Entscheidungsdatum
02.08.2021Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1Spruch
W200 2193259-1/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. 01.01. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2018, Zl. 1119101006-160845108, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.02.2020, zu Recht:
A) I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. - V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 52 FPG 2005 iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der befristete Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ in der Dauer von zwölf Monaten erteilt.
II. Der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben an, war im Heimatland zuletzt in der Provinz Kabul wohnhaft, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 25.06.2016 gab der damals minderjährige Beschwerdeführer an, acht Jahre lang die Grundschule in Kabul besucht und nicht gearbeitet zu haben. Als Fluchtgrund nannte er, dass in Afghanistan Krieg herrsche. Unschuldige Menschen würden getötet und man könne sich nicht frei bewegen. Er hätte keine weiteren Fluchtgründe.
Mit Schreiben vom 11.08.2017 legte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen vor.
Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.03.2018 gab der minderjährige Beschwerdeführer an, dass er gemeinsam mit seiner Familie im Haus seines Vaters gelebt und acht Jahre lang die Schule besucht hätte. Er hätte keine Berufsausbildung, jedoch mit seinem Vater im Bereich der Landwirtschaft gearbeitet. Er sei von seinem Vater erhalten worden. Er hätte einen Onkel im Heimatdorf, mit dem er noch Kontakt hätte. Dieser hätte ihm gesagt, dass es seiner Familie gut gehe. Er kenne den Wohnort seiner Familie nicht.
Befragt zum Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass sein Leben in Gefahr gewesen sei, weil man nie sicher gewesen sei, ob man von der Schule zurückkehrt. Eines Tages hätte er in der Schule am Boden sitzen und lernen müssen. Er sei in der letzten Reihe gesessen. Der Lehrer sei mit der Anwesenheitsliste gekommen. Nach der Stunde sei er wieder gegangen. Nach der 3. Stunde hätten sie Pause machen müssen. Sie hätten gesehen, dass der Schulhof mit Handgranaten angegriffen werde. Es sei zu Verletzungen der Schüler gekommen. Auch der Beschwerdeführer selbst sei am Unterleib verletzt worden. Eine Stunde später seien die Rettung und Polizei gekommen. Er hätte nur Blut und schreiende Kinder gesehen. Er hätte seine eigenen Freunde nicht mehr wiedererkannt. Er könne seitdem nicht mehr ruhig schlafen. In seinem Dorf gäbe es öfter Angriffe von Taliban. Er hätte aufgrund seiner Verletzungen drei Monate lang Probleme (Krankenhaus) gehabt. Er hätte danach nicht mehr in die Schule gehen wollen. Der Anschlag sei nicht an ihn persönlich gerichtet gewesen. Die Absicht sei gewesen, die Schule zu zerstören. Bei einer Rückkehr sei sein Leben aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Gefahr.
Der Beschwerdeführer legte zahlreiche Integrationsunterlagen vor.
Mit Stellungnahme vom 05.03.2018 wies der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf Gefahren bei einer allfälligen Rückkehr im Zusammenhang mit seiner Minderjährigkeit hin.
Mit Bescheid des BFA vom 09.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (II.) in Bezug auf Afghanistan abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) sowie festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.). Es wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt (VI.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die im Wesentlichen mit der inhaltlichen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet wurde. Der Beschwerdeführer wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und machte Ausführungen zur Situation von Rückkehrern aus Europa. Zudem verwies er auf seine Minderjährigkeit. Er sei bereits einmal Opfer eines Anschlages auf seine Schule geworden und würden ihm die Taliban aufgrund seiner Flucht nunmehr eine politische und/oder religiöse Gesinnung unterstellen, da er geflüchtet sei. Es hätte bereits einen weiteren Angriff auf seine Schule gegeben, weshalb die Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe. Zudem hätte er bereits westliche Werte angenommen und drohe ihm auch deshalb Gefahr. Darüber hinaus sei ihm eine Rückkehr aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan nicht zumutbar. Seine Familie könne ihn bei einer Rückkehr zudem nicht unterstützen. Die Lage im Herkunftsstaat sei nach wie vor höchst unsicher. Überdies hätte er schon beachtliche Integrationsschritte gesetzt.
Der Beschwerdeführer legte mit Schreiben vom 09.01.2020 zahlreiche Integrationsunterlagen vor.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.02.2020 zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Anwesenheit eines Dolmetschers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der nunmehr bereits volljährige Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsvertreters sowie eines Dolmetschers neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Zudem wurde eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers, die zugleich seine Patin ist, einvernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde ordnungsgemäß zu dieser Verhandlung geladen, ein Vertreter des Bundesamtes nahm jedoch entschuldigt nicht an der Verhandlung teil. Hierbei bestätigte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens. Er legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.
Mit Schreiben vom 10.09.2020 übermittelte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seinem Abschluss einer Waldorfschule, einen Megaphon Artikel sowie eine Lehrlingszusage.
Mit Schreiben vom 30.09.2020 übermittelte der Beschwerdeführer eine weitere Zusage über ein angestrebtes Lehrverhältnis.
Mit Schreiben vom 14.11.2020 gab der Geschäftsführer der Freien Waldorfschule an, dass der Beschwerdeführer mit seinem positiven Jahreszeugnis der 8. Klasse einen Pflichtschulabschluss erlangt habe.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020, Zl. W200 2193259-1/17E, wies das BVwG die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab. Im Übrigen wurde der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde ersatzlos behoben. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
Gegen den Ausspruch der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie die Erteilung eines Aufenthaltstitels und die ersatzlose Behebung der Frist zur freiwilligen Ausreise wurde seitens des BFA eine außerordentliche Revision erhoben.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.02.2021, Ra 2020/01/0454-8, wurde das Erkenntnis des BVwG im angefochtenen Umfang Spruchpunkte „A) III. und IV.“ wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Wesentlichen begründete der VwGH seine Entscheidung damit, dass das BVwG entgegen der ständigen Rechtsprechung des VwGH außer Acht gelassen habe, dass sämtliche integrationsbegründenden Schritte des Beschwerdeführers in einem Zeitraum gesetzt worden wären, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein hätte müssen. Zudem sei der Beschwerdeführer im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt erst etwa viereinhalb Jahre im Bundesgebiet aufhältig gewesen.
Mit Schreiben vom 17.06.2021, eingelangt beim BVwG am 30.06.2021, übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme und verwies auf seine Intensivierung der Bindung im Sinne des Art. 8 EMRK zum Bundesgebiet und brachte entsprechende Unterlagen in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem, gesund, ledig und kinderlos. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Antragszeitpunkt war er minderjährig. Seit 01.01. XXXX ist er volljährig.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz wurde bereits rechtskräftig abgewiesen und ist nicht mehr Verfahrensgegenstand.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kabul geboren und hat bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie in einem Dorf namens XXXX in der Provinz Kabul, Distrikt XXXX , gelebt. Er spricht Paschtu als Muttersprache und hat acht Jahre lang die Schule in Afghanistan besucht. Er hat nebenbei seinem Vater in der eigenen Landwirtschaft geholfen und verfügt über entsprechende Berufserfahrung als Landwirt.
Der Beschwerdeführer hat einen Vater, eine Mutter, einen Bruder, eine Schwester und einen Onkel in Afghanistan. Er hat keinen Kontakt zu seinen Eltern in Afghanistan. Er hat nur Kontakt zu seinem Onkel. Es kann nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass ihn seine Familie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen könnte und würde.
Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit Juni 2016 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keine Familienangehörige, hat jedoch bereits zahlreiche soziale Kontakte geknüpft.
Der Beschwerdeführer hat seit über vier Jahren eine Patin, die die Patenschaft über ihn über den Verein „Zebra“ übernommen hat. Sie verbringen sehr viel Zeit zusammen und treffen sich mindestens einmal wöchentlich. Der Beschwerdeführer feiert regelmäßig Weihnachten bei ihr und ihrer Familie in Kärnten. Der Beschwerdeführer und seine Patin unterstützen sich gegenseitig und haben ein respektvolles und freundschaftliches Vertrauensverhältnis. Auch die Familie der Patin schätzt den Beschwerdeführer sehr und verbringt gerne Zeit mit ihm. Sie machen unter anderem Ausflüge, gehen mit dem Hund spazieren und besuchen gemeinsam Konzerte.
