TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/26 LVwG-AV-1222/001-2021

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Veröffentlicht am 26.07.2021
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Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

ÄrzteG 1998 §104
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §37 Abs1
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §38
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §63 Abs4
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §63 Abs7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch B und C, Rechtsanwälte in ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 03. Februar 2021, Zl. *** und ***, nach Beschwerdevorentscheidung vom 21. April 2021, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Kostenersatz zurückgewiesen wird.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher und unstrittiger Sachverhalt:

1.1.  Die Beschwerdeführerin ist die Tochter der am *** geborenen und am *** verstorbenen D. Die Verstorbene war Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich und Bezieherin einer Altersversorgung.

1.2.  Mit E-Mail vom 20. Dezember 2019 wurde der Todesfall von Herrn E der Ärztekammer für Niederösterreich angezeigt, dies verbunden mit dem Ersuchen,

weitere Korrespondenz an die Tochter der Verstorbenen, die Beschwerdeführerin zu richten.

Mit Schreiben vom 02. März 2020 gab die Ärztekammer für Niederösterreich – nach diesbezüglicher Aufforderung – dem zuständigen Notar bekannt, dass zum Todestag eine Forderung in der Höhe von 587,65 Euro bestehe.

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts *** vom 13. Oktober 2020 wurde der Nachlass der Beschwerdeführerin zur Gänze eingeantwortet.

1.3.  Mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 und E-Mail vom 25. November 2020 informierte die Ärztekammer für Niederösterreich die Beschwerdeführerin vom bestehenden Beitragsrückstand. Im E-Mail wurde auf die Möglichkeit eines Antrags auf Bestattungshilfe und Hinterbliebenenunterstützung hingewiesen, wobei mit Blick auf die Überschreitung der Einreichfrist angeraten wurde, um Nachsicht mit Begründung „Corona“ und dem dadurch verzögerten Ablauf beim Notar anzusuchen; gleichzeitig wurde auch darauf hingewiesen, dass „der Entscheidung des zuständigen Verwaltungsausschuss […] trotzdem offen“ (sic!) bleibe.

1.4.  Mit E-Mails vom 04. Dezember 2020 übermittelte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenunterstützung sowie Bestattungsbeihilfe. In diesen E-Mails wurde der Zeitpunkt des Antrags damit begründet, dass sich „die notarielle Abwicklung auf Grund des Corona lock downs verschoben“ habe. IN weiterer Folge wurden seitens der Beschwerdeführerin mehrere Rechnungen zum Antrag auf Bestattungshilfe vorgelegt.

1.5.  Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Anträge vom 04. Dezember 2020 zurückgewiesen.

Begründend wurde unter Verweis auf § 63 Abs. 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds (in der Folge: Satzung WFF) ausgeführt, dass die Anträge nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Ableben des WFF-Mitglieds eingebracht worden und deshalb als verspätet zurückzuweisen seien.

1.6.  Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher mit näherer Begründung die „Sittenwidrigkeit“ der Bestimmung des § 63 Abs. 7 Satzung WFF behauptet wird. Die belangte Behörde sei vor Ablauf der Frist nicht an die Beschwerdeführerin herangetreten; die Beschwerdeführerin habe erst im Gefolge des Einantwortungsbeschlusses erfahren, dass die gestellten Anträge überhaupt möglich wären. Überdies habe die Beschwerdeführerin im Gefolge des Ablebens ihrer Mutter unter einer akuten Belastungsreaktion gelitten, weshalb sie „bis zum Sommer“ nicht in der Lage gewesen sei, sich um Belange der Verlassenschaft aktiv zu kümmern (Hinweis auf eine der Beschwerde beigelegte Stellungnahme der systemischen Psychotherapeutin vom 06. Februar 2021).

Beantragt wurden u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie, der Ärztekammer für Niederösterreich die mit 1.868,04 Euro verzeichneten Kosten aufzutragen.

1.7.  Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. April 2021 wurde einerseits die Beschwerde und andererseits der Antrag auf Kostenersatz, jeweils mit näherer Begründung, abgewiesen.

1.8.  Dagegen wurde ein Vorlageantrag eingebracht.

2.   Rechtliche Erwägungen:

2.1.  In der Sache:

2.1.1.  Die maßgebliche Bestimmung des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, lautet:

§ 104.

(1) Beim Tod eines Kammerangehörigen oder eines Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung kann die Satzung des Wohlfahrtsfonds unter Berücksichtigung des Beitragsaufkommens für alle oder einzelne Gruppen von Hinterbliebenen von Kammerangehörigen oder Empfängern einer Alters- oder Invaliditätsversorgung die Gewährung

1.

einer Bestattungsbeihilfe,

2.

einer Hinterbliebenenunterstützung

vorsehen.

