TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/13 W131 2187822-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2021
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Entscheidungsdatum

13.08.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W131 2187822-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2018, Zl, XXXX , in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Die Revision gegen die Spruchpunkte A) II., III. und IV. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer (= Bf) am 09.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner am selbigen Tag stattgefundenen Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er illegal im Iran gelebt habe und man große Probleme bekomme, wenn man bei der Schwarzarbeit erwischt werde. Entweder man werde nach Afghanistan abgeschoben oder man müsse in Syrien in den Krieg ziehen. Er habe auch nur eine afghanische Schule im Iran besuchen können.

2.       Am 24.01.2017 unterzog sich der Bf einer Untersuchung zur Volljährigkeitsbeurteilung durch einen Sachverständigen. Diese ergab ein festgestelltes Mindestalter zum Zeitpunkt der Asylantragstellung von 17,37 Jahren sowie als spätestmögliches fiktives Geburtsdatum den XXXX .

3.       Im Rahmen der am 12.02.2018 durch die belangte Behörde durchgeführten Einvernahme wiederholte der Bf im Wesentlichen seine bereits in der Erstbefragung getätigten Angaben.

4.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Bf auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ferner sprach sie aus, dass dem Bf ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Zuletzt stellte die belangte Behörde fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III. bis VI.).

5.       Gegen diesen Bescheid richtete sich die binnen offener Frist erhobene Beschwerde, in welcher der Bf insbesondere nochmals Vorbringen zu seinen Asylgründen erstattete sowie auf Beweismittel zur allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan verwies.

6.       Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 27.02.2018 vor.

7.       Mit Schreiben vom 24.07.2019 legte der Bf Unterlagen zu seinen integrativen Tätigkeiten in Österreich vor.

8.       Am 14.08.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der der Bf unter Beiziehung seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen wurde und weitere Unterlagen zu seiner Integration vorlegte.

9.       Am 28.08.2019, 22.01.2020, 26.02.2020, 28.02.2020, 10.04.2020 und 23.12.2020 erstattete der Bf weiteres Vorbringen zur Situation von Personen, die außerhalb von Afghanistan geboren wurden und aufgewachsen sind und legte weitere Integrationsunterlagen vor.

10.      Mit Parteiengehör vom 04.08.2021, den Parteien zugestellt am 04.08.2021, übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie weitere länderkundliche Informationen und räumte diesen die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

11. Das BFA brachte keine weitere Stellungnahme ein, während der Bf durch seine anwaltliche Vertretung - hier rücksichtlich des bisherigen Akteninhalts nicht weiter rechtserheblich - Stellung nahm.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Bf und seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich

Der Bf ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX in XXXX im Iran geboren und ist dort auch aufgewachsen. Der Bf gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist Schiite. Im Iran hat der Bf drei Jahre lang eine afghanische Schule besucht. Er hat zusätzlich als Minderjähriger ungefähr zwei Jahre lang Arbeitserfahrung als Schneiderlehrling gesammelt.

Die Eltern des Bf haben Afghanistan aufgrund des Krieges und der allgemeinen Sicherheitslage verlassen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Eltern des Bf in Afghanistan persönlich bedroht wurden oder sonstige Handlungen oder Maßnahmen gegen diese gesetzt wurden.

Die Eltern und Geschwister des Bf leben nach wie vor im Iran. Eine finanzielle Unterstützungsmöglichkeit durch die Familie ist – von einer solchen ging auch die belangte Behörde in ihrem Bescheid nicht aus – nicht gegeben. Er verfügt über keine Verwandten oder sonstige Angehörigen in Afghanistan.

Der mittlerweile volljährige Bf ist ledig, kinderlos und hat keine Sorgepflichten.

Der Bf ist gesund und arbeitsfähig. Er hat bislang jedoch auch in Österreich keine Berufserfahrung erworben und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Bf hat in Österreich nicht nur das Deutschsprachzertifikat für das Sprachniveau B1 erworben, die Integrationsprüfung abgelegt und das Pflichtschulabschlusszeugnis erlangt, er war auch gemeinnützig für den Alpenverein tätig und hilft dort u.a. bei verschiedenen Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2.    Zur individuellen Verfolgungs- oder Bedrohungssituation des Bf

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bf einer aktuellen, individuell gegen ihn gerichteten Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Es ergaben sich darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er einer Verfolgung auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara ausgesetzt wäre. Aus den vorliegenden Länderinformationen ergibt sich vielmehr, dass eine Verfolgung aus diesen Gründen nicht anzunehmen ist.

Es kamen auch keine sonstigen Gründe während des Verfahrens hervor, die auf eine drohende Verfolgung des Bf hindeuten. Der Bf wurde in seinem Herkunftsstaat nie von der Polizei gesucht und hatte dort auch keine Probleme mit Gerichten oder Behörden.

Es kann (auch sonst) nicht festgestellt werden, dass der Bf mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, aus welchen Gründen auch immer, zu erwarten hätte.

1.3.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Unter Bezugnahme auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung 11.06.2021 letzte Kurzinformation vom 19.07.2021) werden auszugsweise folgende entscheidungsrelevanten die Person des Bf individuell betreffende Feststellungen zur Lage in Afghanistan getroffen:

1.3.1. Kurzinformation zur Entwicklung der Sicherheitslage vom 19.07.2021

Sicherheitslage und Gebietskontrolle durch die Taliban

Seit dem Beginn des Abzugs der US-Truppen und anderer Koalitionskräfte am 1.5.2021 kam es zu mehr Kampfhandlungen als in den Monaten zuvor (s. Abb., Anm.; ACLED o.D.)

Nach Einschätzung des Long War Journal vom 13.7.2021 kontrollieren die Taliban 223 der 407 Distrikte in Afghanistan. Am 3.6.2021 waren es noch 90 Distrikte (LWJ 13.7.2021). Das Afghan Analysts Network schätzt, dass sich mit Stand 16.7.2021 229 Distriktzentren in den Händen der Taliban befinden. Nur in vier Provinzen sind die Distriktzentren noch vollständig in Regierungshand: Kabul, Panjshir, Kunar und Daikundi. Einige Gebiete konnten von der Regierung zurückerobert werden (AAN 16.7.2021; vgl. REU 8.7.2021).

Wichtige Grenzübergänge zu Turkmenistan und Iran, beide in der Provinz Herat (BBC 10.7.2021; vgl. DW 14.7.2021, TN 13.7.2021) sowie zu Usbekistan in der Provinz Balkh (AJ 15.7.2021; vgl. AP 15.7.2021), wurden im Juli durch die Taliban erobert. Berichten zufolge haben die Taliban außerdem die Kontrolle über den afghanisch-pakistanischen Grenzort Spin Boldak (Dawn 18.7.2021; vgl. France 24 17.7.2021).