Der Beschwerdeführer hat seinen bislang im Bundesgebiet verbrachten Aufenthalt äußerst positiv genutzt und war von Beginn an außerordentlich bemüht, in Österreich Fuß zu fassen und sich zu integrieren. Er hat zahlreiche Deutschkurse besucht und am 07.07.2020 seinen positiven Pflichtschulabschluss erlangt, indem er auch die 8. Schulstufe der Freien Waldorfschule Graz positiv absolviert hat. Er verhielt sich innerhalb der Klassen- und Schulgemeinschaft vorbildhaft. Er hat am 12.06.2019 die ÖSD Integrationsprüfung A2 positiv absolviert und spricht sehr gut Deutsch.
Im Juli 2017 hat er ein positives ÖSD Zertifikat A1 erworben. Er hat vom Jänner 2017 bis Juni 2017 am Bildungsangebot „Zukunft.Bildung.Steiermark“ im Ausmaß von 454 Unterrichtseinheiten teilgenommen. Ebenfalls im Juli 2017 hat er an der Workshopreihe „Gefahren im Internet“ teilgenommen. Zudem hat er am ÖBB-Workshop vom März 2017 „Sicher Zugfahren“ teilgenommen. Im Februar 2017 hat er am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teilgenommen. Zudem hat er von September 2016 bis Dezember 2016 am Deutschkurs „Basis“ im Ausmaß von 272 Stunden teilgenommen. Im September 2016 hat er am Workshop „Waldpädagogik“ teilgenommen. Im April und Mai 2017 hat er am Workshop für medizinische Weiterbildung und Gesundheitsförderung teilgenommen. Im Mai 2017 hat er auch an den Workshops „Übertragung von Krankheiten und Frauenbilder“ und „Sport, Sportverletzungen und richtiges Aufwärmen; richtiges Trainieren im Fitnesscenter“ sowie „Erste Hilfe“, „Zahnhygiene“, „Allgemeine Körpergrundlagen“ und „Sexualität“ teilgenommen. Im Jänner 2018 hat er am Workshop zum Thema „Sexualdelikte“ teilgenommen. Im August 2017 hat er am Workshop des LKA Steiermark zum Thema „Gewalt“ teilgenommen. Im Dezember 2017 hat er am Workshop zum Thema „Drogen“ teilgenommen. Im Februar 2018 hat er am Workshop zum Thema „Legale und illegale Drogen, Suchtmittelgesetz und Unterstützungsmöglichkeiten“ teilgenommen.
Es liegen zahlreiche Empfehlungsschreiben für den Beschwerdeführer vor. Er pflegt sowohl zu seiner Patin als auch zu ihrer Familie und seinen Freunden einen guten und höflichen Kontakt. Seit dem Winter 2017 nimmt er zudem an Sportprojekten des Instituts für Sportwissenschaften der Universität Graz teil und hat auch dort zahlreiche Freunde gefunden. Der Beschwerdeführer hat zudem eine Unterschriftenliste vorgelegt, in der sich 117 Personen für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet aussprechen.
Einer Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit sind bis zur Entscheidung des BVwG vom 23.11.2020, Zl. W200 2193259-1/17, lediglich ausländerbeschäftigungsrechtliche Regelungen entgegengestanden. Der Beschwerdeführer hatte zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der sofortigen Beschäftigung im Lehrlingsverhältnis als Restaurantfachmann beim Catering-Unternehmen „ XXXX “ sowie als Betriebs- und Lagerlogistiker im Unternehmen „ XXXX “. Entsprechende Einstellungszusagen vom 06.08.2020 bzw. 29.09.2020 lagen zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits auf.
Seitens der XXXX wurde nach der - mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020 - erteilten Aufenthaltsberechtigung plus mit dem Beschwerdeführer ein Lehrvertrag ab 11.01.2021 in der Dauer von 3 Jahren als Betriebslogistikkaufmann abgeschlossen. Der Beschwerdeführer begann seine Lehre am 11.01.2021, ehe sie am 26.03.2021 im Zuge der Aufhebung der Aufenthaltsberechtigung plus (mit Erkenntnis des VwGH) mangels Zugang zum Arbeitsmarkt beendet werden musste. Bis zur Beendigung des Lehrverhältnisses erzielte der Beschwerdeführer ein eigenes Einkommen. Er legte seit dem ersten Tag ein hohes Engagement an den Tag, war wissbegierig und ein äußerst engagierter Mitarbeiter, was sich in seiner Arbeitsweise widerspiegelte. Das Unternehmen war mit dem Lernfortschritt, der Leistung sowie der Persönlichkeit des Beschwerdeführers überaus zufrieden. Er ist eine gute Ergänzung zu ihrem bestehenden Team. Das Unternehmen würde das Lehrverhältnis mit dem Beschwerdeführer nach wie vor gerne fortsetzen und ihn nach abgeschlossener Lehrzeit in Festanstellung beschäftigen. Der Beschwerdeführer besucht seit dem 19.04.2021, somit nach der erzwungenen Beendigung des Lehrverhältnisses, die Internationale Klasse der Freien Waldorfschule Graz und erhält Unterricht in den Gegenständen Deutsch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Musik und Gartenbau im Gesamtumfang von 23 Wochenstunden. Er ist bereits sehr gut in die österreichische Gesellschaft integriert und strafgerichtlich unbescholten.
Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation, des Lebensverlaufs seit seiner Einreise und seinen Zukunftsperspektiven ist von einer positiven Prognose auszugehen. Es liegt ein aufrechtes Privatleben in Österreich vor. Eine Rückkehrentscheidung würde einen ungerechtfertigten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers darstellen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Herkunft, Identität, Religion, Gesundheit und dem bisherigen Leben des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich glaubwürdigen Aussagen im Verfahren. Dass er Paschtu spricht sowie acht Jahre lang die Schule in Afghanistan besucht hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben. Die Feststellungen zu seiner Tätigkeit als Landwirt im eigenen Betrieb in der Provinz Kabul ergibt sich ebenso aus seinen glaubhaften Angaben im Verfahren. Dass er keine gesundheitlichen Einschränkungen hat, hat er auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst dargelegt.
Dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.
Dass der Beschwerdeführer noch Verwandte in Afghanistan hat, ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dass er nach wie vor Kontakt zu seinem Onkel, nicht jedoch seiner übrigen Familie hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in den bisherigen Befragungen. Es konnte aufgrund der Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass seine Familie (insbesondere der Onkel, zu dem er Kontakt hat) willens und in der Lage wäre, den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen zumal er dies auch im gesamten bisherigen Verfahren stets bestritt.
Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen glaubwürdigen Angaben vor dem BFA und dem BVwG und den zahlreichen vorgelegten Integrationsunterlagen. Dass er sehr gute Deutschkenntnisse hat, ergibt sich aufgrund einer Befragung in deutscher Sprache in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer konnte dabei Fragen sehr gut in deutscher Sprache beantworten. Dass er seinen Pflichtschulabschluss positiv absolviert hat, ergibt sich aus dem vorgelegten Zeugnis der Waldorfschule über die absolvierte 8. Schulstufe sowie den Angaben der Geschäftsführung der Freien Waldorfschule Graz in seinem Schreiben an das BVwG vom 14.11.2020. Dass er sich innerhalb der Klassen- und Schulgemeinschaft vorbildhaft verhielt, ergibt sich aus der Leistungsbeurteilung der Lehrer. Dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG vom 23.11.2020, Zl. W200 2193259-1/17, sowohl die Möglichkeit eines Lehrdienstverhältnisses als Restaurantfachmann beim Catering-Unternehmen „ XXXX “ als auch als „Betriebs- und Lagerlogistiker“ bei der „ XXXX “ gehabt hatte, ergibt sich aus den bereits damals vorgelegten Einstellungszusagen vom 06.08.2020 bzw. 29.09.2020.
