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27/04 Sonstige RechtspflegeNorm
AVG §19Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Jänner 2021, W101 2238004-1/2E, W101 2238006-1/2E, W101 2238007-1/2E und W101 2238009-1/2E (mitbeteiligte Parteien: 1. I A, 2. mj. H A, 3. mj. K A und 4. mj. S A, alle in V) sowie W101 2238008-1/2E (mitbeteiligte Partei: M A in V) betreffend Beteiligtengebühr, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit schriftlicher Erledigung vom 11. November 2019 hatte der zuständige Richter des Bundesverwaltungsgerichtes die in Villach aufhältigen Mitbeteiligten - diese vertreten durch die Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH - von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung an der Außenstelle Graz über deren Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, betreffend internationalen Schutz, für den 22. November 2019, 10:00 Uhr, verständigt und diese darin u.a. aufgefordert, an dieser Verhandlung als Partei persönlich teilzunehmen: Die Verhandlung könne in deren Abwesenheit durchgeführt oder auf deren Kosten verlegt werden, wenn sie die Verhandlung unentschuldigt oder deren Vertreterin diese versäumten.
Die Erledigung enthielt abschließend den Hinweis, dass die Mitbeteiligten die ihnen allenfalls zustehenden Gebühren (Reisekosten etc.) binnen 14 Tagen nach der durchgeführten Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht geltend machen könnten.
2 Am 21. November 2019 um 8:30 Uhr traten die Mitbeteiligten die Anreise zur Verhandlung an.
3 Im Laufe des Vormittags des 21. November 2019 informierte die Kanzlei des Verwaltungsgerichtes die rechtsfreundliche Vertretung der Mitbeteiligten fernmündlich davon, dass die Verhandlung abberaumt werde. In einer weiteren E-Mail vom selben Tag, übersendet um 11:49 Uhr, teilte eine Mitarbeiterin des Verwaltungsgerichtes der Diakonie mit, dass die Verhandlung am folgenden Tag abberaumt werde.
4 Am 5. Dezember 2019 beantragten die Mitbeteiligten den Ersatz von Fahrtkosten für die Anreise nach Graz, Verpflegungskosten für Frühstück und Abendessen und Nächtigung sowie für die Rückreise nach Villach. Die Mitbeteiligten hätten sich zum Zeitpunkt der Verständigung über die Abberaumung bereits im Zug nach Graz befunden, da sie zu einem vorbereitenden Gespräch in das Büro der rechtsfreundlichen Vertretung in Graz hätten kommen sollen. Eine Anreise am 22. November 2019 wäre nicht möglich gewesen, da die Verhandlung bereits um 10:00 Uhr anberaumt gewesen wäre. Eine Übernachtung in Graz wäre daher jedenfalls erforderlich gewesen und hätten die Mitbeteiligten auch bereits das Hotel gebucht gehabt.
5 Mit Bescheid vom 17. September 2020 wies der Präsident die Gebührenanträge gemäß § 26 Abs. 1 VwGVG iVm. § 4 Abs. 1 GebAG „als unzulässig“ ab, wogegen die Mitbeteiligten Beschwerde erhoben. Nach Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, brachten die Mitbeteiligten einen Vorlageantrag ein.
6 In zwei Beschlüssen vom 12. Jänner 2021 hob das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes zurück.
Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend gab das Verwaltungsgericht in seinen Beschlüssen zunächst den Gang des Verwaltungsgeschehens wieder, um sodann folgende Feststellungen zu treffen:
„Die [Mitbeteiligten sind] für den 22.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Graz, um 10:00 Uhr zu einer mündlichen Verhandlung geladen gewesen.
