TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/22 L525 2243370-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2021
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Entscheidungsdatum

22.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L525 2243370-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan alias Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.5.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 7.9.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am gleichen Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen persönlichen Daten befragt, gab der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung an, er stamme aus der Khaybar Agency in Pakistan und sei afghanischer Staatsangehöriger. Er bekenne sich zum sunnitischen Islam und zur Volksgruppe der Paschtunen. Zu seinen Ausreisegründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei in ein Mädchen verliebt gewesen. Sie hätten sich heimlich getroffen und hätten die Nachbarn sie gesehen. Dieser Nachbar hätte es dann ihren Eltern erzählt, aus Angst vor denen hätte er ausreisen müssen. Dies seien alle Fluchtgründe. Im Falle der Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer von der Familie des Mädchens getötet zu werden. Hinweise auf staatliche Sanktionen gäbe es keine.

Der Beschwerdeführer, der im Zuge der Erstbefragung angegeben habe, am 1.1.2003 geboren zu sein, wurde in weiterer Folge einer Altersfeststellung unterzogen. Mit medizinischen Gutachten vom 2.11.2020 wurde festgestellt, dass das absolute Mindestalter im Zeitpunkt der Antragstellung nicht eindeutig jenseits des 18. Lebensjahres liege. Eine Minderjährigkeit könne daher nicht ausgeschlossen werden aus der jetzigen Sicht.

Der Beschwerdeführer wurde schließlich am 22.3.2021 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab dort an, er sei gesund, er verstehe den Dolmetscher und habe keine Einwände gegen den Dolmetscher. Im Zuge der Erstbefragung sei alles korrekt protokolliert worden, eine Rückübersetzung habe es nicht gegeben. Über Vorhalt, dass im Protokoll geschrieben stehe, dass alles Rückübersetzt worden sei, führte der Beschwerdeführer aus, er könne sich nicht mehr genau erinnern. Befragt, ob er jemals andere Namen oder Identitäten geführt hätte oder sich unter einer anderen Identität ausgeben hätte, führte der Beschwerdeführer wiederum aus, er habe immer den gleichen Namen angegeben. Abermals über Vorhalt, dass es noch einen Namen mit seiner Verfahrensidentität gäbe, führte der Beschwerdeführer aus, der jetzt angeführte Name sei sein richtiger Name, er habe die Staatsangehörigkeit Afghanistan. Im Zuge der weiteren Befragung gestand der Beschwerdeführer dann schließlich ein, dass er in Wahrheit pakistanischer Staatsangehöriger sei. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer in weiterer Folge aus, dieser entspreche der Wahrheit. Im Falle der Rückkehr würde er befürchten, dass er vom Vater des Mädchens getötet werde, diese würden ihn auch in einer anderen Ortschaft finden. Der Beschwerdeführer führte dazu weiters aus, er sei in der Lage sich in Pakistan niederzulassen uns selbständig seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Einen Deutschkurs besuche er nicht, er sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation in Österreich. Nach erfolgter Rückübersetzung erhob der Bescwherdeführer keine Einwände gegen die Niederschrift.

Mit Bescheid des BFA vom 14.5.2021 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VII.).

Dem vorgetragenen Ausreisegründen schenkte das BFA mit näherer Begründung keinen Glauben, Gründe für die Gewährung von subsidiärem Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan seien keine hervorgekommen und habe das Verfahren keine berücksichtigungswürdige Integration ergeben, die der Erlassung einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde. Der Beschwerdeführer habe außerdem – so das BFA weiter – den gegenständlichen Antrag missbräuchlich eingebracht und habe der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe iSd der GFK vorgebracht, weshalb die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 10.6.2021 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte aus, der Beschwerdeführer habe die Heimat aufgrund der schlechten Lage und der persönlichen Verfolgung verlassen. Konkret habe der Beschwerdeführer eine heimliche Beziehung zu einem Mädchen geführt und habe diese regelmäßig getroffen. Die Eltern seien dagegen gewesen und hätten den Beschwerdeführer bedroht. Ihm drohe der Tod durch diese Familie aufgrund der Ehrenverletzung durch die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Freundin. Staatlichen Schutz habe er nicht zu erwarten, da es der Polizei nicht gelinge, die Bevölkerung effektiv zu schützen. Ehrenverletzungen und die daraus resultierende Rache würden in Pakistan häufig vorkommen. Es gäbe keinen Schutz dagegen. Der Beschwerdeführer habe durch sein Handeln gegen islamische Traditionen verstoßen, weshalb ihm auch staatliche Verfolgung drohe. So habe die belangte Behörde nämlich nicht ausreichend ermittelt, welche Folgen denn die außereheliche Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Freundin hätte, der Sachverhalt sei nicht ausreichend geklärt. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Familie ihn töten würde, sollte er zurückkehren. Auch dazu hätte die Behörde den Beschwerdeführer genauer fragen müssen. Auch in diesem Punkt sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft, da sich keine ausreichenden Länderberichte in der Entscheidung finden würden und sich auch sonst keine Hinweise auf Ermittlungen finden würden. Der Beschwerdeführer habe zuerst vorgebracht Afghane zu sein, habe aber während der Befragung richtiggestellt, dass er aus Pakistan komme. Zwar lege ihm die Behörde dies zur Last, habe aber nicht nachgefragt, weswegen der Beschwerdeführer denn die Unwahrheit gesagt hätte. Dann hätte der Beschwerdeführer nämlich angeben können, dass er von den Schleppern beeinflusst worden sei und große Angst vor der Abschiebung habe. Dies zeige nämlich, wie groß denn die Angst vor der Rückkehr des Beschwerdeführers sei, da ihm der sichere Tod drohe. Zwischen der Bedrohung durch die Verfolger im Juni 2016 und der Ausreise 2017 habe sicher der Beschwerdeführer versteckt gehalten, auch dazu hätte ihn die Behörde fragen müssen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus Pakistan, ist pakistanischer Staatsbürger und stammt aus der Khyber Agency, wo er bis zur Ausreise sein bisheriges Leben verbrachte. Der Beschwerdeführer spricht Urdu und Paschtu, bekennt sich zum sunnitischen Islam und zur Volksgruppe der Paschtunen. Der Beschwerdeführer ist ledig und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan, insbesondere seine Eltern und Geschwister. Der Beschwerdeführer ist vollkommen gesund. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan die Schule besucht und hat in der Türkei einer Textilfabrik gearbeitet.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.

1.3. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit September 2020 im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer spricht kein Deutsch, hat keine Deutschkurse besucht, geht keiner Beschäftigung nach, bezieht derzeit Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein oder ähnlichem, der Beschwerdeführer hat auch nie ehrenamtlich gearbeitet. Der Beschwerdeführer brachte keinerlei Integrationsbemühungen vor. Abhängigkeiten zu anderen Personen wurden keine behauptet. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Intensive Kontakte mit anderen Personen im Bundesgebiet bestehe nicht.

1.4. Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat wurden allesamt – soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung – aus dem angefochtenen Bescheid übernommen.

Covid-19

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die epidemiologische Situation in Pakistan ist weiterhin angespannt. In Pakistan wurden bisher mehr als 457.288 Infektionen mit dem Covid-19-Virus sowie mehr als 9.330 Todesfälle bestätigt (Stand 21.12.2020; Einwohnerzahl: 220 Millionen). Nach Angaben des National Command and Operation Center (NCOC) stieg die Zahl der durch das Coronavirus verursachten Todesfälle zum ersten Mal seit fünf Monaten um mehr als 100 innerhalb eines Tages. Die Positiv-Rate aller durchgeführten Testungen liegt in verschiedenen pakistanischen Großstädten bei etwa 7 bis 8%,