(2) Das Ausmaß von Leistungen gemäß Abs. 1 ist in der Satzung des Wohlfahrtsfonds festzulegen und kann hinsichtlich der Hinterbliebenenunterstützung je nach Berufsausübung für Kammerangehörige und Empfänger einer Alters- oder Invaliditätsversorgung unterschiedlich sein.

(3) Auf die Bestattungsbeihilfe und die Hinterbliebenenunterstützung haben, sofern der verstorbene Kammerangehörige oder Empfänger einer Alters- oder Invaliditätsversorgung nicht einen anderen Zahlungsempfänger namhaft gemacht und hierüber eine schriftliche, eigenhändig unterschriebene Erklärung beim Wohlfahrtsfonds hinterlegt hat, nacheinander Anspruch:

1.

die Witwe (der Witwer) oder der eingetragene Partner,

2.

die Waisen und

3.

sonstige gesetzliche Erben.

(4) Sind mehrere Anspruchsberechtigte gemäß Abs. 3 Z 2 oder 3 vorhanden, ist diesen die Leistung zur ungeteilten Hand auszubezahlen.

(5) Ist eine anspruchsberechtigte Person im Sinne des Abs. 3 nicht vorhanden und werden die Kosten der Bestattung von einer anderen Person getragen, so gebührt dieser auf Antrag der Ersatz der nachgewiesenen Kosten bis zur Höhe der vorgesehenen Bestattungsbeihilfe.“

2.1.2.  Gemäß § 37 Abs. 1 Satzung WFF gebührt die Bestattungsbeihilfe beim Tode eines WFF-Mitglieds oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung.

In § 38 Satzung WFF ist die Hinterbliebenenunterstützung näher geregelt, wobei in Abs. 7 die Reihenfolge der Anspruchsberechtigten (1. Witwe/Witwer, 2. Waisen, 3. sonstige gesetzliche Erben) bestimmt wird.

Gemäß § 63 Abs. 7 Satzung WFF müssen Anträge auf Bestattungshilfe und/oder Hinterbliebenenunterstützung innerhalb von sechs Monaten ab dem Ableben des WFF-Mitglieds eingebracht werden, andernfalls sie als verspätet zurückzuweisen sind.

2.1.3.1  Die Mutter der Beschwerdeführerin verstarb am ***.

Die am 04. Dezember 2020, also knapp zwölf Monate nach dem fristauslösenden Ereignis, eingelangten Anträge auf Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung erweisen sich gemäß § 63 Abs. 7 Satzung WFF somit selbst dann als verspätet, wenn man die Fristenhemmung für verfahrenseinleitende Anträge vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 gemäß § 2 Z 1 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz, BGBl I Nr. 16/2020 idgF, berücksichtigt.

2.1.3.2.  Das auf den Zeitpunkt der Einantwortung abzielende Vorbringen der Beschwerdeführerin geht schon deshalb ins Leere, da nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 63 Abs. 7 Satzung WFF nicht die Einantwortung, sondern das Ableben des WFF-Mitglieds das fristauslösende Ereignis darstellt.

2.1.3.3.  Auch das Vorbringen, wonach die Beschwerdeführerin von Vertreter der Ärztekammer Niederösterreich nicht rechtzeitig zur Stellung ihrer Anträge verhalten wurde, verfängt nicht:

Einerseits ist eine derartige Verpflichtung in der Satzung WFF nicht normiert. Andererseits bezieht sich auch die Belehrungspflicht gemäß § 13a AVG nur auf bereits anhängige Verfahren und reicht nicht so weit, dass eine Partei zur Stellung bestimmter Anträge anzuleiten wäre (vgl. VwGH vom 08. März 2018, Ra 2018/11/0038).

2.1.3.4.  Das Vorbringen betreffend die durch den Tod ausgelöste Belastungsreaktion der Beschwerdeführerin ändert am Ergebnis der Verspätung ebenfalls nichts:

Anders als bei der Frist gemäß § 63 Abs. 4 Satzung WFF (betreffend Anträge auf Krankenunterstützung, die binnen vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit infolge Erkrankung einzubringen sind) ist bei der Frist gemäß §63 Abs. 7 Satzung WFF eine Nachsicht des Versäumens der Antragsfrist nicht vorgesehen.

Gegen diesen Unterschied bestehen vor dem Hintergrund des § 104 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 (siehe dazu auch sogleich Punkt 2.1.3.5.) und auch dem Umstand, dass § 63 Abs. 7 Satzung WFF eine sechsmonatige Frist vorsieht, keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Satzungsbestimmung.

Der Vollständigkeit halber sei – wie die belangte Behörde ebenfalls zutreffend hervorhebt – darauf hingewiesen, dass die Frist des § 63 Abs. 7 Satzung WFF eine materiellrechtliche Frist ist (vgl. VwGH vom 27. April 2017, Ra 2017/11/0015) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bei verfahrensrechtlichen Fristen in Betracht kommt (zB VwGH vom 05. September 2018, Ra 2018/03/0085).

