Entscheidungsdatum
17.06.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W247 2181324-1/20E
W247 2181316-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. am XXXX und 7.) XXXX , geb. am XXXX , gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , beide StA. Russische Föderation und vertreten durch den XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017, 2.) Zl. XXXX und 7.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2021 und am 12.03.2021, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I., II. und III. der angefochtenen Bescheide werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide, wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., auf Dauer unzulässig ist.
III. Gemäß §§ 54 und 55 Abs. 2 iVm 58 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. Nr. 100/2005, idgF., wird XXXX und XXXX je eine „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
VI. Die Spruchpunkte V. und VI. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beschwerdeführenden Parteien (BF2 und BF7) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und der Volksgruppe der Tschetschenen, sowie dem muslimischen Glauben zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist mit der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) verheiratet und sie sind die Eltern der Dritt- bis Achtbeschwerdeführer (BF3-BF8). Der BF1 ist der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Siebtbeschwerdeführers (BF7) und der minderjährigen Achtbeschwerdeführerin (BF8). Der BF1, die BF3-BF6 und die minderjährige BF8 sind Staatsangehörige Kasachstans, ihre Beschwerdeverfahren waren ebenfalls hg. zu XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX anhängig, wobei deren angefochtene Bescheide mit Erkenntnissen vom 02.06.2021 ersatzlos behoben wurden.
I. Verfahrensgang:
1. Die BF1-BF8 reisten zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im September 2013 nach Belgien, wo sie - unter der Vorgabe Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein - am 26.09.2013 Anträge auf internationalen Schutz stellten. Mit Erkenntnissen des belgischen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose vom 31.01.2014, GZen XXXX , XXXX und XXXX , wurden die Anträge der BF1-BF8 auf internationalen Schutz abgewiesen. Festgestellt wird darin unter anderem, dass die BF1-BF8 Staatsangehörige der Russischen Föderation und tschetschenischer Abstammung seien. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien kein Glauben zu schenken sei, zumal zwischen den Ausführungen des BF1 und seinen Familienmitgliedern hinsichtlich des Überfalls im August 2012, wonach bewaffnete Maskierte in ihre Wohnstätte eingedrungen und den BF1 geschlagen, sowie bedroht hätten, deutliche Unstimmigkeiten festgestellt worden seien. Die BF1-BF8 stellten in Belgien am 25.06.2014 und am 01.04.2015 weitere Anträge auf internationalen Schutz, wobei hinsichtlich dieser eine Weigerung der Inbetrachtnahme eines mehrfachen Asylantrages (Zurückweisung) erging.
2. Die BF1-BF8 reisten spätestens am 08.09.2015, unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 08.09.2015, die BF6-BF8 durch ihren gesetzlichen Vertreter, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
3.1. Am 09.09.2015, wurde der BF1 vor der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX im Beisein eines dem BF1 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH erstbefragt. Dabei brachte er zusammenfassend vor, dass er in XXXX , Kasachstan, geboren und Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei. Er spreche gut Tschetschenisch, Russisch, sowie Kasachisch und habe die Grundschule von 1973 bis 1983 in Kasachstan besucht. Der BF1 habe eine weitere Tochter, XXXX , die sich seit 2005 vermutlich in Österreich befinde. Seine letzte Wohnadresse im Herkunftsstaat sei in XXXX , gewesen. Den Entschluss zur Ausreise habe er im Jahr 2012 gefasst, wobei er mit seiner Familie am 22.09.2013 mit einem Kleinbus von Tschetschenien über die Ukraine und Polen nach Belgien gereist sei, wo der BF1 und seine Familie ebenfalls Asylanträge gestellt hätten. In Belgien sei eine negative Entscheidung und eine Aufforderung zur Ausreise ausgestellt worden. In Belgien hätten sie sich von 26.09.2013 bis 08.09.2015 aufgehalten.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, nach dem Zerfall der Sowjetunion 1992 politisch aktiv gewesen zu sein und sich für die Gerechtigkeit, sowie Unabhängigkeit in Tschetschenien eingesetzt zu haben. Er habe sich im Jahr 1994 dem Widerstand angeschlossen und sich 2006 bei der Präsidentenwahl ( XXXX ) engagiert, wobei er in der Wahlkommission tätig gewesen sei. Der BF1 habe nach Kasachstan fliehen müssen und habe im Jahr 2012, als er nach Tschetschenien zurückgekehrt sei, Probleme mit der gegnerischen Partei gekommen. Diese hätten gedroht den BF1 zu ermorden, weshalb er sich und seine Familie über ein Jahr in Tschetschenien versteckt gehalten habe. Um weiteren Drohungen zu entgehen, habe der BF1 beschlossen zu fliehen. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.
3.2. Am 09.09.2015 wurde die BF2 vor der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX im Beisein eines der BF2 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH erstbefragt. Im Rahmen dessen machte sie geltend, traditionell und standesamtlich verheiratet, sowie Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein. Sie spreche gut Tschetschenisch und Russisch, sowie schlecht Französisch und Englisch. Die BF2 sei muslimische Tschetschenin und habe von 1973 bis 1983 in XXXX , in Kasachstan, die Grundschule besucht. Im Anschluss habe sie von 1983 bis 1987 eine pädagogische Schule in Kasachstan absolviert und zuletzt den Beruf der Erzieherin ausgeübt. Die Eltern der BF2 seien bereits verstorben, doch verfüge sie im Herkunftsland noch über drei Schwestern. In Österreich würde eine weitere Tochter, namens XXXX , vermutlich seit dem Jahr 2005, sowie der Bruder der BF2 seit einem halben Jahr, leben. Ihre letzte Wohnadresse im Herkunftsstaat sei in XXXX , gewesen. Den Entschluss zur Ausreise habe sie im Jahr 2012 gefasst, wobei sie mit ihrer Familie am 22.09.2013 mit einem Kleinbus von Tschetschenien über die Ukraine und Polen nach Belgien gereist sei, wo die BF2 und ihre Familie ebenfalls Asylanträge gestellt hätten. Es sei eine negative Entscheidung und eine Aufforderung zur Ausreise ausgestellt worden. In Belgien hätten sie sich von 26.09.2013 bis 08.09.2015 aufgehalten.
Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die BF2 an, dass ihr Ehemann in ihrem Herkunftsstaat politisch verfolgt werde, weshalb sie beschlossen hätten mit den Kindern das Land zu verlassen. Die BF2 sei auch körperlich misshandelt worden. Hinsichtlich des mj. BF7 führte die BF2 aus, dass dieser keine eigenen Fluchtgründe hätte. Bei einer Rückkehr fürchte die BF2 um ihr Leben, sowie um das Leben ihrer Familie.
3.3. Am 09.09.2015, wurde die BF3 vor der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX im Beisein eines der BF3 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH erstbefragt. Im Rahmen dessen machte sie geltend, Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein, gut Tschetschenisch und Russisch, sowie mittelmäßig Englisch und Französisch zu sprechen. Sie habe 11 Jahre lang die Grundschule und 3 Jahre die Modedesignschule in Kasachstan besucht und Tschetschenien am 22.09.2013 mit einem Kleinbus verlassen. Einen Reisepass habe sie nie besessen. Zu ihrer bisherigen Wohnadresse, ihrer Reiseroute und ihrem bisherigen Asylverfahren in Belgien machte sie dieselben Angaben wie der BF1. Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF3 aus, ihre Eltern hätten beschlossen ihre Heimat zu verlassen, weil ihr Vater in Tschetschenien verfolgt worden sei. Bei einer Rückkehr habe die BF3 Angst um ihr Leben.
3.4. Am 09.09.2015, wurde die BF4 vor der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX im Beisein eines der BF4 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH erstbefragt. Im Rahmen dessen führte sie im Wesentlichen aus, Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein, gut Tschetschenisch und Russisch, sowie schlecht Englisch und Französisch zu sprechen. Sie habe 9 Jahre in Kasachstan die Grundschule besucht, sowie von 2007 bis 2010 das Med. College ebendort besucht und Tschetschenien am 22.09.2013 mit einem Kleinbus verlassen. Einen Reisepass habe sie nie besessen. Zu ihrer bisherigen Wohnadresse, ihrer Reiseroute und ihrem bisherigen Asylverfahren in Belgien machte die BF4 dieselben Angaben wie der BF1. Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF4 aus, ihre Eltern hätten beschlossen ihre Heimat zu verlassen, weil ihr Vater in Tschetschenien verfolgt worden sei. Bei einer Rückkehr habe die BF4 Angst um ihr Leben.
3.5. Am 09.09.2015, wurde die BF5 vor der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX im Beisein eines der BF5 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH erstbefragt. Dabei führte sie zusammenfassend aus, dass sie Staatsangehörige der Russischen Föderation sei, gut Tschetschenisch und Russisch, sowie gut Französisch und Englisch spreche. Sie habe in Kasachstan 9 Jahre die Grundschule besucht und ein Jahr lang Sprachunterricht in Belgien genommen. Tschetschenien habe sie am 22.09.2013 mit einem Kleinbus verlassen und habe sie nie einen Reisepass besessen. Zu ihrer bisherigen Wohnadresse, ihrer Reiseroute und ihrem bisherigen Asylverfahren in Belgien machte die BF5 dieselben Angaben wie der BF1. Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF5 ebenfalls aus, dass ihre Eltern beschlossen hätten ihre Heimat zu verlassen, weil ihr Vater in Tschetschenien verfolgt worden sei. Bei einer Rückkehr habe die BF4 Angst um ihr Leben.
3.6. Am 09.09.2015, wurde die BF6 vor der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX im Beisein eines der BF6 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH erstbefragt. Dabei führte sie im Wesentlichen aus, Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein, gut Tschetschenisch und Russisch, sowie gut Französisch zu sprechen. In Kasachstan habe sie 4 Jahre die Grundschule besucht, danach habe sie 2 Jahre die Grundschule in Belgien besucht. Die Ausreise aus dem Herkunftsstaat hätten ihre Eltern beschlossen, einen Reisepass habe die BF6 nicht, lediglich eine Geburtsurkunde. Zu ihrem Reiseweg und der Ausreise wisse sie nichts Genaueres. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die BF6 an, ihre Eltern hätten die Flucht nach Belgien beschlossen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen könne sie keine Angaben machen.
3.7. Der BF7 und die BF8 wurden aufgrund ihres kindlichen Alters nicht polizeilich erstbefragt.
3.8. EURODAC Treffer im Zuge der polizeilichen Erstbefragungen der BF1-BF6 ergaben ebenfalls, dass die BF1-BF8 am 26.09.2013, am 25.06.2014 und am 01.04.2015 Asylanträge in Belgien stellten.
4. Am 14.09.2015 wurde mit Belgien ein Konsultationsverfahren eingeleitet und stimmte Belgien der Übernahme der BF1-BF8 nach Art. 18.1.d. der EU Verordnung Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III) zu, weshalb den BF1-BF8 mit Verfahrensanordnung vom 17.09.2015 mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt werde ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen.
5.1. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.10.2015, im Beisein eines dem BF1 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH, wurden der BF1 und seine damals mj. Tochter, die BF6, einvernommen, wobei der BF1 im Wesentlichen angab, dass seine Frau seit Jahren psychische Probleme habe, deswegen schon in Belgien beim Psychiater gewesen zu sein und seit 7 oder 8 Monaten keine Medikamente mehr zu nehmen. Sie sei am Tag der Einvernahme beim Psychiater und könne an der Einvernahme nicht teilnehmen. Der BF1 selbst habe Probleme mit der Wirbelsäule, weshalb er auch schon in Belgien behandelt worden sei. Im Herkunftsstaat sei er noch nicht beim Arzt gewesen. Seinen Kindern gehe es gesundheitlich gut. Der BF1 gab auf Nachfrage an, dass seine Ehefrau und seine Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten, sondern sich auf seine Fluchtgründe beziehen würden. Er habe bis dato die Wahrheit gesagt und habe einen Ersatzpass für einen russischen Inlandsreisepass vorlegen können, weil man ihnen den russischen Inlandsreisepass weggenommen habe. Im Zuge dessen legte der BF1 einen Reisepass der „tschetschenischen Republik XXXX “ vor, der beweisen solle, dass er Staatsangehöriger Tschetscheniens sei. Der Ersatzreisepass sei 2012 ausgestellt worden, über ein Jahr sei der BF1 auf dem Fluchtweg gewesen und sei im August 2012 ihr Haus überfallen worden, wobei eine Tasche mit allen Dokumenten mitgenommen worden sei. Deshalb habe er sich in Inguschetien versteckt und habe es keine Möglichkeit gegeben einen neuen Pass ausstellen zu lassen. Es sei richtig, dass der BF1, wie bei der Erstbefragung angegeben, XXXX , geb. am XXXX , heiße und Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei. Auf Vorhalt, dass im vorgelegten Pass von „ XXXX “ XXXX stehe, gab der BF1 an, dass das sein Stammname sei. Sein Vater habe XXXX geheißen, auf Russisch komme „ XXXX “ hinzu. Die Dolmetscherin merkte dazu an, dass der Pass ausgestellt worden sei, als Tschetschenien unabhängig gewesen sei, nämlich 1986-1999, in dieser Zeit habe die Regierung ganz legal Pässe ausgestellt. BF7 und BF8 seien ebenfalls Staatsangehörige der Russischen Föderation. Eine weitere Tochter des BF1, XXXX , lebe seit 2005 in Österreich, Kontakt zu ihr bestehe keiner. Nach Belgien könne der BF1 mit seiner Familie nicht zurück, weil ihr Asylverfahren in Belgien negativ ausgegangen sei und sie von dort nach Tschetschenien ausgewiesen würden. Leute, die für den Sicherheitsdienst in Tschetschenien arbeiten würden, hätten den BF1 in Belgien gefunden und würden ihn dazu bringen wollen, freiwillig zurückzukehren. Er habe diese Leute als Landsleute kennengelernt und sie hätten angeboten, ihm in Belgien zu helfen, sowie dem BF1 eine Telefonnummer gegeben. Er hätte dann wegen seines negativen Asylverfahrens angerufen und gedacht, dass sie anständige Leute seien. Zwischen März 2012 und August 2015 hätten ca. 20 Treffen stattgefunden. Beim letzten Treffen sei dem BF1 vorgeschlagen worden Kontakt mit dem tschetschenischen Sicherheitsdienst aufzunehmen, damit der B1 zurückkehren könne und einen Job bekomme. Er müsse dann den Dienst bei der tschetschenischen Armee antreten oder bei den Behörden einen Job annehmen, dann würde ihm verziehen. Seine Frau, die BF2, habe Bedrohungen über Viber bekommen und der BF1 sei nach dem letzten Gespräch, als er gewusst habe, worum es ginge, mit seiner Familie untergetaucht. Nachdem habe dieser Mann dem BF1 eine Nachricht auf WhatsApp hinterlassen, wonach er ihn überall finden werde.
