Entscheidungsdatum
16.08.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W195 2229779-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt.
III. Gemäß § 8 AsylG 2005 wird XXXX eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in der Dauer von einem Jahr ab Rechtskraft dieser Entscheidung erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III bis VI stattgegeben und werden diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Angehöriger der Volksgruppe der Rohingya, stellte am 05.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer Erstbefragung am gleichen Tag gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass seine Familie von Myanmar im Jahr 1992 nach Bangladesch geflohen sei. Sie seien Rohingyas.
Der BF sei von einem Bengalen adoptiert worden und habe am 31.03.2006 seine jüngere Tochter geheiratet. Gemeinsam hätten sie drei Kinder.
2019 seien Anhänger der Regierungspartei zu ihm gekommen und hätten verlangt, dass der BF Drogen verkaufe und bei einer Veranstaltung der oppositionellen BNP eine Bombe mitnehmen müsse. Am Tag vor dieser Veranstaltung seien „drei Polizisten“ gekommen, um ihn nochmals daran zu erinnern. Daraufhin sei er in der Nacht geflüchtet.
I.2. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 16.09.2019 legte der BF eine Kopie eines Flüchtlingsregisterformulars und ein Familienbuch vor. Des Weiteren führte der BF zu seinen Fluchtgründen befragt näher aus, dass er, als er sieben Jahre alt war, mit seiner Familie von Myanmar nach Bangladesch gezogen sei.
Der BF sei verheiratet und habe drei Söhne. Zu seinem leiblichen Vater habe er seit mehr als 15 Jahren keinen Kontakt mehr, sein Vater habe ihm zur Adoption freigegeben. Die Mutter sei seinerzeit im Flüchtlingslager gestorben. Zu seinen leiblichen Schwestern habe er seit dem Lager auch keinen Kontakt mehr.
In Österreich habe der BF keine Verwandten
I.3. Am 30.10.2019 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA.
Der BF habe bei seinem Adoptivvater in der Landwirtschaft und Fischzucht gearbeitet. Er habe kein Geld erhalten, aber er habe dort gewohnt. 2005 sei sein Adoptivvater XXXX gestorben und habe der BF dessen Tochter am 31.03.2006 traditionell geheiratet. Der Sohn des XXXX habe die Landwirtschaft übernommen. Der BF und dessen Familie hätten weiterhin dort gewohnt und in der Landwirtschaft des Schwagers, mit dem er ein gutes Verhältnis habe, mitgearbeitet.
Mit seiner Ehefrau spreche er einmal wöchentlich, Papiere habe er sich jedoch nicht besorgt. Dies könne nur die Familie erledigen; dem BF wird nochmals eine Frist eingeräumt.
Zu seinem Fluchtgrund gab der BF an, dass Vertreter der regierenden Awami League ihm am 20.07.2019 eine Bombe gebracht hätten, welche er am 21.07.2019 bei einer Sitzung der BNP zünden sollte. Er sei dann aber geflüchtet. Nachgefragt gab der BF an, dass Mitglieder der Regierungspartei am 20.07.2019 zu ihm gekommen seien, damit er am 21.07.2019 einen Anschlag verübe. In der Nacht seien dann Polizisten gekommen und wiederholten, er müsse den Anschlag machen. Nachgefragt gab der BF an, es wären „fünf Polizisten“ gewesen. Es seien Polizisten in Uniform gewesen und sie hätten auch gewollt, dass der BF Drogen verkaufe.
Darauf angesprochen, dass sich der BF gegenüber der früheren Aussage (drei versus fünf Polizisten) widerspreche, meinte dieser, drei wären drinnen und zwei wären draußen gewesen.
Man habe ihm eine schwarze Tasche gegeben, die hätte er auf ein Fußballfeld werfen sollen; dort wäre eine Veranstaltung der BNP gewesen. Er habe in die Tasche nicht hineingesehen. Am nächsten Tag sei er gleich geflüchtet, die Tasche hätten Parteimitglieder abgeholt.
Hinsichtlich seiner persönlichen Umstände in Österreich gab der BF an, dass er keine Verwandten oder Freunde hier habe. Er lebe von staatlicher Unterstützung.
I.4. In weiterer Folge holte das BFA eine Sonderrecherche zum Thema Rohingya in Bangladesch ein, welche die Situation ausführlich darstellt.
I.5. Am 19.02.2020 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF durch das BFA, wobei primär auf die Recherche der Staatendokumentation zu der Thematik Rohingya eingegangen wurde.
