Entscheidungsdatum
14.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W146 2231838-2/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER über die Beschwerde von XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2021, Zl. 81866300-190084141, sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2021,
A)
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
zu Recht erkannt:
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom XXXX , Zahl: XXXX zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Beschwerdeführer nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde weiters eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), die Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.), ein Einreiseverbot befristet auf die Dauer von 8 Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.), sowie eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VII.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die BBU GmbH, mit Schreiben vom 31.05.2021 Beschwerde, welche über webERV dem Bundesverwaltungsgericht am selben Tag übermittelt wurde.
Diese Beschwerde wurde gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG der zuständigen Behörde (BFA) am 09.06.2021 weitergeleitet.
Am 04.06.2021 langte eine weitere Beschwerde seitens der BBU per Mail beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Mit Verspätungsvorhalt vom 16.06.2021 wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters mitgeteilt, dass sich die gegenständliche Beschwerde nach der Aktenlage als verspätet darstelle. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Mit Schriftsatz vom 30.06.2021 wurden eine Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Ausgeführt wurde zunächst, dass der angefochtene Bescheid durch Hinterlegung am 04.05.2021 rechtmäßig dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei. Die Sachbearbeiterin habe die Frist in den elektronischen Fristenkalender eingetragen. Die Geschäftsstellenleiterin kontrolliere täglich den elektronischen Fristenkalender, hierfür werde ein Feld angezeigt, wo die Geschäftsstellenleiterin erkennen könne, ob eine Frist erledigt worden sei bzw. wann eine Frist für ein Rechtsmittel enden würde. So könne keine Frist vergessen werden. Sobald eine Beschwerde abgeschickt bzw. ein Termin erledigt werde, schließe der jeweilige Rechtsberater die Aufgabe und nehme dann im jeweiligen Fall einen Eintrag vor, indem er dokumentiere, dass die Beschwerde übermittelt worden sei. Hierzu werde die Beschwerde sowie die Zustellbestätigung abgespeichert, so könne die Geschäftsstellenleiterin nachvollziehen, welche Fristen noch offen und welche bereits „abgeschlossen“ seien.
Hierzu wurde ein Ausdruck vom internen Prozess über das Fristenmanagement in Ausdruck vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass um die Übermittlung der Beschwerde ersucht wurde. Zusätzlich ist das Datum 31.05.2021 ersichtlich sowie die Kategorisierung als „geschlossen“. Etwaige andere Hinweise sind nicht ersichtlich.
Die Sachbearbeiterin der gegenständlichen Beschwerde habe die Beschwerde irrtümlicherweise via webERV am 31.05.2021 dem BVwG übermittelt. Im Anschluss habe die Sachbearbeiterin die Beschwerde sofort per Mail an das BFA, Regionaldirektion NÖ, übermittelt, wobei sie vergessen habe, einen Zustellnachweis zu verlangen. Mit Verspätungsvorbehalt des BVwG habe die Sachbearbeiterin erstmals erfahren, dass die Beschwerde nach Ansicht des BVwG verspätet eingelangt sei. Da die Beschwerde sofort im Anschluss via Mail am 31.05.2021 an die zuständige Behörde (hier BFA) übermittelt worden sei, sei es der Vertreterin des Beschwerdeführers unerklärlich, wie die Beschwerde erst am 04.06.2021 beim BFA einlangt sei.
Dem Beschwerdeführer sei kein Auswahlverschulden anzulasten, da die BBU GmbH eine auf den Asylbereich spezialisierte Einrichtung sei und tausende Asylwerber betreue. Er habe daher auf die Expertise der BBU GmbH vertrauen können. Der BBU GmbH sei nur ein minderer Grad an Verschulden zuzurechnen, weil dies die durchgeführte Praxis der Fristenkontrolle und ihre sehr gewissenhafte Art zeige.
Aufgrund der herrschenden Ausnahmesituation wegen der COVID-19-Pandemie, welche zahlreiche zusätzliche Verpflichtungen mit sich bringen würde und des überdurchschnittlich hohen Arbeitsanfalles sei es zu der oben ausgeführten unvorhergesehenen Situation gekommen. Die Arbeit der Behörden und der Rechtsvertretungen werde dadurch auf eine harte Probe gestellt und der Arbeitsaufwand sei stark erhöht worden. Weiters sei die Beschwerde von einer verdienstvollen und ansonsten untadeligen Rechtsberaterin eingebracht worden, die bei Übermittlung von Beschwerden immer den Zustellnachweis verlangt habe, bis auf den vorliegenden Fall.