Anfang Juli flohen mehr als 1.000 afghanische Sicherheitskräfte über die Grenze nach Tadschikistan, als sie von den Taliban attackiert wurden (BBC 10.7.2021; vgl. RFE/RL 7.7.2021). Turkmenistan hat Anfang Juli begonnen, schwere Waffen, Hubschrauber und andere Flugzeuge näher an die Grenze zu Afghanistan zu verlegen, und in der Hauptstadt werden Reservisten in Alarmbereitschaft versetzt (RFE/RL 11.7.2021).

Truppenabzug

Nach Angaben von US-Präsident Biden wird der Truppenabzug am 31.8.2021 abgeschlossen sein. Er verpflichtete sich, Tausende von afghanischen Übersetzern und ihre Familien, die an der Seite der USA arbeiteten, schnell zu evakuieren, und sagte, dass der Zeitplan für die Bearbeitung spezieller Einwanderungsvisa "dramatisch beschleunigt" worden sei. Und er sagte, die USA würden weiterhin zivile und humanitäre Hilfe leisten und sich auch für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen (WH 19.7.2021).

Anfang Juli wurde die Bagram-Airbase in der Provinz Parwan an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben (RFE/RL 11.7.2021, BBC 10.7.2021, AJ 2.7.2021).

Angriff auf Zivilisten / gezielte Tötungen

Es kommt weiterhin zu Angriffen auf und gezielten Tötungen von Zivilisten. Seit dem Beginn der Friedensgespräche in Doha im vergangenen Jahr sind vor allem Mitarbeiter des Gesundheitswesens, humanitäre Organisationen, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten Ziel einer Welle von gezielten Tötungen gewesen (AI 16.6.2021). So wurden beispielsweise im Juni fünf Mitarbeiter eines Polio-Impf-Teams ( APN 15.6.2021; vgl. VOA 15.6.2021) und zehn Minenräumer getötet (AI 16.6.2021; vgl. AJ 16.6.2021). Laut Berichten war der Juni 2021 der tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in Afghanistan (TN 2.7.2021; vgl. AJ 2.7.2021)

COVID-19

Die Delta-Variante treibt Beobachtern zufolge die Covid-19-Infektionen in Afghanistan in die Höhe, wobei die Dunkelziffer an Fällen weiterhin als sehr hoch geschätzt wird. Krankenhäuser kommen weiterhin an ihre Belastungsgrenze und es sind nicht genug Betten vorhanden um neue Covid-19 Patienten zu behandeln (DW 17.6.2021; vgl. USAID 11.6.2021) Gesundheitseinrichtungen berichten auch von Engpässen bei medizinischem Material und Sauerstoff (USAID 11.6.2021). Schulen und Universitäten sind weiterhin geschlossen (DW 17.6.2021; vgl. VOA 13.7.2021) und es gibt Berichte, wonach sich Menschen nicht streng an die Vorgaben halten und häufig keine Masken tragen (DW 17.6.2021; vgl. VOA 13.7.2021).

Anfang Juli erreichten mehr als 1,4 Millionen Impfdosen des Herstellers Johnson & Johnson Afghanistan. Die Impfraten in Afghanistan sind nach wie vor extrem niedrig, weniger als 4% der Bevölkerung sind geimpft (UNICEF 9.7.2021)

1.3.2. Sicherheitslage allgemein

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen, welche in der Nähe von Provinzhauptstädten stationiert sind - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hochburg in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (USDOD 1.7.2020). Die Zahl der Angriffe der Taliban auf staatliche Sicherheitskräfte entsprach im Jahr 2020 dem Niveau der Frühjahrsoffensiven der vergangenen Jahre, auch wenn die Offensive dieses Jahr bisher nicht offiziell erklärt wurde (AA 16.7.2020; vgl. REU 6.10.2020).

Die Umsetzung des US-Taliban-Abkommens, angefochtene Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen, regionale politische Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran, Diskussionen über die Freilassung von Gefangenen, Krieg und die globale Gesundheitskrise COVID-19 haben laut dem Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A) das zweite Quartal 2020 für die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) zum "vielleicht komplexesten und herausforderndsten Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte" gemacht (SIGAR 30.7.2020).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch Tausender Gefangener verhandelt (BBC 1.4.2020). Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020; vgl. HRW 13.1.2021), was den afghanischen Friedensprozess gefährden könnte (SIGAR 30.1.2021).

Die Sicherheitslage im Jahr 2021

Mit April bzw. Mai 2021 nahmen die Kampfhandlungen zwischen Taliban und Regierungstruppen stark zu (RFE/RL 12.5.2021a; cf. SIGAR 30.4.2021, BAMF 31.5.2021). Im Mai 2021 übernahmen die Taliban die Kontrolle über den Distrikt Dawlat Shah in der ostafghanischen Provinz Laghman (LWJ 20.5.2021) und den Distrikt Nerkh in der Provinz (Maidan) Wardak, einen strategischen Distrikt etwa 40 Kilometer von Kabul entfernt. Spezialkräfte wurden in dem Gebiet eingesetzt, um den Distrikt Nerkh zurückzuerobern, nachdem Truppen einen "taktischen Rückzug" angetreten hatten (RFE/RL 12.5.2021b; vgl. TN 12.5.2021, AJ 12.5.2021). Aufgrund der sich intensivierenden Kämpfe zwischen den Taliban und der Regierung an unterschiedlichsten Fronten in mindestens fünf Provinzen (Baghlan, Kunduz, Helmand, Kandahar und Laghman) sind im Mai 2021 bis zu 8.000 Familien vertrieben worden. Berichten zufolge haben die Vertriebenen keinen Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, Schulen oder medizinischer Versorgung (BAMF 31.5.2021; vgl. UNOCHA 2.6.2021).

Ende Mai/Anfang Juni übernahmen die Taliban die Kontrolle über mehrere Distrikte (LWJ 6.6.2021; vgl. DW 6.6.2021, MENAFN 7.6.2021). Die Taliban haben den Druck in allen Regionen des Landes verstärkt, auch in Laghman, Logar und Wardak, drei wichtigen Provinzen, die an Kabul grenzen (LWJ 6.6.2021; vgl. RFE/RL 1.6.2021). Damit haben die Taliban seit Beginn des Truppenabzugs am 1.5.2021 bis Anfang Juni mindestens zwölf Distrikte erobert (LWJ 6.6.2021; vgl. DW 6.6.2021, MENAFN 7.6.2021, LWJ 20.5.2021, VOA 7.6.2021).