I.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.02.2020 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass eine Frist von 14 Tagen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG für die freiwillige Ausreise festgesetzt wurde (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingyas ausreichend darlegen konnte. Jedoch habe der BF eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen habe können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, insbesondere, weil der BF verheiratet sei und drei Söhne habe. Es gäbe keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.7. Am 18.03.2020 erhob der BF durch seinen im Spruch genannten Vertreter Beschwerde und beantragte, ihm den Status des Asylberechtigten zu gewähren, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, und die Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben.
Begründend wurde auf das bisher Vorgebrachte verwiesen. Im Gegensatz zur Ansicht des BFA habe der BF damit ein in sich geschlossenes, immer gleichbleibendes, nachvollziehbares Vorbringen erstattet, aus dem sich eine Verfolgung der Minderheit der Rohingyas, welche auch im Länderbericht einschlägig dokumentiert sei, ergebe.
I.8. Mit Schreiben vom 20.3.2020 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.9 Mit der Ladung zur Verhandlung des BVwG wurde dem BF der aktuelle Länderbericht zu Bangladesch (Stand Juni 2021) zur Stellungnahme übermittelt.
I.10. Am 12.08.2021 fand im Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung mit dem BF, seinem Rechtsvertreter sowie dem Dolmetscher für die Sprache Bengali (und mit Kenntnissen der burmesischen Sprache) statt.
Der BF bzw. sein Vertreter legten einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag sowie eine umfangreiche Stellungnahme zur Situation der Rohingya in Bangladesch vor.
Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der gesunde BF – zusammengefasst - an, dass er in Österreich keine Verwandten, keine Kinder oder Beziehungen habe.
Der BF sei 2019 nach Österreich gekommen, habe aber keinen Deutschkurs absolviert. Eine Unterhaltung in deutscher Sprache war mit dem BF faktisch nicht möglich.
Da der BF auch keine Ausbildung habe, könne er lediglich Hilfsarbeiten leisten. Der BF werde von einem Österreicher mit ca 10 – 12 Euro pro Tag unterstützt, er bekomme keine GVS, weil er freiwillig aus der zugewiesenen Unterkunft in XXXX , ausgezogen sei (AAS 173). Jetzt wohne er mit einigen bengalischen Zimmerkollegen zusammen in Wien. Freunde habe er keine, auch nicht bengalische. Er sei auch kein Mitglied in einem Verein.
Der BF ist in Bangladesch mit einer Bengalin traditionell verheiratet und hat drei Söhne. Wenn es ihm ermöglicht werde würde er seine Ehefrau und die Kinder nach Österreich bringen. Er habe bis zu dreimal pro Woche Kontakt zur Familie.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass er Rohingya sei und mit seinen Eltern von Myanmar nach Bangladesch flüchtete. Sie seien in einem Camp gelandet und habe ein Bengale namens XXXX den BF „gekauft“. Der Vater habe ihm das „Familienbuch“ mitgegeben, um ihm den Nachweis seiner Herkunft zu ermöglichen. Der BF konnte die Frage, weshalb sein Vater ihm das Familienbuch gegeben habe, und damit selber keines (und keinen Nachweis über seine Herkunft) mehr hätte, nur damit erklären, dass er ein älterer Herr gewesen sei.
Der BF habe dann in der Familie des XXXX gelebt und auf den Feldern gearbeitet. Das Dorf, in dem sie lebten, sei nicht weit entfernt von dem Haus. Nachdem dieser 2004 verstorben sei habe er mit Zustimmung des Sohnes des früheren Arbeitgebers die Tochter im Jahr 2006 traditionell geheiratet und mit ihr gemeinsam drei Söhne. Die Ehefrau sowie die drei Söhne haben die Staatsbürgerschaft von Bangladesch (s AAS 159 – 165).
Der nunmehrige Schwager habe ihm auch die schlepperunterstützte Flucht, ca € 8.000, bezahlt. Der BF sei geflüchtet, weil eines Tages im Jahr 2019 mittags unbekannte Personen zum Haus gekommen seien, den BF beschimpft hätten und ihm eine schwarze Tasche mit Bomben gegeben hätten. Der BF habe jedoch nicht in die Tasche geschaut. Sie würden ihm am nächsten Tag mit dieser Bombentasche abholen, um ihn an einen anderen Ort zu bringen, damit er dort auf einem Spielfeld die Bomben werden solle. Es würde dort nämlich eine Versammlung der politischen Partei BNP stattfinden und sei es Aufgabe des BF, diese zu stören. Am Abend des gleichen Tages seien Polizisten beim Haus vorbeigekommen und hätten ihn ermahnt, am nächsten Tag die Bomben zu werfen.
