TE Bvwg Beschluss 2021/8/6 W144 2245040-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs2 Z3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W144 2245040-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , XXXX geb., StA. von Normazedonien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Beschwerdeführer (BF) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm 9 BFA-VG gegen ihn gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Normazedonien fest (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1/3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

2. Gegen diesen am 09.07.2021 zugestellten Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 02.08.2021 vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

§ 18 BFA-VG lautet auszugsweise:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(…)

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Die Beschwerde richtet sich auch gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG. Festzuhalten ist, dass es sich beim Herkunftsstaat Nordmazedonien (vormals Mazedonien) gemäß § 1 Z 4 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt. Eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ist daher nicht ersichtlich und wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Auch eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 8 EMRK für den Fall, dass der BF den Ausgang des Verfahrens in seinem Heimatstaat abwarten muss, ist nicht gegeben:

Der Schutzbereich des Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK wird als autonomer Rechtsbegriff der EMRK in der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Bereich des Ausländerrechts - im Unterschied zum Familienbegriff in den übrigen Rechtsmaterien - auf die Kernfamilie beschränkt, also auf die Beziehungen zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern. Andere Beziehungen, etwa zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind, fallen nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 30.06.2015, 39350/13, A.S., Rn. 49; 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 18.11.2014, 5049/12, Senchishak, Rn. 55; 20.12.2011, 6222/10, A. H. Khan, Rn. 32; 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, Rn. 32; 17.02.2009, 27319/07, Onur, Rn. 43-45; 09.10.2003, Große Kammer, 48321/99, Slivenko, Rn. 97; 10.07.2003, 53441/99, Benhebba, Rn. 36; 07.11.2000, 31519/96, Kwakye-Nti und Dufie; gelegentlich stellt der EGMR auf das Kriterium ab, ob der junge Erwachsene bereits eine eigene Familie gegründet hat, z. B. EGMR 23.09.2010, 25672/07, Bousarra, Rn. 38; vgl. auch Rudolf Feik, Recht auf Familienleben, in: Gregor Heißl [Hg.], Handbuch Menschenrechte, 2009, S. 187, Rn. 9/22). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 09.06.2006, B 1277/04; zuletzt VfGH 06.06.2013, U 682/2013) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 16.11.2012, 2012/21/0065).

In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind gemäß § 18 Abs. 5 letzter Satz BFA-VG die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 8 EMRK stützt, genau zu bezeichnen.

Der Beschwerde ist jedoch im Hinblick auf das Privat- bzw. Familienleben iSd Art. 8 ERMK des BF lediglich zu entnehmen, dass der deutsch sprechende BF seit dem Jahr 2016 im Bundesgebiet aufhältig und beschäftigt ist, und dass er im gemeinsamen Haushalt mit seinem Cousin und dessen Familie lebt. Es sind auch keine Merkmale einer wechselseitigen Abhängigkeit oder sonstigen Unterstützungsbedürftigkeit ersichtlich. Damit hat der BF jedoch keine so intensive Nahebeziehung zu seinem Cousin und dessen Familie dargelegt, die über ein übliches Maß an Bindungen von erwachsenen Verwandten im Ausland untereinander hinausgehen. Der Kontakt zu seinen Verwandten in Österreich kann weiters über moderne Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden, ferner steht es dem Cousin des BF auch offen, diesen im Herkunftsstaat zu besuchen.

Im Hinblick auf das Privatleben des BF ist auszuführen, dass die angefochtene Entscheidung zweifellos in sein Privatleben eingreift, jedoch bei einer Interessensabwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK geradezu geboten erscheint: Der BF hat eine Aufenthaltsehe geschlossen, und steht weiters im begründeten Verdacht an einem Raufhandel mit schwerer Körperverletzung, gefährlicher Drohung mit einer Schusswaffe und einer kriminellen Vereinigung beteiligt zu sein. Gegen den BF besteht ein Waffenverbot der BH XXXX . Angesichts dessen haben die privaten Interessen des BF am weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise des BF zurückzutreten und hat das BFA die aufschiebende Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung zu Recht aberkannt.

Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit – vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt und anderer Ergebnisse des weiteren Ermittlungsverfahrens – die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2245040.1.00

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten