TE Vfgh Erkenntnis 2021/9/28 V176/2021

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Index

L2200 Landesbedienstete

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
Stmk Landes-Dienst- und Besoldungsrecht §5, §6, §7
EinreihungsV der Stmk Landesregierung §1
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung der Stmk EinreihungsV betreffend die Bewertung von Landesdienststellen; punktemäßige Bewertung einer Stelle für ihre Zuordnung zu einer Gehaltsklasse nach der – hinreichend bestimmten – Stmk EinreihungsV möglich; keine Notwendigkeit, Ausprägungsgrad der Subfaktoren mit bestimmten Teilpunktewerten bereits in der EinreihungsV vorzusehen; Ermittlung eines Punktewertes im Einzelfall auf Grund besonderen Fachwissens unter Heranziehung eines Sachverständigen möglich

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, §1 Steiermärkische Einreihungsverordnung (im Folgenden: StEVO), in eventu die gesamte StEVO als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR), LGBl 29/2003 idF LGBl 62/2021, lauten auszugsweise wie folgt:

"§5

Wirkungsbereich, Funktionsgruppe und Gehaltsklassen

(1) Die dienst- und besoldungsrechtlichen Merkmale einer Stelle gemäß §4 Abs1 setzen sich aus der Zuordnung dieser Stelle zu einem Wirkungsbereich, zu einer Funktionsgruppe und einer Gehaltsklasse zusammen.

(2) Der Landesdienst umfasst die Wirkungsbereiche

1. Leitung (LT),

2. Allgemeine Verwaltung (AV),

3. Technik/Handwerk (TH) und

4. Fachdienste (FD).

(3) Die Funktionsgruppen umfassen

1. Hilfsdienste mit den Gehaltsklassen 1 bis 3,

2. Qualifizierter Hilfsdienst mit den Gehaltsklassen 4 bis 6,

3. Fach- und Sachbereich mit den Gehaltsklassen 7 bis 9,

4. Fachassistenz mit den Gehaltsklassen 10 bis 12,

5. Experten/Expertinnen und Leiter/Leiterinnen mittleres Management mit den Gehaltsklassen 13 bis 17,

6. Top Experten/Expertinnen und Leiter/Leiterinnen gehobenes Management mit den Gehaltsklassen 18 bis 21,

7. Leiter/Leiterinnen Top Management mit den Gehaltsklassen 22 bis 24.

(4) Die Zugehörigkeit einer Stelle zu einer bestimmten Gehaltsklasse ist abhängig vom Stellenwert.

§6

Stellenbewertung

(1) Die Wertigkeit jeder Stelle ist unter Anwendung der Bewertungsgrundsätze gemäß §7 durch Ermittlung eines Punktewertes festzusetzen. Die Gehaltsklassen umfassen folgende Punktwerte:

Gehaltsklassen

Punktewerte

1

0 – 75

2

76 – 87

3

88 – 101

4

102 – 117

5

118 – 136

6

137 – 158

7

159 – 182

8

183 – 212

9

213 – 245

10

246 – 283

11

284 – 327

12

328 – 377

13

378 – 435

14

436 – 501

15

502 – 577

16

578 – 665

17

666 – 766

18

767 – 882

19

883 – 1016

20

1017 – 1170

21

1171 – 1347

22

1348 – 1550

23

1551 – 1784

24

1785 – 2053

Auf Grund des festgesetzten Punktewertes können Stellen oder Stellengruppen durch Verordnung der Landesregierung einer Gehaltsklasse zugeordnet werden (Einreihungsverordnung).

(2) Stellen, an denen Aufgaben besorgt werden, die gleichartig sind oder nicht wesentlich voneinander abweichen, können in einer Stellengruppe zusammengefasst werden.

(3) Ändern sich bestehende Aufgaben, entstehen neue Aufgaben oder neue Stellengruppen, ist die Verordnung anzupassen. Die Verordnungen dürfen zugunsten der Bediensteten auch rückwirkend erlassen werden.