während sie in der Millionenmetropole Karatschi etwa 19% beträgt. Landesweit wird weiterhin auf „Smart Lockdowns“ gesetzt, wobei zuletzt in Bezirken Peshawars und Karatschis Ausgangssperren verhängt wurden. Die Landesregierungen von Sindh und Khyber Pakhtunkhwa haben zudem angeordnet, alle religiösen Seminare („Madrassas“) wegen der Covid-19-Pandemie zu schließen. Laut Angaben des Sonderassistenten des pakistanischen Premierministers werde geplant, dass der Impfstoff – sofern verfügbar – der pakistanischen Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Wie gering die Impfbereitschaft der Pakistanis zeigt der Umgang mit der Polio-Impfung für Kinder im Land (ÖB 21.12.2020). Gleichzeitig geraten Krankenhäuser angesichts gestiegener Corona-Neuinfektionen landesweit an ihre Kapazitätsgrenzen. Mindestens sieben Patienten starben laut Medienberichten in der Nacht zum 6. Dezember 2020 in einem öffentlichen Krankenhaus in der nordwestlichen Stadt Peshawar (Khyber Pakhtunkhwa), weil der Sauerstoffnachschub ausging (BAMF 7.12.2020).

Als Folge des COVID-19-Schocks verschlechterte sich die wirtschaftliche Aktivität deutlich, wobei das Wirtschaftswachstum 2020 wird vorläufig auf -0,4% geschätzt. Um die zweite Welle abzumildern, wurden Lockdownmaßnahmen wieder eingeführt. Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).

Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen

PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde.

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische

Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen

Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache

Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form von Aufschub der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR),

Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das „COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program“ (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und

Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021).

Quellen:

•        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.12.2020): Briefing Notes, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2041897/briefingnotes-kw50-2020.pdf , Zugriff 28.12.2020

•        IMF – International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https: //www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 28.1.2021

•        ÖB – Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (21.12.2020): Asylländerbericht Pakistan, per E-Mail

Politische Lage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-

Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 25.9.2020). Die vormaligen FATA (FederallyAdministered TribalAreas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite Kaschmirs (AA 25.9.2020).

Pakistan ist gemäß seiner Verfassung eine parlamentarische Demokratie. Seit der Unabhängigkeit wurde die demokratische Entwicklung jedoch mehrfach von längeren Phasen der Militärherrschaft unterbrochen. Zuletzt kehrte Pakistan 2008 zur Demokratie zurück. Bei den Parlamentswahlen am 25.7.2018 gewann die bisherige Oppositionspartei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI). Seit August 2018 führt PTI-Chef Imran Khan als Premierminister eine Koalitionsregierung an (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Wahlbeobachtermission der EU beurteilte den Wahlverlauf am Wahltag als transparent und gut durchgeführt. Allerdings waren Journalisten und Medien von starken Einschränkungen und Beschneidungen der Meinungsfreiheit betroffen, was zu einem außerordentlichen Maß an Selbstzensur geführt hat. Auch wurde im Vorfeld der Wahl systematisch versucht, die frühere Regierungspartei durch Fälle von Korruption, Missachtung des Gerichts und Anschuldigungen gegen ihre Führer und Kandidaten zu untergraben (EUEOM 27.7.2018). Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf, jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019).

Das pakistanische Parlament besteht gemäß der Verfassung von 1973 aus zwei Kammern.

Die Nationalversammlung hat insgesamt 342 Mitglieder, wobei 60 Sitze für Frauen und 10 für Nicht-Muslime reservierte sind. Die Sitze in der Nationalversammlung werden den einzelnen Provinzen auf der Grundlage der Bevölkerungszahl zugewiesen, die in der letzten vorhergehenden Volkszählung offiziell veröffentlicht wurde (NAP o.D).

Das pakistanische Militär ist ein wichtiger Akteur in der pakistanischen Politik, insbesondere in den Bereichen innere Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft. In den ersten Monaten des Jahres 2019 haben die wirtschaftlichen Probleme des Landes (höhere Steuern und steigende Inflation) die Regierung unter Druck gesetzt. Anfang 2018 entstand in Pakistan die Paschtunische Tahafuz-(Schutz-)Bewegung (PTM), eine Bürgerrechtsbewegung, die sich für die Rechte der paschtunischen Minderheit des Landes einsetzt (EASO 10.2019).

