beiliegend wurden Kopien des Reisepasses und des Meldezettels der Freundin des Beschwerdeführers, das Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung des Beschwerdeführers aus Dezember 2014, Bestätigungen von XXXX , diverse Unterstützungsschreiben aus dem sozialen Umfeld des Beschwerdeführers sowie ein ärztlicher Befund betreffend die Mutter des Beschwerdeführers übermittelt.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes, vom 08.04.2020, GZ W111 2221752-1, wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG, behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Der Begründung kann entnommen werden, dass das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt hätten, einen gravierenden Mangel aufweise, als die Behörde keine erkennbaren Feststellungen dahingehend, ob der Vater des Beschwerdeführers – von welchem dieser seinen Satus abgeleitet habe – in der Russischen Föderation unverändert einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt sei, getroffen habe. Es würden die entscheidungsrelevanten Feststellungen in Bezug auf eine unverändert vorliegende asylrelevante Gefährdung des Vaters des Beschwerdeführers fehlen. Insofern habe die Behörde fallgegenständlich lediglich ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, um den für eine Aberkennung des Asylstatus wegen Wegfalls der Umstände relevanten Sachverhalt festzustellen.

Zu dem für das gegenständliche Verfahren entscheidungsmaßgeblichen Aspekt eines beim Vater des Beschwerdeführers unverändert vorliegenden asylrelevanten Sachverhaltes habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinerlei Ermittlungen getätigt. Im Verwaltungsakt liege weder der Bescheid, mit welchem dem Vater des Beschwerdeführers der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, ein, noch fänden sich Einvernahmeprotokolle oder sonstige Unterlagen, welche Rückschluss auf die Fluchtgründe des Vaters des Beschwerdeführers zulassen würden. Die entscheidungsmaßgebliche Frage, ob bei der Bezugsperson des Beschwerdeführers unverändert eine asylrelevante Gefahr vorliege, sei im Verfahren vor der Behörde nicht ansatzweise behandelt worden.

Die Behörde habe die Aberkennung des Asylstatus fallgegenständlich ausschließlich auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG gestützt und keine möglichen weiteren Aberkennungsgründe geprüft. Diesbezüglich sei vollständigkeitshalber festzuhalten, dass sich dem Akteninhalt kein Hinweis auf einen allenfalls vorliegenden alternativen Aberkennungstatbestand entnehmen lasse. Im Akt seien keine Ausfertigungen der gegen den Beschwerdeführer ergangenen Strafurteile, doch sei in Anbetracht der im Strafregister der Republik Österreich ersichtlichen Eintragungen prima facie nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer „ein besonders schweres Verbrechen“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 begangen habe. Dieser weise zwei Verurteilungen wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB sowie eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB auf, wobei die höchste verhängte Strafe eine unter Setzung einer Probezeit zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten gewesen wäre, sodass die vorliegenden Verurteilungen den vom Verwaltungsgerichtshof restriktiv ausgelegten Aberkennungstatbestand des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 wohl nicht erfüllen würden.

Darüber hinaus habe sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch mit der privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers unzureichend befasst. Vor dem Hintergrund, dass dieser seit dem Jahr 2007 infolge seiner im zwölften Lebensjahr erfolgten Einreise durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, wäre – auch vor dem Hintergrund der zwar mehrfachen, jedoch vergleichsweise geringfügigen – Straftaten eine eingehendere Auseinandersetzung mit den privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie den Umständen der begangenen Straftaten von Nöten gewesen, um eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die im Sinne des Art. 8 EMRK durchzuführende Interessensabwägung gewinnen zu können. Die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, die Beziehungen des volljährigen Beschwerdeführers zu seinen Eltern und Geschwistern seien bereits deshalb nicht als schützenswert zu erachten, da dieser mit seinen Angehörigen in keinem gemeinsamen Haushalt lebe, greife jedenfalls zu kurz. Eine nähere Befragung des Beschwerdeführers zur Intensität seiner familiären Bindungen im Bundesgebiet habe nicht stattgefunden. Der angefochtene Bescheid verweise an mehreren Stellen auf die Begründung für die Erlassung eines Einreiseverbotes, ein solches sei jedoch im Spruch nicht verhängt worden. Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Aberkennungsverfahren sei im Ergebnis daher so mangelhaft gewesen, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten gewesen sei.