5.2. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.02.2016 im Beisein eines der BF2 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH, gab die BF2 zusammenfassend an, es gehe ihr gesundheitlich ganz gut und sie habe bis dato im Verfahren zu ihrer Person und den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt. Befragt dazu, warum die BF2 zu mehreren Einvernahmen nicht erscheinen konnte, vermeinte sie, möglicherweise, weil sie sehr oft bei Ärzten gewesen sei. Sie wisse jedoch nicht, ob sie aktuelle Befunde habe, die sie vorlegen könne. Ihre Tochter habe ihr etwas mitgegeben, sie selbst habe nicht daran gedacht Befunde mitzunehmen. In der Folge legte die BF2 medizinische Befunde des psychosozialen Dienstes vor. Die BF2 gab an, in Österreich einen Bruder, eine weitere Tochter und eine Nichte zu haben. Ihr Bruder heiße XXXX , geb. am XXXX , er sei nicht verheiratet und an Krebs erkrankt. Welchen Status er in Österreich habe, wisse die BF2 nicht. Ihre Tochter heiße XXXX , geb. am XXXX und wohne in XXXX . Diese habe ein Visum, vermutlich einen positiven Bescheid, habe eine Tochter und sei alleinstehend. Ihre Nichte, XXXX , geb. am XXXX sei verheiratet und lebe ebenfalls in XXXX , mehr wisse die BF2 nicht. Weitere Verwandte im Schengenraum habe die BF2 nicht. Zu den angegebenen Angehörigen habe die BF2 Kontakt, aber nicht sehr regelmäßig. Am häufigsten sehe die BF2 ihre Tochter. Hinsichtlich ihres Bruders und ihrer Nichte, wüssten sie voneinander, dass es ihnen einigermaßen gutgehe. Diese würden die BF2 auch mit Geld unterstützen, wobei die BF2 manchmal EUR 40 oder EUR 20 bei einem Treffen erhalte. Die BF2 habe insgesamt 7 Kinder in Österreich, 6 davon seien mit der BF2 eingereist. Sie lebe mit ihren Kindern und ihrem Mann zusammen. Ihr Ehemann, der BF1 klage über Rückenschmerzen, die BF2 wisse jedoch nicht, ob er Medikamente bekomme. Ihre Kinder seien gesund, ihnen gehe es jedoch nicht besonders gut. In Belgien hätte die BF2 mit ihrer Familie 2 Jahre lang gelebt. Die letzte Zeit in Belgien, seien sie von Leuten, von denen sie aus Tschetschenien geflohen seien, verfolgt worden. Es seien nicht dieselben, jedoch ebenfalls Anhänger XXXX , gewesen. Zuletzt hätten sie 6 Monate lang keine Unterkunft gehabt und hätten auf der Straße gelebt. Sie seien gezwungen gewesen in dieser Zeit mit Landsleuten Kontakt aufzunehmen, doch wisse ihr Mann, der BF1, darüber besser Bescheid, weil er die Kontakte geknüpft habe. Er könne vermutlich sagen, was die Leute von ihm gewollt hätten und hätten die BF2 verstanden, dass sie nicht länger in Belgien bleiben könnten. Sie seien verfolgt worden, weil der BF1 Herrn XXXX nicht passe. Der BF1 habe im ersten Tschetschenienkrieg gekämpft und das unabhängige Tschetschenien vertreten. Auch heute würden sie die Unabhängigkeit Tschetscheniens wollen und Leute - wie XXXX - nicht mehr an der Spitze sehen wollen.
Befragt dazu, welche Gründe gegen eine Rückkehr nach Belgien sprächen, gab die BF2 an, dagegen zu sein und, dass sie nie wieder nach Belgien zurückkehren werde. Dort gäbe es ebenfalls „einen XXXX “, wie in Tschetschenien und wolle die BF2 nicht ihren Ehemann und ihren einzigen Sohn verlieren. Die BF2 habe in Belgien ein halbes Jahr lang auf der Straße gelebt und habe zwar von unterschiedlichen Leuten Hilfe bekommen, sei aber dennoch auf sich alleine gestellt gewesen. Die Leute, die hinter ihnen her gewesen seien, hätten sie gefunden. Ihr Ehemann würde darüber nicht viel sprechen, doch hätten sie so schnell wie möglich weggemusst, weil Tschetschenen untereinander viel reden würden. In Österreich würden sie Kontakt zu Tschetschenen meiden. Die BF2 kehre auf keinen Fall nach Belgien zurück. Darauf hingewiesen, dass die BF2 auch in Belgien die Möglichkeit hätte sich von Tschetschenen fernzuhalten, vermeinte diese zuletzt auf der Straße gelebt zu haben und, dass sie in Belgien auf Tschetschenen angewiesen gewesen wären, weil ihnen sonst niemand habe helfen können.
6. Mit gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 17.02.2016, nach Untersuchung der BF2 am 11.02.2016, wurde eine wahnhafte Störung oder eine andere Störung aus dem schizophrenen Formenkreis bei der BF2 diagnostiziert.
7.1. Nachdem die Überstellungsfrist der BF1-BF8 nach Belgien abgelaufen ist, wurden deren Verfahren im Bundesgebiet zugelassen und diese vor dem BFA erneut niederschriftlich einvernommen. Der BF1 brachte bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 08.06.2017 im Wesentlichen vor, dass er nicht in regelmäßiger ärztlicher Behandlung sei und keine Medikamente nehme. Alle seine Kinder seien gesund, lediglich seine Frau sei krank. Der BF1 führte aus, er sei in XXXX , in Kasachstan, geboren und habe dort bis zum Jahr 1992 gelebt. Dann sei er mit seiner Frau, zwei Kindern, seiner Mutter, sowie seiner Schwester nach Tschetschenien übersiedelt, wo er bis zum Jahr 2000 gelebt habe. Im Jahr 2000 sei er mit seiner Frau, seinen Kindern und seiner Mutter nach Kasachstan gereist, wo sie wiederum bis 2012 gelebt hätten. Im Anschluss seien sie zurück nach Tschetschenien gegangen, wo sie ein Jahr verblieben und von dort aus, im Jahr 2013, nach Belgien gereist seien. Die Mutter des BF1 sei bereits im Jahr 2011 von Kasachstan nach Tschetschenien zurückgekehrt. Der BF1 sei glaublich am 22.11.2013 aus Tschetschenien ausgereist, um am 26.11.2013 in Belgien angekommen. Die ersten fünf Tage nach der Ausreise aus Kasachstan hätten sie an einer gemeinsamen Adresse, zunächst zwei Tage bei der Schwester des BF1, dann einen Tag in XXXX und im Anschluss zwei Tage bei ihnen zu Hause in XXXX , in XXXX , gelebt. Danach hätten sie über ein Jahr lang im Untergrund verbracht (Anm.: im Jahr 2012). Im Untergrund sei der BF1 in Inguschetien gewesen, seine Frau sei mit den Kindern in XXXX verblieben. 2012 seien sie legal mit der Bahn und dem Bus von Kasachstan nach Tschetschenien gereist. Einen Auslandsreisepass habe der BF1 nie gehabt, für die Ausreise habe der Inlandsreisepass genügt, welcher ihm bei einem Überfall, vom 10. auf den 11.08.2012, auf sein Haus von Sondereinsatzkräften XXXX , abgenommen worden sei. Der BF1 habe noch zwei Schwestern in Tschetschenien und ein Freund habe ihm bei der Ausreise geholfen. Befragt dazu, wie der BF1 in Besitz eines tschetschenischen Passes gekommen sei, gab er an, dass er sich an XXXX gewandt habe, der ihm eine Bestätigung geschickt hätte, wonach sein Leben aufgrund seiner früheren politischen Betätigung in Gefahr sei und habe dieser seine tschetschenische Staatsangehörigkeit bestätigt. XXXX sei Vorsitzender der Regierung und des Ministerkabinetts im Exil in London, er genieße große Autorität unter der tschetschenischen Bevölkerung. Er habe diesen Pass auch in Belgien vorgezeigt, jedoch erst, als sein Asylverfahren negativ entschieden worden sei. In Kasachstan habe der BF1 auf Baustellen gearbeitet. Auf Frage, welchen Aufenthaltsstatus der BF1 in Kasachstan gehabt habe, vermeinte er den Status eines Gastes immer für 3 Monate gehabt zu haben, welcher wiederholt verlängert worden sei. Der BF1 habe jedoch nicht offiziell arbeiten dürfen. Als Staatsangehöriger der Russischen Föderation habe er Holz importieren dürfen, er sei dort (Anm.: in Kasachstan) geboren und aufgewachsen, es sei nicht genau auf ihn geschaut worden.