Der BF sei daraufhin nach Rücksprache mit seiner Ehefrau und seinem Schwager geflohen.
Die Personen, die den BF am nächsten Tag abholen wollten, seien tags darauf gekommen und hätten die Bombentasche abgeholt.
Der BF konnte in seiner Geschichte nicht ausführen und erklären, wieso die angegebenen, ihm unbekannten Personen am Vortag dem BF eine Bombentasche ins Haus liefern, welche er erst am nächsten Tag verwenden sollte, noch dazu, wenn die gleichen Personen ihn am nächsten Tag noch an den Ort des geplanten Attentates bringen würden.
Im Falle seiner Rückkehr nach Bangladesch würde der BF Verfolgung erwarten, weil er Rohingya sei und die Personen, welche ihm die Bombentasche gebracht hätten, seine Ehefrau noch einige Male besuchten, um den BF zu finden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist in Myanmar geboren, vermutlich am XXXX und reiste er mit seiner Familie im Jahr 1992 nach Bangladesch. Er ist ein Rohingya und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist nach seinen Angaben Bengali/Rohingya/Akyab/Chittagonian-Bengali. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.
Der BF wurde von seinen Eltern an einen Bengalen „verkauft“ bzw. „adoptiert“ (aus den Schilderungen des BF ist keine Version zweifelsfrei), welcher ihn mit nach Hause nahm und auf den Feldern arbeiten ließ. Nach dem Tod dieses Bengalen heiratete der BF in traditioneller Form dessen Tochter und lebte mit dieser und den mittlerweile drei Söhnen weiter im Haus. Der BF hat guten Kontakt zum Schwager, der ihm auch seine Flucht finanzierte. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie, bis zu dreimal pro Woche.
In Österreich hat der BF keine familiäre oder private Beziehung. Er lebt von der Unterstützung eines Österreichers. Er wohnt mit anderen Bengalen in einer Wohnung und hat nur geringen Kontakt. Er ist in keinen Verein tätig. Der BF hat faktisch keine Deutschkenntnisse.
Der BF ist gesund, arbeitsfähig und strafrechtlich unbescholten.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Festgestellt wird, dass der BF ein Rohingya ist.
Gegen den BF liegen in Bangladesch weder Anzeigen noch ein Gerichtsverfahren vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF von bengalischen Behörden gesucht wird oder dass ein aufrechter Haftbefehl gegen ihn besteht. Derartiges hat der BF auch nie vorgebracht.
Nicht festgestellt wird, dass der BF veranlasst worden sei, an einem geplanten Attentat gegen eine Versammlung der oppositionellen BNP mitzuwirken.
Ein weiteres konkretes, die Flucht auslösendes Vorbringen wurde nicht erstattet.
Es wird auf Grund der aktuellen Länderberichte festgestellt, dass im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch der BF einer unmittelbaren (staatlichen) Bedrohung ausgesetzt ist.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
COVID-19:
Letzte Änderung: 08.06.2021
Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).
Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).
Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).
Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).
COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).
Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).
Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).
Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).
Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).
Quellen:
? AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021
? AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021
? AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021
? GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020
? GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020
? HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021
? iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021
? TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 08.06.2021
Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).
Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).
Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).
Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).
Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021).
Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020
? DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020
? DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)
? FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020
? OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021
? HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020
? NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 08.06.2021
Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der "Islamische Staat" ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).
Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).
Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).
Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).
Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).
Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).
Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).
Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020
? AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 27.5.2021
? CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021
? DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021
? EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021
? HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021
? ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 28.5.2021
? SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021a): Yearly Suicide Attacks, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/suicide-attacks/bangladesh, Zugriff 28.5.2021
? SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 28.5.2021
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, Political violence, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 27.5.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 16.06.2021
Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 30.3.2021). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keinen diesbezüglichen Verurteilungen wegen diverser Vergehen (ÖB 9.2020).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Frauen, Kinder, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen. Die Regierung von Bangladesch versäumt es, einen angeforderten Folgebericht zur Überprüfung ihrer Praktiken durch den Ausschuss gegen Folter vorzulegen (HRW 13.1.2021).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Nichtsdestotrotz stellt eine wissenschaftliche Studie vom Mai 2020 fest, dass 2,2 Millionen Strafverfahren gegen Menschen mit Behinderungen anhängig sind. So wird resümiert, dass Menschen mit Behinderungen "die am meisten gefährdeten unter den Gefährdeten" sind. Über Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und andere Minderheiten, insbesondere im privaten Bereich, wird berichtet (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung nutzt weiterhin den Digital Security Act (DSA) 2018, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Trotz wiederholter Aufrufe der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen, die umstrittenen und strafenden Bestimmungen des DSA aufzuheben, wurde das Gesetz nicht abgeändert. Offiziellen Statistiken zufolge wurden zwischen Januar und Dezember 2020 mehr als 900 Fälle unter dem DSA eingereicht. Etwa 1.000 Personen wurden angeklagt und 353 inhaftiert (AI 7.4.2021).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 3.3.2021). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt sind. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von "Wegschauen" über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, 7. April 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff am 18.5.2021
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 18.5.2021
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 18.5.2021
? HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 18.5.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021
? UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 11.11.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 18.5.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 16.06.2021
Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, AA 21.6.2020). Ausgenommen davon sind jedoch zwei sensiblen Gebiete: die Chittagong Hill Tracts (CHT) und die Rohingya-Lagern in Cox's Bazar (USDOS 30.3.2021). Auch wurden im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie durch die Regierung einige Bewegungseinschränkungen angeordnet, deren Umfang und Dauer begrenzt sind (FH 3.3.2021).
Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox’s Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020).
Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 9.2020; vgl. FH 3.3.2021; AA 21.6.2020). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerungen bei der Reisepassausstellung (ÖB 9.2020). Ein Ausreiseverbot besteht für Personen, welche verdächtigt werden, an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 beteiligt gewesen zu sein (ÖB 9.2020).
Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner, um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahren brauchen keinen gesetzlichen Vertreter, um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formular (ÖB 9.2020).
Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020). Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte. Es handelt sich hierbei teilweise um Klimaflüchtlinge, deren Lebensgrundlage entzogen wurde und teilweise um Arbeitssuchende, die hoffen, insbesondere in der Textilindustrie Anstellung zu finden.Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 21.6.2020).
Für Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten dürften innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten kaum vorhanden sein. Indiz dafür ist auch die verstärkte Auswanderung religiöser Minderheiten Richtung Indien. Aufgrund des Bevölkerungsreichtums und der nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen dürfte allerdings insbesondere für Opfer lokaler politischer motivierter Verfolgung das Ausweichen in andere Landesteile eine plausible Alternative sein (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom House: Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 17.5.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 17.5.2021
IDPs und Flüchtlinge
Letzte Änderung: 16.06.2021
Die Zahl der intern vertriebenen Personen (IDPs) in den Chittagong Hill Tracts (CHT) bleibt umtritten. Im Jahr 2000 schätzte eine Arbeitsgruppe der Regierung sie auf 500.000, was sowohl nicht-indigene als auch indigene Personen einschloss. Die CHT-Kommission schätzte kürzlich, dass sich etwas mehr als 90.000 indigene IDPs in den CHT aufhalten. Durch die Regierung wurde versprochen, ausstehende Landstreitigkeiten in den CHT zu lösen, um die Rückkehr der IDPs zu erleichtern und die verbleibenden Militärlager zu schließen. Die Kommission berichtet, dass die Behörden mehrere indigene Familien vertrieben haben, um Grenzschutzlager und Erholungseinrichtungen der Armee zu errichten. Gemeindeführer behaupten, dass indigene Personen mit weit verbreiteten Verletzungen ihrer Rechte durch Siedler konfrontiert sind, die manchmal von Sicherheitskräften unterstützt werden. Auch bleibt die eingesetzte Taskforce für IDPs aufgrund eines Streits über die Klassifizierung von Siedlern als IDPs arbeitsunfähig. Im Laufe des Jahres 2020 wurden keine Landstreitigkeiten beigelegt (USDOS 30.3.2021).
Intern vertriebenen Biharis leben immer noch in Lagern, in denen sie keinen Zugang zur Grundversorgung haben (IDMC 4.2020). Politische und religiöse Gewalt führt in mehreren Landesteilen Bangladeschs zu lokalen Vertreibungen (IDMC 4.2020).
In Bangladesch halten sich 860.000 bis zu einer Million Flüchtlinge aus der Volksgruppe der Rohingya auf (ÖB 9.2020; vgl. EK 22.10.2020, HRW 13.1.2021). Etwa 270.000 von ihnen leben in den Dörfern und Städten um Cox’s Bazar, seit sie ab den 1990er-Jahren aus Myanmar geflüchtet sind (FH 2020; vgl. ÖB 9.2020, AA 21.6.2020). Die Regierung gewährt den Rohingya mangels Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention kein Asyl und stuft sie als illegale Wirtschaftsflüchtlinge ein. Von ihnen leben 33.000 in den zwei offiziellen Flüchtlingslagern Kutupalong und Nqayapara als registrierte, offizielle Flüchtlinge (ÖB 9.2020).
