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Unterricht - HochschulenNorm
AVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungsrat Dr. Fischer, über die Beschwerde des WM in W, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien I, Karlsplatz 2/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 19. November 1986, GZ 56.042/38-17/86, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 14. Februar 1941 geborene Beschwerdeführer ersuchte die Studienbeihilfenbehörde an der Universität Wien (im folgenden: Studienbeihilfenbehörde) mit Schreiben vom 27. September 1984 um Nachsicht von der für die Zuerkennung einer Studienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. c des Studienförderungsgesetzes - StudFG, BGBl. Nr. 436/1983, erforderlichen Voraussetzung des Beginnes des Studiums vor Vollendung des 35. Lebensjahres gemäß § 2 Abs. 2 StudFG. Er habe den Zugang zum ordentlichen Universitätsstudium auf dem zweiten Bildungsweg durch Ablegung der Berufsreifeprüfung für katholische Theologie am 24. November 1983 erlangt. Im Studienjahr 1983/84 habe er versucht, neben seinem Beruf katholische Fachtheologie zu studieren. Da dies nicht habe durchgehalten werden können, habe er seinen Arbeitgeber, die S AG, um Karenzierung ersucht. Dieser Karenzurlaub sei ihm vorläufig für ein Jahr gewährt worden. Da er während seines Studiums über keinerlei Einkünfte verfüge, hoffe er auf eine positive Erledigung seines Ansuchens.
Mit Bescheid vom 22. April 1985 gab die belangte Behörde, der das Ansuchen zur Entscheidung vorgelegt wurde, nach Anhörung des Senates der Studienbeihilfenbehörde dem Ansuchen nicht statt. Begründend wurde ausgeführt, es sei dem Ansuchen nicht zu entnehmen, daß eine besondere berufliche Bewährung im Hinblick auf das Studium der Fachtheologie vorliege. Aber auch eine „besondere“, d.h. weit über dem Durchschnitt liegende Begabung für das vom Beschwerdeführer gewählte Studium sei nicht erkennbar. Er habe nach Ablauf der ersten beiden Semester nur ein Zeugnis über „Liturgie der Messfeier“ mit der Benotung „gut“ erbracht. Dieser Leistungsnachweis würde auch nicht für die Gewährung einer Studienbeihilfe ausreichen.
Gestützt auf diese Entscheidung wies die Studienbeihilfenbehörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Studienbeihilfe für das Studienjahr 1984/85 ab.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1985 ersuchte der Beschwerdeführer, der unter einem einen Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe für das Studienjahr 1985/86 stellte, die Studienbeihilfenbehörde neuerlich um Nachsichtserteilung. Darin führte er an, es sei ihm mit dem Vorbescheid die Nachsicht wegen zu geringer Prüfungsstundenanzahl nicht gewährt worden. Dabei sei nicht berücksichtigt worden, daß er während des Studienjahres 1983/84 voll berufstätig gewesen sei. Im Studienjahr 1984/85 sei er von seinem Arbeitgeber von der Dienstleistung karenziert gewesen und habe daher 41 Prüfungsstunden erreichen können. Auf Grund dieses Studienfortganges habe er sein Dienstverhältnis aufgelöst, um sich voll auf das Studium zu konzentrieren. Auf Grund des Studienfortganges im Studienjahr 1984/85 hoffe er auf eine positive Behandlung des Gesuches. Ein Zeugnis für eine „besondere Begabung“, wie sie im Bescheid gefordert worden sei, lege er bei. Dieses Zeugnis sei für seine Zulassung zur Berufsreifeprüfung ausschlaggebend gewesen. Bei dem bezogenen Zeugnis handelt es sich um ein Zeugnis der Wiener theologischen Kurse für Laien vom 17. Dezember 1981 über die Absolvierung des zweijährigen theologischen Kurses.
Der Senat der Studienbeihilfenbehörde stellte die Behandlung des Ansuchens bis zum Nachweis der ersten Diplomprüfung zurück und legte es nach Ablegung dieser Prüfung durch den Beschwerdeführer am 27. Juni 1986 der belangten Behörde befürwortend mit der Begründung vor, es sei das Diplomprüfungszeugnis der Studienrichtung Fachtheologie nachgewiesen worden; aus den Noten ergebe sich die besondere Eignung in Anbetracht der bisherigen gleichzeitigen Berufstätigkeit. Das vorgelegte Diplomprüfungszeugnis weist in drei Prüfungsgegenständen die Note gut und in einem Prüfungsgegenstand die Note befriedigend auf.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 (gemeint: § 68 Abs. 1 AVG 1950) wegen entschiedener Sache zurück. In der Bescheidbegründung verweist die belangte Behörde zunächst auf ihren rechtskräftigen Bescheid vom 22. April 1985 und fährt dann fort, rechtskräftige Bescheide bänden auch die Verwaltungsbehörde. Das heiße, diese Bescheide könnten im Verwaltungswege nicht mehr abgeändert oder behoben werden, sofern es sich um den gleichen Tatbestand handle. Nur dann, wenn neu entstandene Tatsachen gegeben seien, die den angenommenen maßgeblichen Sachverhalt in wesentlichen Punkten überholt erscheinen ließen, liege die Grundlage für eine neue Sachverhaltsfeststellung vor und es könne in dieser Angelegenheit ein neuerlicher Bescheid ergehen. Neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die die Richtigkeit des angenommenen maßgeblichen Sachverhalts in wesentlichen Punkten als zweifelhaft erscheinen ließen, seien grundsätzlich kein Grund für eine Neuentscheidung in derselben Angelegenheit. Abgesehen davon, daß die Nachweise für die Nachsichtserteilung im Sinne des § 2 Abs. 2 StudFG bereits bei der seinerzeitigen Antragstellung hätten vorliegen müssen, ergäben die nunmehr nachgereichten Zeugnisse in keiner Weise eine besondere, also weit über dem Durchschnitt liegende Begabung für das Fachstudium Theologie.