XXXX , eine weitere Tochter des BF1, halte sich nicht bei ihnen auf, weil sie ihr Haus in Kasachstan 2006 verlassen habe. Sie habe ein eigenes Leben führen und nicht mehr unter der Kontrolle ihrer Eltern stehen wollen. XXXX sei lange Zeit für sie nicht erreichbar gewesen, die Familie hätte nicht gewusst, wo sie sei und habe die Tochter des BF1 irgendwann einen Mann kennengelernt, mit dem sie nach Österreich geflüchtet sei. Das hätten sie jedoch erst später erfahren. Seine Tochter habe ebenfalls eine Tochter, die österreichische Staatsbürgerin sei, lebe mit dem Kindsvater nicht zusammen, weil sich herausgestellt habe, dass er aus dem kriminellen Milieu stamme und habe er das Kind verstoßen. Der BF1 habe erst in Österreich erfahren, dass sich seine Tochter XXXX ebenfalls hier aufhalte und hätten sie nun wieder Kontakt. Der BF1 und seine Familie befänden sich in Grundversorgung.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF1 zusammenfassend aus, dass seine Eltern 1944 von Tschetschenien nach Kasachstan deportiert worden seien und der BF1 mit seiner Familie 1992 wegen des Zerfalls der Sowjetunion nach Tschetschenien gefahren sei, sowie ein Haus gekauft hätte, in welchem es auch zu dem Überfall gekommen sei. Tschetschenien sei bereits ein unabhängiger Staat gewesen und der BF1 sei damals zum ersten Mal nach Tschetschenien gekommen, wobei er sich erfolgreich integriert habe. Er sei Sympathisant der unabhängigen Republik gewesen und habe Waffen in die Hand nehmen müssen, um die Sicherheit seiner Familie zu verteidigen. Es seien Kundgebungen gegen den Krieg abgehalten worden, wobei der BF1 bei der Organisation geholfen habe. 2013 sei der BF1 aufgrund seiner politischen Ansichten geflohen, diese werde er nie aufgeben und wisse er viel über Personen, die in den Behörden XXXX arbeiten. Als der Überfall auf sein Haus stattgefunden habe, habe die Mutter des BF1 einen Gehirnschlag erlitten, woran sie gestorben sei. Außer seiner politischen Tätigkeit gründe die Verfolgungsgefahr auch darauf, dass der BF1 viel über die Leute wisse, die auch seine Mutter auf dem Gewissen hätten. Der BF1 habe an offiziellen Kampfhandlungen des ersten Tschetschenienkrieges teilgenommen und sei zweimal verwundet worden. In der Nacht seien sie beschossen worden und überall seien Menschen getötet worden. In Tschetschenien sei der BF1 nicht festgenommen worden, sonst wäre er gleich erschossen worden. Am zweiten Tschetschenienkrieg habe der BF1 nicht teilgenommen, er sei, sobald es möglich gewesen wäre, nach Inguschetien gegangen. 5-6 Monate habe er dort gelebt, danach seien sie nach Kasachstan gereist. Der BF1 habe nicht an den oppositionellen Kundgebungen gegen XXXX teilgenommen, sondern habe sich gegen die Organisatoren gewandt. Er habe mit Teilnehmern debattiert, dass sie gerade angelogen würden, die Organisatoren seien Kriminelle gewesen, die von Russland finanziert worden seien. Nach dem ersten Tschetschenienkrieg habe der BF1 sein Haus wieder in Ordnung gebracht, dann sei XXXX Präsident geworden, nachdem XXXX getötet worden sei. Der BF1 sei Wahlbeobachter gewesen, Mitglied in einer Partei sei der BF1 nicht gewesen.
Befragt dazu, warum der BF1 Kasachstan verlassen habe, gab er an, dass seine Mutter schon alt gewesen sei, weshalb sie bereits im Jahr 2011 nach Tschetschenien zurückgekehrt sei und einstweilen das Haus in Ordnung bringen habe wollen. Sie habe gesehen, dass es zum Verkauf stehe, weshalb sie angerufen habe und der BF1 nach Tschetschenien gefahren, sowie um sein Haus gekämpft habe. Er habe auch verschiedene Schreiben in Vorlage gebracht, welche seine Mutter an Behörden und die Staatsanwaltschaft geschrieben habe. Fünf Tage später habe der Überfall stattgefunden, bei welchem der BF1 zusammen - und fast totgeschlagen worden sei. Er habe Verletzungen am Rücken und eine gebrochene Nase gehabt. Der BF1 sei drei Monate lang behandelt worden, jedoch nicht im Spital, sondern im Untergrund bei einem Freund, bei dem sich der BF1 versteckt habe. Der BF1 habe ein Schreiben von XXXX , in welchem dieser glaublich schreibe, dass der BF1 überfallen worden sei. Auch der Vorsitzende des Parlaments schreibe, dass das Leben des BF1 bedroht sei. Überall in Tschetschenien, Kasachstan und Russland wisse man, dass der BF1 zur Ausreise gezwungen worden sei. Nachgefragt, wer den vorgelegten Haftbefehl gegen den BF1 erlassen haben soll, führte er aus, es sei ein Mitarbeiter einer Behörde gewesen, der BF1 wisse nicht, wer dort arbeite. Der Haftbefehl sei der Schwester des BF1 zugestellt worden, sie habe ihn dem BF1 nach Belgien geschickt. Die Schwester des BF sei einmal nach Inguschetien gefahren, dort habe sie das Foto des BF1 mit Kriminellen gesehen, welches sie ihm über WhatsApp geschickt habe. Auf einem anderen vom BF1 vorgelegten Foto, sei er mit einem ukrainischen Parlamentsabgeordneten und dem Sohn von XXXX zu sehen. Auf einem weiteren sei er mit XXXX und einem Journalisten von XXXX abgelichtet, dieses sei in Brüssel aufgenommen worden. Die anderen beiden Fotos seien aus dem Jahr 1995, wobei das eine Foto aus dem Keller stamme, indem sie sich versteckt gehalten hätten.
Unterlagen über die Verletzungen, die der BF1 aufgrund des Überfalls erlitten habe, gebe es keine. Befragt, wie bereits nach 5 Tagen bekannt sein konnte, dass der BF1 und seine Familie zurück in Tschetschenien seien, gab er an, dass sie ein Papier der Staatsanwaltschaft gehabt hätten, befugt zu sein, in ihr Haus zurückzukehren. Es sei jedoch eine Frau dort gewesen, die vermeinte, dass sie kein Recht dazu hätten. Diese Frau sei jedoch nach einer Stunde verschwunden. Der BF1 habe ihr mitgeteilt, sie würden das gerichtlich klären lassen, er vermute, die Frau habe gemeldet, dass sie zurück seien. Es seien zwei Häuser dort gewesen, wobei der BF1 der fremden Frau gesagt habe, sie könne in einem Haus bis zur gerichtlichen Entscheidung wohnen, sie sei jedoch nach einer Stunde verschwunden. Die BF1-BF8 seien ein Jahr dortgeblieben (Anm.: in der Russischen Föderation), weil sie keine andere Möglichkeit gehabt hätten. Die Frau und die Kinder des BF1 hätten sich nicht auf der Straße gezeigt. Befragt dazu, warum an der Person des BF1 noch 20 Jahre nach dem Tschetschenienkrieg ein Interesse bestehen solle, führte der BF1 aus, dass Leute, die mit der Amtsführung XXXX nicht einverstanden wären, vernichtet würden. Der BF1 hätte Informationen, weshalb er eine Gefahr für die Leute XXXX darstellen würde. Die habe er, weil er die Berichte in Massenmedien verfolge. Die Leute, welche den Überfall verübt hätten, hätten nicht gewusst, wen sie zusammenschlagen würden. Seine Mutter und seine Ehefrau hätten sich in einem anderen Raum befunden und habe es noch keine Einrichtung gegeben. Die Mutter und die Ehefrau des BF1 seien geschlagen worden, dann sei der BF1 gepackt und geschlagen worden. Er sei ins Freie gezerrt worden, wobei ihm seine Mutter habe helfen wollen und sodann zurückgestoßen worden sei. Der Frau des BF1 sei die Nase gebrochen worden und sei der BF1 gefragt worden, woher er komme, warum seine Mutter an die Staatsanwaltschaft schreibe und sei ihm gesagt worden, dass sie das Sagen hätten. Sie hätten dem BF1 seinen Pass gezeigt und gefragt, warum er XXXX heiße, sie würden ihn nämlich nur unter dem Namen XXXX kennen. Sie hätten ihn gefragt, wo XXXX sei und habe der BF1 geantwortet, er sei der Cousin von XXXX und, dass sie seinen Aufenthaltsort (Anm.: von XXXX ) selbst herausfinden müssten. Der BF1 sei noch einige Male geschlagen worden, dann seien die Angreifer weg gewesen. Die ersten drei Monate sei sehr intensiv nach ihnen gesucht worden, nämlich bei Freunden, bei Verwandten und allen Checkpoints. Der Freund, bei welchem sich der BF1 versteckt habe, sei pensionierter Polizist. Wie viele Personen bei dem Überfall dabei gewesen seien, wisse der BF1 nur von seiner Frau, es seien 7 oder 8 Personen gewesen. Mit dem Konvolut an vorgelegten Schriftstücken wolle der BF1 beweisen, dass das Haus verkauft werde und nicht mehr in seinem Eigentum sei.
Übergriffe gegen seine Kinder habe es bis dato nicht gegeben. In der Russischen Föderation würde der BF1 den Tod erwarten. Nachweise für seine russische Staatsangehörigkeit seien die Dokumente, welche der BF1 am heutigen Tag vorgelegt habe. Befragt dazu, warum seine Tochter XXXX als einzige die kasachische Staatsangehörige sei, gab der BF1 an, dass sie dort geboren sei und die kasachische Staatsbürgerschaft angenommen habe. Wahrscheinlich habe sie keine andere Möglichkeit gesehen. Im Jahr 2005 habe sie nicht nach Tschetschenien fahren können. Nach dem Zerfall der Sowjetunion habe der BF1 seine russische Staatsangehörigkeit behalten und keine andere angenommen. Er hätte genauso die kasachische Staatsbürgerschaft annehmen können.
7.2. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 08.06.2017 brachte die BF2 im Wesentlichen vor, dass sie die Medikamente XXXX und XXXX nehme, sowie in psychotherapeutischer Behandlung sei. Einmal wöchentlich habe sie zusätzlich Gesprächstherapie. Die Medikamente nehme sie seitdem sie in Österreich sei, mit Ausnahme von zwei bis drei Monaten. Ihr gehe es besser, die BF2 wisse jedoch nicht, ob das an den Medikamenten oder der Gesprächstherapie liege. Die BF2 sei in der Lage der Einvernahme zu folgen. Sie wisse nicht, wie lange sie noch Medikamente nehmen müsse, ihren nächsten Termin beim Psychiater könne sie erst wahrnehmen, wenn sie einen Dolmetscher finde. Auf Vorhalt, dass aus der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 11.02.2016 hervorgehe, dass die BF2 eine wahnhafte Störung habe, vermeinte die BF2 keinen Verfolgungswahn zu haben. Sie habe nur damals Leute gesehen, die sie verfolgt hätten. Sie sei schockiert zu hören, dass festgestellt worden sei, sie sei wahnsinnig. In ihrem Heimatland sei die BF2 nicht in psychischer Behandlung gewesen, sondern erst seitdem sie sich in Belgien befinde. Bei ihren vorherigen Einvernahmen am 09.09.2015 und am 03.02.2016 habe sie die Wahrheit gesagt. In Belgien habe die BF2 etwa zwei Jahre mit ihrer Familie als Asylwerberin gelebt.
Geboren sei die BF2 in Kasachstan und habe sie dort bis zum Jahr 1992 gelebt. Danach seien sie (Anm.: die BF2 mit ihrer Familie) nach Tschetschenien gegangen, wo sie 8 Jahre verblieben seien. Im Jahr 2000 hätten sie Tschetschenien verlassen und seien nach Kasachstan zurückgekehrt, wo sie bis August 2012 verblieben seien. Danach hätten sie ein Jahr, ein Monat und zwei Wochen wiederum in Tschetschenien gelebt. In Tschetschenien hätte sie mit ihrer Schwiegermutter, der Cousine ihrer Schwiegermutter und der Frau des Cousins der Schwiegermutter zusammengewohnt. Ihre Kinder seien auch dabei gewesen, ihr Mann hätte sich in Inguschetien versteckt. In diesem Jahr seien sie von der Frau des Cousins ihrer Schwiegermutter und von der Schwester des BF1 unterstützt worden. Befragt dazu, warum die Geburtsurkunden ihrer Kinder in Tschetschenien im Jahr 2010 ausgestellt worden seien, gab die BF2 an, dass sie russische Staatsangehörige seien und man in der Geburtsklinik eine Geburtsbestätigung bekomme. Diese habe die BF2 ihrer Schwägerin geschickt, damit ihre Schwägerin Geburtsurkunden ausstellen lasse. Befragt, wo der Auslandsreisepass der BF2 sei, führte sie aus, man müsse sich im Alter von 45 Jahren einen neuen Inlandsreisepass ausstellen lassen. Die Schwester des BF1 habe Behördenwege erledigt und habe die BF2 ihrer Schwägerin den alten Pass gegeben. Die BF2 habe dann einen neuen Inlandsreisepass erhalten, den sie in Österreich vorgelegt habe. Gleichzeitig habe sie beschlossen einen Auslandsreisepass zu beantragen, den habe sie gebraucht, weil sie einen Handel betrieben und in der Türkei einkaufen habe wollen. Ihre Schwägerin habe vorgeschlagen, dass sie der BF2 gleich ein Visum besorgen werde, damit sie die BF2 und ihre Kinder ins Ausland bringen könne. Der Auslandsreisepass der BF2 sei bei jener Frau verblieben, welche von der Schwägerin der BF2 den Auftrag erhalten habe, ein Visum zu besorgen. Die Frau, bei welcher der Pass verblieben sei, sei mittlerweile verschwunden. In der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens habe die BF2 keine familiären Anknüpfungspunkte.
In Österreich würden sich der Ehemann der BF2 und ihre Kinder aufhalten. Ihre Tochter XXXX sei vor der BF2 nach Österreich gekommen und halte sich ebenfalls ein Bruder der BF2, sowie dessen Ehefrau im Bundesgebiet auf. Nachgefragt, warum ihre Tochter XXXX die kasachische Staatsangehörigkeit habe, gab die BF2 an, ihre Tochter habe sie im Jahr 2006 verlassen und ihre eigenen Vorstellungen gehabt. Ihre Tochter habe Bekanntschaften gehabt, welche der BF2 und ihrem Ehemann nicht gepasst hätten. Die BF2 habe erst in Österreich von tschetschenischen Bekannten erfahren, dass sich ihre Tochter ebenfalls in Österreich befände. In Belgien habe die BF2 erfahren, dass ihre Tochter vielleicht in Europa sei. In Österreich würden die BF2 und ihre Familie von der Grundversorgung leben und besuche die BF2 einen Deutschkurs. Einer Beschäftigung gehe sie keiner nach, sie sei nicht Mitglied in einem Verein und nicht vorbestraft.
Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF2 aus, dass sie ihr Heimatland verlassen habe, weil ihr Mann dort Probleme gehabt habe. Wäre ihr Mann nicht ausgereist, wäre sie vermutlich auch nicht ausgereist. Weitere Gründe für das Verlassen der Russischen Föderation gäbe es keine. Die BF2 sei in der Russischen Föderation nie in Haft gewesen, doch habe es Übergriffe auf ihre Person gegeben. Das sei bei jenem Überfall gewesen, als ihr Ehemann fast umgebracht worden sei. Die BF2 habe ihrem Mann helfen wollen und sei gegen die Wand geschleudert worden. Dabei sei ihm auch die Nase gebrochen worden. Weitere Übergriffe gegen die BF2 habe es nicht gegeben. Der besagte Überfall habe am 10.08.2012 gegen Mitternacht stattgefunden. Damals seien noch der Ehemann der BF2 und ihre Schwiegermutter zu Hause gewesen. Ihre Kinder seien bei der Cousine der Schwiegermutter in XXXX gewesen. Die Kinder seien nicht bei ihnen gewesen, weil das Haus leer gestanden sei. Sie hätten zwei Häuser gehabt, wobei in einem Haus die Frau gewohnt habe, welche das Grundstück gekauft hätte. Alle alten Sachen, welche die Beschwerdeführer im Haus gehabt hätten, habe man weggeschafft. Die BF2 und ihr Ehemann hätten das Haus zunächst ein wenig in Ordnung bringen wollen, bevor sie die Kinder zu sich geholt hätten. Das Haus habe sich in XXXX befunden. Am Tag des Überfalles seien schätzungsweise 8 XXXX - Leute mit schwarzen Masken zu ihnen gekommen. Nachgefragt, welches Interesse diese Personen an der Familie der BF2 gehabt hätte, vermeinte sie, Nachbarn bei ihrer Ausreise nach Kasachstan (Anm.: im Jahr 2000) gesagt zu haben, dass Leute in ihrem Haus wohnen könnten. Die Schwiegermutter der BF2 sei dann im Jahr 2011 nach Tschetschenien gefahren und habe erfahren, dass ihr Haus verkauft werden solle. Ihre Schwiegermutter habe sich an alle Instanzen gewandt und habe die Frau im Haus der BF2 und des BF1 behauptet, dass sie das Haus gekauft hätte, obwohl die Unbekannte keine Dokumente gehabt habe. Es sei damals Krieg gewesen und jeder hätte versucht sich Vieles unter den Nagel zu reißen. Die Großmutter (Anm.: die Schwiegermutter der BF2) habe sich an die Behörden gewandt und Anzeige erstattet, dass man ihnen das Haus weggenommen hätte.