Die Sicherheitslage im Jahr 2020

Die Sicherheitslage verschlechterte sich im Jahr 2020, in dem die Vereinten Nationen 25.180 sicherheitsrelevante Vorfälle registrierten, ein Anstieg von 10% gegenüber den 22.832 Vorfällen im Jahr 2019 (UNASC 12.3.2021). Laut AAN (Afghanistan Analysts Network) war 2020 in Afghanistan genauso gewalttätig wie 2019, trotz des Friedensprozesses und der COVID-19-Pandemie. Seit dem Abkommen zwischen den Taliban und den USA vom 29. Februar haben sich jedoch die Muster und die Art der Gewalt verändert. Das US-Militär spielt jetzt nur noch eine minimale direkte Rolle in dem Konflikt, sodass es sich fast ausschließlich um einen afghanischen Krieg handelt, in dem sich Landsleute gegenseitig bekämpfen, wenn auch mit erheblicher ausländischer Unterstützung für beide Seiten. Seit der Vereinbarung vom 29.2.2020 haben die Taliban und die afghanische Regierung ihre Aktionen eher heruntergespielt als übertrieben, und die USA haben die Veröffentlichung von Daten zu Luftangriffen eingestellt (AAN 16.8.2020). Während die Zahl der Luftangriffe im Jahr 2020 um 43,6 % zurückging, stieg die Zahl der bewaffneten Zusammenstöße um 18,4 % (UNGASC 12.3.2021).

Die Taliban starteten wie üblich eine Frühjahrsoffensive, wenn auch unangekündigt, und verursachten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 43 Prozent aller zivilen Opfer, ein größerer Anteil als 2019 und auch mehr in absoluten Zahlen (AAN 16.8.2020). Afghanistans National Security Council (NSC) zufolge nahmen die Talibanattacken im Juni 2020 deutlich zu. Gemäß NATO Resolute Support (RS) nahm die Anzahl an zivilen Opfern im zweiten Quartal 2020 um fast 60% gegenüber dem ersten Quartal und um 18% gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres zu (SIGAR 30.7.2020). Während im Jahr 2020 Angriffe der Taliban auf größere Städte und Luftangriffe der US-Streitkräfte zurückgingen, wurden durch improvisierte Sprengsätze (IEDs) der Taliban eine große Zahl von Zivilisten getötet, ebenso wie durch Luftangriffe der afghanischen Regierung. Entführungen und gezielte Tötungen von Politikern, Regierungsmitarbeitern und anderen Zivilisten, viele davon durch die Taliban, nahmen zu (HRW 13.1.2021; vgl. AAN 16.8.2020, USDOS 30.3.2021).

In der zweiten Jahreshälfte 2020 nahmen insbesondere die gezielten Tötungen von Personen des öffentlichen Lebens (Journalisten, Menschenrechtler usw.) zu. Personen, die offen für ein modernes und liberales Afghanistan einstehen, werden derzeit landesweit vermehrt Opfer von gezielten Attentaten (AA 14.1.2021; vgl. UNGASC 12.3.2021, AIHRC 28.1.2021).

Obwohl sich die territoriale Kontrolle kaum verändert hat (UNGASC 12.3.2021; vgl. AAN 16.8.2020), scheint es in der ersten Hälfte 2020 eine geografische Verschiebung gegeben zu haben, mit mehr Gewalt im Norden und Westen und weniger in einigen südlichen Provinzen, wie Helmand (AAN 16.8.2020). Die Taliban hielten jedoch den Druck auf wichtige Verkehrsachsen und städtische Zentren aufrecht, einschließlich gefährdeter Provinzhauptstädte wie in den Provinzen Farah, Kunduz, Helmand und Kandahar. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führten weiterhin Operationen durch, um wichtige Autobahnen zu sichern und die Gewinne der Taliban rückgängig zu machen, insbesondere im Süden nach den jüngsten Offensiven der Taliban auf die Städte Lashkar Gah und Kandahar (UNGASC 12.3.2021).

Zivile Opfer

Zwischen dem 1.1.2021 und dem 31.3.2021 dokumentierte die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) 1.783 zivile Opfer (573 Tote und 1.210 Verletzte). Der Anstieg der zivilen Opfer im Vergleich zum ersten Quartal 2020 war hauptsächlich auf dieselben Trends zurückzuführen, die auch im letzten Quartal des vergangenen Jahres zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt hatten - Bodenkämpfe, improvisierte Sprengsätze (IEDs) und gezielte Tötungen hatten auch in diesem vergleichsweise warmen Winter extreme Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung (UNAMA 4.2021; vgl. UNSC 1.6.2021).

Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 dokumentierte UNAMA 8.820 zivile Opfer (3.035 Getötete und 5.785 Verletzte), während AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) für das gesamte Jahr 2020 insgesamt 8.500 zivile Opfer registrierte, darunter 2.958 Tote und 5.542 Verletzte. Das ist ein Rückgang um 15% (21% laut AIHRC) gegenüber der Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2019 (UNAMA 2.2021a; AIHRC 28.1.2021) und die geringste Zahl ziviler Opfer seit 2013 (UNAMA 2.2021a).

Nach dem Abkommen zwischen den USA und den Taliban dokumentierte UNAMA einen Rückgang der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei groß angelegten Angriffen in städtischen Zentren durch regierungsfeindliche Elemente, insbesondere die Taliban, und bei Luftangriffen durch internationale Streitkräfte. Dies wurde jedoch teilweise durch einen Anstieg der Opfer unter der Zivilbevölkerung durch gezielte Tötungen von regierungsfeindlichen Elementen, durch Druckplatten-IEDs der Taliban und durch Luftangriffe der afghanischen Luftwaffe sowie durch ein weiterhin hohes Maß an Schäden für die Zivilbevölkerung bei Bodenkämpfen ausgeglichen (UNAMA 2.2021a).

Obwohl ein Rückgang der durch regierungsfeindliche Elemente verletzten Zivilisten im Jahr 2020, der hauptsächlich auf den Mangel an zivilen Opfern durch wahlbezogene Gewalt und den starken Rückgang der zivilen Opfer durch Selbstmordattentate im Vergleich zu 2019 zurückzuführen ist, festgestellt werden konnte, so gab es einen Anstieg zivilen Opfer durch gezielte Tötungen, durch wahllos von Opfern aktivierte Druckplatten-IEDs und durch fahrzeuggetragene Nicht-Selbstmord-IEDs (UNAMA 2.2021a; vgl. ACCORD 6.5.2021b).

Die Ergebnisse des AIHRC zeigen, dass Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger das häufigste Ziel von gezielten Angriffen waren. Im Jahr 2020 verursachten gezielte Angriffe 2.250 zivile Opfer, darunter 1.078 Tote und 1.172 Verletzte. Diese Zahl macht 26% aller zivilen Todesopfer im Jahr 2020 aus (AIHRC 28.1.2021). Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben aufständische Gruppen in Afghanistan ihre gezielten Tötungen von Frauen und religiösen Minderheiten erhöht (HRW 16.3.2021).

Die von den Konfliktparteien eingesetzten Methoden, die die meisten zivilen Opfer verursacht haben, sind in der jeweiligen Reihenfolge folgende: IEDs und Straßenminen, gezielte Tötungen, Raketenbeschuss, komplexe Selbstmordanschläge, Bodenkämpfe und Luftangriffe (AIHRC 28.1.2021)

Im April 2021 meldete UNAMA für das erste Quartal 2021 einen Anstieg der zivilen Opfer um 29% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Aufständische waren für zwei Drittel der Opfer verantwortlich, Regierungstruppen für ein Drittel. Seit Beginn der Friedensverhandlungen in Doha Ende 2020 wurde für die letzten sechs Monate ein Anstieg von insgesamt 38 % verzeichnet (UNAMA 4.2021; vgl. BAMF 19.4.2021).

Während des gesamten Jahres 2020 dokumentierte UNAMA Schwankungen in der Zahl der zivilen Opfer parallel zu den sich entwickelnden politischen Ereignissen. Die "Woche der Gewaltreduzierung" vor der Unterzeichnung des Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban in Doha am 29.2.2020 zeigte, dass die Konfliktparteien die Macht haben, Schaden an der Zivilbevölkerung zu verhindern und zu begrenzen, wenn sie sich dazu entschließen, dies zu tun. Ab März wuchs dann die Besorgnis über ein steigendes Maß an Gewalt, da UNAMA zu Beginn des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie eine steigende Zahl von zivilen Opfern und Angriffen auf Gesundheitspersonal und -einrichtungen dokumentierte. Regierungsfeindliche Elemente verursachten mit 62% weiterhin die Mehrzahl der zivilen Opfer im Jahr 2020. Während UNAMA weniger zivile Opfer dem Islamischen Staat im Irak und in der Levante - Provinz Khorasan (ISIL-KP, ISKP) und den Taliban zuschrieb, hat sich die Zahl der zivilen Opfer, die durch nicht näher bestimmte regierungsfeindliche Elemente verursacht wurden (diejenigen, die UNAMA keiner bestimmten regierungsfeindlichen Gruppe zuordnen konnte), im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (UNAMA 2.2021a; vgl. AAN 16.8.2020). Pro-Regierungskräfte verursachten ein Viertel der getöteten und verletzten Zivilisten im Jahr 2020 (UNAMA 2.2021a; vgl. HRW 13.1.2021). Nach den Erkenntnissen der AIHRC sind von allen zivilen Opfern in Afghanistan im Jahr 2020 die Taliban für 53 % verantwortlich, regierungsnahe und verbündete internationale Kräfte für 15 % und ISKP (ISIS) für fünf Prozent. Bei 25 % der zivilen Opfer sind die Täter unbekannt und 2 % der zivilen Opfer wurden durch pakistanischen Raketenbeschuss in Kunar, Khost, Paktika und Kandahar verursacht (AIHRC 28.1.2021).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 12.2019; vgl. USDOD 1.7.2020). Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (USDOD 12.2019). Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17), landesweit betrug die Zahl 88 (USDOD 12.2019).

Der Großteil der Anschläge richtet sich gegen die ANDSF und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in der Provinz Nangarhar zu einer sogenannten 'green-on-blue-attack': der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens sechs Personen getötet und mehr als zehn verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC 17.3.2020). Seit Februar haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen um Provinzhauptstädte - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden (USDOD 1.7.2020). Die Taliban setzten außerdem bei Selbstmordanschlägen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh an Fahrzeugen befestigte improvisierte Sprengkörper (SVBIEDs) ein (UNGASC 17.3.2020).

High-profile Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente werden landesweit fortgesetzt, insbesondere in der Stadt Kabul. Zwischen dem 13.11.2020 und dem 11.2.2021 wurden 35 Selbstmordattentate dokumentiert, im Vergleich zu 42 im vorherigen Berichtszeitraum. Darüber hinaus wurden 88 Anschläge mit magnetischen improvisierten Sprengsätzen verübt, 43 davon in Kabul, darunter auch gegen prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Gezielte Attentate, oft ohne Bekennerschreiben, nahmen weiter zu (UNGASC 12.3.2021).

Anschläge gegen Gläubige, Kultstätten und religiöse Minderheiten

Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020).

Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dharamshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (TN 26.3.2020; vgl. BBC 25.3.2020, USDOD 1.7.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 26.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.3.2020, USDOD 1.7.2020). Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger waren im Jahr 2020 ein häufiges Ziel gezielter Anschläge (AIHRC 28.1.2021).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 12.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 12.2019).

Für die meisten zivilen Opfer im Jahr 2020 waren weiterhin regierungsfeindliche Elemente verantwortlich, 62% wurden ihnen zugeschrieben. Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 schrieb UNAMA 5.459 zivile Opfer (1.885 Tote und 3.574 Verletzte) regierungsfeindlichen Elementen zu. Dies bedeutete einen Gesamtrückgang um 15% im Vergleich zu 2019. Die Zahl der von regierungsfeindlichen Elementen getöteten Zivilisten stieg jedoch um 13% (UNAMA 2.2021a).

Taliban

Die Taliban sind seit Jahrzehnten in Afghanistan aktiv. Die Taliban-Führung regierte Afghanistan zwischen 1996 und 2001, als sie von US-amerikanischen/internationalen Streitkräften entmachtet wurde; nach ihrer Entmachtung hat sie weiterhin einen Aufstand geführt (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020). Seit 2001 hat die Gruppe einige Schlüsselprinzipien beibehalten, darunter eine strenge Auslegung der Scharia in den von ihr kontrollierten Gebieten (EASO 8.2020c; vgl. RFE/RL 27.4.2020).

Die Taliban sind eine religiös motivierte, religiös konservative Bewegung, die das, was sie als ihre zentralen "Werte" betrachten, nicht aufgeben wird. Wie sich diese Werte in einer künftigen Verfassung widerspiegeln und in der konkreten Politik einer eventuellen Regierung der Machtteilung, die die Taliban einschließt, zum Tragen kommen, hängt von den täglichen politischen Verhandlungen zwischen den verschiedenen politischen Kräften und dem Kräfteverhältnis zwischen ihnen ab (Ruttig 3.2021). Sie sehen sich nicht als bloße Rebellengruppe, sondern als eine Regierung im Wartestand und bezeichnen sich selbst als "Islamisches Emirat Afghanistan", der Name, den sie benutzten, als sie von 1996 bis zu ihrem Sturz nach den Anschlägen vom 11.9.2001 an der Macht waren (BBC 15.4.2021).

Struktur und Führung

Die Taliban positionieren sich selbst als Schattenregierung Afghanistans, und ihre Kommissionen und Führungsgremien entsprechen den Verwaltungsämtern und -pflichten einer typischen Regierung (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020). Die Taliban sind zu einer organisierten politischen Bewegung geworden, die in weiten Teilen Afghanistans eine Parallelverwaltung betreibt (EASO 8.2020c; vgl. USIP 11.2019; BBC 15.4.2021) und haben sich zu einem lokalen Regierungsakteur im Land entwickelt, indem sie Territorium halten und damit eine gewisse Verantwortung für das Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften übernehmen (EASO 8.2020c; vgl. USIP 4.2020). Was militärische Operationen betrifft, so handelt es sich um einen vernetzten Aufstand mit einer starken Führung an der Spitze und dezentralisierten lokalen Befehlshabern, die Ressourcen auf Distriktebene mobilisieren können (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020).

Das wichtigste offizielle politische Büro der Taliban befindet sich in Katar (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. EASO 8.2020c, UNSC 27.5.2020, AnA 28.7.2020) - Stellvertreter sind der Erste Stellvertreter Sirajuddin Jalaluddin Haqqani (Leiter des Haqqani-Netzwerks) und zwei weitere: Mullah Mohammad Yaqoob [Mullah Mohammad Yaqub Omari] (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020) und Mullah Abdul Ghani Baradar Abdul Ahmad Turk (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.; vgl. BBC 15.4.2021). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018). Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020). Während der US-Taliban-Verhandlungen war die Führung der Taliban in der Lage, die Einheit innerhalb der Basis aufrechtzuerhalten, obwohl sich Spaltungen wegen des Abbruchs der Beziehungen zu Al-Qaida vertieft haben (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Seit Mai 2020 ist eine neue Splittergruppe von hochrangigen Taliban-Dissidenten entstanden, die als Hizb-e Vulayet Islami oder Hezb-e Walayat-e Islami (Islamische Gouverneurspartei oder Islamische Vormundschaftspartei) bekannt ist (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Die Gruppe ist gegen den US-Taliban-Vertrag und hat Verbindungen in den Iran (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020). Eine gespaltene Führung bei der Umsetzung des US-Taliban-Abkommens und Machtkämpfe innerhalb der Organisation könnten den möglichen Friedensprozess beeinträchtigen (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll zwölf Ableger in acht Provinzen haben (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Sar-e Pul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Jüngste Entwicklungen und aktuelle Ereignisse

Während die Taliban behaupten, nicht mehr dieselbe brutale Gruppe zu sein die Afghanistan in den 1990er Jahren beherrschte, und versuchen inmitten der internationalen Bemühungen um eine Friedensregelung zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban ein versöhnlicheres Image zu vermitteln, sagen Afghanen, die derzeit unter der Kontrolle der Taliban leben, dass die militante Gruppe weiterhin in ihrer extremistischen Auslegung des Islam verwurzelt ist und mit Angst und Barbarei regiert (RFE/RL 13.4.2021), wobei sich viele innerhalb der Taliban erhoffen, ihr "Emirat" wiederherstellen zu können (Ruttig 3.2021). Einem lokalen Vertreter der Taliban zufolge sind die Taliban von früher und die Taliban von heute dieselben (BBC 15.4.2021).

Die Taliban haben sich offenbar absichtlich vage darüber geäußert, was sie mit der "islamischen Regierung" meinen, die sie schaffen wollen. Einige Analysten sehen darin einen bewussten Versuch, interne Reibereien zwischen Hardlinern und gemäßigteren Elementen zu vermeiden (BBC 15.4.2021).

Es gibt Anzeichen für einen wirklichen Politikwandel in bestimmten Bereichen (z.B. bei der Nutzung der Medien, im Bildungssektor, eine größere Akzeptanz von NGOs und die Einsicht, dass ein zukünftiges politisches System zumindest einige ihrer politischen Rivalen aufnehmen muss), doch scheinen ihre politischen Anpassungen eher von politischen Notwendigkeiten als von grundlegenden Veränderungen in der Ideologie getrieben zu sein (Ruttig 3.2021; vgl. BBC 15.4.2021). In den letzten Jahren haben sich die Taliban dazu bekannt, Frauen ihre Rechte zu gewähren und ihnen zu erlauben, zu arbeiten und zur Schule zu gehen, wenn sie nicht gegen den Islam oder die afghanischen Werte verstoßen (RFE/RL 13.4.2021; vgl. BBC 15.4.2021), aber laut einer großen Zahl von Afghanen, die unter der Herrschaft der Taliban leben, hat sich die Politik der militanten Gruppe in Bezug auf die Bildung von Mädchen seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht geändert (RFE/RL 13.4.2021). In einigen von den Taliban kontrollierten Gebieten sind Schulen für Mädchen komplett verboten (RFE/RL 13.4.2021; vgl. BBC 15.4.2021). In anderen Regionen gibt es Beschränkungen. Die Gruppe deutete auch an, dass sie die kürzlich gewonnenen Freiheiten der Frauen beschneiden will, die ihrer Meinung nach "Unmoral" und "Unanständigkeit" fördern (RFE/RL 13.4.2021).

Angesichts ihres anhaltenden dominierenden Verhaltens, ihrer Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden und ihrer Unterdrückung (insbesondere von Mädchen und Frauen) in den von ihnen kontrollierten Gebieten besteht die berechtigte Sorge, dass sie zu den Praktiken von vor dem Herbst 2001 zurückkehren könnten, wenn der politische Druck nach einem eventuellen Friedensabkommen und einem Truppenabzug nachlässt. Die Veränderungen in der Rhetorik und den Positionen der Taliban werfen jedoch ein Licht auf das, was sie in einer politischen Ordnung nach dem Friedensschluss in Afghanistan, in der sie sich mit anderen afghanischen Machtgruppen und Interessen zu einem Modus Vivendi zusammenfinden müssen, möglicherweise zu akzeptieren bereit sind. Ob einige Änderungen in der Herangehensweise aufrechterhalten werden, hängt von der Fähigkeit der afghanischen Gemeinschaft und politischen Gruppen ab, den Druck auf die Taliban aufrechtzuerhalten. Dies wiederum hängt von der anhaltenden internationalen Aufmerksamkeit gegenüber Afghanistan ab, insbesondere wenn es zu einer politischen Einigung und einer Machtteilung kommt und nachdem die ausländischen Soldaten abgezogen sind (Ruttig 3.2021).

Die Taliban glauben, dass der Sieg ihnen gehört. Die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, den Abzug der verbleibenden US-Truppen auf September zu verschieben, was bedeutet, dass sie über den im letzten Jahr vereinbarten Termin 1.5.2021 hinaus im Land bleiben werden, hat eine scharfe Reaktion der politischen Führung der Taliban ausgelöst. Nichtsdestotrotz scheint das Momentum auf Seiten der Militanten zu sein. Im vergangenen Jahr gab es einen offensichtlichen Widerspruch im "Jihad" der Taliban. Nach der Unterzeichnung eines Abkommens mit den USA stellten sie Angriffe auf internationale Truppen ein, kämpften aber weiter gegen die afghanische Regierung. Ein Taliban-Sprecher besteht jedoch darauf, dass es keinen Widerspruch gibt (BBC 15.4.2021; vgl. VIDC 26.4.2021). Für die Taliban ist die Errichtung einer "islamischen Struktur" eine Priorität. Die Taliban sind noch nicht ins Detail gegangen, wie diese aussehen würde. Ähnliche Bedenken werden im Hinblick auf die Auslegung der Scharia und die Rechte der Frauen geäußert (VIDC 26.4.2021).

Die Luftwaffe, vor allem die der Amerikaner, hat in den vergangenen Jahren entscheidend dazu beigetragen, den Vormarsch der Taliban aufzuhalten. Die USA haben ihre Militäroperationen bereits drastisch zurückgefahren, nachdem sie im vergangenen Jahr ein Abkommen mit den Taliban unterzeichnet hatten, und viele befürchten, dass die Taliban nach ihrem Abzug in der Lage sein werden, eine militärische Übernahme des Landes zu starten (BBC 15.4.2021; vgl. VIDC 26.4.2021).

Im Jahr 2020 verursachten die Taliban weiterhin die meisten zivilen Opfer von allen Parteien des bewaffneten Konflikts (UNAMA 2.2021a). Nach Erkenntnissen der AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) gingen die durch Taliban-Angriffe verursachten zivilen Opfer im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 40 % zurück (AIHRC 28.1.2021; vgl. ACCORD 6.5.2021) - nach Angaben der UNAMA war es ein Rückgang um 19 % (UNAMA 2.2021a). Der Hauptgrund für diesen Rückgang könnte ein Mangel an komplexen und Selbstmordattentaten in den großen Städten des Landes sein. Im Jahr 2020 wurden in Afghanistan insgesamt 4.567 Zivilisten durch Taliban-Angriffe getötet oder verletzt, während im gleichen Zeitraum 2019 die Gesamtzahl der durch Taliban-Angriffe verursachten zivilen Opfer bei 7.727 lag (AIHRC 28.1.2021; vgl ACCORD 6.5.2021). UNAMA schrieb den Taliban 3.960 zivile Opfer (1.470 Tote und 2.490 Verletzte) zu. Dieser Rückgang bezieht sich jedoch nur auf die verletzten Zivilisten, da Anstieg von getöteten Zivilisten um 13 % dokumentiert wurde (UNAMA 2.2021a).

Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IEDs verursachten mehr als die Hälfte der den Taliban zugeschriebenen zivilen Opfer, wobei Nicht-Selbstmord-IEDs fünfmal mehr zivile Opfer verursachten als Selbstmord-IEDs. Bodenkämpfe, einschließlich des Einsatzes von Mörsern und Raketen, waren für fast ein Viertel der von den Taliban verursachten zivilen Opfer verantwortlich. (UNAMA 2.2021a). UNAMA schrieb den Taliban 6 % mehr getötete Zivilisten aus Bodenkämpfen und 15 % weniger verletzte Zivilisten im Vergleich zu 2019 zu. Dieser Rückgang war hauptsächlich auf das Ausbleiben wahlbezogener Gewalt im Jahr 2020 zurückzuführen, wurde jedoch teilweise durch eine höhere Zahl von zivilen Opfern aufgrund der anhaltend hohen Zahl von Bodenkämpfen mit zivilen Opfern während des gesamten Jahres ausgeglichen (UNAMA 2.2021a).

Die UNAMA verzeichnete außerdem einen Anstieg der Zahl der durch gezielte Tötungen der Taliban, zu denen auch "Attentate" gehören, die bewusst auf Zivilisten abzielen, getöteten und verletzten Zivilisten um 22 % und einen Anstieg der zivilen Opfer bei Entführungen von Zivilisten durch die Taliban um 169% (UNAMA 2.2021a).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Der IS in Afghanistan bezeichnet sich selbst als Khorasan-Zweig des IS (ISKP). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019) bzw. 4.000 und 5.000 Kämpfern (EASO 8.2020c). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (VOA 21.5.2019).

Der ISKP geriet in dessen Hochburgen in Ostafghanistan nachhaltig unter Druck (UNGASC 17.3.2020; vgl. RA KBL 12.10.2020), da sich jahrelang die Militäroffensiven der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte auf diese konzentrierten. Auch die Taliban intensivierten in jüngster Zeit ihre Angriffe gegen den ISKP in dieser Region (SIGAR 30.1.2020). So sollen 5.000 Talibankämpfer aus der Provinz Kandahar gekommen sein, um den ISKP in Nangarhar zu bekämpfen (DW 26.2.2020; vgl. MT 27.2.2020). Im November 2019 ist die wichtigste Hochburg des islamischen Staates in Ostafghanistan zusammengebrochen (NYT 2.12.2019; vgl. SIGAR 30.1.2020) wobei über 1.400 Kämpfer und Anhänger des ISKP, darunter auch Frauen und Kinder, kapitulierten (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020, UNGASC 17.3.2020). Der islamische Staat soll jedoch weiterhin in den westlichen Gebieten der Provinz Kunar präsent sein (UNGASC 17.3.2020). Die landesweite Mannstärke des ISKP hat sich seit Anfang 2019 von 3.000 Kämpfern auf zwischen 200 (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020) und 300 Kämpfer reduziert (NYT 2.12.2019).

Angriffe des ISKP gingen zurück, aber die Gruppe war für mehrere tödliche Bombenanschläge verantwortlich (HRW 13.1.2021). 49 Angriffe werden dem ISKP im Zeitraum 8.11.2019-6.2.2020 zugeschrieben, im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden 194 Vorfälle registriert. Im Berichtszeitraum davor wurden 68 Angriffe registriert (UNGASC 17.3.2020).

Die Macht des ISKP in Afghanistan ist kleiner als jene der Taliban; auch hat er viel Territorium verloren. Der ISKP war bzw. ist nicht Teil der Friedensverhandlungen mit den USA und ist weiterhin in der Lage, tödliche Angriffe durchzuführen (BBC 25.3.2020). Aufgrund des Territoriumsverlustes ist die Rekrutierung und Planung des ISKP stark eingeschränkt (NYT 2.12.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als 'Abtrünnige', die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019). In Gebieten unter Kontrolle des IS wird Druck auf die Gemeinden ausgeübt, den IS voll zu unterstützen (EASO 6.2018).

Angesichts der Aufnahme von Gesprächen der Taliban mit den USA predigte der ISKP seine Mission weiterhin als eine reinere Form des Dschihad im Gegensatz zur Öffnung der Taliban für US-Gespräche (EASO 8.2020c; vgl. SaS 10.2.2020). Nach Angaben der UNO zielt ISKP darauf ab, von den Taliban und Al-Qaida abtrünnige Rekruten zu gewinnen, insbesondere solche, die sich jeglichen Vereinbarungsgesprächen mit den US-amerikanischen oder afghanischen Regierungen widersetzen (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Am 4.4.2020 verhaftete die Nationale Sicherheitsdirektion Afghanistans (NDS) den IS-Führer in Afghanistan (AnA 30.4.2020; vgl. HRW 6.4.2020). Die Gruppe ist jedoch immer noch aktiv und führt weiterhin Angriffe durch (DW 3.8.2020; vgl. AVA 1.11.2020).