§7

Bewertungsgrundsätze

(1) Durch die Bewertung einer Stelle wird in einem analytischen Verfahren der Punktwert der Stelle ermittelt. Dabei sind die mit der Stelle verbundenen Anforderungen an das Wissen, die für die Umsetzung des Wissens erforderliche Denkleistung und die Verantwortung zu berücksichtigen. Wissen, Denkleistung und Verantwortung bilden die Hauptbewertungsfaktoren einer Stelle. Im Einzelnen ist zu bewerten:

1. das Wissen nach den Anforderungen

a) an die durch Ausbildung und Erfahrung erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten – Subfaktor Fachwissen in der Ausprägung von einfachen Fähigkeiten und Kenntnissen bis auf die Beherrschung von sehr komplexen Aufgaben oder eine vertiefte Kenntnis auf mehreren Sachgebieten,

b) an die Fähigkeit Aufgaben zu erfüllen, Vorgänge und Prozesse zu überwachen, zu integrieren oder zu koordinieren – Subfaktor Managementwissen in der Ausprägung von nicht gegeben bei rein ausführenden und überwachenden Stellen bis übergeordnete Integration komplexer Organisationseinheiten mit heterogener Zielausrichtung sowie

c) an die Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit – Subfaktor Kommunikation in der Ausprägung von minimaler Kommunikation bis Einflussnahme auf Meinungen, Verhalten und Überzeugungen;

2. das Denken

a) nach dem Umfang des Rahmens, in dem Handeln mehr oder weniger exakt vorgegeben ist – Subfaktor Denkart in der Ausprägung von exakter Anleitung bis gesamtstrategisch orientiert sowie

b) nach der Anforderung, Wissen bei der Erfüllung von wiederkehrenden bis neuartigen Aufgaben umzusetzen – Subfaktor Kreativität in der Ausprägung von wiederholend bis zur Lösung neuartiger, bisher von niemandem gelöster Problemstellungen sowie

3. die Verantwortung

nach dem Grad der Bindung an Gesetze, Verordnungen und Dienstanweisungen – Subfaktor Prozessbeitrag in der Ausprägung von detailliert angewiesener Ausführung bis existenzielle Befassung mit sozialen, wirtschaftlichen, physikalischen Phänomenen im Rahmen der Naturgesetze.

Die Ausprägung der Subfaktoren ist durch Verordnung der Landesregierung festzulegen.

(2) Die Ausprägung der einzelnen Subfaktoren wird durch einen Teilpunktewert ausgedrückt. Der Punktewert einer Stelle ist die Summe der für die Hauptbewertungsfaktoren Wissen, Denkleistung und Verantwortung ermittelten Teilpunktewerte.

(3) Jede im Stellenplan ausgewiesene Stelle ist gemäß Abs1 und 2 zu bewerten.

(4) Eine neuerliche Bewertung ist insbesondere durchzuführen, wenn

1. sich bestehende Aufgaben einer Stelle ändern,

2. neue Aufgaben einer Stelle übertragen werden oder

3. mit einer Organisationsänderung eine Veränderung des Stellenwertes zu erwarten ist.

Bei der Bewertung ist die betreffende Stelle, im Fall von Z3 auch alle anderen von der Organisationsänderung betroffenen Stellen neuerlich zu bewerten."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Mai 2004 über die Einreihung der Stellen im Landesdienst in Gehaltsklassen (Steiermärkische Einreihungsverordnung – StEVO), LGBl 19/2004, idF LGBl 96/2020 lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1

Ausprägung der Bewertungsfaktoren

(1) Die der Bewertung einer Stelle zugrunde liegenden Hauptfaktoren Wissen, Denken und Verantwortung §7 Abs1 Z1, 2 und 3 L-DBR untergliedern sich in Subfaktoren. Die unterschiedliche Ausprägung der Bewertungsfaktoren und die der einzelnen Ausprägung zugrunde liegende Beschreibung ergibt sich nach Abs2 bis 4.

(2) Hauptfaktor Wissen (§7 Abs1 Z1 lit.a bis c L-DBR)

[tabellarische Darstellung der Ausprägungsgrade der Subfaktoren Fachwissen, Managementwissen und Kommunikation samt wörtlicher Beschreibung ohne Angabe von Punktewerten]

(3) Hauptfaktor Denken (§7 Abs1 Z2 lit.a und b L-DBR)

[tabellarische Darstellung der Ausprägungsgrade der Subfaktoren Denkart und Kreativität samt wörtlicher Beschreibung ohne Angabe von Punktewerten]

(4) Hauptfaktor Verantwortung (§7 Abs1 Z3 L-DBR)

[tabellarische Darstellung der Ausprägungsgrade des Subfaktors Prozessbeitrag samt wörtlicher Beschreibung ohne Angabe von Punktewerten]

§2

Einreihung von Stellen

(1) Folgende Stellen werden gemäß §6 Abs1 Stmk L-DBR den einzelnen Gehaltsklassen zugeordnet:

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ist ein Beschwerdeverfahren gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Juli 2019 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark, "als Bauleiter nach dem entsprechenden Besoldungsschema entlohnt zu werden", abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass der genannte Beschwerdeführer als Wassermeister beschäftigt sei und nicht die Kernaufgaben eines Bauleiters verrichte. Er sei daher nach der Gehaltsklasse 9 zu entlohnen, die gemäß §2 Abs1 StEVO für die Stelle eines Wassermeisters vorgesehen sei.

Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sind beim Landesverwaltungsgericht Steiermark Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolgen "Wassermeisterin/Wassermeister Wahrnehmen der Gewässerzustandsaufsicht als Gewässeraufsichtsorgan" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 9 und "Bauleiterin/Bauleiter Leiten der Bauaufsicht, Durchführen von Planungs-, Vermessungs- und Projektierungsarbeiten, Abwickeln von Ausschreibungen" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 11 in §2 Abs1 StEVO entstanden. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark stellte einen entsprechenden Antrag auf Verordnungsprüfung gemäß Art139 B-VG.

2. Auf Grund dieses Antrages hob der Verfassungsgerichtshof die genannten Bestimmungen mit Erkenntnis vom 29. September 2020, V485/2020, als gesetzwidrig auf.

3. Im fortgesetzten Verfahren sind beim Landesverwaltungsgericht Steiermark Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §1 StEVO entstanden. Es legt seine Bedenken im Wesentlichen wie folgt dar:

"Nachdem es sich hier um den Anlassfall handelt, sind die aufgehobenen Wortfolgen auf diesen schon zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden.

Daraus ergibt sich, […] dass für die vom Beschwerdeführer […] besetzte Stelle eine Einzelbewertung gemäß §1 StEVO (in Verbindung mit §§5-7 Stmk L-DBR) vorzunehmen ist.

Der im ursprünglichen Normprüfungsverfahren entscheidungsmaßgebliche Umstand, dass aus dem vorliegenden Verordnungsakt nicht hervorgeht, von welchen Erwägungen der Verordnungsgeber im Rahmen des Verordnungserlassungsverfahrens ausgegangen ist, betrifft nicht nur die im ersten Verfahrensgang ursprünglich zu beachtenden Wortfolgen über den Wassermeister und den Bauleiter, sondern betrifft die gesamte Steiermärkische Einreihungsverordnung.

Es ist dem Verordnungsakt an keiner Stelle zu entnehmen, wovon der Verordnungsgeber im Zusammenhang mit der Beschreibung und Ausprägung der drei in diverse Subfaktoren aufgeschlüsselten Hauptfaktoren Wissen, Denken und Verantwortung sowie ihrer ziffernmäßigen Bewertung und in weiterer Folge mit der Ermittlung eines Gesamtpunktewertes, der schlussendlich die Zuordnung zu einer Gehaltsklasse ergeben soll, ausgegangen ist, weshalb mit der Bestimmung des §1 StEVO in ihrer Gesamtheit den vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Anforderungen zur entsprechenden Nachvollziehbarkeit eines Verordnungserlassungsverfahrens nicht Genüge getan ist. Es ist dem Landesverwaltungsgericht nicht möglich, die in §1 dieser Verordnung getroffenen, durchaus umfang- und weitreichenden Normierungen nachzuvollziehen und überprüfen zu können.