Die im September gegründete PDM (Demokratische Bewegung Pakistan) plant landesweite Proteste gegen die Regierung unter Premierminister Imran Khan. Elf Parteien unterschiedlicher politischer Strömungen haben sich dem Bündnis angeschlossen. Die Politiker fordern unter anderem eine Neuwahl und Khans Rücktritt (ORF 25.10.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.9.2020): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.au swaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010, Zugriff 15.10.2020

•        AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.

pdf , Zugriff 15.10.2020

•        EASO – European Asylum Support Office (10.2019): Pakistan Security Situation, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019113/2019_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf , Zugriff

16.10.2020

•        EUEOM – European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/e eas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf , Zugriff

15.10.2020

•        ET – The Express Tribune (25.5.2018): Senate passes FATA-KP merger bill with 71-5 vote, https:

//tribune.com.pk/story/1718734/1-ppp-pti-set-throw-weight-behind-k-p-fata-merger-bill-senate/ , Zugriff 15.10.2020

•        HRW – Human Rights Watch (28.7.2018): Controversial Election in Pakistan, https://www.hrw.org/ news/2018/07/28/controversial-election-pakistan , Zugriff 15.10.2020

•        NAP – National Assembly of Pakistan [Pakistan] (o.D): About the National Assembly, http://www. na.gov.pk/en/composition.php , Zugriff 15.10.2020

•        ORF (25.10.2020): Zehntausende versammeln sich in Pakistan gegen Regierung, https://orf.at/s tories/3186671/ , Zugriff 27.10.2020

•        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices

2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html , Zugriff 15.10.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).

Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).

Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt.

Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).

Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen.

Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).

Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).

Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Rawalpindi, Lahore, Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).

Anzahl der Anschläge von 1.1.2020-31.7.2020 (EASO 10.2020)

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand 21.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistans icherheit/204974#content_1 , Zugriff 21.12.2020

•        AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 21.12.2020

•        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 21.12.2020

•        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 21.12.2020

•        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/p akistan/ , Zugriff 21.12.2020

Khyber Pakhtunkhwa

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Bezirke (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (EASO 10.2020; vgl. AA 29.9.2020). Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in den Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts (KPTDs) hat sich im Jahr 2019 erheblich verbessert. Mit Ausnahme der Bezirke in Süd-Waziristan war in den übrigen sechs Bezirken der ehemaligen FATA ein erheblicher Rückgang an terroristischen Vorfällen und der daraus resultierenden Zahl an Opfern zu beobachten. Insgesamt wurde 2019 im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang der terroristischen Vorfälle um 16 Prozent und der Anzahl der Opfer um rund ein Viertel verzeichnet. Um andererseits die operative Kapazität terroristischer Gruppen in den ehemaligen FATA zu verringern, führten die pakistanischen Sicherheitskräfte im Rahmen der laufenden Militäroperationen im Jahr 2019 unter dem Code-Namen Radd-ul-Fasad nachrichtendienstlich gestützte Operationen (IBOs) durch. 2019 wurden insgesamt 54 solcher IBOs gemeldet, gegenüber 137 im Jahr 2018. Obwohl IBOs in allen Stammesbezirken von KP durchgeführt wurden, blieben Nord-Waziristan, Süd-Waziristan und Bajaur der Hauptschwerpunkt der Operationen. Am anfälligsten für terroristische Anschläge blieb, trotz eines Rückgangs derselben um 22 Prozent, die Provinz Nord-Waziristan (FRC 13.1.2020).

