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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §480;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. August 1996, Zl. Ve1-550-2449/1-1, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung für die Erweiterung und den Umbau der Garage und des Chauffeur-Zimmers auf dem Grundstück Nr. 1780/9, KG Z, erteilt. Mit Eingabe vom 11. Februar 1994 ersuchte die Beschwerdeführerin um Genehmigung des "Planwechsels" für Widmungsänderungen, Ausbau des Dachgeschoßes sowie Schaffung eines überdachten PKW-Abstellplatzes. Lage und Abmessung des Gebäudes (insbesondere First- und Traufenhöhe) sollten nicht verändert werden; das Objekt werde nicht als Freizeitwohnsitz genutzt.
In der über dieses Ansuchen anberaumten Verhandlung am 2. August 1994 brachte eine Anrainerin vor, das Grundstück der Beschwerdeführerin verfüge nur über eine Zufahrtsstraße von 2 m Breite, wie sich aus einer im Kaufvertrag vom 11. April 1932 eingeräumten Servitut ergebe. Die Verhandlung wurde daraufhin abgebrochen. Der Eingabe vom 10. August 1994, eingelangt bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde am 12. August 1994, legte die Beschwerdeführerin
- zusammengefaßt - dar, daß der bestehende Zufahrtsweg in der Natur eine ausgewiesene Breite von durchwegs 3,5 m bis mehr als 4 m habe, der Fahrweg werde seit rund 38 Jahren - also während eines über die gesetzliche Ersitzungszeit von 30 Jahren hinausgehenden Zeitraumes - in einer Breite von mindestens 2,5 m genützt. Allein schon diese Wegbreite erfülle die Qualifikation der nach § 4 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung rechtlich gesicherten Verbindung des Baugrundstückes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche. Die tatsächlich und rechtlich zugunsten der Beschwerdeführerin verfügbare Wegbreite von durchwegs 3,5 m bis mehr als 4 m gehe weit über das nach § 63 Abs. 3 der Technischen Bauvorschriften selbst für Mittel- und Großanlagen erforderliche Wegmaß von 2,8 m hinaus. Dieser Eingabe waren Grundbuchsauszüge, Lichtbilder, Mappenauszüge, Kaufverträge, Verhandlungsschriften betreffend Bauvorhaben auf anrainenden Grundstücken sowie der Schriftverkehr mit Anrainern seit 1955 angeschlossen. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Verfahrensfortsetzung gestellt. In einem weiteren Schriftsatz vom 22. August 1994 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß bereits der Teilungsausweis des D.I.M.L. vom 25. April 1959 die als "Weg" bezeichnete Trasse mit einer durchgehenden Breite von 3,4 m aufweise. Im übrigen wies sie darauf hin, daß bereits mit der Baubewilligung vom 2. Juli 1993 (implizit) das Vorliegen einer ausreichenden Zufahrt ausgesprochen worden sei.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. Dezember 1995 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung der Baubewilligung vom 11. Februar 1994 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Zufahrt zum genannten Grundstück erfolge über den auf den Grundstücken Nr. 1775/6 und 1771/1, KG Z, liegenden Weg. Auf diesen Grundstücken sei die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens entsprechend dem Kaufvertrag vom 27. Dezember 1932 einverleibt; Punkt 9 dieses Vertrages besage, daß das Recht des Gehens und Fahrens auf einer Breite von 2 m eingeräumt werde; das heiße, daß als Zufahrt zum Baugrundstück lediglich eine 2 m breite Zufahrt bestehe. Aufgrund von technischen Richtlinien für den Straßenbau sei bekannt, daß schon die Schleppkurve eines PKW"s eine Breite von 2,5 m benötige. Die rechtlich gesicherte Zufahrt mit einer Breite von 2 m könne keinesfalls als entsprechend im Sinne des § 4 TBO anerkannt werden.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, wonach als rechtlich gesicherte Zufahrt im Sinne des § 4 Abs. 1 TBO auch die ersessene Zufahrt sowie die Naturalservitut, die nach dem ABGB vertraglich zugesichert worden sei, ausreichend sei. Beim Bezirksgericht Kitzbühel sei zur Zl. 2 C 446/95h ein Verfahren betreffend die Feststellung der Breite der Zufahrtsstraße, die Gegenstand der Servitut ist, anhängig. Mit Eingabe vom 2. Jänner 1996 legte die Beschwerdeführerin das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 30. November 1995, Zl. 2 C 446/95h vor, in welchem ausgesprochen wurde, daß sich die Dienstbarkeitsberechtigung des Gehens und Fahrens auf eine Wegbreite von 2,80 m beziehe. Dieses Urteil ist nicht in Rechtskraft erwachsen, weil die Anrainerin dagegen Berufung erhoben hat.