Die [Mitbeteiligten sind] aber von der Abberaumung dieser mündlichen Verhandlung mittels E-Mail vom Bundesverwaltungsgericht um 11:49 Uhr des 21.11.2019 nicht rechtszeitig informiert worden, weil sie zu diesem Zeitpunkt die Reise von Villach nach Graz per Zug bereits angetreten hatten.“
In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht unter Zitierung der angewendeten verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Bestimmungen:
„3.2.3. Der Anspruch auf die Gebühr steht gemäß § 4 Abs. 1 des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG), BGBl. 136/1975, dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist; er hat jedoch im ersten Fall, wenn er sonst im Weg der Rechtshilfe hätte vernommen werden können, nur den Anspruch, der ihm bei einer Vernehmung vor dem Rechtshilfegericht zustände, sofern seine unmittelbare Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich gewesen ist; andernfalls hat das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, die Notwendigkeit der unmittelbaren Vernehmung zu bestätigen.
Anspruch auf Gebühren gemäß § 26 Abs. 1 und 5 VwGVG iVm § 4 Abs. 1 GebAG haben demzufolge nur jene Zeugen und Beteiligten, die vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Beweiszwecken einvernommen worden sind, oder jene, deren Vernehmung ohne ihr Verschulden unterblieben ist.
Mit E-Mail der Gerichtsabteilung G305 vom 21.11.2019, 11:49 Uhr, wurde der Vertreterin der [mitbeteiligten] Parteien - nach einem vorangegangenen Telefonat - die Abberaumung der mündlichen Verhandlung schriftlich mitgeteilt (‚Wie heute telefonisch besprochen wird die morgige VH vom 10:00-15:00 Uhr für die Familie [...] abberaumt‘).
Eine Anreise zur mündlichen Verhandlung am 22.11.2019, 10:00 Uhr, in Graz noch am selben Tag hätte jedenfalls von [den Mitbeteiligten] für ein pünktliches Erscheinen vor Gericht in der Nachtzeit angetreten werden müssen (22:00 Uhr - 06:00 Uhr), was aber für eine Familie mit drei mj. Kindern nicht zumutbar gewesen wäre. Es ist daher schon von diesem Gesichtspunkt davon auszugehen, dass eine Anreise der [Mitbeteiligten] nach Graz bereits am 21.11.2019 zu erfolgen gehabt hätte.
Laut dem Gebührenantrag wurde die Reise von [den Mitbeteiligten] am 21.11.2019 bereits vor deren Verständigung über die Abberaumung der mündlichen Verhandlung angetreten, da ein vorbereitendes Gespräch im Büro der Rechtsberatung in Graz angesetzt gewesen ist. Die Fahrkarten der ÖBB für die Anreise von Villach nach Graz wurden nämlich nachweislich am 21.11.2019 um 09:06 Uhr gekauft.
Es handelt sich insofern bei den geltend gemachten und nachgewiesenen Reisekosten sowie Aufenthaltskosten für eine Übernachtung in Graz um notwendige Kosten nach dem GebAG, die ‚auf Grund‘ der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 22.11.2019 angefallen sind, da diese Kosten im vorliegenden Fall durch die nicht rechtzeitig erfolgte Abberaumung als von dieser Ladung verursacht angesehen werden müssen.
Auf Grund der nicht rechtzeitigen Abberaumung der mündlichen Verhandlung am 21.11.2019, 11:49 Uhr, als die [Mitbeteiligten ihre] Reise bereits angetreten hatte[n] (!), wäre über deren Gebührenantrag vom 05.12.2019 gemäß § 26 VwGVG inhaltlich abzusprechen gewesen.
3.2.4. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für den vorliegenden Fall folgende Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens:
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nur das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 GebAG verneint und keine Ermittlungen zu den geltend gemachten Gebühren (hier: Reisekosten Villach/Graz hin und retour sowie Aufenthaltskosten für 1 Übernachtung in Graz) durchgeführt, sodass ein schwerwiegend mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorliegt.
Es liegen daher besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Ermittlung und Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes im obigen Sinne vor.
Es kann nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch die nur für das Beschwerdeverfahren zuständige Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde. Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG ist daher hier von der Möglichkeit des Vorgehens nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG Gebrauch zu machen und die Angelegenheit an die belangte Behörde zur Durchführung der genannten Ermittlungen und Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.
Der Vollständigkeit halber ist weiters darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG, vgl. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010; 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG), auch wenn durch eine Zurückverweisung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte.“
Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seine Aussprüche über die Unzulässigkeit einer Revision.
