TE Vwgh Beschluss 2021/9/23 Ra 2021/16/0078

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2021
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der R GmbH in G, vertreten durch Mag. Hans Georg Popp und Mag. Armin Posawetz, Rechtsanwälte in 8112 Gratwein-Straßengel, Bahnhofstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. April 2021, G314 2233467-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin hatte beim Bezirksgericht Graz-West eine Räumungsklage für ein näher beschriebenes Bestandobjekt eingebracht und hiefür Pauschalgebühr nach TP 1 GGG im Betrag von € 102,-- entrichtet. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. Oktober 2015 schloss sie mit der dort Beklagten folgenden, auszugsweise wiedergegebenen Vergleich:

„A)

Die beklagte Partei verpflichtet sich bis 31.10.2016 bei sonstiger Exekution, die vom Untermietvertrag umfassten [...] Haupt- und Nebenräumlichkeiten und freien Flächen [...] zu räumen und der klagenden Partei geräumt von den eigenen Fahrnissen zu übergeben [...].

B)

(1) Die beklagte Partei verpflichtet sich, für die Dauer des Mitverhältnisses am 1. eines jeden Monats im Vorhinein einen monatlichen Mietzins zu bezahlen, der sich zusammensetzt wie folgt: [...]. Die Summe der monatlich zu entrichtenden Miete beträgt somit EUR 1.808,88 netto + 20 % Mwst [...].

(2) Die beklagte Partei verpflichtet sich, für die Dauer des Mietverhältnisses am 1. eines jeden Monats im Vorhinein als Akonto die anteilig zu verrechnenden Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben [...] zu zahlen, welche sich wie folgt berechnen [...].

(8) Der somit errechnete Gesamtbrutto-Untermietzins (Nettomietzins von EUR 1.808,88 + aliquoter Betriebskostenanteil von EUR 898,79 + 20 % Mwst. beträgt aktuell EUR 3.249,21 (in Worten: [...]) und ist am 1. eines jeden Monats im Vorhinein auf das Konto der Vermieterin [...] einzuzahlen [...].“

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die Vorschreibung restlicher Pauschalgebühr für den Vergleich vom 9. Oktober 2015 im Betrag von € 7.573,-- sowie von Einhebungsgebühr als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens erwog das Verwaltungsgericht unter Zitierung der angewendeten Gesetzesbestimmungen im Kern:

„Wird im gerichtlichen Räumungsvergleich vom Beklagten die zeitlich nicht exakt begrenzte Verpflichtung zur Zahlung eines Betrags übernommen, so errechnet sich die vom Kläger für einen ‚höherwertigen Vergleich‘ zu entrichtende Ergänzungsgebühr unter Anwendung des zehnfachen Jahreswerts (vgl. z.B. VwGH 21.03.2012, 2009/16/0267 und 30.01.2020, Ra 2020/16/0002).

Hier wurde im Grundverfahren ein Vergleich iSd § 18 Abs 2 Z 2 GGG geschlossen, weil sich die beklagte Partei (zusätzlich zu der schon mit der Klage geltend gemachten Räumung) auch zur Zahlung eines regelmäßig zu entrichtenden Benützungsentgelts verpflichtet hat. Mangels einer zeitlichen Begrenzung dieser Zahlungsverpflichtung wurde eine Verpflichtung auf unbestimmte Zeit begründet. Dem Vergleich selbst kann nicht entnommen werden, dass die Leistungsverpflichtung, z.B. für den Fall nicht fristgerechter Räumung, mit dem in Aussicht genommenen Räumungstermin erlöschen soll (vgl. VwGH 16.12.2014, 2013/16/0023). Allein aus dem vereinbarten Räumungstermin kann keine zeitliche Begrenzung der Entgeltleistung abgeleitet werden (siehe z.B. VwGH 21.09.2005, 2005/16/0166). Die Vereinbarung eines Räumungstermins sagt nämlich noch nichts darüber aus, ob dadurch und vor allem mit welchem konkreten Ende auch die finanzielle Verpflichtung zur Leistung eines Entgelts für die tatsächliche Benützung des Bestandobjekts, die ja keineswegs zwingend mit dem vereinbarten Räumungstermin enden muss, terminisiert ist (VwGH 23.10.2008, 2006/16/0090).

