TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/27 W154 2242690-1

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Veröffentlicht am 27.09.2021
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Entscheidungsdatum

27.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W154 2242690-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nordmazedonien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8.5.2021, Zahl: 1276563003/210608895, und die Anhaltung in Schubhaft vom 8.5.2021 bis zum 21.5.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nordmazedoniens und reiste erstmals im Jahr 2017 mit einem gefälschten bulgarischen Personalausweis und unter einer Aliasidentität nach Österreich ein.

Am 31.3.2021 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und am 1.4.2021 in die Justizanstalt Wien Josefstadt eingeliefert. Am 2.4.2021 wurde gegen ihn die Auslieferungshaft verhängt.

Am selben Tag wurde gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG erlassen.

Am 16.4.2021 erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen.

Nach seiner Entlassung aus der Auslieferungshaft am 7.5.2021 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

2. Im Rahmen seiner Einvernahme zur möglichen Schubhaftverhängung am 7.5.2021 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes an:

Er sei schon lange in Österreich, habe sich mit einem bulgarischen Personalausweis angemeldet, hier gearbeitet und sei auch sozialversichert gewesen.

Erstmals sei er vor vier Jahren das erste Mal nach Österreich gekommen, und zwar um zu arbeiten, wozu er einen falschen bulgarischen Personalausweis verwendet habe. Zwischenzeitig sei er immer wieder in Nordmazedonien gewesen, zuletzt sei er im Juli 2020 ins Bundesgebiet eingereist.

Vorgehalten, dass die Verwendung des gefälschten bulgarischen Personalausweises eine gerichtlich strafbare Handlung darstelle, antwortete der Beschwerdeführer, er habe nur in Österreich arbeiten und Geld verdienen wollen. Vor mehr als vier Jahren habe er für den Ausweis ca. € 1200 bezahlt.

Zuletzt habe er vor seiner Festnahme am 2.4.2021 an einer näher genannten Wiener Adresse gewohnt, den Schlüssel für die Wohnung habe er noch. Zusätzlich zu den laut Vollzugsinformation vorhandenen ca. € 110 hätte er noch € 2000 bei einem Freund. Das Geld habe er als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle verdient und es gebe auch Lohnzettel darüber.

Nachgefragt, ob es Familienangehörige im Bundesgebiet oder in einem EU-Land gebe, antwortete der Beschwerdeführer ausdrücklich: „Nein, ich habe nur Freunde in Österreich.“ In seinem Heimatland befänden sich seine Eltern und sein Onkel, die Eltern hätten unter einer näher genannten Adresse ein eigenes Haus. Zu seinem eigenen Familienstand erklärte er ausdrücklich, er habe keine Kinder, nur eine Freundin, die sich in Mazedonien aufhalte.

Sein gültiger Reisepass befinde sich in der Heimat, in Serbien habe er zwölf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen, danach sei er Hilfsarbeiter und Fahrer gewesen. Verfolgt werde er in seinem Heimatland nicht, vor seiner Rückkehr habe er nur einige Dinge in der Wohnung zu erledigen, zum Beispiel diese zu kündigen. An Krankheiten leide der Beschwerdeführer nicht.

Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot erlassen werde. Er sei in Österreich jahrelang einer unerlaubten Arbeitstätigkeit nachgegangen, indem er unter falscher Identität eine EU-Staatsbürgerschaft vorgetäuscht habe. Dadurch habe er die Behörden vorsätzlich getäuscht und sich nicht als vertrauenswürdig erwiesen. Es werde eine Wohnsitzüberprüfung vorgenommen werden und danach über die Sicherungsmaßnahme entschieden. Bis dahin verbleibe der Beschwerdeführer im Stande der Festnahme.

Dazu erklärte er, er wolle freiwillig nach Mazedonien reisen, weil er ohne Arbeit hier nicht leben könne. Er brauche aber noch ca. zwei Wochen, um alles regeln zu können.

3. Am 8.5.2021 wurde von 11:00 Uhr bis 11:55 Uhr die Wohnsitzüberprüfung an der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Schubhafteinvernahme genannten (Wohn-) Adresse durchgeführt. Diese verlief negativ.

4. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten Mandatsbescheid des Bundesamtes wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei.

Bislang habe er sich mit einem gefälschten bulgarischen Reisedokument in Österreich aufgehalten und sei mit einer gefälschten Identität in Österreich wiederholt einer Beschäftigung nachgegangen, obwohl er als Drittstaatsangehöriger ohne Anmeldebescheinigung hierzu nicht berechtigt gewesen sei. Seine sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer habe er massiv überschritten und offenkundig die österreichische Rechtsordnung missachtet, indem er über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit einer gefälschten Identität im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei.

Am 8.5.2021 sei mit dem Beschwerdeführer durch Beamte der Landespolizeidirektion Wien eine Wohnsitzerhebung an der von ihm angegebenen Adresse durchgeführt worden, welche jedoch negativ verlaufen sei.

Der Beschwerdeführer sei in Österreich nicht sozial verankert und habe gemäß seinen Angaben in der Einvernahme am 7.5.2021 keine Angehörigen im Bundesgebiet. Die gesamte Familie lebe in Nordmazedonien.

5. Noch am 8.5.2021 wurde der Beschwerdeführer um 14:40 Uhr in Schubhaft genommen, aus der er am 21.5.2021 um 16:50 Uhr entlassen wurde. Grund für die Entlassung war die Überstellung in Untersuchungshaft.

6. Am 25.5.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG gegen den Bescheid vom 8.5.2021, mit dem über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme sowie der Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde, sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft ein.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei wegen Arbeitsplatzmangels und finanzieller Not in seiner Heimat vor etwa vier Jahren erstmals mit einem gefälschten bulgarischen Personalausweis in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe hier seither unter einer näher genannten falschen Identität immer wieder gelebt, gearbeitet, sei sozialversichert und Mieter einer Wohnung gewesen, in der er behördlich gemeldet gewesen sei. Zudem habe er Steuern und Abgaben bezahlt. Auch sei er sozial verankert und führe seit dreieinhalb Jahren eine Beziehung mit einer namentlich genannten Inhaberin einer rot-weiß-rote Karte plus. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat immer wieder besucht, sein Lebensmittelpunkt sei jedoch seither in Österreich. Zudem verfüge der Beschwerdeführer auch über ausreichend Barmittel.

Der Beschwerdeführer sei ausreisewillig, habe sich mit der Entscheidung der österreichischen Behörden und Gerichte abgefunden und wäre bereit, in die Heimat zurückzukehren. Er habe einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt, der bereits bewilligt worden sei.

Im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft könnte er jedenfalls bei seiner Lebensgefährtin an ihrer näher genannten Adresse Unterkunft nehmen. Er wolle gerne die ihm verbleibenden Tage in Österreich gemeinsam mit ihr verbringen und sich um die Abwicklung der Kündigung seiner Mietwohnung und sonstigen organisatorischen Angelegenheiten, die durch das plötzliche Verlassen der Wohnung entstanden seien, kümmern. Beantragt wurde hierzu die Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin. Zudem könnte sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise auch an seiner bisherigen Meldeadresse aufhalten, zu der noch über Schlüssel verfüge.

Aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Österreich habe er auch ausreichend Barmittel, um für seinen Lebensunterhalt bis zur Ausreise aufzukommen. Bei Bedarf würden ihn seine Lebensgefährtin sowie auch ein namentlich genannter Bekannter finanziell unterstützen, dessen Einvernahme ebenfalls beantragt wurde.

Der Beschwerdeführer sei kooperativ und es liege keine Fluchtgefahr vor. Da er in Österreich nicht mehr arbeiten könne, wolle er auf jeden Fall so schnell wie möglich zurück nach Nordmazedonien. Zudem würde er einem gelinderen Mittel jedenfalls Folge leisten, wozu ihn das Bundesamt jedoch überhaupt nicht befragt habe.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der genannten Zeugen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, des Weiteren auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorlägen sowie im Fall des Obsiegens des Beschwerdeführers der belangten Behörde den Ersatz der Barauslagen von € 30 (Eingabegebühr), für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, aufzuerlegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Nordmazedoniens und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der Beschwerdeführer hielt sich seit 2017 regelmäßig mit einem gefälschten bulgarischen Reisedokument in Österreich auf und ging hier unter einer gefälschten Identität – und somit illegal - wiederholt einer Beschäftigung nach, obwohl er als Drittstaatsangehöriger ohne Anmeldebescheinigung hierzu nicht berechtigt gewesen ist. Seine sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer hat er massiv überschritten.

Am 16.4.2021 erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen.

Am 8.5.2021 wurde von 11:00 Uhr bis 11:55 Uhr die Wohnsitzüberprüfung an der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Schubhafteinvernahme genannten (Wohn-) Adresse durchgeführt. Diese verlief negativ.

Festgestellt wird, das die Behörde erst nach der negativ verlaufenen Wohnsitzüberprüfung die Schubhaft anordnete.

Der Beschwerdeführer führt im Bundesgebiet kein Familienleben und hat hier keine Angehörigen, seine Familie befindet sich laut seinen eigenen ausdrücklichen Angaben im Rahmen seiner Schubhafteinvernahme - ebenso wie seine Freundin - in der Heimat.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer die erstmals in der Beschwerde angeführte, im Bundesgebiet aufhältige, angebliche Lebensgefährtin im Rahmen seiner Schubhafteinvernahme nicht erwähnte, sondern ausdrücklich erklärte, er habe nur Freunde in Österreich. In seinem Heimatland befänden sich seine Eltern und sein Onkel. Zu seinem eigenen Familienstand gab er ausdrücklich an, er habe keine Kinder, er habe nur eine Freundin und zwar in Mazedonien. Es ist somit nicht glaubwürdig, dass die in der Beschwerde genannte Person tatsächlich die Partnerin oder gar Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist, zumal sie auch an einer anderen Adresse wohnt.

Der Beschwerdeführer ging im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern war hier unter einer Aliasidentität und mit einem gefälschten Reisedokument eines EU-Staates gemeldet und erwerbstätig.

