Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Mag. Dr. Josef Fromhold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 7.630 EUR sA, über den „Rekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. April 2021, GZ 1 R 76/21d-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31. Dezember 2020, GZ 11 C 125/20t-16, samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof zu ergänzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt von der in der Schweiz ansässigen Beklagten die Zahlung von 7.630 EUR sA wegen Nichtigkeit eines mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrags. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte sie auf Art 6 Nr 1 iVm Art 15 Abs 1 lit c iVm Art 16 Abs 1 iVm Art 60 LGVÜ 2007.
[2] Das Erstgericht verwarf mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluss die Einrede der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit des Rechtswegs und gab dem Klagebegehren statt.
[3] Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte den in das Urteil aufgenommenen Beschluss über die Einreden der mangelnden internationalen und örtlichen Zuständigkeit und der Unzulässigkeit des Rechtswegs dahingehend ab, dass es das Erstgericht für unzuständig erklärte, das erstgerichtliche Urteil und das in der Sache durchgeführte Verfahren wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit als nichtig aufhob und die Klage zurückwies.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Berufungsentscheidung enthält keine Aussage über die Zulässigkeit des Rechtszugs an den Obersten Gerichtshof.
[5] 1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt der „Vollrekurs“ gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (Zurückweisung der Klage durch das Berufungsgericht) dann nicht in Betracht, wenn die Frage des Vorliegens eines bestimmten Prozesshindernisses bereits Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens und der erstgerichtlichen Entscheidung war. In diesen Fällen wurde das Gericht zweiter Instanz, das sich ebenfalls mit dem Prozesshindernis befasst hat, funktionell als Rekursgericht tätig. Ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof unterliegt dann den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (RS0116348; RS0043861 [T2]; zuletzt etwa 2 Ob 107/20d; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 519 Rz 14 mwN). § 519 Abs 1 ZPO ist nur dann analog anzuwenden, wenn ein Rekursgericht erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgreift und die Klage unter Nichtigerklärung des Verfahrens zurückweist (RS0043861 [T4]). Das ist hier nicht der Fall.
[6] 2. Das Berufungsgericht wird daher seine Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses (§ 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) zu ergänzen haben. Für den Fall, dass das Berufungsgericht ausspricht, dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist, ist entweder über die im „Rekurs“ bereits enthaltene Zulassungsbeschwerde zu entscheiden oder aber der Klägerin die Möglichkeit zu geben, ihr Rechtsmittel durch Ergänzung der an das Gericht zweiter Instanz zu richtenden Zulassungsbeschwerde zu verbessern (§ 528 Abs 2a ZPO; vgl 9 Ob 51/12h ua).
Textnummer
E132855European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00023.21M.0913.000Im RIS seit
15.10.2021Zuletzt aktualisiert am
15.10.2021