Die Operationen der Armee zur Aufstandsbekämpfung in KP (einschließlich der ehemaligen FATA) trugen langfristig zu einem höheren Sicherheitsniveau in der Provinz bei, und führten zu einer Verringerung des Einflusses der Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP - Pakistan Movement of Taliban) auf den größten Teil des Stammesgürtels. Diese Militäraktionen bewirkten jedoch auch die Vertreibung von Millionen von Bewohnern aus diesem Gebiet. Insgesamt hat sich die Sicherheit in diesen Gebieten verbessert, ist aber weiterhin fragil. Die Netzwerke der TTP bleiben sowohl auf afghanischer Seite als auch in einigen pakistanischen Bezirken entlang der Grenze aktiv (EASO 10.2020; vgl. FRC 13.1.2020). Die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP bleibt aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und

Zivilisten in den KPTDs Nord- und Süd-Waziristan durchzuführen (FRC 13.1.2020; vgl. EASO

10.2020). Die militanten Gruppen haben ihre Taktiken, Strategien und Aussichten geändert, um sich an das veränderte Umfeld anzupassen. Anstelle von Selbstmordattentaten, die früher die bevorzugte und wirksamste Taktik waren, wenden die Militanten jetzt hauptsächlich gezielte Tötungsaktionen gegen Mitarbeiter von Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, politische

Vertreter, Stammesälteste und Mitglieder von Anti-Taliban-Stammesmilizen der KPTD an (FRC

13.1.2020).

Die Pak Institute for Peace Studies (PIPS) dokumentierte im Jahr 2019 insgesamt 170 Gewaltvorfälle in der Provinz. Dies ist ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2018 (183). PIPS zählte 125 Terroranschläge im Jahr 2019. Gemäß der Beobachtung von PIPS, setzten Militante im Jahr 2019 Taktiken wie Selbstmordattentate, Schusswaffen, Sprengsätze sowie Handgranaten und Raketen ein. Der Trend, dass Militante Zivilisten, Regierungsbeamte und -institutionen, Stammesälteste und Sicherheitspersonal angreifen, setzte sich im Jahr 2019 fort. Zu den Bezirken in KP, in denen 2019 die meisten Terroranschläge stattfanden, gehören Nord-Waziristan

(53 Anschläge), Dera Ismael Khan (14 Anschläge) und Bajaur (11 Anschläge) (PIPS 2020; vgl.

EASO 10.2020). In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 beobachtete PIPS insgesamt 100 Vorfälle, von denen 49 als terroristische Anschläge in der Provinz genannt wurden. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 fanden in folgenden Bezirken von KP die meisten terroristischen Angriffe statt: Nord-Waziristan, Bajaur und Peshawar (EASO 10.2020).

Quellen:

•        AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf , Zugriff 28.12.2020

•        Dawn (updated 31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.c om/news/1411061 , Zugriff 30.10.2020

•        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 28.12.2020

•        FRC – FATA Research Center (13.1.2020): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2019, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2020/01/1.-Final-Security-Report-former-FATA -2019.pdf, Zugriff 27.10.2020

•        PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20 FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf , Zugriff 27.10.2020

•        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpip

s.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf , 28.12.2020

Punjab und Islamabad

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d; vgl. EASO 10.2020). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Beim einzigen 2019 aus Islamabad gemeldeten Terroranschlag wurden zwei Polizisten getötet und ein weiterer bei einem Angriff auf eine Sicherheitsposten verletzt (PIPS 2020).

Im südlichen Punjab sind militante Netzwerke und Extremisten präsent, Lashkar-e Taiba (LeT) und JeM haben dort ihre Hauptquartiere und unterhalten religiösen Einrichtungen. Die Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Punjab (CTD) hat 2019 und im ersten Halbjahr 2020 ihre

Operationen gegen Militante fortgesetzt. Es kam dabei zu Festnahmen und zur Tötung von

(mutmaßlichen) Kämpfern der TTP, HuA, LeJ und ISKP. Vom 1. Jänner bis 31. Juli 2020 zählte PIPS neun Vorfälle im Punjab, fünf davon wurden als Terroranschläge erfasst (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), Stand (22.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/p akistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1 , Zugriff 22.12.2020

•        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff

22.12.2020

•        PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20 FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf , Zugriff 22.12.2020

•        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpip

s.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf , Zugriff 22.12.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.) sowie militärischen Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO

10.2020).

