Entscheidungsdatum
30.08.2021Norm
ASVG §18bSpruch
W229 2243491-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 15.03.2021, HVBA XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Antrag vom 01.03.2021 beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der nahen Angehörigen XXXX (im Folgenden: XXXX .) ab 01.01.2021. Unter Punkt 2. Personaldaten des nahen Angehörigen wurde zur Angehörigeneigenschaft „Familie – Ex Gattin von meinem Gatten“ angegeben.
2. Mit Bescheid vom 15.03.2021 wurde der Antrag abgelehnt und als Ablehnungsgrund angegeben, dass die zu pflegende Person keine nahe Angehörige der Antragstellerin ist.
3. Mit am 27.04.2021 bei der PVA eingelangten Schreiben erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde und führte darin aus, dass sie schon länger für Frau XXXX da sie im selben Haushalt lebe, sorge. Frau XXXX sei die Ex-Gattin ihres Mannes XXXX . Die Pflege werde wirklich benötigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Zustellung des Bescheides erfolgte ohne Zustellnachweis. Es kann nicht festgestellt werden, wann der Bescheid dem Zustellorgan übergeben worden ist.
Die Beschwerdeführerin stellte am 01.03.2021 erstmalig einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der Frau XXXX ., geboren am XXXX , gemäß § 18b ASVG.
Die Beschwerdeführerin und Frau XXXX leben im gemeinsamen Haushalt.
Die Beschwerdeführerin und Frau XXXX sind weder verwandt oder verschwägert, noch Wahl-, Stief- oder Pflegekinder bzw. -eltern. Es besteht auch keine eingetragene Partnerschaft. Vielmehr ist XXXX . die Ex Frau des Ehemannes der Beschwerdeführerin.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt der PVA. Die Feststellungen zur Zustellung ergeben sich insbesondere aus dem Schreiben der PVA vom 22.06.2021. Der Sachverhalt wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, vielmehr wurden die Beziehungsverhältnisse zur zu pflegenden Person von der Beschwerdeführerin im Antrag und in der Beschwerde entsprechend dargelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl. I Nr. 51/2012) wurde mit 01.01.2014 (Art. 151 Abs. 51 Z 6 BV-G) das Bundesverwaltungsgericht (Art. 129 B-VG) eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen und wegen Verletzung ihrer (seiner) Entscheidungspflicht in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Folglich ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer Antragstellung gemäß § 414 Abs. 2 ASVG liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idgF, lauten:
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger
§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
(1a) – (6) (...)
3.4. Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.4.1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte im vorliegenden Fall ohne Zustellnachweis. Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung ohne Zustellnachweis als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss – mangels Zustellnachweises – der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. VwGH 20.12.2007, 2007/16/0175). Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (vgl. VwGH 24.06.2008, 2007/17/0202). Die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) vermochte im Verfahren weder das Datum der unstrittig erfolgten Zustellung noch das konkrete Datum der Übergabe des Bescheides vom 15.03.2021 an das Zustellorgan darzulegen. Mangels entsprechender Nachweise der PVA hinsichtlich des Datums der erfolgten Zustellung wird von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausgegangen.
3.4.2. Der Beschwerde war jedoch aus den folgenden Erwägungen nicht Folge zu geben:
Gem. § 18b ASVG muss es sich neben anderen Tatbestandsvoraussetzungen bei der zu pflegenden Person um eine nahe Angehörige der pflegenden Person handeln.
Der Angehörigenbegriff wird zwar im Gesetz nicht näher definiert, eine vergleichbare Umschreibung findet sich aber – in durchaus engem Sachzusammenhang – in der späteren Erweiterung des krankenversicherungsrechtlichen Angehörigenbegriffs in § 123 Abs 7b (idF der 70. Nov, BGBl I 2009/84). Diese entspricht grundsätzlich der Aufzählung der „nahen Angehörigen“ in den Materialien zur Einführung des § 18b (ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP 4), welche umfasst: den Ehegatten/die Ehegattin, Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in gerader Linie oder bis zum vierten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind, ferner Wahl-, Stief- und Pflegekinder, Wahl-, Stief- und Pflegeeltern sowie nicht verwandte, andersgeschlechtliche Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in außerehelicher Gemeinschaft leben, wobei außereheliche Verwandtschaft der ehelichen gleichgestellt ist. Diese Aufzählung ist zumindest um den/die (gleichgeschlechtliche/n) eingetragene/n Partner/in nach dem EPG zu ergänzen (zutr Zehetner in Sonntag, ASVG9 § 18b Rz 1). Eine Erweiterung ist etwa auch für den Fall anzunehmen, in dem die Schwiegertochter den Schwiegerelternteil auch nach einer Scheidung weiter betreut (ebenso nun Rudolf Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege 35 [38]) (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18b ASVG, Rz 4, [Stand: 01.07.2018, rdb.at]).
Die im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin in häuslicher Umgebung gepflegte Person ist jedoch die Ex-Frau des Ehemannes der Beschwerdeführerin und liegt somit weder ein Verwandtschaftsverhältnis im genannten Sinn noch eine Lebensgemeinschaft zur Beschwerdeführerin vor, weshalb sie nicht als nahe Angehörige der Beschwerdeführerin im Sinne des § 18b ASVG gesehen werden kann.
Es ist der PVA somit darin zu folgen, dass bereits die Voraussetzung der nahen Angehörigeneigenschaft der pflegebedürftigen Person für die Anerkennung eines Anspruchs auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gem. § 18b Abs. 1 ASVG nicht gegeben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Im vorliegenden Fall wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung einerseits von der Beschwerdeführerin nicht beantragt, andererseits ergibt sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage und insbesondere aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren selbst. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht in Fällen, in denen keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen sind, die Tatsachen nicht bestritten werden und das Gericht auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahmen und der Aktenlage entscheiden kann, auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027 mHa EGMR 18.7.2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Rn 97 ff.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine klare und eindeutige Rechtslage stützen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Angehörigeneigenschaft Anspruchsvoraussetzungen Pensionsversicherung Pflege Selbstversicherung Zustellung ohne ZustellnachweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W229.2243491.1.00Im RIS seit
15.10.2021Zuletzt aktualisiert am
15.10.2021