7. Der Vater des Beschwerdeführers wurde am 28.09.2020 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen. Er gab zu seiner gesundheitlichen Situation befragt an, dass er sich in der Lage fühle, Angaben im Verfahren zu machen.

Befragt, ob er wisse warum er damals den Asylstatus bekommen habe, gab der Vater des Beschwerdeführers an, dass er in Grosny ein Geschäft betrieben habe und wegen dieser geschäftlichen Tätigkeit Schwierigkeiten bekommen habe. Man habe behauptet, dass er während des ersten Krieges die Rebellen unterstützt hätte. Er habe einem Verwundeten geholfen, der an seine Tür geklopft habe. Als größere Kampfhandlungen begonnen hätten, habe er Tschetschenien verlassen und sei in die Nachbarrepublik Inguschetien gegangen. Es sei dann nachgeforscht worden, wer den Rebellen geholfen habe und wer nicht. Der Name des Vaters des Beschwerdeführers sei auf einer Liste erschienen, wo Personen, welche den Rebellen geholfen hätten, angeführt worden seien. Er habe ein Geschäft, ein Kaffeehaus und eine Werkstatt an den besten Plätzen gehabt. Dann sei er verschleppt worden und man habe ihm gesagt, der Grund dafür sei, weil er die Rebellen unterstützt habe. Er habe dann mit einem Schlepper das Land verlassen können.

Befragt, wann er verschleppt worden sei, antwortete der Vater des Beschwerdeführers, vor ca. 12 einhalb Jahren. Sieben Monate bevor er nach Österreich gekommen sei. Weiters gab er an, dass er 2006 verschleppt worden sei und dann 2007 nach Österreich gekommen sei. Die Reise habe 4 oder 5 Monate gedauert. Er sei mit den drei ältesten Kindern hergekommen, die anderen Kinder und seine Frau habe er bei seinen Verwandten versteckt. Er habe lange nicht gewusst, wie er Kontakt zu ihnen herstellen könne, schließlich seien seine Frau und die Kinder dann von selbst ausgereist. Befragt, nach der Ausreise des Beschwerdeführers, so sei dieser mit der Mutter ausgereist und damals ca. 9 Jahre alt, als er dann in Österreich angekommen sei, 10 Jahre alt gewesen.

Dem Vater des Beschwerdeführers wurde vorgehalten, dass laut seinen Angaben, sein Sohn vor ihm in Österreich angekommen sei, nämlich 2006 und der Vater erst 2007. Dazu sagte der Vater, dass der Sohn nicht gleich nach Österreich gekommen sei. Er sei 2007 gekommen, vier oder fünf Monate nach der Ankunft des Vaters.

Die Frage, ob er derzeit in der Heimat leben könnte, verneinte der Vater des Beschwerdeführers. Weiters gab er an, er habe seiner Schwester das Geschäft in Grosny überschrieben, diese betreibe nun das Geschäft. In das Geschäft sei auch eingebrochen worden, seine Schwester sei geschlagen worden und man habe sie gefragt, wo sich der Vater des Beschwerdeführers aufhalte. Der Einbruch sei vor ca. 2 Jahren gewesen. Es sei schrecklich in der Heimat, es könne jederzeit etwas passieren, so gebe es auch Auftragsmorde.

Befragt, warum man ihn umbringen solle, antwortete der Vater des Beschwerdeführers, dass er im Keller festgehalten und geschlagen worden sei, nur, weil er den Rebellen geholfen habe. Da nach 12 Jahren Leute seine Schwester schlagen und nach seinem Aufenthalt fragen würden, gehe er davon aus, dass er einer Gefahr ausgesetzt sei. Sein Neffe habe die Rebellen wirklich unterstützt, dieser lebe jetzt in Wien.