7 Gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichtes richtet sich die Amtsrevision des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes, in der die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, in eventu die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst dahingehend beantragt wird, die Beschwerde die Mitbeteiligten als unbegründet abzuweisen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG über diese Revision das Vorverfahren eingeleitet, in das sich die Mitbeteiligten nicht einließen.
9 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
10 Die Amtsrevision geht zunächst in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Begehren der Mitbeteiligten auf Beteiligtengebühr mit Bescheid vom 17. September 2020 zurückgewiesen wurden (Seite 3 der Revisionsschrift).
Die Zulässigkeit seiner Revision legt der Revisionswerber zusammengefasst darin dar, die aufhebenden und die Sache zurückverweisenden Beschlüsse im Sinn des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG stünden im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - wie im Rahmen des Erkenntnisses vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, festgehalten werde - wonach die Zurückweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstelle. Lägen die Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 VwGVG vor, habe das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung zu treffen. Aber auch dann, wenn das Ermittlungsverfahren zum Zwecke einer Entscheidung in der Sache noch ergänzungsbedürftig sei, komme keineswegs automatisch eine Kassation und Zurückweisung an die Verwaltungsbehörde in Betracht. Es seien lediglich ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liege die (ergänzende) Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht doch im Interesse der Raschheit. Im vorliegenden Revisionsfall seien sämtliche notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes im Sinn des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG getätigt worden; daher lägen keine krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken vor.
Darüber hinaus verkenne das Bundesverwaltungsgericht, dass eine ordentliche Revision schon deshalb zulässig sein müsste, da es sich hinsichtlich der Frage, ab welchem konkreten Zeitpunkt eine Abberaumung der mündlichen Verhandlung seitens des Gerichtes nicht mehr rechtzeitig erfolgen könne, ohne dass gebührenrechtliche Ansprüche fällig würden, um eine Entscheidung handle, von der die Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme und zum konkreten Fall (noch) keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde nicht berücksichtigt.
11 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGVG haben Zeugen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Beweiszwecken vernommen werden oder deren Vernehmung ohne ihr Verschulden unterbleibt, Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und dem § 3 bis § 18 des Gebührenanspruchsgesetzes - GebAG, BGBl. Nr. 136/1975. Die Gebühr ist gemäß § 19 GebAG beim Verwaltungsgericht geltend zu machen.
Nach Abs. 5 leg. cit. gelten die Abs. 1 und 4 auch für Beteiligte.
12 Gemäß § 4 Abs. 1 GebAG steht der Anspruch auf die Gebühr dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist; er hat jedoch im ersten Fall, wenn er sonst im Weg der Rechtshilfe vernommen hätte werden können, nur den Anspruch, der ihm bei einer Vernehmung vor dem Rechtshilfegericht zustünde, sofern seine unmittelbare Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich ist; andernfalls hat das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, die Notwendigkeit der unmittelbaren Vernehmung zu bestätigen.
13 § 26 Abs. 1 und 5 VwGVG stellt ebenso wie § 4 Abs. 1 GebAG für den Gebührenanspruch für den Fall des Unterbleibens der Vernehmung auf eine Ladung ab (vgl. Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015], Rz. 6 ff zu § 26 VwGVG, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband [2005], Rz. 4 zu § 51a AVG), ohne jedoch diesen Begriff näher zu definieren. Fallbezogen bestimmte sich die Ladung zur mündlichen Verhandlung nach § 17 VwGVG iVm. § 19 AVG, wovon das Verwaltungsgericht in seiner schriftlichen Erledigung vom 11. November 2019 Gebrauch machte, um die Mitbeteiligten zu einer mündlichen Verhandlung zu laden.