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing – CTWI). Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst

(Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 29.9.2020).

Frontier Corps (FC) und Rangers sind paramilitärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 11.3.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine strafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 11.3.2020).

Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 11.3.2020).

Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DAFT 20.2.2019).

Quellen:

•        AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.

pdf , Zugriff 16.12.2020

•        DAFT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%

5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms =Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 16.12.2020

•        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi

.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 16.12.2020

•        MoD – Ministry of Defense [Pakistan] (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/ , Zugriff

16.12.2020

•        HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http:

//hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf , 18.12.2020

•        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Reports on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html , Zugriff 16.12.2020

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 29.01.2021

Einerseits sieht die pakistanische Verfassung die Vereinigungsfreiheit vorbehaltlich bestimmter gesetzlicher Einschränkungen vor (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 29.9.2020). In den meisten Teilen Pakistans werden Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in einem angemessenen Maße gewahrt (BS 29.4.2020). Die NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 29.10.2020).

Andererseits setzt die aktuelle Regierung das im Jahr 2015 begonnene harte Vorgehen gegen in- und ausländische NGOs fort (FH 4.3.2020). Internationalen NGOs, welche gegen die strategischen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen Pakistans arbeiten, kann die Genehmigung entzogen werden (BS 29.4.2020). Die Geheimdienste überwachen und kontrollieren diese Organisationen. Bedrohungen und Einschränkungen erfolgen, wenn ihre Arbeit die staatlichen Sicherheitsorgane berührt (AA 29.9.2020). Es gibt glaubwürdige Berichte über Einschüchterung, Belästigung und Überwachung verschiedener NGOs durch Regierungsbehörden. Zudem nutzt die Regierung den Registrierungsprozess für NGOs, um dieArbeitsweise internationaler Menschenrechtsgruppen zu behindern (HRW 14.1.2020). Bis Jänner 2019 waren nur 74 von 141 internationalen NGOs, die seit 2015 einen Registrierungsantrag gestellt hatten, zugelassen worden (FH 4.3.2020). Diese Verzögerung von Genehmigungsanträgen (NOC / NoObjection Certificate) sowie finanzielle Tragbarkeit und operative Unsicherheit schränken die

Aktivitäten internationaler NGOs erheblich ein. Auch inländische NGOs werden, trotz Vorliegen aller Genehmigungen, staatlicherseits schikaniert (USDOS 11.3.2020).

Zudem ist sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen die Arbeit nicht nur in den ehemaligen Stammesgebieten (FATA) sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 29.9.2020).

Quellen:

•        AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf , Zugriff 14.12.2020

•        BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Pakistan, https://www.ecoi.net /en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf , Zugriff 14.12.2020

•        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2030906.html , Zugriff 14.12.2020

•        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/ document/2022680.html , Zugriff 14.12.2020

•        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html , Zugriff 19.9.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).

Die Regierung von Premierminister Imran Khan hat jedoch seit dem Amtsantritt im Juli 2018 die Beschränkungen für Medien, die politische Opposition und NGOs sowie das harte Vorgehen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verschärft (HRW 14.1.2020; vgl. AI 30.1.2020). Das Militär verschärfte seine Kontrolle über die Wirtschaft, die Außenpolitik und die nationale Sicherheit und mehrere Mitglieder der politischen Opposition wurden wegen angeblich politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert (AI 30.1.2020).

Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet [siehe Kapitel Folter und unmenschliche Behandlung], bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten

Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle [siehe Kapitel Blasphemiegesetze] (AA 29.9.2020). Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu den Menschenrechtsproblemen bei. Einige Mitarbeiter von Geheimdiensten, Polizei und anderen Sicherheitskräften halten Gefangene in Isolationshaft und weigern sich, deren Aufenthaltsort preiszugeben. Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen berichten über Fälle von Personen, die im Polizeigewahrsam starben, angeblich aufgrund von Folter (USDOS 11.3.2020).

