TE OGH 2021/9/2 9Ob48/21f

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei A* S.a.r.l., *, vertreten durch die e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 40.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 5.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 10.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. April 2021, GZ 4 R 135/20g-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Juni 2020, GZ 54 Cg 115/18t-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Der Kläger ist ein gemäß § 29 Abs 1 KSchG klagebefugter Verein.

[2]       Die Beklagte ist eine in L* protokollierte Gesellschaft, die einen weltweiten Online-Versandhandel betreibt und laufend Verträge auch mit österreichischen Verbrauchern abschließt. Ihre Geschäftsanteile werden ebenso wie jene der A* M* S.a.r.l. von der gemeinsamen Muttergesellschaft A* E* S.a.r.l. gehalten.

[3]       Die Beklagte vertreibt über ihren Online-Versandhandel in Österreich unter anderem Hardware-Produkte wie den „A* Lautsprecher“, der mit dem Sprachdienst „A*“ ausgestattet ist, aber auch Hardware-Geräte von Drittanbietern, die mit dem Sprachdienst „A*“ verwendet werden können („a*-fähige“ Geräte). Zur Sprachsteuerung derartiger Hardware-Geräte ist die Installation der Software A* durch den Nutzer erforderlich, sofern diese nicht – wie etwa beim „A* Lautsprecher“ – vorinstalliert ist. Der Kaufpreis aus dem Verkauf der Hardware-Geräte, die mit der A*-Software verwendet werden können, wird vom Käufer an die Beklagte bezahlt. Die Verwendung der Software A* ist für den Endkunden gratis.

[4]       Die A* E* S.a.r.l. ließ zur Verwendung im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern die „A* Nutzungsbedingungen“ verfassen, die die vom Kläger beanstandeten Klauseln 8 bis 20 enthalten. Nicht feststellbar ist, dass die Beklagte Einfluss auf diese Bedingungen nehmen konnte oder kann.

[5]       Die „A* Nutzungsbedingungen (Stand 15. 11. 2018)“ lauten auszugsweise wie folgt:

„Dies ist eine Vereinbarung zwischen Ihnen und der A* M* S.à.r.l. (mit ihren verbundenen Unternehmen, ‚A*‘ oder , 'wir'). Bevor Sie A* benutzen, bitten wir Sie, sich diese A* Nutzungsbedingungen einschließlich des Anhangs zu Anrufe und Nachrichten mit A*, die A*.de Nutzungsbedingungen sowie die weiteren auf der Webseite A*.de angegebenen geltenden Regeln, Richtlinien und Bestimmungen durchzulesen, welche über Ihre A* App verfügbar sind bzw. mit A*-fähigen Produkten bereitgestellt werden (insgesamt diese 'Vereinbarung'). Indem Sie A* verwenden, erkennen Sie die Bedingungen dieser Vereinbarung an. Wenn Sie die Bedingungen dieser Vereinbarung nicht akzeptieren, können Sie A* nicht verwenden. Bitte lesen Sie unsere Datenschutzerklärung, unsere Hinweise zu Cookies und unsere Hinweise zu interessenbasierter Werbung, welche jeweils nicht Teil dieser Vereinbarung sind.“

[6]       Die Vorinstanzen wiesen das (allein revisionsgegenständliche) Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren des Klägers betreffend 13 beanstandeter Klauseln in den „A* Nutzungsbedingungen“ ab. Die Beklagte sei nicht passiv klagslegitimiert, weil sie nicht Verwenderin der „A* Nutzungsbedingungen“ im Sinn des § 28 KSchG sei.

[7]       Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Frage der Verwendung von AGB im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG für die Nutzung von Software durch einen konzernmäßig mit dem Rechteinhaber und Verwender der Nutzungsbedingungen verbundenen Verkäufer von Hardware mit vorinstallierter Software noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[8]       Die Revision ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[9]       1. Gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 KSchG kann auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrundelegt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt.

[10]           2. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre ist „Verwender“ von AGB oder Formblättern grundsätzlich (nur) derjenige, der Partei des Vertrags ist (1 Ob 193/19t Pkt 1.2. mwN = ImmoZak 2020/10 [Prader = VbR 2020/35 [Leupold/Gelbmann]; RS0124305; Donath in Schwimann/Neumayr, ABGB-Taschenkommentar5 § 28 KSchG Rz 4). Damit ist der Vertrag gemeint, der unter Zugrundelegung der AGB oder Vertragsformblätter geschlossen wurde oder werden soll (1 Ob 193/19t Pkt 1.3. mwN; RS0124305). In Anlehnung an die zur deutschen Rechtslage vertretene Ansicht nahm der Oberste Gerichtshof in unterschiedlichen Konstellationen eine Erweiterung der Eigenschaft als „Verwender“ von AGB oder Vertragsformblättern nach § 28 Abs 1 Satz 1 KSchG vor (1 Ob 193/19t Pkt 1.4. mwN).