Die überwiegende Mehrheit der Rohingya verfügt über keinen offiziellen Flüchtlingsstatus und leidet unter einem völligen Mangel an Zugang zu medizinischer Versorgung, Beschäftigung und Bildung und ist erheblichen Schikanen ausgesetzt (FH 3.3.2021). Im Jahre 2017 setzte durch Unruhen in Myanmar eine neue Flüchtlingswelle Richtung Bangladesch ein (ÖB 9.2020). Bangladesch hat seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, keine Rückführungen zu erzwingen, und ließ gestrandete Flüchtlinge, die von anderen Ländern zurückgewiesen wurden, an Land (HRW 13.1.2021).
Aufgrund der bestehenden Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gegen Rohingyas in Myanmar war eine sichere und freiwillige Rückkehr in ihr Herkunftsland bisher nicht möglich (ÖB 9.2020). Dennoch beharrt die Regierung von Bangladesch weiterhin darauf, dass die Lager nur vorübergehend seien und behinderte Verbesserungen der Infrastruktur, insbesondere in Bezug auf Unterkünfte und Bildung. Die Regierung kooperiert und unterstützt UNHCR und andere humanitäre Organisationen nur mangelhaft, nicht zu allen betroffenen, hilfesuchenden Personen wird der Zugang gestattet (ÖB 9.2020). UNHCR und das Welternährungsprogramm weisen weiters darauf hin, dass Unterernährung besonders bei Kindern in Flüchtlingslagern verbreitet ist (ÖB 9.2020). Die Grundversorgung wird durch die bangladeschische Regierung sowie von UN-Organisationen und NGOs gesichert (AA 21.6.2020).
Die Gefahr von Seuchen und Epidemien ist aufgrund der beengten Verhältnisse hoch. Es gibt nur unzureichend Möglichkeiten im Bildungsbereich und die Menschen leben in einem quasi rechtsfreien Raum. Vor allem Frauen und Kinder, die den Großteil der letzten Fluchtwelle ausmachen, befinden sich in großer Gefahr, u.a. sexueller und körperlicher Gewalt, Zwangsheirat, Kinderarbeit, Organ- und Menschenhandel zum Opfer zu fallen (AA 21.6.2020). Die bangladeschische Stammbevölkerung fühlt sich in den Kernflüchtlingszonen durch die große Zahl von Rohingyas zunehmend be- und verdrängt (u.a. Sinken des lokalen Lohnniveaus), was nunmehr häufiger zu Repressalien durch die Bevölkerung – aber auch seitens bangladeschischer offizieller Stellen – führt und das allgemeine Klima verschlechtert (ÖB 9.2020; vgl. IDMC 4.2020). Spannungen mit der bangladeschischen Bevölkerung nehmen zu. Verwicklungen in illegale Tätigkeiten wie Drogenschmuggel und Menschenhandel sowie der rasante Preisanstieg und Druck auf die Löhne haben eine zunehmende Diskriminierung von Rohingyas im gesamten Land zur Folge. Islamismus breitet sich über informelle Koranschulen in den Lagern aus (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 9.2020).
Durch die Behörden wurden unter Berufung auf den Ausbruch der COVID-19-Pandemie im April 2020 mehr als 300 gestrandete Flüchtlinge aus Myanmar auf der Insel Bhasan Char, einer Schlickinsel vor der Küste Bangladeschs verlegt und unter Quarantäne gestellt (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021), obwohl die Bewohnbarkeit der Insel ernsthaft infrage gestellt wird (HRW 14.1.2020; vgl. FH 3.3.2021, TS 21.10.2019, HRW 14.3.2019). Internationale Medien berichten, dass die Behörden Anfang Dezember 2020 weitere rund 1.650 Rohingya-Flüchtlinge nach Bhasan Char umgesiedelt haben und die Umsiedlung weiterer 1.800 Flüchtlinge aus Myanmar geplant sind (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021), obwohl Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen diese Entscheidung verurteilen (FH 3.3.2021). Menschenrechtsgruppen melden, dass die Rohingya-Flüchtlinge, die seit September auf die Insel Bhasan Char umgesiedelt wurden, keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und angemessenen sanitären Einrichtungen haben. Von der Insel wird berichtet, dass den Flüchtlingen die Bewegungsfreiheit verweigert wird und sie keinen Zugang zu nachhaltigem Lebensunterhalt oder Bildung haben. Internationale Medien berichten über Fälle von sexuellem Missbrauch von Rohingya-Flüchtlingen durch die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021).
Die "Bangladesh Citizensh