14 Mit der Aufforderung, an dieser Verhandlung als Partei persönlich teilzunehmen, und dem Hinweis auf Säumnisfolgen ging diese Erledigung über eine bloße Verständigung von der mündlichen Verhandlung nach § 17 VwGVG iVm. § 41 Abs. 1 AVG hinaus (zum Anwendungsbereich der §§ 40 f AVG vor den Verwaltungsgerichten vgl. Reisner aaO, Rz. 10 zu § 24 VwGVG; zur Unterscheidung der Ladung zur von der Verständigung von der mündlichen Verhandlung vgl. Thienel/Zeleny, AVG21, Anm. 1 und 7 zu § 41 AVG, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG 8. Lieferung [2021] Rz. 3 zu § 41).
15 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gründete die Zurückweisung der Ansprüche der Mitbeteiligten zusammengefasst darauf, dass die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht „rechtzeitig abberaumt“ und die Mitbeteiligten deshalb nicht zu Beweiszwecken einvernommen worden seien. Eine mündliche Verhandlung und deren Einvernahme habe erst gar nicht stattgefunden. Die Gefahr der Kostentragung im Zusammenhang mit einer rechtzeitigen Abberaumung durch eine frühere Anreise als unbedingt erforderlich und notwendig falle in die Sphäre der Antragsteller.
16 Die Mitbeteiligten gründeten ihre Ansprüche dagegen darauf, dass sie von der Abberaumung der Verhandlung nicht mehr rechtzeitig verständigt worden seien.
17 Wie eingangs festgehalten, erfolgte mit schriftlicher Erledigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. November 2019 die Ladung der Mitbeteiligten zur mündlichen Verhandlung. Weder den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes noch den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass den Mitbeteiligten ein dem entsprechender formeller contrarius actus, daher ein Widerruf der Ladungen, als Parteien persönlich an einer Verhandlung teilzunehmen, zugekommen wäre. Mag auch die Kanzleikraft des Bundesverwaltungsgerichtes versucht haben, im informellen Wege telefonisch und per E-Mail im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung der Mitbeteiligten eine Anreise zur Verhandlung und damit das Entstehen von Kosten zu vermeiden, fiel der Erfolg eines solchen Unterfangens - entgegen der Ansicht der Amtsrevision - in die Risikosphäre des Verwaltungsgerichtes.
18 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGVG, § 4 Abs. 1 zweiter Satz GebAG kommt der Anspruch auf Gebühr aber auch dem zu, der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist (Reisner aaO, Rz. 8 zu § 26 VwGVG mwN). Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt traten die Mitbeteiligten auf Grund einer formellen Ladung zu einer mündlichen Verhandlung die Anreise zum Gericht an; deren geforderte persönliche Teilnahme als Partei an der Verhandlung unterblieb aber nur deshalb, weil das Gericht die Verhandlung „abberaumte“ und von einer Einvernahme Abstand nahm.
19 Damit stehen den Mitbeteiligten grundsätzlich Ansprüche auf Beteiligtengebühr zu.
20 Die Frage der Notwendigkeit einzelner Kosten betrifft die Höhe des Gebührenanspruchs, nicht jedoch die Zulässigkeit der Ansprüche. Innerhalb der „Sache“ der vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheide vom 17. September 2020, nämlich der Zurückweisung der Gebührenansprüche, war dem Verwaltungsgericht eine reformatorische Entscheidung über Grund und Höhe der Ansprüche verwehrt, weshalb die Revision gegen die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes schon deshalb nicht von den von der Amtsrevision primär aufgeworfenen Rechtsfragen abhängt.
21 Da nach dem eingangs Gesagten die Mitteilung der Kanzlei des Verwaltungsgerichtes, eine mündliche Verhandlung abzuberaumen, und die informelle Äußerung gegenüber Verfahrensbeteiligten oder deren Vertretern noch keinen contrarius actus zur formellen Ladung als Beteiligte darstellt, kann die von der Amtsrevision aufgeworfene Frage, ab welchem konkreten Zeitpunkt eine Abberaumung nicht mehr als „rechtszeitig“ erachtet werden könne, dahingestellt bleiben.
22 Schließlich legt die Revision die Relevanz der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung, wogegen die Mitbeteiligten einen Vorlageantrag eingebracht haben, für das Ergebnis des Revisionsverfahrens nicht dar.
23 Die Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 23. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160011.L00Im RIS seit
15.10.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2021