Nach Erkenntnissen von AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission), ist die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von ISKP-Angriffen im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 21 Prozent gesunken. Die Gesamtzahl der durch ISKP-Angriffe in Afghanistan im Jahr 2020 getöteten oder verletzten Zivilisten beträgt 403; während die Gesamtzahl der durch ISKP in Afghanistan im Jahr 2019 getöteten oder verletzten Zivilisten 515 betrug (AIHRC 28.1.2021; cf. ACCORD 6.5.2021). Vom 1.1.2020 bis 31.12.2020 schrieb UNAMA 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) dem ISKP zu. 80% der zivilen Opfer, die dem ISKP zugeschrieben werden, wurden durch Angriffe verursacht, die bewusst auf Zivilisten abzielten (UNAMA 2.2021a).

Lokale Ältere, die in den Grenzprovinzen Kunar und Nangarhar leben, berichteten von ISKP-Kräften, die nach wie vor die Bewohner in Dörfern unter ihrer Kontrolle terrorisieren und Buben zwangsrekrutieren, sowie Mädchen vom Schulbesuch abhalten (WP 20.8.2019; vgl. TST 21.8.2019). Aus Kunar wurde berichtet, dass auch Männer zwangsrekrutiert und jene getötet wurden, die dies verweigert hätten (TST 22.8.2019).

Die Zahl der Angriffe, zu denen sich der ISKP bekannte oder die der Gruppe zugeschrieben wurden, nahm Ende 2020 und Anfang 2021 zu. Während sich viele Vorfälle in den östlichen Provinzen Laghman, Kunar und Nangarhar ereigneten, griff der ISKP auch weiterhin Zivilisten in städtischen Gebieten mit asymmetrischen Taktiken an. Der ISKP bekannte sich zu zwei Raketenangriffen auf die Stadt Kabul, zuerst am 21.11.2020, als 23 Raketen in bewohnten Gebieten einschlugen, und dann am 12.12.2020, als 4 Raketen Berichten zufolge den internationalen Flughafen Hamid Karzai trafen. Die Gruppe bekannte sich auch zu Angriffen auf eine Journalistin in der Stadt Jalalabad bzw. auf medizinisches Personal und Regierungsbeamte in Kabul im Dezember 2020 (UNGASC 12.3.2021).

Afghanische Medien berichteten am 22.03.21, dass sich der ISKP zu über 30 Morden in Kabul und Nangarhar vom 11.3. bis zum 17.3.21 bekannt habe. Dabei seien 20 Zivilisten und 13 Sicherheitskräfte getötet worden. Die afghanische Regierung behauptet hingegen, die Taliban seien verantwortlich gewesen (BAMF 29.3.2021).

1.3.3. Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA Balkh 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Balkh 2019).

Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Balkh im Zeitraum 2020-21 auf 1,509.183 Personen, davon geschätzte 484.492 Einwohner in Mazar-e Sharif (NSIA 1.6.2020). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern, sunnitischen Hazara (Kawshi) (PAJ Balkh o.D.; vgl. NPS Balkh o.D.) sowie Mitgliedern der kleinen ethnischen Gruppe der Magat bewohnt wird (AAN 8.7.2020).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Ring Road (auch Highway 1 genannt) verbindet Balkh mit den Nachbarprovinzen Jawzjan im Westen und Kunduz im Osten sowie in weiterer Folge mit Kabul (TD 5.12.2017). Rund 30 km östlich von Mazar-e Sharif zweigt der National Highway (NH) 89 von der Ring Road Richtung Norden zum Grenzort Hairatan/Termiz ab (OSM o.D.; vgl. TD 5.12.2017). Dies ist die Haupttransitroute für Warenverkehr zwischen Afghanistan und Usbekistan (LCA 4.7.2018).

Entlang des Highway 1 westlich der Stadt Balkh in Richtung der Provinz Jawzjan befindet sich der volatilste Straßenabschnitt in der Provinz Balkh, es kommt dort beinahe täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Auch besteht auf diesem Abschnitt in der Nähe der Posten der Regierungstruppen ein erhöhtes Risiko von IEDs - nicht nur entlang des Highway 1, sondern auch auf den Regionalstraßen (STDOK 21.7.2020). In Gegenden mit Talibanpräsenz, wie zum Beispiel in den südlichen Distrikten Zari (AAN 23.5.2020), Kishindeh und Sholgara, ist das Risiko, auf Straßenkontrollen der Taliban zu stoßen, höher (STDOK 21.7.2020; vgl. TN 20.12.2019).

In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (Kam Air o.D.; vgl. F 24 o.D.).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählte zu den relativ friedlichen Provinzen im Norden Afghanistans, jedoch hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren in einigen ihrer abgelegenen Distrikte verschlechtert (KP 10.2.2020; vgl. STDOK 21.7.2020), da militante Taliban versuchen, in dieser wichtigen nördlichen Provinz Fuß zu fassen (KP 10.2.2020; vgl. AA 16.7.2020). Ziel der Anschläge sind oftmals Sicherheitskräfte, jedoch kommt es auch zu zivilen Opfern. Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Kriminalität in Mazar-e Sharif ein Problem. Bewohner der Stadt berichteten insbesondere von bewaffneten Raubüberfällen (STDOK 21.7.2020). Im Jahr 2020 gehörte Balkh zu den konfliktreichsten Provinzen des Landes (UNGASC 9.12.2020; vgl. UNGASC 17.6.2020, UNGASC 17.3.2020, LWJ 10.3.2020) und in der Hauptstadt und den Distrikten kommt auch im Jahr 2021 weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen (ACCORD 27.1.2021; vgl. KP 3.3.2021). Nach Schätzungen des Long War Journal befindet sich der Distrikt Dawlat Abad mit Stand Mai 2021 unter Talibankontrolle, während Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dehdadi, Kishindeh, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari umkämpft sind (LWJ o.D.).

Auf Regierungsseite befindet sich Balkh im Verantwortungsbereich des 209. Afghan National Army (ANA) "Shaheen" Corps (USDOD 1.7.2020; vgl. TN 22.4.2018), das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - North (TAAC-N) untersteht, welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020). Das Hauptquartier des 209. Afghan National Army (ANA) "Shaheen" Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Die meisten Soldaten der deutschen Bundeswehr sind in Camp Marmal stationiert (SP 7.4.2019). Weiters unterhalten die US-amerikanischen Streitkräfte eine regionale Drehscheibe in der Provinz (USDOD 1.7.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 712 zivile Opfer (263 Tote und 449 Verletzte) in der Provinz Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 157% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern (IEDs; ohne Selbstmordattentate) (UNAMA 2.2021a).