Befragt, ob er noch weitere Verwandte in der Heimat habe, so seien dies eine Schwester und ein kranker Bruder. Mit seinen Cousins und Cousinen habe er schon langen keinen Kontakt mehr, diese seien alle verstreut. Kontakt habe er auch nur zu seiner Schwester, der letzte Kontakt sei vor sieben Monaten gewesen, da der Vater eine Aufzeichnung gebraucht habe, in der Angelegenheit der Abschiebung seines Sohnes.

Auf die Frage, wie der Vater mit seinem Sohn spreche, antwortete er mit Tschetschenisch. Der Sohn verstehe ein bisschen Tschetschenisch, er habe es in der Grundschule gelernt, dann sei der Krieg gekommen und es habe keine Schule mehr gegeben. Außerdem habe der Beschwerdeführer schon viel vergessen.

Die Frage, ob sein Sohn in der Heimat leben könnte, verneinte der Vater und sagte, man könnte ihn dort sogar umbringen, da er sein Sohn sei und sich „Burschen“ schon bei seiner Schwester nach dem Aufenthaltsort seines Sohnes erkundigt hätten. Dies deshalb, da diese „Burschen“ wahrscheinlich gedacht haben, sein Sohn kämpfe in Syrien und sei deswegen nicht zu Hause gewesen.

Befragt, welche Befürchtungen der Vater bei einer Rückkehr in einen anderen Teil des Heimatlandes habe, sagte er, dass auch die anderen Gegenden immer noch Russland seien und auch die Ukraine, Weißrussland und Polen gefährlich seien. Auch sein Sohn könne nicht in einem anderen Teil des Landes leben, er würde sich dort nicht auskennen und das sei für ihn nicht sicher.

Befragt, warum man seinem Sohn mit dem Umbringen drohen würde, seiner Schwester aber nicht, gab der Vater des Beschwerdeführers an, dass seine Schwester seine Adresse nicht wisse.

Auf die Frage, ob er wisse, dass ehemalige Unterstützer der Widerstandskämpfer im Jahr 2006 amnestiert worden seien, gab der an, dass er dieser Amnestie nicht glaube, sonst wäre seine Schwester nicht niedergeschlagen worden.

Abschließend gab der Vater des Beschwerdeführers an, dass er sein gesamtes Geschäft überschrieben habe und auch gern in Österreich geschäftlich tätig werden würde, dafür aber Kapital brauche. Er habe sich auch deshalb bei seiner Schwester gemeldet, damit sie ihm Geld schicke, das mache sie aber nicht. Das sei auch der Grund, warum er der Schwester seine Adresse nie mitgeteilt habe. Geheime Sachen dürfe man keinen Frauen anvertrauen.

Die Frage, ob sein Sohn alleine in Österreich lebe, bejahte der Vater. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Man suche nach einer Braut für ihn.

8. Anschließend wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache erneut niederschriftlich einvernommen und gab zu seinem gesundheitlichen Zustand an, dass er gesund sei, keine Medikamente nehme und jederzeit arbeiten könne. Er sei seit 21.12.2019 Lehrling als Koch in Wien.

Weiters gab er an, seine Muttersprache sei Tschetschenisch, er spreche aber auch ein wenig Russisch und gut Deutsch.

Befragt, welche Verwandten in Österreich leben, so seien das seine Eltern sowie fünf Brüder und eine Schwester.

Die Frage, ob er alleine lebe, bejahte der Beschwerdeführer. Er ziehe diesen Monat noch in eine Unterkunft und zahle 200€, dort sei er schon gemeldet. Derzeit habe er keine Wohnung und schlafe ab und zu bei seiner Freundin, Freunden oder draußen. Er gab an, obdachlos zu sein. Sein Chef habe ihm aber gesagt, dass er sein Bestes geben werde, damit der Beschwerdeführer eine eigene Wohnung bekomme.