Insgesamt war – trotz der Behauptung des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme am 7.5.2021, er wolle selbstständig ausreisen und trotz vorhandener sozialer Beziehungen in Form von Bekanntschaften bzw. Freundschaften – angesichts des vom Beschwerdeführer gesetzten Gesamtverhaltens der Sicherungsbedarf gegeben und ging die Behörde zu Recht von der Gefahr des Untertauchens aus.

Der Beschwerdeführer war während seiner Anhaltung gesund und haftfähig.

Am 21.5.2021 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und in Untersuchungshaft genommen.

Im Übrigen werden die Ausführungen im Verfahrensgang der Entscheidung zugrunde gelegt.

2.       Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes, des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, der Einsichtnahme in die Anhaltedatei- Vollzugsverwaltung, das Zentrale Melderegister und das Zentrale Fremdenregister sowie aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 7.5.2021.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):

3.2.1. §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise wie folgt:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

[…]“

§22a BFA-VG bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

3.2.2. Materielle Rechtsgrundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:


„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Hinsichtlich der Anwendung eines gelinderen Mittels ist § 77 FPG maßgeblich:

§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. […]

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

3.2.3. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Dem Gesichtspunkt einer "sozialen Verankerung in Österreich" kommt im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft wesentliche Bedeutung zu. Dabei kommt es u.a. entscheidend auf das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit oder auf die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes an (VwGH vom 30. August 2011, 2008/21/0107). Je länger somit der Fremde bereits in Österreich ist und je stärker er hier sozial verwurzelt ist, desto stärker müssen auch die Hinweise und Indizien für eine vorliegende Fluchtgefahr sein. Dabei ist zu beachten, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration in Bezug auf (noch nicht lange aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs sind (VwGH vom 28. Mai 2008, 2007/21/0233).

3.2.4. Der Beschwerdeführer hielt sich seit 2017 regelmäßig mit einem gefälschten bulgarischen Reisedokument in Österreich auf und ging hier unter einer gefälschten Identität – und somit illegal - wiederholt einer Beschäftigung nach, obwohl er als Drittstaatsangehöriger ohne Anmeldebescheinigung hierzu nicht berechtigt gewesen ist. Seine sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer hat er massiv überschritten. Am 16.4.2021 erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen.

Am 8.5.2021 wurde von 11:00 Uhr bis 11:55 Uhr die Wohnsitzüberprüfung an der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Schubhafteinvernahme genannten (Wohn-) Adresse durchgeführt. Diese verlief negativ. Erst nach der negativ verlaufenen Wohnsitzüberprüfung wurde die Schubhaft angeordnet.

Der Beschwerdeführer führt im Bundesgebiet kein Familienleben und hat hier keine Angehörigen. Wie festgestellt ist es nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine Partnerschaft führt.

Der Beschwerdeführer ging im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern war hier unter einer Aliasidentität und mit einem gefälschten Reisedokument eines EU-Staates gemeldet und erwerbstätig.

Insgesamt war somit – trotz der Behauptung des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme am 7.5.2021, er wolle selbstständig ausreisen und trotz vorhandener sozialer Beziehungen in Form von Bekanntschaften bzw. Freundschaften – angesichts des vom Beschwerdeführer gesetzten Gesamtverhaltens der Sicherungsbedarf gegeben und ging die Behörde zu Recht von der Gefahr des Untertauchens aus.

Wegen seines bisherigen oben erörterten Verhaltens, vor allem, dass der Beschwerdeführer unbestritten straffällig wurde, sich seit 2017 regelmäßig mit einem gefälschten bulgarischen Reisedokument und unter einer Aliasidentität illegal in Österreich aufhielt und hier nur unter dieser gefälschten Identität und falschen EU-Staatsangehörigkeit – und somit illegal - wiederholt einer Beschäftigung nachging - obwohl er als Drittstaatsangehöriger ohne Anmeldebescheinigung hierzu nicht berechtigt gewesen ist - die Wohnsitzüberprüfung negativ verlief und der Beschwerdeführer in Österreich keine familiären Bindungen hat und tatsächlich keine Partnerschaft führt, kam insgesamt – auch trotz seiner Behauptung, er wäre kooperativ und ausreisewillig - aufgrund des Vorliegens von Fluchtgefahr zu keinem Zeitpunkt die Anwendung gelinderter Mittel in Frage und war die Schubhaft somit rechtmäßig.

Der Beschwerdeführer wurde am 8.5.2021 zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen und am 21.5.2021 entlassen (wegen Verhängung der Untersuchungshaft). Insgesamt begegnet die Dauer der Schubhaft somit keinen Bedenken.

Der Beschwerdeführer war während seiner Anhaltung gesund und haftfähig.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 leg. cit. den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Gemäß Abs. 7 leg. cit. ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.

Nur der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Ersatz der Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG. Da er unterlag, war dieser Antrag dementsprechend abzuweisen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

falsche Angaben Fluchtgefahr Identität illegale Beschäftigung illegaler Aufenthalt Kostenersatz öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Strafverfahren Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W154.2242690.1.00

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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