Ungeachtet der Friedensgespräche finden auch weiterhin sicherheitsrelevante Vorfälle in der Hauptstadt und den Distrikten statt (KP 3.3.2021, ACCORD 27.1.2021). Es kommt zu direkten Kämpfen (KP 3.3.2021; UNOCHA 23.9.2020; AJ 1.5.2020; DH 8.4.2020) und Angriffen der Taliban auf Distriktzentren (UNOCHA 23.7.2020; REU 1.5.2020; UNOCHA 26.2.2020) oder Sicherheitsposten (RFE/RL 14.4.2021; ANI 6.3.2021; NYTM 1.10.2020; NYTM 28.8.2020; AnA 18.3.2020). Die Regierungskräfte führen Räumungsoperationen durch (RFE/RL 14.4.2021; KP 3.3.2021; AN 25.6.2020; MENAFN 24.3.2020; AnA 18.3.2020). Ebenso wird von IED-Explosionen, beispielsweise durch Sprengfallen am Straßenrand (NYTM 28.8.2020), aber auch an Fahrzeugen befestigten Sprengkörpern (vehicle-borne IEDs, VBIEDs) (TN 25.8.2020; RFE/RL 25.8.2020; NYTM 28.8.2020) sowie Selbstmordanschlägen berichtet (TN 25.8.2020; RFE/RL 25.8.2020; RFE/RL 19.9.2020). Auch in Mazar-e Sharif kommt es wiederholt zu IED-Anschlägen (ACCORD 6.5.2021a; BAMF 12.4.2021; ACCORD 27.1.2021; NYTM 1.10.2020; AN 19.9.2020; TN 1.7.2020) sowie Angriffen auf bzw. die Tötung von Sicherheitskräften (ACCORD 6.5.2021a; KP 3.3.2021; ANI 6.3.2021; ACCORD 27.1.2021; BAMF 18.1.2021; PAJ 12.1.2021; AT 12.1.2021). Zudem wird von der Entführung (ACCORD 6.5.2021a; TN 13.3.2021; DH 8.4.2020) und Ermordung von Zivilisten in der Provinz berichtet (ACCORD 6.5.2021a; KP 3.3.2021; ACCORD 27.1.2021; NYTM 1.10.2020; DH 8.4.2020).

1.3.4. Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA Herat 4.2014). Herat ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Enjil, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kuhna, Obe, Pashtun Zarghun, Zendahjan und die „temporären“ Distrikte Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar, Kozeor), Zawol und Zerko (NSIA 1.6.2020; IEC Herat 2019), die aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Ihre Schaffung wurde vom Präsidenten nach Inkrafttreten der Verfassung von 2004 aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, während das Parlament seine Zustimmung (noch) nicht erteilt hat (AAN 16.8.2018). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (NSIA 1.6.2020). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ Herat o.D.).

Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in der Provinz Herat im Zeitraum 2020-21 auf 2,140.662 Personen, davon 574.276? in der Provinzhauptstadt (NSIA 1.6.2020). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ Herat o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. STDOK 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017, LCA 4.7.2018). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Straßen verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (LCA 4.7.2018), wo sich einer der größten Trockenhäfen Afghanistans befindet (KN 7.7.2020). Die Schaffung einer weiteren Zollgrenze zum Iran ist im Distrikt Ghoryan geplant (TN 11.9.2020). Eine Eisenbahnverbindung zwischen der Stadt Herat und dem Iran, die die Grenze an diesem Punkt überqueren wird, ist derzeit im Bau (1TV 28.10.2020, TN 11.9.2020). Auf der Strecke Herat-Islam-Qala wurde über Tötungen und Entführungen berichtet (UNAMA 7.2020, KN 7.7.2020; vgl. PAJ 6.2.2020) sowie über Sprengfallen am Straßenrand (KN 7.7.2020; vgl. PAJ 6.2.2020), auch auf der Ring Road in Richtung Kandahar (TN 10.10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte über illegale Zolleinhebungen durch Aufständische sowie Polizeibeamte entlang der Strecke Herat-Kandahar (HOA 12.1.2020, PAJ 4.1.2020; vgl. NYT 1.11.2020). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (STDOK 25.11.2020; vgl. Kam Air o.D., F 24 o.D.).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die Sicherheitslage auf Stadt- und Distriktebene unterscheidet sich voneinander. Während einige Distrikte, wie z.B. Shindand, als unsicher gelten, weil die Kontrolle zwischen der Regierung und den Taliban umkämpft ist, kam es in Herat-Stadt in den letzten Jahren vor allem zu kriminellen Handlungen und kleineren sicherheitsrelevanten Vorfällen, jedoch nicht zu groß angelegten Angriffen oder offenen Kämpfen, die das tägliche Leben vorübergehend zum Erliegen gebracht hätten. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle, die in letzter Zeit in der Stadt Herat gemeldet wurden, fielen meist in zwei Kategorien: gezielte Tötungen und Angriffe auf Polizeikräfte (AAN 21.4.2020; vgl. OA 20.7.2020). Darüber hinaus fanden im Juli und September 2020 (UNAMA 10.2020) sowie Oktober 2019 Angriffe statt, die sich gegen Schiiten richteten (AAN 21.4.2020). Bezüglich krimineller Handlungen wurde beispielsweise über bewaffnete Raubüberfälle und Entführungen berichtet (OA 20.7.2020, AAN 21.4.2020, AN 2.1.2020).

Je weiter man sich von der Stadt Herat (die im Januar 2019 als "sehr sicher" galt) und ihren Nachbardistrikten in Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer ist der Einfluss der Taliban (STDOK 13.6.2019). Pushtkoh und Zerko befanden sich im Februar 2020 einem Bericht zufolge vollständig in der Hand der Taliban (AAN 28.2.2020), während die Kontrolle der Regierung in Obe auf das Distriktzentrum beschränkt ist (AAN 8.4.2020, AAN 20.12.2019). In Shindand befindet sich angeblich das "Taliban-Hauptquartier" von Herat (AAN 20.12.2019). Nach Schätzungen des Long War Journal befindet sich der Distrikt Fersi mit Stand Mai 2021 unter Talibankontrolle, während Adraskan, Chishti Sharif, Ghoryan, Gulran, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kuhna, Obe, Pashtun Zarghun und Shindand umkämpft sind (LWJ o.D.).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (SaS 2.11.2018; vgl. RUSI 16.3.2016). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab (SaS 2.11.2018). Die Rasoul-Gruppe, die mit der stillschweigenden Unterstützung der afghanischen Regierung operiert hat, kämpft mit Stand Jänner 2020 weiterhin gegen die Hauptfraktion der Taliban in Herat, auch wenn die Zusammenstöße zwischen den beiden Gruppen laut einer Que

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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