Neben dem Kritikpunkt eines mangelhaften Verordnungserlassungsverfahrens sowie unzureichender Dokumentation darüber ist überdies festzuhalten, dass §1 der Stmk Einreihungsverordnung auch dem von Lehre und Judikatur anerkannten Bestimmtheitsgebot nicht Genüge tut: In §1 StEVO sind zwar die einzelnen Subfaktoren der drei in §7 Stmk L-DBR genannten Hauptfaktoren Wissen, Denken, Verantwortung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, die beispielhaft von A bis F+ (Subfaktor Fachwissen) oder von V4 über 0 bis D4 (Subfaktor Prozessbeitrag) reichen, in Worten beschrieben, allerdings enthält §1 StEVO keinerlei Punktebewertung der Ausprägung der einzelnen Subfaktoren und auch keine wie immer geartete Anordnung, wie eine solche Punktebewertung erfolgen könnte.

Es ist daher auf Basis von §1 StEVO nicht möglich, den Punkte- oder Stellenwert bzw die 'Wertigkeit einer Stelle' zu ermitteln, welche allerdings gemäß der ausdrücklichen Anordnung in §5 Abs4 Stmk L-DBR entscheidend für die Zugehörigkeit einer Stelle zu einer Gehaltsklasse wären. §1 StEVO, welcher die in den §§5 bis 7 Stmk L-DBR enthaltenen Ausführungen zur Bewertung näher präzisieren und konkretisieren sollte, haftet daher der Vorwurf der Undeterminiertheit an.

Daran vermag auch das von der Stmk Landesregierung am 09.03.2021 übermittelte 'Handbuch Stellenbewertung' nichts zu ändern, welches unter anderem eine an §1 StEVO angelehnte tabellarische Auflistung der verschiedenen Subfaktoren enthält, wobei in diesem Handbuch – im Unterschied zur Verordnung – im Anschluss an die Tabellenspalten 'Ausprägung' und 'Beschreibung' auch eine Spalte mit 'Rohpunktewerten' angeführt ist.

Auch wenn nunmehr – entgegen der ursprünglich vorgebrachten, dem Beratungsunternehmen gegenüber bestehenden Verschwiegenheitspflicht – die einzelnen Rohpunktewerte für die diversen Subfaktoren ebenso bekanntgegeben wurden wie der in weiterer Folge anzustellende Rechenvorgang zur Ermittlung der […]Punkte, so ändert dies nichts daran, dass sich weder aus dem eigentlichen Verordnungstext – also der rechtsverbindlichen Rechtsgrundlage – noch aus dem gesamten Verordnungsakt nachvollziehen lässt, wie die für Einstufungen notwendige Punktezahl festzulegen ist. Das nunmehr vorgelegte 'Handbuch Stellenbewertung' liegt offenbar im Verordnungsakt der Steiermärkischen Landesregierung selbst nicht auf bzw wurde diesem erst jüngst beigelegt – auch dem Judikat des Verfassungsgerichtshofes ist nämlich nicht zu entnehmen, dass dieses dem Verfassungsgerichtshof bereits vorgelegt worden wäre.

Es ist daher dem Landesverwaltungsgericht auf Basis der Steiermärkischen Einreihungsverordnung nicht möglich, ausgehend von den genannten Hauptfaktoren und ihren Subfaktoren den Punktewert bzw die Wertigkeit der vom Beschwerdeführer innegehabten Stelle zu ermitteln und diese Stelle einer der 24 gesetzlich vorgesehenen Gehaltsklassen zuzuordnen.

Aufgrund des mangelhaften Verordnungserlassungsverfahrens und einer unzureichenden Bestimmtheit des §1 StEVO bestehen beim Landesverwaltungsgericht Steiermark Bedenken hinsichtlich der Gesetzeskonformität von §1 StEVO, wobei dies nicht nur §1 StEVO, sondern die Verordnung in ihrer Gesamtheit betrifft."

4. Die Steiermärkische Landesregierung hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:

"Ausweislich der Promulgationsklausel wurde die StEVO unter Bezugnahme auf diese beiden Gesetzesstellen, nämlich §6 Abs1 (Einreihung von Stellen) und §7 Abs1 Stmk L-DBR (Ausprägung der Subfaktoren) erlassen. Die Ausprägung der Subfaktoren erfolgte in §1 Abs2 StEVO in Form einer tabellarischen Darstellung der einzelnen Ausprägungen der sieben Subfaktoren (linke Spalte) samt […] verbaler Beschreibung (rechte Spalte). […]

Damit wurde den gesetzlichen Vorgaben Genüge getan. Der Gesetzgeber wollte die Ausprägung der einzelnen Subfaktoren definiert und ausformuliert wissen, indem er in §7 Abs1 letzter Satz Stmk L-DBR eine diesbezügliche Verpflichtung zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung normierte. Dies ist erfolgt.