In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erteilung einer Nachsicht nach § 2 Abs. 2 StudFG verletzt. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes meint der Beschwerdeführer zur Feststellung, die nunmehr nachgereichten Zeugnisse ließen in keiner Weise eine besondere Begabung für das Fachstudium Theologie erkennen, es sei unter den nunmehr vorgelegten Zeugnissen auch das Diplomprüfungszeugnis. Auf Grund dieses Zeugnisses habe der zuständige Senat der Studienbeihilfenbehörde die vom Gesetz geforderte „besondere Eignung“ bestätigt. Auf Grund dessen hätte dem Antrag des Beschwerdeführers stattgegeben werden müssen. Es sei unrichtig, daß schon bei der seinerzeitigen Antragstellung die Nachweise hätten vorhanden sein müssen, da bei jeder Antragstellung auf Gewährung der Studienbeihilfe der Nachweis der besonderen Eignung durch in der Zwischenzeit abgelegte Prüfungen offenstehe. Jedenfalls sei sein Antrag nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen, da es sich zweifellos bei der durch die Ablegung der Diplomprüfung, die Vorlage der Zeugnisse und die Stellungnahme des Senates der Studienbeihilfenbehörde um neu entstandene Tatsachen handle, die den im Bescheid vom 22. April 1985, der vor Ablegung der Diplomprüfung erlassen worden sei, angenommenen Sachverhalt in wesentlichen Punkten überholt erscheinen lasse. Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften liege in der aktenwidrigen Annahme, es lägen keine neu entstandenen Tatsachen vor, sowie im Fehlen von Feststellungen über die Tatsache der abgelegten Prüfungen und die Stellungnahme des zuständigen Senats der Studienbeihilfenbehörde sowie einer Angabe darüber, welche Zeugnisse nachgereicht worden seien.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 2 Abs. 1 lit. c StudFG ist eine der Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe, daß der Studierende das Studium innerhalb von 10 Jahren nach Erlangung der Hochschulreife (der Aufnahmsvoraussetzung) und (mit den im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) vor Vollendung des 35. Lebensjahres begonnen hat. Nach § 2 Abs. 2 StudFG hat der jeweils zuständige Bundesminister nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde vom Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 lit. c Nachsicht zu erteilen, wenn auf Grund der besonderen Begabung oder der besonderen beruflichen Leistung eines Antragstellers die Gewährung der Studienbeihilfe gerechtfertigt erscheint.
Gemäß § 17 Abs. 1 StudFG sind Anträge (der im § 1 Abs. 1 lit. a bis e des Gesetzes genannten Personen) auf Gewährung von Studienbeihilfen in den ersten drei Monaten eines Semesters zu stellen. Verspätet eingebrachte Ansuchen sind zurückzuweisen. Gemäß § 19 Abs. 1 des Gesetzes gebührt die Studienbeihilfe für jeweils zwei Semester bzw. ein Ausbildungsjahr.
Nach § 68 Abs. 1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 des Gesetzes in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache verhindern soll. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird demgemäß durch die „entschiedene Sache“, d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem bereits formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 1980, Zl. 620/78, und vom 11. Juni 1985, Zl. 84/04/0212, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit (§ 59 Abs. 1 AVG 1950), die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei dem Bescheid gestützt hat. Die Begründung des Bescheides spielt für die Festlegung seiner objektiven Grenzen lediglich insoweit eine Rolle, als sie zur Auslegung des Spruches heranzuziehen ist. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen und deren rechtliche Zuordnung sind für sich allein ebensowenig entscheidend wie die in der Begründung beantworteten Vorfragen (vgl. Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 86/08/0239).
„Sache“ des Bescheides der belangten Behörde vom 24. April 1985 im dargestellten Sinn war die (vom Beschwerdeführer im Zuge eines Verfahrens auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Studienjahr 1984/85 beantragte) Nachsichtserteilung von einer der im § 2 StudFG genannten Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe. Da den Personen des § 1 Abs. 1 lit. a bis e des StudFG gemäß § 17 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 des Gesetzes eine Studienbeihilfe nur über ihren in den ersten drei Monaten eines Semesters gestellten Antrag und jeweils nur für die Dauer von zwei Semestern bzw. eines Ausbildungsjahres gewährt werden darf, das Gesetz (anders als z.B. § 4 Abs. 6 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) nicht anordnet, daß eine Entscheidung nach § 2 Abs. 2 StudFG auch für spätere Verfahren auf Gewährung von Studienbeihilfen gilt, und schließlich auch dem Bescheid der belangten Behörde vom 22. April 1985 nicht entnommen werden kann, daß damit (unzulässigerweise) mit Wirkung für alle späteren Verfahren auf Gewährung von Studienbeihilfe an den Beschwerdeführer (zumindest für die Dauer seines theologischen Studiums an der Universität) entschieden werden sollte, vermochte der genannte Bescheid Rechtswirkungen nur für das Verfahren auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Studienjahr 1984/85 zu entfalten und stellte demgemäß das vom Beschwerdeführer im Zuge eines Verfahrens über seinen Antrag auf Studienbeihilfe für das Studienjahr 1985/86 gestellte Ansuchen um Nachsichtserteilung nach § 2 Abs. 2 StudFG keine Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache dar. Die belangte Behörde hätte demgemäß über diesen Antrag eine Sachentscheidung fällen müssen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Hinsichtlich der angeführten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Wien, am 29. November 1988
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1987120004.X00Im RIS seit
15.10.2021Zuletzt aktualisiert am
15.10.2021