Das Verschwindenlassen von Personen wird in Pakistan häufig als Instrument benutzt, um abweichende Meinungen und Kritik an militärischen Maßnahmen zu unterdrücken. Zu den Einzelpersonen und Gruppen, die Opfer des Verschwindenlassens werden, gehören Sindhis, Belutschen, Paschtunen, Schiiten, politische Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Mitglieder und Unterstützer religiöser und nationalistischer Gruppen, mutmaßliche Mitglieder bewaffneter Gruppen und Angehörige von in Pakistan verbotenen religiösen und politischen Organisationen (AI 21.5.2020; vgl. HRCP 4.2020). Der vom Innenministerium eingesetzten Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIOED) wurden bis 31.12.2019 6.506 Fälle zur Kenntnis gebracht, wovon 4.365 Fälle abgeschlossen werden konnten (COIOED 1.1.2020).

Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten halten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte ab. Per Gesetz von 2012 wurde 2015 die Nationale Kommission für Menschenrechte als unabhängiges Komitee eingerichtet. Im November 2015 wurde wieder ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte eingerichtet. Doch nur selten bestrafen Behörden Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 11.3.2020).

Die derzeitige Regierung setzt das von ihrem Vorgänger im Jahr 2015 begonnene harte Vorgehen gegen in- und ausländische NGOs fort. Im Jänner 2019 waren nur 74 von 141 internationalen NGOs, die seit 2015 einen Antrag auf Registrierung gestellt hatten, zugelassen worden (FH

4.3.2020).

Quellen:

•        AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf Zugriff 11.12.2020

•        AI – Amnesty International (21.5.2020): Menschenrechtsverteidiger seit November 2019 vermisst, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2020-05/159-2_2019_DE_Pakistan.pdf, Zugriff

11.12.2020

•        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023879.html , Zugriff 11.12.2020

•        COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances, Pakistan (1.1.2020): Monthly Progress on Cases of Alleged Enforced Disappearances – Dezember 2019, http://coioed.pk/wp-c ontent/uploads/2020/01/MONTHLY-SUMMARY-DECEMBER-2019.pdf , Zugriff 19.10.2020

•        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2030906.html , Zugriff 11.12.2020

•        HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http:

//hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf , Zugriff 19.10.2020

•        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2022680.html , Zugriff 11.12.2020

•        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices

2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html , Zugriff 19.9.2020

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 29.01.2021

Lautprovisorischer Volkszählung von 2017 sind 96 % der ca. 210 Millionen Einwohner Pakistans Sunniten oder Schiiten. Laut Regierungsangaben setzen sich die restlichen 4 % aus Ahmadi Muslimen, Christen, Hindus, Zoroastriern, Bahai, Sikhs, Buddhisten, Kalasha, Kihal und Jainisten zusammen. Ca. 80-85 % der muslimischen Einwohner Pakistans sind Sunniten und 15-20 % Schiiten (USDOS 10.6.2020; vgl. CIA 19.8.2020). Laut Verfassung sind Angehörige der Qadiani oder der Lahori-Gruppe (Ahmadis) keine Muslime (USDOS 10.6.2020).

Artikel 2 der pakistanischen Verfassung erklärt den (sunnitischen) Islam zur Staatsreligion. Artikel 227 der pakistanischen Verfassung bindet das Rechtssystem an das islamische Recht. Der Shari’ah Act 1991 hat die Scharia zum höchsten Gesetz in Pakistan gemacht. Somit sind alle Gesetze in Pakistan im Einklang mit der Scharia auszulegen (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen und diese auch zu wechseln. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 10.6.2020) und auch das Recht, seine eigene Religion zu propagieren (USDOS 10.6.2020).