Befragt, nach seiner Freundin gab der Beschwerdeführer an, diese habe er seit 2016. Sie sei österreichische Staatsangehörige, ihr Vater stamme aus Nigeria und die Mutter aus Österreich.

Wenn dem Beschwerdeführer vorgehalten wird, dass der Vater auf der Suche nach einer Braut für ihn sei, antwortete er, dass man mit Vätern nicht über Frauen reden würde. Er könne seine Freundin auch nicht vor seinem Vater küssen oder Händchen halten. Er sei so erzogen worden.

Befragt, wie oft er seine Eltern und Geschwister sehe, gab er an, seine Eltern sehe er zwei- bis dreimal in der Woche. Seine Mutter rufe ihn jeden Tag an. Am meisten sehe er seinen jüngeren Bruder. Weiters gab er an, dass er sehr viel arbeite, bis acht oder neun Uhr abends und sich sein Dienstplan jede Woche ändern würde. Da würde nicht wirklich Zeit bleiben, um die Geschwister zu sehen.

Befragt, wie oft er seine Freundin sehe und warum er nicht bei ihr wohne, gab der Beschwerdeführer an, er sehe seine Freundin vier bis fünf Mal in der Woche. Sie wohne noch bei ihren Eltern, diese seien nicht damit einverstanden, dass er bei ihr wohne. Er hoffe aber, dass seine Freundin, wenn er dann eine Wohnung habe, zu ihm ziehen werde.

Befragt, nach sonstigen familiären oder privaten Bindungen in Österreich, sagte der Beschwerdeführer, dass er Freunde und Verwandte hier habe, etwa seine Cousins, Cousinen, Nichten und Neffen. Es würden aber nur wenige in Wien wohnen. Er sehe die restlichen Verwandten selten, diese würden zu Feiern oder zu Silvester nach Wien kommen. An erster Stelle würden für den Beschwerdeführer aber seine Geschwister und Eltern stehen.

Wenn der Beschwerdeführer noch einmal gefragt wird, wie oft er seine Geschwister sehe, antwortete er, das sei verschieden. Seinen Bruder XXXX sehe er fast jeden Tag. Den ältesten Bruder sehe er vielleicht ein bis zweimal im Monat. Seine Schwester sehe er ab und zu, sie arbeite auch in der Gastronomie und habe wenig Zeit. Hin und wieder würden sie gemeinsam essen gehen. Seine Schwester sei auch die Einzige, die seine Freundin richtig kennen würde.

Befragt, ob es Familienfeiern gebe und die Freundin dort mitgehe, sagte der Beschwerdeführer, dass er sie nicht mitnehmen könne, dies aufgrund des Vaters. Der Beschwerdeführer rede nur mit seiner Mutter über seine Freundin. Seine Freundin sei noch nie bei ihm zuhause gewesen und kenne nur die Mutter des Beschwerdeführers.

Befragt, ob er in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation sei, sagte der Beschwerdeführer, dass er seit über vier oder fünf Jahren in einem Kampfsportverein sei.

Befragt nach Vorstrafen in Österreich, gab der Beschwerdeführer an, dass es soweit er wisse, drei Vorstrafen seien. Er sei 2017 oder 2018 zuletzt verurteilt worden, er wisse es aber nicht genau.

Befragt, weswegen er verurteilt worden sei, schilderte er ein Ereignis in einer Diskothek. Es sei zu einem Konflikt mit einer anderen Person gekommen und die Polizei sei gekommen. Der Beschwerdeführer sei nicht weggelaufen, da er sich sicher gewesen sei, dass er die Person nicht geschlagen habe. Die Tante der Person habe dann gesagt, der Beschwerdeführer habe dieser einen Faustschlag gegeben. Der Beschwerdeführer gab an, sein Bestes zu geben, dass so etwas nie wieder vorfallen werde.

Befragt, warum er damals aus seiner Heimat ausgereist sei, sagte er, das sei wegen seines Vaters gewesen. Der Vater habe gewollt, dass die Familie in Sicherheit komme und habe sie quasi mitgenommen, damit sie keine Probleme bekommen würden.

Befragt, warum der Vater aus der Heimat ausgereist sei, gab der Beschwerdeführer an, das sei aus politischen Gründen gewesen. Er wisse die richtigen Gründe nicht zu 100 Prozent, der Vater rede nicht darüber, da er Angst habe, der Beschwerdeführer könnte etwas weitererzählen.

9. Mit Bescheid vom 09.11.2020 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Entscheidung vom 05.05.2008 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage zu befürchten hätte. Zumal sich auch nach der Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers sowie der erneuten Einvernahme des Beschwerdeführers keine Umstände ergeben hätten, welche ein Abweichen von der zuvor getroffenen Entscheidung bewirkt hätten. So habe der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme in Bezug auf sein Heimatland keine konkreten aktuellen bzw. individuellen Fluchtgründe vorbringen können. Tschetschenisch sei die Muttersprache des Beschwerdeführers. Zu dem vom Vater des Beschwerdeführers vorgebrachten Punkt, es sei eine Verfolgung zu befürchten, da er Widerstandskämpfer unterstützt habe, sei anzumerken, dass im Jahr 2006 ehemalige Widerstandskämpfer amnestiert worden seien und diese ohne Gefährdungslage in Tschetschenien leben könnten. Aus diesem Grund hätten der Beschwerdeführer und der Vater des Beschwerdeführers nichts mehr zu befürchten. Die Gründe hätten sich demnach geändert und es sei keine Gefährdungslage in der Heimat des Beschwerdeführers mehr zu befürchten, er könne sich dort ein neues Leben aufbauen. Der Grund für die damalige Schutzgewährung sei weggefallen und nicht mehr aktuell, andere Gründe habe der Beschwerdeführer auch jetzt nicht vorgebracht. Den aktuellen Länderinformationen könne eine enorme Verbesserung der Lage im Heimatland entnommen werden. Der Beschwerdeführer habe keine Gefährdungslage mehr zu befürchten, eine Rückkehr dorthin sei ihm jedenfalls zumutbar. Den Länderberichten sei auch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation bestreiten könnte. Weiters sei es für erwachsene Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte zu knüpfen. Für den Beschwerdeführer sei es möglich, sich in seiner Heimat ein neues Leben aufzubauen, er habe einen Teil seines Lebens in Tschetschenien verbracht, sei innerhalb eines tschetschenischen Familienverbandes aufgewachsen und somit mit der Sprache und den Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut. Auch betreffend das Privat- und Familienleben und den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich habe er nichts vorbringen können, was zu einer Abweichung der getroffenen Entscheidung der Behörde, bewirkt hätte. Der Beschwerdeführer habe keine besondere Bindung in Österreich oder zu seiner Familie, er sei seit drei Jahren obdachlos und habe keine Unterstützung von seiner Familie oder seiner Freundin erhalten.