Davon zu unterscheiden ist der in §7 Abs2 Stmk L-DBR dargestellte Prozess der Bepunktung, der auf der Grundlage der ausgeprägten Subfaktoren und damit auf Grundlage der StEVO vorgenommen wird. Mit anderen Worten stellt §1 StEVO die Voraussetzung für die die Bepunktung (§7 Abs2 Stmk L-DBR) und Bewertung (§7 Abs3 Stmk L-DBR) einer Stelle dar. Ausgehend von den Ausprägungen der Subfaktoren in §1 StEVO wird ein Teilpunktewert errechnet. Die Summe der Teilpunktewerte ergibt einen insgesamten Punktewert einer Stelle. Aufgrund des ermittelten Punktewertes ist die Stelle gemäß §6 Abs1 Stmk L-DBR einer bestimmten Gehaltsklasse zuzuordnen. Im Gegensatz zu §7 Abs1 Stmk L-DBR enthält §7 Abs2 Stmk L-DBR keine Anordnung, die Teilpunktewerte der Subfaktoren durch Verordnung festzulegen.

Dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes, dass dem Verordnungsakt nicht zu entnehmen sei, wie die Haupt- bzw Subfaktoren ziffernmäßig bewertet und der Gesamtpunktewert ermittelt werde, ist daher aufgrund der Systematik des §7 Stmk L-DBR entgegenzuhalten, dass die Ausprägung der Subfaktoren durch Verordnung festzulegen sind (§7 Abs1 leg. cit.) – was auch erfolgte –, dass aber die Bepunktung selbst nicht vom Verordnungsgeber festzulegen ist. Aus §7 Abs2 Stmk L-DBR geht nicht hervor, dass die den Subfaktoren zugeordneten Teilpunktewerte ebenfalls durch Verordnung festzulegen wären. Der Verordnungsgeber hat vielmehr ganz bewusst davon Abstand genommen, Teilpunktewerte in der Verordnung festzulegen. Es ist Sache der Vollziehung, die Bepunktung entlang der rechtlichen Vorgaben vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2020, V485/2020, entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes auf das gegenständliche Verfahren nicht übertragbar. In diesem Erkenntnis wurde zwar ausgeführt, dass der Punktewert zentraler Anknüpfungspunkt für die Einreihung einer Stelle in der StEVO ist und es daher für die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung erforderlich ist, dass aus dem Verordnungsakt hervorgeht, welcher Ausprägungsgrad und welcher Teilpunktewert für die einzelnen Subfaktoren festgesetzt wurde und welcher Gesamtpunktewert sich daraus ergibt. Diese Feststellung des Verfassungsgerichtshofes betraf jedoch die gemäß §6 Abs1 Stmk L-DBR in §2 StEVO eingereihten Stellen – somit nur die Bewertung jener Stellen, die 'tatsächlich der Beschlussfassung der Verordnung zugrunde gelegt wurden'. Davon zu unterscheiden ist die Verordnungsermächtigung des §7 Abs1 Stmk L-DBR und die entsprechende Ausprägungsfestlegung der Subfaktoren in §1 StEVO, die in der Folge die Grundlage für die konkrete Bepunktung einer Stelle darstellen.

Wenn das Landesverwaltungsgericht in seinem Antragsvorbringen den Umstand rügt, dass es ihm auf Basis von §1 StEVO nicht möglich sei, im Rahmen einer Einzelbewertung den Punkte- oder Stellenwert zu ermitteln, verkennt es demnach, dass es sich bei der Ermittlung der in Punkten auszudrückenden Wertigkeit einer Stelle um eine im Einzelfall auf sachverständiger Ebene zu lösende Sachfrage und nicht um eine Rechtsfrage handelt. Die Behörde bzw der Sachverständige hat deshalb bei der Einzelbewertung darzulegen, wie der konkrete Punktewert ermittelt und mathematisch berechnet wird (vgl dazu VwGH 20.11.2009, 2008/12/0226).