Daraus, dass sich die beklagte Partei im Vergleich zur Zahlung von Mietzins und Betriebskosten ‚für die Dauer des Mietverhältnisses‘ verpflichtete, ergibt sich keine konkrete zeitliche Begrenzung der Leistungsverpflichtung. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien des Grundverfahrens war bereits vor Einbringung der Klage beendet und es wurde (auch nach dem Standpunkt der BF) mit dem Vergleich kein neues Bestandsverhältnis begründet. Der Wortfolge ‚für die Dauer des Mietverhältnisses‘ kann daher keine konkrete zeitliche Begrenzung der Verpflichtung zur Zahlung des Benützungsentgelts entnommen werden, zumal kein Mietverhältnis, und damit auch kein Endzeitpunkt eines Mietverhältnisses, festgelegt wurde.

Zu der (gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. c GGG mit EUR 750 zu bewertenden) Räumungsverpflichtung kommt daher eine weitere Bemessungsgrundlage von EUR 389.906 (EUR 3.249,21 x 12 x 10, gerundet gemäß § 6 Abs 2 GGG).“

Abschließend begründete das Verwaltungsgericht die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung und seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 24. Juni 2021, E 1889/2021-5, ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit einem weiteren Beschluss vom 20. Juli 2021 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4        In der gegen dieses Erkenntnis - mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundenen - Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Unterlassung der Vorschreibung einer höheren Pauschalgebühr nach TP 1 GGG iVm § 18 Abs. 2 Z 2 GGG iVm § 58 Abs. 1 JN verletzt.

5        Die Zulässigkeit ihrer Revision legt sie zusammengefasst darin dar, der revisionsgegenständliche Vergleichstext gleiche jenem, der der „Entscheidung VwGH 91/16/0110“ zu Grunde gelegen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in der zitierten Entscheidung den Vergleichstext dahingehend beurteilt, dass es auf Grund dieser Formulierung an einem Anhaltspunkt dafür fehle, dass die Parteien auch den Fall eines vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten hätten regeln wollen. Weiters weiche das angefochtene Erkenntnis vom Erkenntnis „des VwGH vom 26.11.1998 zu VwGH 91/16/0209“ ab. Auch in dieser Entscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof bei einem sich gleichenden Sachverhalt anders entschieden als das Bundesverwaltungsgericht in der nunmehr bekämpften Entscheidung.

6        Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7        Zur Darstellung der Rechtslage wird zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf den - auch im angefochtenen Erkenntnis zitierten - Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2020, Ra 2020/16/0002, verwiesen.

8        Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss ausführte, kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. auch VwGH 18.8.2020, Ra 2020/16/0119, mwN).

9        Im nun vorliegenden Revisionsfall gelangte das Verwaltungsgericht - unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zum Schluss, dass mangels einer zeitlichen Begrenzung der Zahlungsverpflichtung im Punkt B Abs. 1 des Vergleiches eine Verpflichtung auf unbestimmte Zeit begründet worden sei. Dem Vergleich selbst könne nicht entnommen werden, dass die Leistungsverpflichtung etwa für den Fall nicht fristgerechter Räumung mit dem in Aussicht genommenen Räumungstermin erlöschen solle.

10       Soweit die Revision für ihre Zulässigkeit einen Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1992, 91/16/0110, ins Treffen führt, handelte es sich dort um den Ausfluss des Auslegungsergebnisses des damals beschwerdegegenständlichen Vergleichs, dem es an einem Anhaltspunkt fehlte, dass die Parteien auch den Fall eines vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten als Bestandnehmerin hätten regeln wollen; dem entgegen sah das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Vergleich sehr wohl die Übernahme einer Leistungsverpflichtung, die etwa für den Fall der nicht fristgerechten Räumung mit dem in Aussicht genommenen Räumungstermin nicht erlöschen solle.

11       Sollte die Revision für ihre Zulässigkeit auch das Erkenntnis vom 26. November 1998, [richtig wohl:] 98/16/0209, ins Treffen führen wollen, hätte auch dieses Erkenntnis eine beschwerdefallbezogene Auslegung eines Vergleiches zum Gegenstand, in dem sich die Zahlungsverpflichtung „mit hinlänglicher Deutlichkeit auf den im Vergleich fixierten Endtermin“ bezog.

12       Damit fügt sich die im Revisionsfall durch das Verwaltungsgericht im vertretbaren Rahmen gewonnene Auslegung des Vergleiches in die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

13       Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 23. September 2021

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160078.L00

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten