Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Oktober 1995, Zl. VerkR-391.874/4-1995/Au, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit eine Nachschulung angeordnet wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde
1. gemäß § 75 Abs. 2b KFG 1967 dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm auf die Dauer von drei Monaten keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, 2. gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 angeordnet, daß sich der Beschwerdeführer innerhalb von 2 Monaten einer Nachschulung zu unterziehen hat, und 3. ihm gemäß § 75 Abs. 4 KFG 1967 die unverzügliche Abgabe des Führerscheins "nach Rechtskraft" des Bescheides aufgetragen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 13. Dezember 1995, B 3698/95, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 ist, wenn der Besitzer einer Lenkerberechtigung innerhalb der Probezeit (Abs. 1) einen schweren Verstoß (Abs. 3) begeht, von der Behöre unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen (erster Satz). Die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes (Abs. 3) ist abzuwarten (zweiter Satz). Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung (dritter Satz). Der Besitzer der Lenkerberechtigung hat der Anordnung innerhalb von zwei Monaten nachzukommen (vorletzter Satz).
Leistet der Besitzer der Lenkerberechtigung einer Anordnung gemäß § 64a Abs. 2 KFG keine Folge, so ist ihm gemäß § 75 Abs. 2b KFG 1967 die Lenkerberechtigung zu entziehen. Hiebei ist gemäß § 73 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 die Zeit, für welche keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, mit drei Monaten festzusetzen.
Mit Bescheid vom 2. Jänner 1995 ordnete die Erstbehörde, die Bundespolizeidirektion Linz, gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 eine Nachschulung des Beschwerdeführers wegen eines schweren Verstoßes im Sinne des Abs. 3 an. Der Beschwerdeführer hatte, da seiner Berufung gegen diesen Bescheid ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, dieser Anordnung binnen zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides Folge zu leisten. Dem ist der Beschwerdeführer weder innerhalb dieser Frist noch - nach der unbestritten gebliebenen Feststellung des angefochtenen Bescheides - bis zu dessen Erlassung nachgekommen. Damit war die Voraussetzung für die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 75 Abs. 2b KFG 1967 erfüllt; dieser Ausspruch entspricht daher dem Gesetz.
Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben eines Ermittlungsverfahrens in der Frage der Begehung eines schweren Verstoßes im Sinne des § 64a Abs. 3 KFG 1967 bemängelt und dazu rügt, daß die belangte Behörde bei ihrem Hinweis auf die Rechtskraft ihres Bescheides vom 2. Juni 1995 (mit dem der erstinstanzliche Bescheid betreffend die Anordnung einer Nachschulung bestätigt wurde) den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. August 1995, AW 95/02/0073, außer acht gelassen habe, verkennt er die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht.
Im Falle eines schweren Verstoßes im Sinne des § 64a Abs. 3 KFG 1967 (ein solcher Verstoß liegt im Beschwerdefall vor) sind von der Kraftfahrbehörde keine eigenen Ermittlungen dazu anzustellen. Sie hat in einem solchen Fall die Rechtskraft der Bestrafung wegen des schweren Verstoßes abzuwarten. Die damit eintretende Bindung der Kraftfahrbehörde verbietet es ihr, das Vorliegen des betreffenden Verstoßes selbständig zu beurteilen (vgl. dazu das den Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 1995 betreffende hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/11/0003).
Weiters ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (und offenbar auch der belangten Behörde, wie der Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtskraft der Nachschulungsanordnung erkennen läßt) die Rechtskraft eines Nachschulungsbescheides nach § 64a Abs. 2 KFG 1967 nicht Tatbestandsvoraussetzung für einen Entziehungsbescheid nach § 75 Abs. 2b KFG 1967. Für dessen Erlassung genügt vielmehr, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 64a Abs. 2 dritter und vorletzter Satz KFG 1967 ergibt, daß ein erstinstanzlicher Bescheid nach § 64a Abs. 2 KFG 1967 vorliegt und dieser nicht binnen zwei Monaten befolgt wird. Diese Voraussetzung war im Beschwerdefall bereits vor Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 2. Juni 1995 und damit lange vor dem hg. Beschluß vom 4. August 1995, mit dem der Beschwerde gegen diesen Bescheid aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, gegeben. Daran hat dieser Beschluß nichts geändert, weil er die Rechtswirkungen des erstinstanzlichen Bescheides nicht berührt hat. Er ging insofern ins Leere und stand der Erlassung eines Entziehungsbescheides nach § 75 Abs. 2b KFG 1967 nicht entgegen.
Auch bei seinem Vorbringen, daß die neuerliche Anordnung der Abgabe des Führerscheins gegen den Grundsatz "Ne bis in idem" verstoße, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage.
Der laut Beschwerde dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 1995 erteilte Auftrag zur Vorlage des Führerscheins hatte seinen Grund in dem dem Beschwerdeführer erteilten Nachschulungsauftrag, der es erforderlich machte, die damit verbundene Verlängerung der Probefrist nach § 64a Abs. 1 KFG 1967 im Führerschein ersichtlich zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1995, Zl. 95/11/0247). Demgegenüber hat der nunmehr erteilte Auftrag zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins seinen Grund in der Entziehung der Lenkerberechtigung und in der durch § 75 Abs. 4 KFG 1967 daran geknüpften Pflicht zur unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins. Angesichts dieser unterschiedlichen Sach- und Rechtslage handelt es sich bei den beiden Aufträgen zur Ablieferung des Führerscheins nicht um dieselbe Sache.
Mit Recht bezeichnet der Beschwerdeführer allerdings die neuerliche bescheidmäßige Anordnung einer Nachschulung als rechtswidrig, weil insoweit in der Tat entschiedene Sache vorlag. Der gegenständliche Ausspruch beruht auf derselben Rechtsgrundlage wie der seinerzeit ergangene. Nach dessen Erlassung ergab sich auch keine Änderung der insoweit maßgebenden Sachlage. In der Nichtbefolgung des dem Beschwerdeführer erteilten Nachschulungsauftrages ist jedenfalls keine solche Änderung zu erblicken. Dieser Umstand hatte lediglich zur Folge, daß damit die Tatbestandsvoraussetzung für die Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 75 Abs. 2b KFG 1967 gegeben war. Mit der Anordnung dieser Maßnahme war die für die Nichtbefolgung einer Nachschulungsanordnung vorgesehene Sanktion (siehe die Erläuterungen zur Regierungsvorlage für die 13. KFG-Novelle, 1309 Blg. NR 17. GP, S. 9) gesetzt. Weitere Sanktionen, insbesondere die Möglichkeit der wiederholten Anordnung einer Nachschulung mit der Rechtsfolge einer abermaligen Entziehung der Lenkerberechtigung für drei Monate bei neuerlicher Nichtbefolgung der Anordnung, sieht das Gesetz nicht vor. Im übrigen findet sich auch in den Materialien kein konkreter Hinweis, daß derartiges beabsichtigt gewesen wäre. Soweit im Gegensatz dazu in der Literatur (Grubmann,
Kraftfahrgesetz (1995), Anm. 8 zu § 64a; Stupperger, Rechtsfragen zur Nachschulung und zum Driver Improvement, ZVR 1995, 126) unter Hinweis auf eine in einem Erlaß des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr geäußerte Rechtsansicht die Zulässigkeit einer neuerlichen Nachschulungsanordnung bejaht wird, fehlt es an einer stichhältigen Begründung hiefür. Das gilt auch für die dort genannte Prämisse, daß durch eine Entziehung nach § 75 Abs. 2b KFG 1967 "die angeordnete Nachschulung nicht konsumiert (kompensiert) ist".
Die belangte Behörde hat in Verkennung der dargelegten Rechtslage bei unverändertem Sachverhalt neuerlich eine Nachschulung angeordnet, womit gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 eine Verlängerung der Probezeit um ein weiteres Jahr verbunden ist. Sie hat insoweit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im übrigen jedoch die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur in Höhe von S 390,-- zugesprochen werden (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen; S 30,-- für eine Kopie des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995110413.X00Im RIS seit
19.03.2001