TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/24 Ra 2021/08/0035

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Veröffentlicht am 24.09.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §111 Abs1 Z1
ASVG §33 Abs2
VStG §45 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser als Richterin sowie die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Finanzamts Landeck Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. Mai 2019, Zl. LVwG-2018/28/2529-5, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Übertretung des ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck; mitbeteiligte Partei: B D in F, vertreten durch Kroker, Tonini, Höss & Lajlar, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im bekämpften Umfang, also im Spruchpunkt 2., wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Die Finanzpolizei erstattete am 19. Juni 2018 gegen die mitbeteiligte Partei Anzeige wegen des Verdachtes, sie habe es als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche der Schlosshotel F GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin am 8. und am 12. Juni 2018 zwei pflichtversicherte Personen beschäftigt habe, ohne diese vor Arbeitsantritt bei der Sozialversicherung als geringfügig beschäftigte Personen anzumelden, worin eine Übertretung des § 111 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 ASVG liege.

2        Gleichzeitig erstattete die Finanzpolizei Anzeige wegen des Verdachtes einer Übertretung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), weil es sich bei den beiden beschäftigten Personen um bosnische Staatsangehörige gehandelt habe und für ihre Beschäftigung keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt worden seien.

3        Mit Bescheiden vom 22. Oktober 2018 stellte die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde beide Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ein.

4        Gegen beide Bescheide erhob das zuständige Finanzamt Beschwerde. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde, soweit sie sich auf das Strafverfahren nach dem AuslBG bezog, mit Spruchpunkt 1., und soweit sie sich auf das Strafverfahren nach dem ASVG bezog, mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).

5        Der gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses gerichteten Revision des Bundesministers für Finanzen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit dem Erkenntnis vom 14. April 2021, Ra 2019/09/0100, stattgegeben und diesen Spruchpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

6        Gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Revision und der Verfahrensakten das Vorverfahren eingeleitet. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Die Revision - die zur Begründung ihrer Zulässigkeit insbesondere Abweichungen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG und Begründungsmängel des angefochtenen Erkenntnisses geltend macht - erweist sich als zulässig und begründet.

10       Das Verwaltungsgericht hat in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses in keiner Weise zwischen der Einstellung der Strafverfahren nach dem AuslBG einerseits und nach dem ASVG andererseits unterschieden. Daher kann grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 2021, Ra 2019/09/0100, verwiesen werden.

11       Was den Verstoß gegen die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG betrifft (vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2018/08/0241), lässt die im genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wiedergegebene Argumentation des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen bloß geringen Verschuldens der Mitbeteiligten auch für die vorgeworfene Übertretung des ASVG nicht erschließen, dass der Schuldgehalt hinter dem in der Strafdrohung typisierten Schuldgehalt erheblich zurückbliebe. Zur Frage der Bedeutung des durch die Strafnorm des ASVG geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung fehlt im angefochtenen Erkenntnis jede spezifische Erwägung.

12       Der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Ra 2019/09/0100 dargelegte Verstoß gegen die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Begründung der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte - inbesondere betreffend die Auseinandersetzung mit widersprechenden Beweisergebnissen - zu stellen sind, betrifft gleichermaßen die vorgeworfene Übertretung des ASVG.

13       Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis auch in seinem Spruchpunkt 2. wegen - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 24. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021080035.L00

Im RIS seit

14.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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