In einem Befund vom 2. Jänner 1996 führte der Stadtbaumeister aus, aufgrund von technischen Richtlinien der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen ergebe sich, daß schon ein PKW eine Schleppkurvenbreite von 2,5 m benötige. Eine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens von 2 m sei nicht ausreichend.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1996 wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Dezember 1995 ab, zur Begründung wurde ausgeführt, daß die bestehende Zufahrt nach dem Ergebnis des in erster Instanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens nur in einer Breite von 2 m rechtlich gesichert sei und damit nicht dem § 4 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung entspreche.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. August 1996 abgewiesen. Sie teilte die Rechtsansicht der Baubehörden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 31 Abs. 4 lit. b der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), ist ein Bauansuchen abzuweisen, wenn das Grundstück für die vorgesehene Bebauung nicht geeignet ist. Gemäß § 4 Abs. 1 TBO dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die (u.a.) eine dieser Bebauung entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben. Bei der Auslegung dieser Gesetzesstelle kommt dem Wort "entsprechend" besondere Bedeutung zu, was von Fall zu Fall (Einfamilienhaus oder z.B. Hotel) verschiedene Beurteilungen zulassen wird (vgl. Hauer, Tiroler Baurecht, 2. Auflage, Seite 73, Anmerkung 8). So normieren beispielsweise die Technischen Bauvorschriften - TBV, LGBl. Nr. 20/1981 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 43/1993, als Fahrbahnbreite der Zu- und Abfahrten bei Mittel- und Großanlagen mindestens 2,80 m (§ 63 Abs. 3). Für Kleingaragen unter 100 m2 (siehe § 3 Abs. 14 lit. a TBV) enthalten die TBV keine Vorschreibungen hinsichtlich der Mindestbreite der Zu- und Abfahrten. Es erscheint aber rechtlich unbedenklich, wenn im Beschwerdefall sowohl die Baubehörde zweiter Instanz als auch die belangte Behörde aufgrund des Befundes des Amtssachverständigen vom 2. Jänner 1996 und der von diesem herangezogenen Technischen Richtlinien der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen davon ausgegangen ist, daß eine Breite von 2,50 m erforderlich ist.
Die Abweisung des Bauansuchens wurde damit begründet, daß die "rechtlich gesicherte Zufahrt" nur 2 m breit sei, weil im Jahre 1932 nur eine 2 m breite Wegservitut eingeräumt worden sei. Eine rechtlich gesicherte Zufahrt von 2 m sei aber keinesfalls als entsprechend im Sinne des § 4 Abs. 1 TBO anzusehen. Die Beschwerdeführerin hat während des gesamten Verwaltungsverfahrens darauf hingewiesen, daß die Breite des Weges in der Natur jedenfalls 3,5 m bis 4 m betrage und ihr aufgrund einer Ersitzung eine Servitut hinsichtlich einer Breite von mindestens 2,8 m zukomme. Sie hat dieses Vorbringen mit umfangreichen Unterlagen untermauert, zuletzt durch ein - nicht in Rechtskraft erwachsenes - Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 30. November 1995, wonach die Dienstbarkeitsberechtigung des Gehens und Fahrens auf eine Wegbreite von 2,80 m bezogen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkennntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 89/06/0018, zur Tiroler Bauordnung ausgeführt hat, könne es keinem Zweifel unterliegen, daß auch eine ersessene Dienstbarkeit grundsätzlich als eine rechtlich gesicherte Zufahrtsmöglichkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 TBO in Betracht kommt. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß der im § 46 AVG festgelegte Grundsatz der Unbeschränktheit und der Gleichwertigkeit der Beweismittel, wonach als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist, durch § 4 Abs. 1 TBO nicht eingeschränkt wird. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, im Beschwerdefall von dieser Rechtsansicht abzurücken. Die Fülle der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen läßt aber keineswegs den Schluß zu, daß ausschließlich eine im Jahre 1932 eingeräumte Dienstbarkeit hinsichtlich der Breite des Weges von 2 m zur Verfügung steht. Die Baubehörden hätten entweder das Verfahren gemäß § 38 AVG unterbrechen müssen, da ein Zivilrechtsverfahren betreffend die Breite des Weges, auf welche sich die Dienstbarkeit erstreckt, anhängig war, oder selbst aufgrund der vorgelegten Unterlagen beurteilen müssen, auf welcher Wegbreite die Geh- und Fahrservitut als gegeben anzusehen ist. Die Baubehörden haben aber die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen keiner rechtlichen Würdigung unterzogen, womit das Verfahren mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet ist, da nicht auszuschließen ist, daß die Baubehörden bei einer Würdigung der vorgelegten Beweismittel zu einem anderen Bescheidergebnis gelangt wären. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, da in dem in der zitierten Verordnung erwähnten Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Schlagworte
Grundsatz der Gleichwertigkeit Grundsatz der UnbeschränktheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996060223.X00Im RIS seit
11.07.2001