Es sei ausschließlich durch die unglückliche Verkettung von Umständen und dem daraus folgenden einmaligen und erstmaligen menschlichen Versagen der zuständigen Sachbearbeiterin zu dem ausnahmsweisen Versagen des Kontrollmechanismus und zwar dadurch, dass sie die Verlangung des Zustellnachweises verabsäumt habe, gekommen.
Auf entsprechende Judikatur betreffend Wiedereinsetzung wurde verwiesen.
Auf Anfrage gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass die gegenständliche Beschwerde am 04.06.2021 eingebracht worden sei.
Auf Anfrage übermittelte die BBU den Auszug über den internen Prozess in der BBU zum Fristenmanagement, sowie die E-Mail vom 04.06.2021, mit der die Beschwerde ans BFA übermittelt wurde.
Die Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt sowie der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Zustand sind am 30.06.2021 beim BVwG eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Bescheid der belangten Behörde vom 28.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer am 04.05.2021 durch Hinterlegung zugestellt. Die Beschwerdefrist endete sohin am 01.06.2021.
Die von der bevollmächtigten Vertreterin (BBU GmbH) des Beschwerdeführers verfasste Beschwerde langte am 04.06.2021 per Mail bei der belangten Behörde ein.
Mit fristgerechtem Schriftsatz vom 30.06.2021 beantragte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine bevollmächtigte Vertretung, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.
Die Rechtsberaterin und Vertreterin des Beschwerdeführers ist eine auf den Asylbereich spezialisierte Einrichtung und betreut laut ihren Angaben tausende Asylwerber.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Vertreterin des Beschwerdeführers ein Kontrollsystem zur Vermeidung von Fristversäumnissen eingerichtet hat. Im konkreten Fall vergewisserte sich die Vertreterin des Beschwerdeführers nicht, ob die Beschwerde der Behörde erfolgreich übermittelt wurde. Erst aufgrund des Verspätungsvorhaltes wurde dieser bekannt, dass die Beschwerde am 04.06.2021 bei der Behörde eingelangt ist.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung, dass die Beschwerde am 04.06.2021 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt ist, ergibt sich aus der dem erkennenden Gericht weitergeleiteten Mail des BFA. Aus dem von der BBU vorgelegten Auszug zum Fristenmanagement ergibt sich lediglich das Ersuchen um Übermittlung der Beschwerde mit dem Datum 31.05.2021 und ohne Bezeichnung der belangten Behörde. Die Rechtsvertretung gab im Wiedereinsetzungsantrag selbst an, dass der Nachweis der behaupteten Rechtzeitigkeit der Beschwerde nicht möglich ist, weil auf eine Zustellbestätigung vergessen wurde.
Die Feststellung der Bevollmächtigung der BBU durch den Beschwerdeführer ergibt sich aus der mit der Beschwerde vorgelegten Vollmacht.
Die Einrichtung eines Kontrollsystems zur Vermeidung von Fristversäumnissen in der Geschäftsstelle der BBU, wie etwa die Einholung einer Übermittlungsbestätigung oder eines schriftlichen Ersuchens um Bestätigung des Eingangs der Beschwerde, wurde zu keinem Zeitpunkt bescheinigt oder auch nur behauptet. Ebenso wenig wurde vorgebracht, dass die Vertreterin oder die Geschäftsstellenleiterin im konkreten Fall kontrollierte, ob die Beschwerde tatsächlich rechtzeitig eingebracht wurde. Vielmehr wurde der BBU erst durch den Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichts bewusst, dass die Beschwerde verspätet eingelangt ist.
Mangels eines konkreten Vorbringens oder der Vorlage eines entsprechenden Bescheinigungsmittels konnte sohin nicht festgestellt werden, dass die Vertretung des Beschwerdeführers ein ausreichendes Kontrollsystem zur Vermeidung von Fristversäumnissen in der Geschäftsstelle eingerichtet oder im konkreten Fall versucht hat, sich über die ordnungsgemäße Zustellung zu vergewissern. Wären die Abläufe bei der BBU so wie im Antrag geschildert, hätte der Geschäftstellenleiterin auffallen müssen, dass kein Zustellnachweis vorliegt und die Beschwerde nicht eingebracht wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ra 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (siehe etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0583). An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (VwGH 31.05.2017, Ra 2017/22/0064).
