Entscheidungsdatum
10.06.2021Norm
BVergG 2018 §2 Z15Spruch
W279 2242937-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. KOREN im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "1110 Wien, Geiselbergstraße 21-25, Funktionssanierung Bürogebäude, Generalplanersuche, ANKÖ (Verfahrens-ID 82483)," der Auftraggeberin ARE Austrian Real Estate GmbH, vertreten durch die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Trabrennstraße 2c, 1020 Wien, aufgrund des Antrages der aus den Gesellschaften XXXX gebildeten Antragstellerin, vertreten durch Huber Berchtold Rechtsanwälte OG, Getreidemarkt 14, 1010 Wien, vom 31.05.2021 das BVwG möge „eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der im Vergabeverfahren ‚1110 Wien, Geiselbergstraße 21-25, Funktionssanierung Bürogebäude, Generalplanersuche‘ die Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird“ folgenden Beschluss:
A)
Der Auftraggeberin wird gemäß § 351 BVergG 2018 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Vorbringen der Parteien:
Mit Schreiben vom 31.05.2021, beim BVwG eingebracht am selben Tag, begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der am 21.05.2021 bekannt gegebenen Zuschlagsentscheidung, die Einsicht in den Vergabeakt, die Ausnahme des eigenen Angebotes von der Akteneinsicht durch allfällige weitere Parteien, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Verpflichtung der Auftraggeberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren, die Verständigung der Auftraggeberin vom Einlangen der Anträge sowie die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung.
Begründend wurde von der Antragstellerin Folgendes ausgeführt:
Die Auftraggeberin führe ein am 20.01.2021 bekannt gemachtes Vergabeverfahren Verhandlungsverfahren mit Bestbieterprinzip im Oberschwellenbereich zur Beschaffung einer Dienstleistung durch. Die Antragstellerin habe ein Realisierungskonzept ausgearbeitet, die Angebotsunterlagen übermittelt und dadurch auch das Interesse am Vertragsabschluss und einen drohenden Schaden durch eine Rechtswidrigkeit der Auftragsvergabe dokumentiert.
Nach Ansicht der Antragstellerin wäre das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden und darüber hinaus dem Angebot der Antragstellerin der Zuschlag zu erteilen. Bei gegenständlichem Bestandsobjekt solle eine Funktionssanierung durchgeführt werden und habe eine Fragebeantwortung vom 20.04.2021 gelautet: „Frage: Können die Parkplätze im Innenhof bzw auf dem Vorplatz entfallen? Antwort: Nein, bitte die Stellplätze belassen.“ Diese Fragebeantwortung sei als sonstige Entscheidung während der Verhandlungsphase nach §2 Z 15 lit a sublit dd BVergG zu sehen und somit gesondert anfechtbar. Ferner sei diese sonstige Entscheidung bestandfest geworden. Am 21.05.2021 sei die angefochten Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erfolgt, die 88,43 Punkte erzielt hätte. Das Angebot der Antragstellerin liege mit 85,61 Punkten knapp dahinter und sei günstiger. Aus der Begründung der Zuschlagsentscheidung schließe die Antragstellerin, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin entgegen der Fragebeantwortung vom 20.04.2021 zumindest die Parkplätze im Innenhof in Anspruch genommen habe. Die Antragsstellerin gehe davon aus, dass durch die ausschreibungswidrige gestalterische Inanspruchnahme der Parkplätze Im Innenhof sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin ein Alleinstellungmerkmal geschaffen habe, das ausschlaggebend für die Zuschlagserteilung gewesen wäre. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre aber aufgrund der gestalterischen Inanspruchnahme der am Vorplatz oder im Innenhof befindlichen Parkplätze auszuscheiden gewesen.
Auf diese Argumentation stützt sich auch der gegenständliche Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Ferner seien keine besonderen öffentlichen Interessen oder besonderen Interessen der Auftraggeber ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen.