Dass seitens der XXXX nach der - mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020 - erteilten Aufenthaltsberechtigung plus mit dem Beschwerdeführer ein Lehrvertrag ab 11.01.2021 in der Dauer von 3 Jahren als Betriebslogistikkaufmann abgeschlossen wurde, ergibt sich aus dem diesbezüglich mit Schreiben vom 17.06.2021 übermittelten Lehrvertrag. Der Beschwerdeführer begann seine Lehre demnach am 11.01.2021, ehe sie am 26.03.2021 im Zuge der Aufhebung der Aufenthaltsberechtigung plus (mit Erkenntnis des VwGH) mangels Zugang zum Arbeitsmarkt beendet werden musste. Dass dies der Beendigungsgrund war, ergibt sich zweifelsfrei aus der Lehrlingsbestätigung vom 18.06.2021, in der eben jener Umstand festgehalten wurde. Dass er in dieser Zeit ein eigenes Einkommen erzielte, ergibt sich aus den mit Stellungnahme vom 17.06.2021 vorgelegten Lohnabrechnungen. Zudem wurde die Entscheidung bedauert und mit 21.06.2021 datiertem Empfehlungsschreiben für den Beschwerdeführer seitens der XXXX darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seit dem ersten Tag ein hohes Engagement an den Tag legte, er wissbegierig und ein äußerst engagierter Mitarbeiter war, was sich in seiner Arbeitsweise widerspiegelte. Zusammengefasst wurde festgehalten, dass das Unternehmen mit dem Lernfortschritt, der Leistung sowie der Persönlichkeit des Beschwerdeführers überaus zufrieden war und er eine gute Ergänzung zu ihrem bestehenden Team ist. Ausdrücklich festgehalten wurde, dass das Unternehmen das Lehrverhältnis mit dem Beschwerdeführer gerne fortsetzen und ihn nach abgeschlossener Lehrzeit in Festanstellung beschäftigen möchte. Dass der Beschwerdeführer (nach Beendigung des Lehrverhältnisses) seit dem 19.04.2021 die Internationale Klasse der Freien Waldorfschule Graz besucht und Unterricht in den Gegenständen Deutsch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Musik und Gartenbau im Gesamtumfang von 23 Wochenstunden erhält, ergibt sich aus der diesbezüglich mit Stellungnahme vom 17.06.2021 vorgelegten Bestätigung einer Lehrerin der Freien Waldorfschule Graz vom 18.06.2021.
Die Feststellungen betreffend das freundschaftliche Verhältnis zu seiner Patin ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben und den glaubwürdigen Angaben der Patin in der Verhandlung. Die Feststellungen betreffend sein sportliches Engagement ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen seiner zahlreichen Freunde, mit denen er verschiedene Sportarten in Gruppen betreibt. Dass er bereits zahlreiche soziale Kontakte geknüpft hat, ergibt sich aus den umfassenden im Verfahrensakt aufliegenden Unterstützungsschreiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Vorweg ist festzuhalten, dass die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft erwachsen sind, zumal diese mit Erkenntnis des erkennenden Gerichts vom 23.11.2020, Zl. W200 2193259-1/17E, abgewiesen wurden und dieses Erkenntnis lediglich im Umfang seines Spruchpunktes A) III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich daher lediglich gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides.
Zu A)
Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. - VI. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
§ 55 AsylG 2005 lautet:
"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
§ 57 AsylG 2005 lautet:
"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
[…]"
§ 58 AsylG 2005 lautet:
"§ 58 (1) Z. 2: Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
[…]"
Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:
"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
§ 50 (1) FPG: Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
§ 52 (1) [...]
(2) Z. 2: Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
[...]
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
[...]
§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
[...]"
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahe Angehörige in Österreich.
Neben einem schützenswerten Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Abs 2 EMRK).
Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua gegen Lettland).
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).
Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124 u. a.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).
Ein unzulässiger Eingriff in das Privatleben des Fremden wird von der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch dann gesehen, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.4.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).
Der unbescholtene Beschwerdeführer lebt seit nunmehr über fünf Jahren durchgehend im österreichischen Bundesgebiet und hat sich in diesem Zeitraum von Beginn an um eine umfassende Integration bemüht. In dieser Zeit entwickelte der Beschwerdeführer auch ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sich das erkennende Gericht insbesondere im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu überzeugen vermochte.
Der Beschwerdeführer hat die vergangenen fünf Jahre in Österreich erfolgreich genutzt, um sich in vielerlei Hinsicht in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Er nimmt intensiv am sozialen Leben teil und verfügt in Österreich über zahlreiche soziale Kontakte sowie eine Patin, die ihn bei all seinen Schritten anleitet und unterstützt. Der Beschwerdeführer ist Teil österreichischer Freundes- und Bekanntenkreise und besucht nach übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Patin in der Verhandlung auch öfter die Familie seiner Patin. Er hat auch zahlreiche Unterstützungsschreiben vorgelegt, die seine Freundschaften beweisen. Die vorgelegten Beweismittel - darunter zahlreiche Empfehlungsschreiben und Unterstützungsschreiben und die Aussagen seiner Patin - belegen die Integration des Beschwerdeführers in der österreichischen Gesellschaft.