Neuerlich nachgefragt, welches Interesse jene Personen an der Familie der BF2 gehabt hätten, führte sie aus, dass es auf den ersten Tschetschenienkrieg zurückgehe. Der BF1 habe nichts Gesetzwidriges gemacht. Er habe XXXX geachtet und sei Wahlbeobachter bei der Wahl von XXXX gewesen. XXXX -Anhänger seien wesentlich gefährdeter gewesen. Gefragt, ob die BF2 damit sagen wolle, dass ehemalige XXXX -Anhänger gefährdet wären, antwortete sie, ja, weil Andersdenkende sofort umgebracht würden. XXXX sei etwa eine halbe Stunde mit dem Auto von XXXX entfernt. Die BF2 hätte sich danach mit ihrer Familie noch etwa ein Jahr bei Verwandten ihrer Schwiegermutter in XXXX aufgehalten. Befragt dazu, warum sie nicht in XXXX verblieben seien, führte die BF2 aus, dass ihre Schwiegermutter einen Gehirnschlag erlitten habe und deshalb verstorben sei. Die BF2 habe auch nicht gewusst, wo sich ihr Mann aufgehalten habe und habe es weder Dokumente noch Geld gegeben. Ihr Mann habe die BF2 in diesem Jahr nicht besucht und habe sie auch nicht mit ihm telefoniert. Nachgefragt, wie sie dann gemeinsam ausreisen konnten, gab die BF2 an, dass sie gleich nach dem Überfall nach XXXX gegangen sei, das habe ihr Mann mitbekommen. Er selbst habe sich in Inguschetien versteckt und kenne in Tschetschenien jeder jeden. Wenn ihr Mann aufgetaucht wäre, wäre er sogleich erkannt und an XXXX Leute verraten worden. Er könnte festgenommen werden, weil er XXXX Sympathisant gewesen sei bzw. sich geweigert habe unter XXXX zu dienen. XXXX sage, entweder mit mir, oder überhaupt nicht. Gegen eine Wohnsitzverlegung innerhalb der Russischen Föderation spräche, dass die Nationalgarde XXXX überall sei. In Kasachstan hätten sie Leute gefesselt und diese in einem Kofferraum nach Tschetschenien gebracht.
Nach den Übergriffen auf ihre Person im August 2012 sei die BF2 nicht in medizinischer Behandlung gewesen. Zwischen den beiden Tschetschenienkriegen hätten die BF2 und ihr Mann Lebensmittel am Markt verkauft. In Kasachstan habe ihr Mann Holzlieferungen getätigt. Er habe eine Ausbildung als Bauingenieur. Die BF2 könne schwer sagen, was bei einer Rückkehr in die Russische Föderation passieren könnte. Präsident XXXX umgebe sich lediglich mit Kriminellen, die alle Blutrache ausüben würden. Wer sich jetzt in ihrem Haus in XXXX aufhalten würde, wisse die BF2 nicht. Vermutlich die Frau, welche vorher dort gewohnt habe. In den Dokumenten habe die BF2 gelesen, dass ihr Vorname XXXX sei. Der Familienname sei ähnlich wie XXXX . Tschetschenien habe die BF2 im September 2013 verlassen. Befragt dazu, warum ihr Mann angegeben habe, es sei im November 2013 gewesen, gab die BF2 lediglich an, dass das nicht stimme. Auf Vorhalt, dass die Ausstellung eines Inlands- und Auslandsreisepasses gegen die Glaubhaftigkeit einer Verfolgungsgefahr der Familie der BF2 spreche, führte die BF2 aus, sie habe ihren alten Pass im August 2012 bei der Behörde abgegeben und sei der Pass über eine Freundin ihrer Schwägerin zurückgekommen. Das zeige, wie wichtig es sei Bekannte zu haben. Die BF2 habe auch ihren Mädchennamen behalten. Am 05.08.2012 sei die BF2 mit ihrer Familie aus Kasachstan zurückgekehrt und habe der Überfall am 10.08.2012 stattgefunden. Die BF2 werde das nie vergessen, deshalb wisse sie das so genau. Gleich nach ihrer Rückkehr habe sie ihren alten Inlandsreisepass abgegeben. Ihr Mann habe seinen Inlandsreisepass nicht abgegeben, weil es bei ihm noch nicht notwendig gewesen sei. Gefragt, warum sie nicht in XXXX geblieben seien, wenn der BF2 dort ohnehin nichts passiert sei, gab sie an, ein Jahr lang im selben Zimmer gewesen zu sein und, dass sie mit den Kindern nicht auf die Straße habe gehen können. Die BF2 sei in Kasachstan niemals festgenommen worden. Gefragt, ob ihr Mann jemals festgenommen worden sei, führte die BF2 aus, sie hätten Aufenthaltskarten für Gäste mit einer dreimonatigen Gültigkeitsdauer gehabt. Für jede Karte habe man USD 100 bezahlen müssen. Habe man die Karte nicht gehabt, oder sei diese abgelaufen gewesen, habe man Probleme bekommen. Erneut dazu befragt, ob ihr Mann festgenommen worden sei, gab die BF2 an, dass man habe bezahlen müssen, wenn die Karte abgelaufen sei. Erneut nachgefragt, ob ihr Mann nun festgenommen worden sei, sagte die BF2, dass er festgenommen worden sei und im Anschluss das Geld irgendwo hinbringen habe müssen. Wie oft das gewesen sei, wisse sie nicht, ein paar Mal. Befragt, inwiefern ihr Ehemann XXXX dienen müsse, führte sie aus, dass zur Schwester ihres Mannes Leute gekommen seien und gesagt hätten, dass ihrem Mann alles verzeihen werde, wenn er in die Ukraine fahre, um zu kämpfen. Einmal hätten sie dies und einmal das gesagt. Ihr Mann sei damals in Inguschetien gewesen. Auf Vorhalt, dass es der BF2 und ihrer Familie möglich wäre in Moskau zu leben, gab sie an, dass XXXX die rechte Hand XXXX sei und die beiden einander ergänzen würden. Die Schwägerin der BF2 sei krank und habe Diabetes. Sie lebe von der Pension ihres Mannes und sei verheiratet.
7.3. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 22.06.2017, im Beisein eines der BF3 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH, führte die BF3 im Wesentlichen aus, gesund zu sein, in Kasachstan geboren zu sein und dort bis zum Jahr 1992 gelebt zu haben. Sie sei danach mit ihren Eltern nach Tschetschenien übersiedelt, wo sie bis zum Jahr 2000 gelebt habe, wobei sie im Anschluss wieder nach Kasachstan zurückgekehrt seien. Im August 2012 seien sie erneut nach Tschetschenien gegangen und im September 2013 nach Belgien gereist. Auf Vorhalt, dass sie BF3 beim Ausfüllen des Datenblattes angegeben habe in XXXX geboren zu sein, wobei sie nun ausgeführt habe in Kasachstan geboren zu sein, vermeinte sie, dass in XXXX ihr Haus gewesen sei, wo sie auch gemeldet gewesen seien, weshalb automatisch dieser Ort als ihr Geburtsort im vorgelegten Personalausweis niedergeschrieben worden sei. Sie habe zuvor auch einen Inlandsreisepass gehabt, welcher jedoch von XXXX Leuten in der Nacht vom 10. auf den 11.08.2012 weggenommen worden sei. Dabei seien alle Inlandsreisepässe ihrer Familienmitglieder weggenommen worden. Sie seien ein ganzes Jahr in XXXX zu Hause gewesen und hätten sich vor den XXXX Leuten versteckt. Nachgefragt, warum im vorgelegten Personalausweis der BF3 eine andere Adresse stehe als in den Personalausweisen ihrer Geschwister, gab sie an, bei Verwandten gemeldet gewesen zu sein. Nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien habe die BF3 zunächst zwei Tage bei einer Tante gelebt, danach seien sie nach XXXX gefahren, wobei ihre Eltern und ihre Großmutter am 08.08.2012 nach XXXX gefahren wären. In der Nacht von 10. auf den 11.08.2012 seien die BF2 und die Großmutter nach XXXX zurückgekehrt, wobei der Überfall stattgefunden habe. Ihr Vater sei dann glaublich von Verwandten nach Inguschetien gebracht worden.