Da der Beschwerdeführer die BBU GmbH mit seiner Vertretung im Beschwerdeverfahren bevollmächtigt hat, ist ihm deren Verschulden zuzurechnen, wie sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt (vgl. VwGH 09.02.2018, Ra 2018/20/0008; VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113). Für die Vertretung durch einen Rechtsberater im asyl- und fremdenrechtlichen Beschwerdeverfahren legt der Verwaltungsgerichtshof den gleichen strengen Sorgfaltsmaßstab an wie für Verfahren durch einen Rechtsanwalt (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen einer Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichtspflichten und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Gerade an beruflich rechtskundige Parteienvertreter, die im alltäglichen Leben mit Anträgen und damit mit dem Fristenlauf und den daran geknüpften Bedingungen vertraut sind, ist ein strenger Maßstab anzulegen, um eine fristgerechte Setzung von Verfahrenshandlungen sicherzustellen. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen ua dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 23. Februar 1993, Zl. 91/08/0170, und die Beschlüsse vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/1062, 22. März 1991, Zl. 91/10/0018, 90/08/0149, 25. September 1990). Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (vgl VwGH 18.4.2002, 2001/01/0559). Ein Anwalt verstößt gegen seine Überwachungs- und Sorgfaltspflichten, wenn er im Vertrauen auf die Verlässlichkeit seiner Büroangestellten weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens einer Kanzleiangestellten Fristversäumnisse auszuschließen geeignet sind (VwGH 21.05.1996, 96/05/0047).
In einer Rechtsanwaltskanzlei ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets vor allem der Anwalt und nicht etwa jene Kanzleiangestellte allein verantwortlich, die den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 677, Rz 43 zu § 71 AVG).
Hiezu ist zu erwähnen, dass der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits in seinem Erkenntnis vom 15.09.1994, Zahl 93/09/0452 hervorgehoben hat, die Behauptung beruflicher Überlastung stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Nun wurde im Wiedereinsetzungsantrag selbst vorgebracht, dass es sich bei der für den Beschwerdeführer zuständigen Rechtsberaterin um eine sehr gewissenhafte Person handle. Gerade dann kann von ihr ein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab erwartet werden und ist die Übermittlung der Beschwerde an die zuständige Behörde wohl als eines der wichtigsten, wenn nicht als das wesentlichste Moment im Rahmen der Rechtsmitteleinbringung zu werten.
Im gegenständlichen Fall bedeutet die oben zitierte Judikatur folgendes:
Der Beschwerdeführer bringt in seinem Wiedereinsetzungsantrag vor, die zuständige Rechtsberaterin sei vom Beschwerdeführer beauftragt worden, gegen den Bescheid Beschwerde zu erheben, da sein Lebensmittelpunkt in Österreich und seine Familie hier aufhältig sei. Die Beschwerde sei irrtümlicherweise via webERV an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt und die Frist aus dem Fristenkalender mit der Kategorisierung „geschlossen“ versehen worden.
Bei der BBU handle es sich um eine auf das Asylrecht spezialisierte Einrichtung, welche tausende Asylwerber betreue. Die unterlassene Verlangung eines Zustellnachweises durch die verdienstvolle und ansonsten untadelige Rechtsberaterin stelle einen Fehler dar, der auf den überdurchschnittlich hohen Arbeitsanfall wegen der COVID-19 Pandemie und eine unglückliche Verkettung von Umständen und einem einmaligen menschlichen Versagen zurückzuführen sei.
Hiezu ist zu erwähnen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.09.1994, Zl. 93/09/0452, hervorgehoben hat, die Behauptung beruflicher Überlastung stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Die COVID-19-Pandemie hat bereits im März 2020 und sohin vor über einem Jahr begonnen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass die BBU bis dato keine organisatorischen Verfügungen zum Arbeitsprozess getroffen hat, um in Zeiten der Pandemie ordnungsgemäß ihren Aufgaben nachkommen zu können. Nun wurde im Wiedereinsetzungsantrag selbst vorgebracht, dass es sich bei der für den Beschwerdeführer zuständigen Rechtsberaterin um eine sorgfältige Person handle, die auf das Asylrecht spezialisiert sei und stets mit größter Sorgfalt darauf achte, dass bei der Übermittlung von Beschwerden per Mail immer der Zustellnachweis verlangt werde. Gerade dann kann von ihr ein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab erwartet werden und ist die Übermittlung der Beschwerde an die zuständige Behörde wohl eines der wichtigsten, wenn nicht als das wesentlichste Moment im Rahmen der Rechtsmitteleinbringung zu werten.
Sofern der Wiedereinsetzungsantrag damit begründet wird, es sei dem Beschwerdeführer kein Auswahlverschulden anzulasten, ist diesem entgegenzuhalten, dass dies im konkreten Fall nicht rechtserheblich ist. Der Beschwerdeführer hat sich das Verschulden seines Vertreters laut Rechtsprechung zuzurechnen.