Seit seiner Einreise besucht der Beschwerdeführer regelmäßig zahlreiche Deutschkurse. Er spricht sehr gut Deutsch. Von seinen Deutschkenntnissen konnte sich die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung auch ein persönliches Bild machen, indem er Fragen problemlos auf Deutsch beantwortete. Neben seinen ausgezeichneten sprachlichen Fähigkeiten hinterließ der Beschwerdeführer zudem einen überaus positiven, engagierten und höflichen Gesamteindruck. Er hat bereits seinen Pflichtschulabschluss im Juli 2020 positiv absolviert. Zudem hat er bereits im Jahr 2019 seine Integrationsprüfung A2 positiv abgeschlossen und an diversen Werte- und Orientierungskursen teilgenommen. Er nahm bzw. nimmt auch am sozialen Leben teil. Außerdem ist er in seiner Freizeit auch aktiv und betreibt zahlreiche Sportarten mit Freunden, wie den zahlreich vorgelegten Schreiben zu entnehmen ist.
Einer Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit waren bis zur Entscheidung des BVwG vom 23.11.2020, Zl. W200 2193259-1/17, lediglich ausländerbeschäftigungsrechtliche Regelungen entgegengestanden. Der Beschwerdeführer hatte bereits zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, im Lehrlingsverhältnis als Restaurantfachmann beim Catering-Unternehmen „ XXXX “ sowie als Betriebs- und Lagerlogistiker im Unternehmen „ XXXX “ zu arbeiten zu beginnen. Entsprechende Einstellungszusagen vom 06.08.2020 bzw. 29.09.2020 hatte er vorgelegt.
Bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte er glaubhaft dar, künftig weitere Integrationsschritte setzen zu wollen und eine Arbeit anzunehmen, um zukünftig für sich sorgen zu können.
Seitens der XXXX wurde nach der - mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020 - erteilten Aufenthaltsberechtigung plus mit dem Beschwerdeführer auch tatsächlich ein Lehrvertrag ab 11.01.2021 in der Dauer von 3 Jahren als Betriebslogistikkaufmann abgeschlossen. Der Beschwerdeführer begann seine Lehre am 11.01.2021, ehe sie am 26.03.2021 im Zuge der Aufhebung der Aufenthaltsberechtigung plus (mit Erkenntnis des VwGH) mangels Zugang zum Arbeitsmarkt wieder beendet werden musste. In dieser Zeit erzielte er ein eigenes Einkommen. Der Beschwerdeführer legte seit dem ersten Tag ein hohes Engagement an den Tag, war wissbegierig und ein äußerst engagierter Mitarbeiter, was sich in seiner Arbeitsweise widerspiegelte. Das Unternehmen war mit dem Lernfortschritt, der Leistung sowie der Persönlichkeit des Beschwerdeführers überaus zufrieden und er ist eine gute Ergänzung zu ihrem bestehenden Team. Das Unternehmen würde das Lehrverhältnis mit dem Beschwerdeführer nach wie vor gerne fortsetzen und ihn nach abgeschlossener Lehrzeit in Festanstellung beschäftigen. Der Beschwerdeführer besucht seit dem 19.04.2021, somit nach erfolgter Beendigung des Lehrverhältnisses, die Internationale Klasse der Freien Waldorfschule Graz und erhält Unterricht in den Gegenständen Deutsch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Musik und Gartenbau im Gesamtumfang von 23 Wochenstunden.
Vor diesem Hintergrund und den bereits weit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers kann davon ausgegangen werden, dass dieser seinen Lebensunterhalt in naher Zukunft wieder unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen bestreiten können wird.
Durch die glaubhaften und nachweislichen Bemühungen, sich künftig durch legale selbständige Arbeit die Mittel für seinen Unterhalt zu beschaffen und unabhängig von der Unterstützung durch die öffentliche Hand leben zu wollen, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er seine Integration in Österreich von Beginn an erfolgreich betrieben hat und auch bereits von einem ausreichenden Grad an Integration ausgegangen werden kann.
Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer über die gesamte Zeit hindurch unbescholten geblieben und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, wobei die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl VwGH 25.2.2010, 2010/0018/0029).
In die Interessenabwägung ist weiteres die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Der VwGH hat zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl dazu VwGH 30.7.2015, 2014/22/0055; 23.6.2015, 2015/22/0026; 10.11.2010, 2008/22/0777, 26.6.2007, 2007/01/0479). Allerdings sprach der VwGH ebenso aus, dass nicht schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen sei. Da es sich bei der Aufenthaltsdauer um einen von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umständen handelt, ist die Annahme eines "Automatismus", wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren jedenfalls abzuweisen wäre, verfehlt (vgl VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055, 28.1.2016, Ra 2015/21/0191). Vor dem Hintergrund des nunmehr bereits über fünfjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann somit nicht gesagt werden, dass eine in diesem Zeitraum in diesem Ausmaß erlangte Integration, wie sie im Fall des Beschwerdeführers vorliegt, keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen kann.