In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen, dass § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten vorsehe, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten sei. Ein Endigungsgrund liege (unter anderem) vor, wenn die Umstände, auf deren der Fremde als Flüchtling anerkannt worden sei, nicht mehr bestünden und dieser es daher nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. Der Beschwerdeführer habe keine Gefährdungslage glaubhaft vorbringen können, es bestünde demnach kein Grund zur Gewährung des Asylstatus, umso mehr auch sonst keine Gründe für eine wohlbegründete Furcht aus einem in der GFK genannten Gründe ersichtlich seien. Des Weiteren stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, wo der Beschwerdeführer selbst wenn er einer Verfolgung ausgesetzt wäre, welche er jedoch nicht glaubhaft vorbringen habe können, in einem anderen Teil des Heimatlandes Schutz erhalten würde. Da im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auch keine allgemeine Gefährdungslage gegeben sei, hätten auch keine Gründe für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten festgestellt werden können. Hinweise auf das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 hätten sich ebenfalls nicht ergeben. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers seien in Österreich asylberechtigt, seine Freundin sei österreichische Staatsbürgerin. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit drei Jahren obdachlos sei und von niemanden aus der Familie oder seiner Freundin aufgenommen worden sei, begründe somit auch kein schützenswertes Privatleben, zumal der Beschwerdeführer Bindungen zu seinen Familienmitgliedern hätte glaubhaft machen müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen wäre. Der Beschwerdeführer weise Deutschkenntnisse auf, sei in Österreich jedoch noch nie einer Arbeit nachgegangen und hätte auch sonst keine nennenswerten Bindungen vorgebracht, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden. Auch im Hinblick auf die Straffälligkeiten des Beschwerdeführers sei es zu keinem anderen Ergebnis seitens der Behörde gekommen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich wegen Körperverletzung und schwerer Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden, sein Verhalten stelle daher eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Für die Behörde sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer von der österreichischen Rechtsordnung offenbar nichts halte und es sei nicht vorhersehbar, gegen welche Person sich seine Gewaltbereitschaft als Nächstes richten werde. Die Fortsetzung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit dar. Der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung begründe demnach keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Familien- und Privatlebens.

10. Mit Schriftsatz vom 24.11.2020 wurde fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen wie bisher ausgeführt und ergänzend vorgebracht, dass das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren grob mangelhaft gewesen sei, da diese ihrer nach §§ 37, 39 Abs. 2 AVG bestehenden und in § 18 Abs. 1 AsylG konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen sei und die Familienmitglieder und die Freundin des Beschwerdeführers nicht als Zeugen für das Bestehen eines (gemäß Art. 8 EMRK) geschützten Privat- und Familienlebens angehört habe. Weiters seien die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und veraltet. Die Behörde habe ihrer Entscheidung nicht das aktuelle Länderinformationsblatt zugrundegelegt und habe sich nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers im Hinblick auf die getroffene Länderfeststellung auseinandergesetzt. Die Sicherheitslage in der Russischen Föderation für Angehörige von tschetschenischen Widerstandskämpfern habe sich seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht gebessert. In Tschetschenien komme es weiterhin zu massiven Menschenrechtsverletzungen und außergerichtlichen Hinrichtungen sowie Folter von ehemaligen Widerstandskämpfern. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers wäre mit der realen Gefahr einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 und Art. 3 EMRK verbunden.

Der angefochtene Bescheid enthalte auch aktenwidrige Feststellungen, so habe der Beschwerdeführer keine Tochter (Bescheid S. 15), befinde sich und habe sich im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht in Haft befunden (Bescheid S. 108). Weiters sei der Beschwerdeführer nicht arbeitslos und habe keine Diabeteserkrankung (Bescheid S. 104).