Die BF3 wisse nicht, wo ihre Geburtsurkunde sei. Auf Frage, warum die Geburtsurkunden ihrer mj. Geschwister in Tschetschenien im Jahr 2010 ausgestellt worden seien, führte die BF3 aus, das habe ihre Mutter mit ihrer Tante gemacht. Ihre Eltern seien in Tschetschenien gemeldet gewesen und man brauche nicht extra dorthin zu fahren, um solche Dokumente ausstellen zu lassen. Einen Auslandsreisepass habe die BF3 nie besessen. Befragt zu ihrem Aufenthaltsstatus in Kasachstan, gab die BF3 an, dass sie keinen Flüchtlingsstatus erhalten, sondern ein Gästevisum immer für die Dauer von drei Monaten gehabt hätten, das wiederholt verlängert worden sei.
Befragt zu ihren Fluchtgründen, gab die BF3 an, dass ihr Vater fast umgebracht worden und auch ihre Mutter geschlagen worden sei, sowie ihre Großmutter einen Gehirnschlag erlitten und gestorben sei. Die BF3 und ihre Geschwister hätten sich in der Nacht des Überfalls vom 10. auf den 11.08.2012 nicht bei ihren Eltern aufgehalten, weil diese das Haus vorbereitet hätten, damit sie dort leben könnten. Die BF3 habe Angst nach Tschetschenien zu fahren und vor Treffen mit Tschetschenen. Weitere Gründe für das Verlassen der Russischen Föderation gäbe es keine.
7.4. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 26.06.2017, im Beisein eines der BF4 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH, führte die BF4 im Wesentlichen aus, gesund zu sein, in XXXX geboren zu sein und dort bis zum Jahr 2000 gelebt zu haben. Danach sei sie mit ihren Eltern und Schwestern nach Kasachstan übersiedelt, wo sie bis zum Jahr 2012 gelebt hätten. Anschließend seien sie wieder nach Tschetschenien zurückgekehrt und von dort am 22.09.2013 nach Belgien ausgereist. Außer dem vorgelegten Personalausweis habe sie noch einen russischen Inlandsreisepass gehabt, der ihr von XXXX Leuten in der Nacht von den 10. auf den 11.08.2012 abgenommen worden sei. Befragt dazu, warum der BF4 ein russischer Inlandsreisepass ausgestellt worden sei, habe sie sich doch im Alter von 16 Jahren in Kasachstan aufgehalten, gab die BF4 an, sie sei in Tschetschenien geboren und dort immer noch gemeldet gewesen, weshalb sie als tschetschenische Bürgerin gegolten habe. Diesen Personalausweis hätten sie sich 2013 besorgt, damit sie irgendwelche Identitätsnachweise hätten. Ihre Schwester XXXX habe die kasachische Staatsbürgerschaft, weil sie die Familie 2006 verlassen habe. Wahrscheinlich habe sie diese aus der BF4 nicht bekannten Gründen gebraucht. Nach ihrer Rückkehr aus Kasachstan, hätten sie in Tschetschenien in XXXX bei XXXX , der Schwägerin ihrer Großmutter, gelebt. Am 13.08.2013 sei ihre Großmutter nach einem Gehirnschlag gestorben. Warum im Personalausweis der BF4 eine andere Adresse als bei ihren Geschwistern stehe, verstehe sie selbst nicht. Ihre Tante habe die Personalausweise so ausgefolgt bekommen. Als ihnen die Inlandsreisepässe von XXXX Leuten abgenommen worden seien, sei die BF4 nicht dabei gewesen, ihre Eltern hätten zuerst das Haus in Ordnung bringen wollen. Im Jahr 2012 bis 2013 habe sich ihr Vater in Inguschetien aufgehalten.
Befragt wo sich die Geburtsurkunde der BF4 befinde, gab diese an, dass sich alle Dokumente, die sie gehabt hätten, in der Tasche ihrer Mutter befunden hätten. Nachgefragt, warum die Geburtsurkunden ihrer mj. Geschwister nicht abgenommen worden seien, fragte die BF4, ob es diese noch gäbe. Die BF4 vermeinte, sie habe nicht gewusst, dass es diese Geburtsurkunden noch gäbe. Warum diese 2010 ausgestellt worden seien, wisse sie nicht genau. Es sei darüber gesprochen worden, dass ihre Mutter irgendwelche Papiere nach Tschetschenien schicke und die Geburtsurkunden ausstellen habe lassen. Einen Auslandsreisepass habe die BF4 nie besessen. Während ihrer Fahrt durch die Russische Föderation habe sie sich mit ihrem Personalausweis ausgewiesen. In Kasachstan hätten sie eine Gästekarte gehabt, die jeweils für 3 Monate gültig gewesen sei.
Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF4 aus, dass für sie in Tschetschenien Lebensgefahr bestanden habe. Ihr Vater sei Anhänger von XXXX gewesen und wolle XXXX alle ausrotten, die für XXXX und XXXX gearbeitet hätten. Deshalb sei auch jener Überfall auf ihren Vater verübt worden. Weitere Gründe gäbe es keine.
7.5. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 22.06.2017, im Beisein eines der BF5 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH, gab die BF5 zusammenfassend an, gesund zu sein und in XXXX geboren zu sein. Glaublich habe die BF5 bis zum Jahr 2000 in Tschetschenien gelebt, danach sei sie mit ihren Eltern und Geschwistern nach Kasachstan gereist, wo sie bis August 2012 verblieben sei. Im Anschluss seien sie nach Tschetschenien zurückgekehrt und zu ihrer Tante gefahren, ein paar Tage später seien sie zur Schwägerin ihrer Großmutter nach XXXX gefahren. Dort habe sie sich von 07.08.2012 bis 10.10.2013 aufgehalten. Ihre Eltern und ihre Großmutter seien nach XXXX gefahren, wo auf sie ein Überfall von XXXX Leuten verübt worden sei. Die Angreifer seien maskiert gewesen und ihr Vater sei schwer zusammengeschlagen worden. Ihre Großmutter sei in Ohnmacht gefallen und glaublich sei auch ihre Mutter geschlagen worden. Details wisse sie keine, sie habe von dem Vorfall erst in Belgien erfahren. Der Überfall habe vom 10. auf den 11.08.2012 stattgefunden. Befragt dazu, warum aus ihrem Personalausweis eine andere Adresse hervorgehe, führte die BF5 aus, dass es sich dabei vielleicht um eine Meldeadresse handle. Warum diese Adresse angeführt sei, wisse sie nicht, das müsse man ihre Mutter fragen. Geburtsurkunde habe die BF5 keine und einen Auslandsreisepass habe sie nie besessen. Ihren Inlandsreisepass hätten XXXX Leute bei jenem Überfall abgenommen, sie sei jedoch nicht dabei gewesen. Die BF5 sei nicht im September 2013 ausgereist, sie hätte Tabletten genommen und ihren Eltern nichts gesagt. Sie habe ihre Eltern erst in Belgien getroffen.
Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF5 aus, sie habe ihr Heimatland verlassen, weil es einen Überfall auf ihren Vater gegeben habe. Er sei Anhänger von XXXX und habe seine eigenen politischen Überzeugungen. Es habe Gefahr für ihr Leben bestanden, weshalb sie ihre Heimat verlassen hätten. Weitere Gründe gäbe es keine.