Schließlich wird hinsichtlich des Vorwurfs der Undeterminiertheit auf das og. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen (VwGH 20.11.2009, 2008/12/0226), wonach dieser 'vor dem Hintergrund der maßgebenden Rechtslage (Stmk DBR 2003 sowie Stmk EinreihungsV 2004) – derzeit – von einem geschlossenen, im Hinblick auf das Legalitätsprinzip in sich widerspruchsfreien Regelungssystem' ausgeht. Der Vorwurf der Undeterminiertheit trifft nicht zu."

5. Der Beschwerdeführer vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der er sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark anschließt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2020, V485/2020, hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark die damit aufgehobenen Bestimmungen, mit denen eine Einreihung der im Anlassfall betroffenen Stellen in bestimmte Gehaltsklassen vorgenommen wurde, im fortgesetzten Verfahren nicht mehr anzuwenden. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht daher denkmöglich davon aus, dass für die Stelle des Beschwerdeführers im Anlassfall eine Bewertung gemäß §§5 ff. Stmk L-DBR vorzunehmen ist, bei der auch §1 StEVO anzuwenden ist, der gemäß §7 Abs1 letzter Satz Stmk L-DBR die Ausprägung der Subfaktoren festlegt.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist nicht begründet:

2.2.1. Gemäß §6 Abs1 Stmk L-DBR ist die Wertigkeit jeder Stelle unter Anwendung der Bewertungsgrundsätze gemäß §7 leg.cit. durch die Ermittlung eines Punktewertes festzusetzen. Auf Grund dieses Punktewertes wird die Stelle einer Gehaltsklasse gemäß §6 Abs1 leg.cit. zugeordnet. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung können Stellen oder Stellengruppen auf Grund des festgesetzten Punktewertes durch Verordnung der Landesregierung (Einreihungsverordnung) einer Gehaltsklasse zugeordnet werden.

Nach diesem System ergibt sich die Gehaltsklasse einer konkreten Stelle entweder aus einer Bewertung im Einzelfall oder dadurch, dass die Stelle nach der Einreihungsverordnung einer bestimmten Gehaltsklasse zugeordnet ist (vgl auch VwGH 13.9.2006, 2005/12/0180). Eine punktemäßige Bewertung nach den Bewertungsgrundsätzen des §7 Stmk L-DBR hat in beiden Fällen zu erfolgen.

In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. September 2020, V485/2020, festgehalten, dass auch im Fall der Zuordnung einer Stelle zu einer Gehaltsklasse durch die Einreihungsverordnung (im konkreten Fall: die StEVO) zumindest aus dem Verordnungsakt (nicht jedoch zwingend aus dem Verordnungstext selbst) ersichtlich sein muss, wie der Gesamtpunktewert, der für diese Zuordnung nach §6 Abs1 Stmk L-DBR maßgeblich ist, zustande gekommen ist. Die Aufhebung eines Teils der StEVO durch den Verfassungsgerichtshof erfolgte deshalb, weil die punktemäßige Bewertung der betroffenen Stelle aus dem Verordnungsakt nicht nachvollzogen werden konnte.

2.2.2. Entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark ist aus der zuvor zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes also nichts für die Annahme zu gewinnen, dass in der Einreihungsverordnung auch für die Vornahme von Einzelfallbewertungen allgemein zu regeln wäre, welche Teilpunkte für die einzelnen Ausprägungsgrade der in §7 Abs1 Stmk L-DBR genannten Subfaktoren vergeben werden können. Diese Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark erweist sich im Ergebnis auch als unzutreffend:

Zur Ermittlung des Punktewertes einer Stelle werden nach §7 Abs1 Stmk L-DBR die dort genannten Hauptfaktoren "Wissen", "Denken" und "Verantwortung" bewertet, wobei diese Hauptfaktoren in Subfaktoren gegliedert sind. Für diese Subfaktoren sind in §7 Abs1 leg.cit. jeweils die Begriffe für die geringste und für die höchste Ausprägung angegeben. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung ist die Ausprägung der Subfaktoren von der Landesregierung durch Verordnung festzulegen. Gemäß §7 Abs2 leg.cit. wird die Ausprägung der einzelnen Subfaktoren durch einen Teilpunktewert ausgedrückt; der Punktewert einer Stelle ergibt sich aus der Summe der ermittelten Teilpunktewerte. Die Materialien zu §7 leg.cit. (Beilage Nr 136 zu den stenografischen Berichten des Steiermärkischen Landtages, XIV. Gesetzgebungsperiode, 2002, Einl. Zahl 1016/01, Erläuternde Bemerkungen, 23) halten Folgendes fest:

"Jeder Subfaktor bietet eine Bandbreite (Ausprägung) von unterschiedlichen Anforderungsgraden, die textlich beschrieben sind. Diese nähere Beschreibung der Ausprägung der Subfaktoren soll nach Abs1 durch Verordnung erfolgen. lm Zuge der Bewertung ist jener Anforderungsgrad zu ermitteln, der der Stelle am besten gerecht wird. Jeder Anforderungsgrad ist mit einer Punkteanzahl verknüpft. Die Summe aller Detailpunkte ergibt den Punktewert des Subfaktors. Die Summe aller Subfaktorenwerte ergibt den Wert der Stelle." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

Aus §7 Abs1 letzter Satz Stmk L-DBR folgt somit nur, dass in der Einreihungsverordnung die Bandbreite der Ausprägungsgrade für die einzelnen Subfaktoren festzulegen ist und dass die einzelnen Ausprägungsgrade textlich zu beschreiben sind. Dies deckt sich auch mit dem Wortlaut des §7 Abs1 leg.cit., der an keiner Stelle vorsieht, dass im Text der Einreihungsverordnung bestimmte Punktewerte anzugeben wären. Demgegenüber ergibt sich aus §7 Abs2 leg.cit., dass die Vergabe von Teilpunkten als Ausdruck der Feststellung eines bestimmten Ausprägungsgrades jeweils erst im Rahmen der konkreten Bewertung einer Stelle zu erfolgen hat (siehe dazu im Folgenden). Dass in §1 StEVO die Ausprägungsgrade der Subfaktoren nicht mit bestimmten Teilpunktewerten versehen sind, erweist sich somit nicht als gesetzwidrig.

2.2.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der sich der Verfassungsgerichtshof anschließt, bedarf es für eine Stellenbewertung gemäß §§6 f. Stmk L-DBR iVm §1 StEVO besonderen Fachwissens, also in der Regel der Beiziehung von Sachverständigen (siehe VwGH 20.11.2009, 2008/12/0226, unter Verweis auf VwSlg 16.073 A/2003, wo sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit der Frage auseinandersetzt, inwiefern der Vorgang der Bewertung eines Arbeitsplatzes [nach dem BDG 1979] die Lösung einer Sach- oder Rechtsfrage darstellt und ob dazu die Heranziehung von Sachverständigen notwendig ist). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass dabei "auf der Basis von Sachverhaltsgrundlagen wie Arbeitsplatzbeschreibung, Geschäftseinteilung, Geschäftsordnung und ähnlichen Entscheidungshilfen wie etwa der niederschriftlichen Einvernahme des Arbeitsplatzinhabers sowie dessen Vorgesetzten und Mitarbeitern, fachkundig untermauerte Schlussfolgerungen auf die konkrete Zuordnung der Tätigkeiten zu den einzelnen, gesetzlich vorgegebenen Anforderungen an Wissen, Denken und Verantwortung, wiederum untergliedert in die gesetzlich vorgesehenen Subfaktoren, und auf den Punktewert der Tätigkeit zu ziehen" sind (VwGH 20.11.2009, 2008/12/0226).

2.2.4. Das Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, dass die Ermittlung eines Punktewertes im Einzelfall nach §1 StEVO nicht möglich und diese Bestimmung daher insbesondere im Hinblick auf ihre Funktion für §7 Abs2 Stmk L-DBR zu unbestimmt sei, erweist sich vor diesem Hintergrund als unzutreffend.

V. Ergebnis

1. Die vom Landesverwaltungsgericht Steiermark erhobenen Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §1 StEVO treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Einreihungsverordnung, Dienstrecht, Bezüge, VfGH / Gerichtsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V176.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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