Die Feststellung der Behörde, dass ehemalige Widerstandskämpfer oder Unterstützer nicht mehr verfolgt werden würden und ohne Gefährdungslage leben könnten, stehe im Widerspruch zu den Länderfeststellungen. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit der Aussage des Vaters des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, dass dieser nach wie vor Angst vor Verfolgung habe und dass auch noch Jahre nach seiner Flucht nach ihm gesucht werde. Dem Vater drohe wegen der Unterstützung von tschetschenischen Kämpfern im Krieg noch immer asylrelevante Verfolgung. Die belangte Behörde stütze im gegenständlichen Fall die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG, also darauf, dass einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten sei, nehme aber keine ausreichende Prüfung dessen vor, ob die Umstände, auf Grund deren der Vater des Beschwerdeführers als Flüchtling anerkannt worden sei, noch bestünden und bediene sich unvollständiger und veralteter Länderberichte. Abgesehen davon wäre dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht abzuerkennen gewesen, da die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen würden. Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund seiner oppositionellen Einstellung gegenüber Kadyrow im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation asylrelevante Verfolgung. Zusätzlich werde Rückkehrern eine oppositionelle Gesinnung unterstellt, weshalb ihm als Mitglied zur sozialen Gruppe der Rückkehrer aus dem Ausland, speziell aus Europa, Verfolgung drohe. Es bestünde keine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer, da sich die Situation für Tschetschenen außerhalb der Republik Tschetschenien als prekär erweise und der Beschwerdeführer auch dort nicht vor seinen Verfolgern sicher sei. Dem Beschwerdeführer drohe bei einer Rückkehr zudem jedenfalls eine Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte. Dem Beschwerdeführer wäre jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinen Eltern und seinen Geschwistern sei jedenfalls als schützenswertes Privatleben vom Schutz des Art. 8 EMRK umfasst. Weiters sei die Beziehung des Beschwerdeführers mit seiner Freundin von Art. 8 EMRK geschützt. Es liege eine Entfremdung des Beschwerdeführers von seinem Heimatland vor, da er seit fast 15 Jahren in Österreich aufhältig sei und zudem in der österreichischen Gesellschaft sozial und wirtschaftlich integriert sei. Er mache derzeit eine Lehre zum Koch und habe das erste Lehrjahr bereits erfolgreich absolviert. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Bindung mehr zu seinem Herkunftsstaat, er habe dort keinerlei Mitglieder seiner Kernfamilie, verfüge somit über keinerlei soziales oder familiäres Netzwerk. Zu der Straffälligkeit des Beschwerdeführers wird wiederholt vorgebracht, dass er seine Taten zutiefst bereue und in Zukunft keine Straftaten mehr begehen werde. Der Beschwerdeführer habe sich sonst keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremden- und Einwanderungsrechts zu schulden kommen lassen. In Abwägung der Tatbestände des § 9 Abs. 2 BFA-VG würden die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung und Abschiebung des Beschwerdeführers jedenfalls überwiegen.

Die Feststellung der Behörde, wonach eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten wäre, sei rechtswidrig. Die Behörde habe ihrer Prüfung Straftaten zu Grunde gelegt, für die der Beschwerdeführer nie verurteilt und auch nie angezeigt worden sei. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK. Dem Beschwerdeführer sei eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 AsylG zu erteilen.

Der Beschwerde beiliegend wurde ein Lehrvertrag als Koch, Zeugnisse der Berufsschule für Gastgewerbe, ein Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung, eine Gehaltsabrechnung vom August 2020, eine Teilnahmebestätigung an der Maßnahme „Kompetenz mit System – Orientierung, Modul 1“ bei XXXX , sowie mehrere Empfehlungsschreiben und eine Stellungnahme von XXXX , übermittelt. Ergänzend wurde am 16.12.2020 ein Schreiben des Bewährungshelfers des Beschwerdeführers übermittelt.

11. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 18.12.2020 mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher der tschetschenischen Volksgruppe angehört und sich zum moslemischen Glauben bekennt. Er stellte nach illegaler Einreise am 20.07.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.05.2008 wurde der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.11.2007 stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 AsylG - in Hinblick auf das Verfahren des Vaters des Beschwerdeführers - in Österreich Asyl gewährt und festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 05.05.2008 wurde dem Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers stattgegeben. Der Begründung dieses Bescheides kann entnommen werden, dass dem Genannten der Asylstatus ursprünglich wegen einer ihm durch die Behörden des Heimatstaates vorgeworfenen Kooperation mit tschetschenischen Widerstandskämpfern und einer in diesem Zusammenhang erlittenen Gefangenschaft zuerkannt worden war.