Auch die mit der fortgeschrittenen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet korrelierende abnehmende Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat begründet vor dem Hintergrund der intensiven sozialen Kontakte des Beschwerdeführers in Österreich ein überwiegendes Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich zumal er auch ein sehr inniges freundschaftliches Verhältnis zu seiner Patin und deren Familie und Freunden hat. Mit Ausnahme seines Onkels hat er hingegen keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass der Beschwerdeführer im Alter von 15 Jahren ausgereist und nach Österreich gekommen ist, sohin in einem besonders vulnerablen Alter und er dadurch in Österreich wesentlich geprägt wurde. Vor dem Hintergrund der bisher unternommenen, überaus erfolgreichen Anstrengungen des als Minderjähriger eingereisten Beschwerdeführers und des sich daraus entwickelten, schützenswerten Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich würden die Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Im gegenständlichen Fall kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass er die in Österreich verbrachte Zeit nicht genützt hätte, um sich sozial und schulisch bzw. beruflich zu integrieren. Im Gegenteil hat er sich während seiner über fünfjährigen Aufenthaltsdauer - wie bereits oben ausgeführt - sehr erfolgreich bemüht, sich umfassend zu integrieren. Zudem vermag das Verhalten des Beschwerdeführers nicht nahezulegen, dass von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch seine Person auszugehen ist. Er hat einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht, der sich nicht zuletzt im erfolgreichen Erwerb von sehr guten Deutschkenntnissen, dem langjährigen Schulbesuch sowie der positiven Erlangung des Pflichtschulabschlusses im Juli 2020 und Integrationsprüfung sowie der (vorübergehenden) Erlangung einer Lehrstelle manifestiert.
Die integrationsbegründenden Umstände, die beim Beschwerdeführer im festgestellten Ausmaß vorliegen, sind auch nicht dadurch gemindert, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen und nicht damit rechnen hätte dürfen, in Österreich bleiben zu können. Diesem Umstand kommt im konkreten Einzelfall insofern weniger Gewicht zu, als der Beschwerdeführer - wie auch bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020, Zl. W200 2193259-1/17E, festgestellt wurde - als Minderjähriger eingereist war und die ersten Jahre seines Aufenthalts somit minderjährig war, er seinen unsicheren Aufenthalt somit nicht erkennen konnte.
Berücksichtigt man all diese Aspekte, so überwiegen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt die aus den erwähnten Umständen in ihrer Gesamtheit erwachsenden privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet und an der Fortführung seines bestehenden Privatlebens in Österreich die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art 8 Abs 2 EMRK erweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind.
Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. – V. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig erklärt wird.
Gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I Nr 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl I Nr 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 leg cit vorliegt.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl I Nr 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitelt "Rot-Weiß-Rot Karte" gemäß § 41 Abs 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl I Nr 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
§ 11 IntG lautet:
"(1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab durchgeführt.
(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.
(3) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Qualifikationen der Prüfer sowie die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 werden durch Verordnung der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres festgelegt."
Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich bei einer "Aufenthaltsberechtigung" für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.
Im Fall des Beschwerdeführers sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" jedenfalls als erfüllt anzusehen:
Der Beschwerdeführer hat das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Abs 4 IntG erfüllt, da er den geforderten Integrationsnachweis mit Vorlage seiner bestandenen ÖSD Integrationsprüfung A2 vom 12.06.2019 nachgewiesen hat.
Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 im Falle des Beschwerdeführers in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer diesen betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind und er im Bundesgebiet die Absolvierung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nachgewiesen hat, ist ihm eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.
Da mit der Zuerkennung der Aufenthaltsberechtigung die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides wegfallen, ist dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der Beschwerdeführer hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern stellt die Entscheidungsfindung ausschließlich das Resultat einer eingehenden Glaubwürdigkeitsauseinandersetzung, basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben des Beschwerdeführers, dar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse Ersatzentscheidung Integration Interessenabwägung Privatleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2193259.1.00Im RIS seit
13.10.2021Zuletzt aktualisiert am
13.10.2021