[11]           3. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidungen, in denen der Oberste Gerichtshof das Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“ von AGB oder Vertragsformblättern ausdehnend interpretierte, berücksichtigt und ist im konkreten Einzelfall zum vertretbaren Ergebnis gelangt, dass das nach diesen Entscheidungen erforderliche besondere „Zurechnungsmoment“ im Sinn eines erheblichen Eigeninteresses der Beklagten an der Verwendung der AGB im Anlassfall nicht gegeben ist, weshalb eine Gleichstellung mit der Vertragspartei des Verbrauchers nicht als gerechtfertigt anzusehen ist.

[12]           4.1. Der Argumentation des Klägers, die Beklagte habe mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zur Frage der Zulässigkeit der Klausel 17 (diese betrifft nicht die „A* Nutzungsbedingungen“) zugestanden, dass auch sie Vertragspartnerin und Verwenderin der „A* Nutzungsbedingungen“ sei, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Vorbringens der Beklagten im Zusammenhang mit der ausdrücklichen Bestreitung, in den „A* Nutzungsbedingungen“ Rechte eingeräumt erhalten zu haben, gerade nicht abgeleitet werden könne, die Beklagte hätte auf diesem Weg die von ihr in Abrede gestellte Verwendung zugestanden. Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, ob also ein schlüssiges Tatsachengeständnis vorlag oder nicht, ist eine Verfahrensfrage und die Überprüfung dieses Ermessens daher nur im Rahmen der Verfahrensrüge möglich (RS0040078). Da bereits das Berufungsgericht einen derartigen Verfahrensfehler des Erstgerichts verneinte, kann er nicht – auch nicht unter dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO – neuerlich mit der Revision geltend gemacht werden (RS0042963).

[13]           4.2. Da die Beklagte den Verträgen mit ihren Kunden über Hardware-Geräte, die mit dem Sprachdienst „A*“ ausgestattet sind bzw die mit dem Sprachdienst „A*“ verwendet werden können, die „A* Nutzungsbedingungen“ nicht zugrundelegt, ist sie grundsätzlich nicht Verwenderin dieser AGB im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG. Die Beklagte ist auch für deren Inhalt nicht verantwortlich und es steht auch nicht fest, dass sie Einfluss auf diese Bedingungen nehmen konnte oder kann. Auch wenn die Beklagte laut erstem Satz als ein mit der A* M* S.a.r.l. verbundenes Unternehmen anzusehen sein mag, so wird sie alleine deshalb noch nicht zur Vertragspartnerin des Software-Nutzungsvertrags, den die Kunden ausdrücklich mit ihrem Schwesterunternehmen, der A* M* S.a.r.l., abschließen.

[14]           4.3. Richtig ist, dass der Käufer eines Hardware-Geräts der Beklagten, das mit dem Sprachdienst „A*“ bereits ausgestattet ist, den Kaufpreis an die Beklagte zahlt. Um diese Software aber dann (kostenlos) nutzen zu können, muss er einen Nutzungsvertrag über die Software mit der Rechteinhaberin, der A* M* S.a.r.l, abschließen. Damit muss dem Verbraucher aber nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen (Lehre vom objektiven Empfängerhorizont) klar sein, dass seine Vertragspartnerin des Nutzungsvertrags nicht die Beklagte, sondern die A* M* S.a.r.l. ist.

[15]           4.4. Nach der Rechtsprechung kann der gewillkürte Vertreter einer Vertragspartei ausnahmsweise dann als Verwender anzusehen sein, wenn er ein erhebliches Eigeninteresse an der Verwendung der Klauseln hat (RS0129535). Abgesehen davon, dass die Beklagte nach den Feststellungen nicht als Vertreter der A* M* S.a.r.l. anzusehen ist, steht die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, ein allfälliges wirtschaftliches Eigeninteresse der Beklagten am Abschluss eines Nutzungsvertrags über die Software durch ihre Käufer mit der A* M* S.a.r.l. reiche nicht aus, um die Beklagte in der konkreten Fallkonstellation, in der sie über den Inhalt der beanstandeten Klausel nicht entscheiden könne, als deren Verwender im Sinn des § 28 KSchG zu qualifizieren, mit der Rechtsprechung in Einklang (RS0129535 [T3]).

[16]           4.5. Die in der Revision geforderte Prüfung des ersten Satzes der „A* Nutzungsbedingungen“ nach § 864a ABGB scheitert schon daran, dass diese AGB den Kaufverträgen mit den Kunden der Beklagten über die Hard- und Software nicht zugrunde liegen.

[17]     Die Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[18]     Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979).

Textnummer

E132853

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:E132853

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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