Die Einhaltung von Rechtsmittelfristen erfordert größtmögliche Sorgfalt von der Partei und ihrem Vertreter. Wie von der bevollmächtigten Vertreterin im Antrag auf Wiedereinsetzung angegeben, ist ein Nachweis der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht möglich. Das Ersuchen um eine Zustellbestätigung kann und darf für rechtskundige Vertreter, deren Alltagsgeschäft die Betreuung von Asylwerbern im Hinblick auf ein ordentlich geführtes Beschwerdeverfahren besteht, nicht das einziges Mittel der Kontrolle über die Rechtzeitigkeit der Übermittlung von Rechtsmittel darstellen. Im gegenständlichen Fall behauptet die Vertreterin des Beschwerdeführers, dass die Beschwerde am 31.05.2021 via Mail – sohin erst einen Tag vor Fristende – übermittelt worden sei und als Nachweis lediglich ein Vermerk im internen Fristenkalender sowie ein Ersuchen um eine Zustellbestätigung diene. Für den Fall, dass am Ende der Frist aber keine Zustellbestätigung käme, brachte die Vertreterin des Beschwerdeführers keinen geeigneten Kontrollmechanismus vor, um zu prüfen, ob nun eine Zustellung tatsächlich erfolgt ist oder nicht. Vielmehr scheint sich das Kontrollsystem lediglich auf das Vertrauen in die Eintragung des Fristenkalenders sowie auf den Erhalt einer Zustellbestätigung zu beschränken. Insbesondere wird von der Vertreterin kein Vorbringen dahingehend erstattet, dass sie über einen effektiven sowie regelmäßig durchzuführenden und nachvollziehbaren Kontrollmechanismus über die Einbringung von Beschwerden bei der jeweils zuständigen Behörde verfügt.
Die Rechtsvertetung des Beschwerdeführers hat im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes dargelegt, dass die Geschäftsstelle sehr gut organisiert sei. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die bevollmächtigte Vertreterin selbst vorbringt, dass die Geschäftsstellenleiterin lediglich ein fristgerechtes Einbringen, nicht jedoch ein Einbringen bei der zuständigen Behörde prüft sowie ihre Prüfung lediglich auf Eingaben in den Fristenkalender durch ihr Personal stützt. Etwaige weitere Nachkontrollmechanismen werden nicht vorgebracht. Weder die nicht fristgerecht eingebrachte Beschwerde noch die Einbringung der Beschwerde beim unzuständigen Bundesverwaltungsgericht ist der Vertreterin durch das von ihr vorgebrachte Kontrollsystem aufgefallen, geschweige denn verhindert worden – somit konnte die bevollmächtigte Vertreterin damit kein wirksames Kontrollsystem dartun. Die vorgebrachte regelmäßige Nachkontrolle ist jedenfalls nicht geeignet gewesen, die Einbringung der Beschwerde bei der unzuständigen Behörde (hier BVwG) zu verhindern.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich somit, dass nicht von einem minderen Grad des Versehens auf Seiten der bevollmächtigten Vertreterin auszugehen ist, zumal einerseits der Fehler des Personals der bevollmächtigten Vertreterin zuzurechnen war und andererseits kein Vorbringen erstattet wurde, inwiefern eine Kontrolle hinsichtlich der Einbringung bei der zuständigen Behörde erfolgt. Dies ist in Ansehung der strengen Sorgfaltspflicht nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten.
Es kann daher nicht erkannt werden, dass der Fehler der bevollmächtigten Vertreterin als unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis nur auf einem minderen Grad des Versehens beruhte. Nachdem dem Beschwerdeführer das nicht bloß geringfügige Versehen seiner Vertreterin zuzurechnen ist, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.
Ein Abspruch über den Antrag zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung des Wiedereinsetzungsantrages konnte aufgrund des Verfahrensergebnisses unterbleiben.
Zurückweisung der Beschwerde
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß Z 4 leg.cit., wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Karfreitag fällt, der nächste Werktag der letzte Tag der Frist. Eine nach Wochen bestimmte Frist endet demnach um Mitternacht (24.00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH 18.10.1996, 96/09/0153 mwN im Erkenntnis).
Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2021 dem Beschwerdeführer am 04.05.2021 zugestellt. Dies stellt die Vertreterin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag auch außer Streit. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach, unter Berücksichtigung der §§ 32, 33 AVG mit Ablauf des 01.06.2021. Die mit 31.05.2021 datierte Beschwerde, eingelangt beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.06.2021, wurde somit verspätet eingebracht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.
Der gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wurde mit vorliegender Entscheidung als unbegründet abgewiesen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine weitere Klärung weder notwendig noch zu erwarten ist, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Dass die Beschwerde verspätet eingebracht wurde, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Es konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Fristversäumung Pandemie Verschulden Versehen Verspätung WiedereinsetzungsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W146.2231838.2.00Im RIS seit
15.10.2021Zuletzt aktualisiert am
15.10.2021