2.1.3.5.  Soweit schließlich die „Sittenwidrigkeit“ der Bestimmung des § 63 Abs. 7 Satzung WFF behauptet wird, ist auf Folgendes zu verweisen:

Wie die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend hervorhebt, überlässt es § 104 Abs. 1 ÄrzteG 1998 dem rechtspolitischen Ermessen des Satzungsgebers, ob er einen Anspruch auf die Leistungen der Bestattungsbeihilfe sowie der Hinterbliebenenunterstützung zuerkennt (vgl. auch VwGH vom 16. Dezember 2014, Ro 2014/11/0091).

Ist aber bereits die Frage, ob überhaupt ein Anspruch auf die genannten Leistungen zuerkannt wird ins rechtspolitische Ermessen gestellt, so kann eine Regelung, wonach dieser Anspruch sechs Monate nach dem Ableben des WFF-Mitglieds untergeht, nicht als gesetzwidrig angesehen werden (vgl. diesbezüglich auch § 106 Abs. 2 Ärztegesetz 1998, wonach die Höhe der Krankenunterstützung und die Anspruchsvoraussetzungen in der Satzung festzulegen sind und hierzu VwGH vom 27. September 2007, 2003/11/0063, wonach es dem Satzungsgeber daher nicht verwehrt ist, eine Verfallsfrist zu normieren).

2.1.4.  Zum Antrag auf Kostenersatz:

Gemäß dem im Wege des § 17 VwGVG anwendbaren § 74 Abs. 1 AVG gilt (auch) im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst zu bestreiten hat.

Mangels Rechtsgrundlage ist der in Beschwerde gestellte Antrag auf Kostenersatz zurückzuweisen; die Beschwerdevorentscheidung ist insofern zu korrigieren.

2.1.5.  Ergebnis:

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ist daher nicht berechtigt, weshalb die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe zu bestätigen ist, dass der Antrag auf Kostenersatz – infolge Fehlens einer Rechtsgrundlage – nicht ab-, sondern zurückgewiesen wird.

2.1.6.  Zum Absehen von der beantragten Verhandlung:

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ein Absehen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung rechtfertigen. Der außergewöhnliche Charakter der Umstände, die das Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen können, hängt von der Natur der Fragen („the nature of the issues“) ab, die vom zuständigen nationalen Gericht zu beantworten sind, nicht von deren Häufigkeit (vgl. EGMR vom 18. Juli 2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Z 97). Das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände hat der EGMR in Fällen anerkannt, in welchen es im Verfahren vor dem Gericht ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht (vgl. EGMR vom 08. November 2016, Pönkä/Estland, 64160/11, Z 32). So hat der EGMR den Entfall einer mündlichen Verhandlung etwa dann als gerechtfertigt angesehen, wenn angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht, oder etwa wenn keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen sind, die Tatsachen nicht bestritten werden und das Gericht auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahmen und der Aktenlage entscheiden kann oder auch, wenn die Erfordernisse der Effizienz und Wirtschaftlichkeit gegen die systematische Abhaltung von Verhandlungen sprechen, etwa in Sozialversicherungsfällen, in welchen allgemein gesehen eher technische Fragen besser auf schriftliche Weise behandelt werden und die systematische Abhaltung von Verhandlungen die Beachtung des Grundsatzes einer angemessenen Verfahrensdauer vereiteln würde (vgl. VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, mit Hinweisen auf EGMR vom 19. Februar 1998, Allan Jacobsson/Schweden (Nr. 2), 8/1997/792/993, und das oben zitierte Urteil des EGMR in der Rechtssache Schädler-Eberle/Liechtenstein). Des Weiteren hielt der EGMR in seiner Judikatur fest, dass der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung in Fällen gerechtfertigt sein kann, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (vgl. EGMR vom 18. Dezember 2008, Saccoccia/Österreich, 69917/01, Z 76, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung, sowie weiters EGMR vom 13. März 2012, Efferl/Österreich, 13556/07, und EGMR vom 07. März 2017, Tusnovics/Österreich, 24719/12, Z 21; vgl. zum Ganzen VwGH vom 12. Dezember 2017, Ra 2015/05/0043).

Da diese Voraussetzungen vorliegen (unstrittiger Sachverhalt, rechtliche Fragen beschränkter Natur), wurde gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen.

2.2.  Zum Revisionsausspruch:

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006).

Schlagworte

Freie Berufe; Ärzte; Hinterbliebenenunterstützung; Bestattungsbeihilfe; Antragstellung; Rechtzeitigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1222.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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