1.2. Der Beschwerdeführer und der Vater des Beschwerdeführers sind aufgrund des Umstandes, dass dem Vater des Vaters des Beschwerdeführers eine Kooperation mit tschetschenischen Widerstandskämpfern vorgeworfen wurde und einer in diesem Zusammenhang erlittenen Gefangenschaft des Vaters des Beschwerdeführers, keiner Verfolgung durch die Behörden in der Russischen Föderation ausgesetzt. Ein derartiges Risiko besteht weder in Tschetschenien noch in anderen Landesteilen der Russischen Föderation.

Auch darüber hinaus ist der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation einer Verfolgung nicht ausgesetzt und droht eine solche nicht aktuell. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr in Tschetschenien respektive der Russischen Föderation nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

1.3. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation (Tschetschenien) in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer ist in Tschetschenien geboren und lebte dort bis 2007. Der Beschwerdeführer spricht die Landessprache und verfügt über Angehörige im Herkunftsstaat. Der arbeitsfähige Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der Beschwerdeführer ist dazu in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat durch die Teilnahme am Erwerbsleben eigenständig zu bestreiten.

1.4. Die Strafregisterauskunft weist folgende Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom 01.12.2015 RK 05.12.2015

§§83(1),84(1)StGB

Datum der (letzten) Tat 02.06.2015

Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 05.12.2015

zu LG XXXX RK 05.12.2015

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 18.07.2018

zu LG XXXX RK 05.12.2015

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 05.12.2015

LG XXXX vom 30.06.2021

02) BG XXXX vom 25.08.2016 RK 30.08.2016

§83(1)StGB

Datum der (letzten) Tat 02.07.2015

Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX RK

05.12.2015

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 30.08.2016

03) BG XXXX vom 18.07.2018 RK 23.07.2018

§83(1)StGB

Datum der (letzten) Tat 30.07.2017

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

1.5. Der kinderlose Beschwerdeführer ist seit 05.01.2017 in Österreich obdachlos gemeldet. In Österreich leben seine Eltern, fünf Brüder sowie eine Schwester. Diese sind asylberechtigt. Er lebt mit diesen Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt. Seine Mutter braucht aufgrund ihrer Erkrankung Unterstützung im Alltag und Haushalt. Er führt nach eigenen Angaben eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, lebt mit dieser jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Zudem leben weitere Verwandte in Österreich, die er selten sieht. Ein besonderes persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis im Bundesgebiet liegt hinsichtlich seiner Angehörigen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut. Er verfügt über eine Schulbildung und hat Arbeitserfahrung gesammelt. Er verfügt über ein Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung vom 17.12.2014. Er macht seit 01.12.2019 eine Kochlehre. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit Sozialleistungen in Anspruch genommen. Er hat an der Maßnahme „Kompetenz mit System – Orientierung, Modul 1“ bei XXXX teilgenommen. Er ist in einem Kampfsportverein. Seit Februar 2016 wird er im Rahmen einer angeordneten Bewährungshilfe betreut. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch.

1.6. Zum Herkunftsstaat wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 3.9.2019a, vgl. BMeiA 3.9.2019, GIZ 8.2019d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 3.9.2019).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (3.9.2019a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 3.9.2019

BmeiA (3.9.2019): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 3.9.2019

Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden, https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (3.9.2019): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 3.9.2019

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019d): Russland, Alltag, https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 3.9.2019

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 3.9.2019

Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.2.2019). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff „low level insurgency“ umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sog. IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Nowaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz‘, eine ‚Provinz Kaukasus‘, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus-Emirats dem ‚Kalifen‘ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sog. IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt hat. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des sog. IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sog. IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2018). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In den vergangenen Jahren hat sich die Hauptkonfliktzone von Tschetschenien in die Nachbarrepublik Dagestan verlagert, die nunmehr als gewaltreichste Republik im Nordkaukasus gilt, mit der vergleichsweise höchsten Anzahl an extremistischen Kämpfern. Die Art des Aufstands hat sich jedoch geändert: aus großen kampferprobten Gruppierungen wurden kleinere, im Verborgenen agierende Gruppen (ÖB Moskau 12.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repres

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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