7.6. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 08.06.2017, im Beisein eines der BF6 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH und ihrem Vater als gesetzlichen Vertreter, gab die BF6 im Wesentlichen an, gesund zu sein und in Kasachstan geboren zu sein, wo sie bis zum Jahr 2010 gelebt habe. In Tschetschenien habe sie ein Jahr gelebt, dann seien sie nach Belgien gereist. Wo ihr Inlandsreisepass sei, wisse die BF6 nicht und einen Auslandsreisepass habe sie nie besessen. Warum aus ihrer Geburtsurkunde hervorgehe, dass sie in XXXX geboren sei, wisse die BF6 nicht. Tschetschenien habe die BF6 2012 in einem LKW verlassen. Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte sie aus, es habe irgendwelche politischen Probleme gegeben, niemand hätte ihr jedoch dazu etwas erklärt. Die BF6 habe auch keine Fragen gestellt, weil es sie offensichtlich nichts angehe. Weitere Gründe gäbe es keine.
7.7. Der BF7 und die BF8 wurden aufgrund ihres kindlichen Alters nicht niederschriftlich einvernommen.
8. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.10.2017, wurde mitgeteilt, dass die vorgelegten Geburtsurkunden der BF6-BF8, im Zuge einer urkundentechnischen Untersuchung als Totalfälschung qualifiziert wurden.
9. Folgende Dokumente wurden erstinstanzlich für die BF2 und den BF7 vorgelegt:
? Konvolut an medizinischen Unterlagen von XXXX , niedergelassen in Brüssel, in französischer Sprache aus Februar und Juli 2014 betreffend die BF2;
? Handschriftlicher Befund des XXXX vom 05.10.2015 betreffend die BF2;
? Vorschreibungsplan des psychosozialen Dienstes XXXX vom 09.12.2015 betreffend die BF2;
? Medizinisch-psychiatrischer Befundbericht des XXXX vom 04.01.2016 betreffend die BF2;
? Russischer Inlandsreisepass der BF2, ausgestellt am 21.05.2013;
? Psychotherapeutisches Begleitschreiben der XXXX vom 10.02.2016 betreffend die BF2;
? Teilnahmebestätigung am Deutschkurs „Deutsch als Fremdsprache A1“ von 01.02.2017 bis 28.04.2017 betreffend die BF2;
? UNO Flüchtlingsausweis betreffend die BF2;
? Geburtsurkunde des BF7, ausgestellt am 21.03.2010 (Totalfälschung);
10.1. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017, wurden die Anträge der BF1-BF8 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den BF1-BF8 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen diese eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
10.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der BF1-BF8, zur Lage in ihrem Herkunftsstaat Russische Föderation und führte aus, dass die Ausführungen zu den Fluchtgründen keine Asylrelevanz hätten. Es hätte keine Verfolgung im Konventionssinn glaubhaft gemacht werden können. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass den BF1-BF8 im Falle der Rückkehr eine Verfolgung drohen würde. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass den BF1-BF8 im Falle der Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung drohen würde. Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die Identität und Staatsangehörigkeit der beschwerdeführenden Parteien aufgrund der Eintragungen in ihren befristeten Identitätsdokumenten feststehen würden. Die vorgebrachten Fluchtgründe seien wegen zahlreicher Ungereimtheiten bzw. Widersprüchlichkeiten nicht glaubhaft. Beispielsweise seien der Familie im Juni 2013 die vorgelegten befristeten Personaldokumente und der BF2 im Mai 2013 ein russischer Inlandsreisepass ausgestellt worden, was gegen das Vorliegen einer individuellen, konkreten Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat spräche. Hätte sich der BF1 nach dem Überfall tatsächlich versteckt gehalten, sei nicht ersichtlich, warum er sich dafür Dokumente hätte besorgen sollen.
10.3. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die beschwerdeführenden Parteien keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar.
10.4. Demnach – so die belangte Behörde – könne der vom BF1 behauptete Fluchtgrund nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus der BF1-BF8 führen. Aus ihren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine existenzbedrohende Notlage oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte einer besonderen Integration der BF1-BF8 in Österreich hervorgekommen, zumal diese sich erst seit kurzer Zeit in Österreich befinden würden.
11. Mit Verfahrensanordnung vom 20.11.2017 wurde den BF1-BF8 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
12. Mit Schriftsatz vom 10.12.2017 brachte der rechtsfreundliche Vertreter der BF1-BF8 für diese fristgerecht die verfahrensgegenständliche, gleichlautende Beschwerde, bezogen auf den BF1, gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA, zugestellt am 21.11.2017, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang ein, wobei beschwerdeseitig zusammenfassend zunächst erneut der Sachverhalt dargestellt und ausgeführt wurde, dass der BF1 Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei. Geltend gemacht würden mit der Beschwerde Feststellungs- und Begründungsmängel, das Ignorieren des Parteienvorbringens, die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung und das Verkennen der Sachlage. Im Anschluss wurde beschwerdeseitig zu einzelnen Punkten der Beweiswürdigung in den angefochtenen Bescheiden Stellung genommen und wurde in der Beschwerde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, 2.) den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen, 3.) in eventu, den Beschwerdeführern den Status von subsidiär Schutzberechtigen zuerkennen, 4.) in eventu, die Angelegenheit zur Sanierung der Verfahrensmängel an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen.
13. Die Beschwerdevorlagen vom 21.12.2017 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 02.01.2018 ein.
14. Mit Schriftsatz vom 01.09.2020 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter ein weiteres Schreiben hinsichtlich des BF1 in russischer Sprache.
15. Mit Ladung vom 19.02.2021 übermittelte das BVwG den beschwerdeführenden Parteien die Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation und das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, letzte Änderung 04.09.2020, mit der Information, dass es beabsichtige seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde zu legen. Der Beschwerdeseite wurde Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 10 Tagen einlangend schriftlich Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeseite mit Schreiben vom 03.03.2021 Gebrauch machte, in welchem die Situation der Beschwerdeführer und die beschwerdeseitig behauptete Gefährdung der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation unter Bezugnahme auf einzelne Stellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für die Russische Föderation ausgeführt wurden und eine zeugenschaftliche Einvernahme des Präsidenten der Vereinigung „ XXXX “ beantragt wurde.
16. Am 10.03.2021 und am 12.03.2021 fand unter der Beiziehung eines den BF1-BF7 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für RUSSISCH vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt.
Die Niederschrift lautet auszugsweise:
„[…]RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Russischen Föderation an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise zuletzt aufgehalten haben.
BF1: Ich heiße XXXX , geboren am XXXX , in Kasachstan, Gebiet XXXX , Ort XXXX und der letzte Aufenthaltsort war Grosny, Bezirk Grosny, Dorf XXXX . Das war mein Haus, ich habe mich fünf Tage dort aufgehalten. Als ich von Kasachstan nach Tschetschenien gekommen bin, wurde ein Attentat auf mich in der ersten Nacht verübt. An dieser Adresse habe ich nicht gewohnt.
RI wiederholt die Frage.
BF1: An dieser Adresse habe ich gewohnt. Von 1992 bis 2000. Danach bin ich nach Kasachstan gefahren und lebte dort 12 Jahre lang. Ich bin dann im Jahr 2012 nach Russland zurückgekehrt, habe mich fünf Tage in Tschetschenien aufgehalten, zwei bis drei Tage bei der Schwester, zwei Tage bei der Tante und ich bin dann nach Hause gekommen mit meiner Mutter und meiner Ehefrau. Ich habe dann die Kinder bei der Schwägerin meiner Mutter gelassen und bin selbst nach Hause gekommen.
RI wiederholt die Frage.
BF1: Das ist die letzte Adresse.
RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?
BF1: Ich bin Tschetschene, ich spreche Tschetschenisch, Russisch, Kasachisch und Deutsch.
RI: Sie sagen Sie sind ethnischer Tschetschene, sind aber in XXXX in Kasachstan geboren. Wie kommt das?
BF1: Stalin hat im Jahr 1944 unsere ganze Nation nach Kasachstan deportiert. Stalin hat unserem Volk vorgeworfen, dass wir mit Faschisten zusammengearbeitet hätten.