Nach wie vor bestehen aber jene Bestimmungen im Blasphemiegesetz, welche einen Vorwand für Gewalt gegen religiöse Minderheiten sowie für willkürliche Verhaftungen und Strafverfolgung bieten (HRW 14.1.2020; vgl. AI 30.1.2020; USDOS 10.6.2020). Auch die Bestimmungen des pakistanischen Strafgesetzbuches, welche die Diskriminierung der Ahmadis festschreiben, bestehen weiterhin (HRW 14.1.2020). Für Apostasie – Abfall vom Islam – gibt es in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung. Allerdings wird Apostasie von vielen Klerikern als Form der Blasphemie erachtet und kann daher die Todesstrafe nach sich ziehen. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie in keiner Weise (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 10.6.2020; BAMF 5.2020). Die systematische Durchsetzung von Blasphemie- und Anti-Ahmadiyya-Gesetzen und das Versäumnis der Behörden, auf Zwangskonversionen religiöser Minderheiten - einschließlich Hindus, Christen und Sikhs - zum Islam einzugehen, schränkt die Religions- und Glaubensfreiheit stark ein (USCIRF 4.2020). Hunderte wurden wegen Blasphemie-Vorwürfen verhaftet, die meisten von ihnen Angehörige religiöser Minderheiten (HRW 14.1.2020). Verurteilungen (inkl. Todesstrafe)

wegen Blasphemie kommen immer wieder vor, wobei unteren Instanzen Gerichten vorgeworfen wird, Bestimmungen nicht rechtmäßig anzuwenden (USDOS 10.6.2020). Zu den Blasphemiegesetzen siehe Unterkapitel Blasphemie.

Neben dieser minderheitenfeindlichen Gesetzgebung gegen andere Religionsgruppen (insbesondere gegen Ahmadis) kommen auch Vorfälle gesellschaftlicher Gewalt (Überfälle bewaffneter sektiererischer Gruppen, Tötungen) und Diskriminierung immer wieder vor. Diese werden kaum oder gar nicht verfolgt (USDOS 10.6.2020). Bewaffnete Gruppen führen Angriffe auf religiöse Gemeinschaften durch, und sektiererische Organisationen schüren ungestraft Hass gegen religiöse Minderheiten (AI 30.1.2020). Mitglieder von religiösen Minderheiten werden regelmäßig Opfer von religiös motivierten Übergriffen, die vor allem von sunnitisch-extremistischen Gruppierungen verübt oder veranlasst werden. Laut dem aktuellen Sicherheitsbericht des Centre for Research & Security Studies (CRSS) bot im Jahr 2019 keine Region in Pakistan vor religiös motivierter Gewalt Sicherheit. Die Provinzen Belutschistan und Sindh verzeichneten die meisten Vorfälle (BAMF 5.2020).

Diesbezüglich setzt die Regierung ihren 2014 begonnenen National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus und sektiererischen Extremismus und Hassreden fort. Organisationen der Zivilgesellschaft und Religionsführer erklären, dass sich die Sicherheit an religiösen Orten durch verstärkte Schutzmaßnahmen der Sicherheitskräfte wesentlich gebessert hat. Die US-Regierung setzt die Ausbildung für Polizeibeamte bezüglich Menschenrechte und dem Umgang mit religiösen Minderheiten fort (USDOS 10.6.2020).

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen müssen. Es gibt Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder extremistische Inhalte lehren. Der NAP sieht eine vermehrte Überwachung von Madrassen vor (USDOS 10.6.2020).

Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen. Die Religionszugehörigkeit wird in Reisepässen angegeben und das religiöse Bekenntnis muss am Antragsformular für Identitätskarten angegeben werden (USDOS 10.6.2020).

Gemäß Verfassung dürfen Personen bei der Anstellung im öffentlichen Dienst nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Im Bundesdienst gilt eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese Quote wird laut Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt. Die meisten Minderheitengruppen berichten dementsprechend von Diskriminierungen bei Anstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst sowie bei der Aufnahme an Hochschulen. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, allerdigs steigenAngehörige von religiösen Minderheiten nur selten in einen höheren Dienstgrad als Oberst auf (USDOS 10.6.2020; vgl. HRCP 30.4.2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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