Mit Schreiben vom 02.06.2021 und 08.06.2021 nahm die Auftraggeberin als Antragsgegnerin Stellung. Die Auftraggeberin gehe davon aus, dass der Argumentation der Antragstellerin folgend sämtliche, derzeit vorhanden Parkplätze (Stellplätze) im Realisierungskonzept zu belassen gewesen wären und jeder noch so geringe Entfall von Parkplätzen zum Ausscheiden des Angebotes zu führen hätte. Diese Schlussfolgerung sei schlicht falsch und wären unter den Begriff Stellplatz nicht nur Parkplätze für PKWs, sondern auch Abstellplätze für Motorräder, Fahrräder et cetera zu subsumieren. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe in ihrem Realisierungskonzept die Bestandssituation ausschreibungskonform beibehalten und es sei lediglich zu einer optischen Aufwertung gekommen. Selbst unter der Annahme des vereinzelten Entfalles von PKW Parkplätzen wäre ein Angebot noch nicht auszuscheiden gewesen, da damit der Auftraggeberin die vollkommene Negation eines Gestaltungsspielraumes unterstellt werde. Vor allem in Zusammenschau mit einer anderen Fragebeantwortung, wonach speziell die Innenhöfe mitgestaltet werden sollten, sei nicht davon auszugehen, dass die Auftraggeberin an jedem einzelnen PKW-Parkplatz „kleben“ wolle und es ferner gerade in Anbetracht des Bauvolumens unerheblich sei, ob im Innenhof 22 oder etwa beispielsweise lediglich 19 PKW-Parkplätze zeichnerisch dargestellt werden. Im Ergebnis sei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin jedenfalls ausschreibungskonform.
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erhob am 10.06.2021 begründete Einwendungen und wahrte somit ihre Parteistellung. Die konsensmäßige Anzahl der Stellplätze gehe aus den Ausschreibungsunterlagen nicht hervor. Die Stellplätze seien nach wie vor integraler Bestandteil des Innenhofs und daher erscheine der Einspruch als unbegründet und nicht nachvollziehbar. Ferner werde Akteneinsicht beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)
Die Auftraggeberin hat im gegenständlichen Vergabeverfahren die Letztangebote am 05.05.2021 in Abwesenheit der Bieter geöffnet. Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgte am 21.05.2021 per Mail via Vergabeplattform.
Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den Stellungnahmen der Auftraggeberin vom 02.06.2021 und 08.06.2021, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht.
2. Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:
Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation des Antragstellers zur Stellung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 zu prüfen, ob dem Antragsteller die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss der Rahmenvereinbarung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll sowie das Ausscheiden eines Angebotes – behauptet wurde, dass der Antragsteller ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet hat, sowie dass dem Antragsteller durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 ist somit nicht gegeben.
Gemäß § 343 Abs. 1 BVergG 2018 sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax im Oberschwellenbereich binnen 10 Tagen einzubringen. Die Bekanntgabe der Entscheidung welcher Bieterin der Zuschlag erteilt werden soll, erfolgte am 21.05.2021. Der Nachprüfungsantrag ist am 31.05.2021 beim BVwG eingelangt und somit rechtzeitig eingebracht worden. Der Antrag wurde auch vergebührt und erfüllt – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.
3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Die Antragstellerin hat die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, „mit der im Vergabeverfahren ‚1110 Wien, Geiselbergstraße 21-25, Funktionssanierung Bürogebäude, Generalplanersuche‘ die Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird“ beantragt.
Da seitens der Auftraggeberin auf Grund der Zuschlagsentscheidung vom 21.06.2021 beabsichtigt ist, den Vertrag mit jemand anderem abzuschließen und dies aber bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin für den Vertragsabschluss in Betracht kommen könnte, droht der Antragstellerin durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang des Auftrages sowie ein Schaden, der nur durch die Verhinderung des Abschlusses des Vertrages abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung und Abschluss der Vertrages nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin und einen Abschluss des Vertrages mit der Antragstellerin ermöglicht.
Die Auftraggeberin hat auf eine Stellungnahme zum Vorbringen betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Schreiben vom 02.06.2021 explizit verzichtet.
Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.
Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).
Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.
B) Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Dauer der Maßnahme Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Verhandlungsverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des NachprüfungsverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W279.2242937.1.00Im RIS seit
14.10.2021Zuletzt aktualisiert am
14.10.2021