TE Bvwg Beschluss 2021/8/5 W170 2244395-1

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Veröffentlicht am 05.08.2021
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Entscheidungsdatum

05.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SDG §14
SDG §4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W170 2244395-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 02.06.2021, Zl. 100 Jv 777/21p-5a, beschlossen:

A) Der Bescheid wird gemäß §§ 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) hat mit Antrag vom 08.02.2021 an die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien (in Folge: Behörde) angesucht, als Dolmetscher für Tschetschenisch in die von der Behörde geführte Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher eingetragen zu werden. Der Antrag wurde ausdrücklich nur für mündliche Dolmetschleistungen gemäß § 14 Z 5a SDG gestellt.

Nach Durchführung von Erhebungen wurde die Begutachtungskommission von der Behörde mit Schreiben vom 19.02.2021, Zl. 100 Jv 777/21p-5a, ersucht, die erforderlichen Schritte zur Erstattung eines Gutachtens zu veranlassen.

Am 21.05.2021 wurde der Beschwerdeführer von der Begutachtungskommission einer Prüfung unterzogen, die auch schriftliche Dolmetschleistungen umfasste und von der Kommission insgesamt negativ beurteilt wurde.

Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde daher der Antrag abgewiesen, der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10.06.2021 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2021, am selben Tag zur Post gegeben, wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben.

Die Behörde kann schneller und billiger beurteilen, ob es für Dolmetscherleistungen in Tschetschenisch – Tschetschenien ist als Teil des Kaukasus geografisch dem Kontinent Asien zuzurechnen – einen dringenden Bedarf gibt, hier müsste das Bundesverwaltungsgericht erst Erhebungen bei der Behörde tätigen. Auch die Bestellung der Begutachtungskommission kann durch die Behörde schneller und einfacher erfolgen, weil diese die Liste der richterlichen Vorsitzenden zur Verfügung hat, die sich das Bundesverwaltungsgericht erst beschaffen müsste.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und aus dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht den Bedarf an Tschetschenisch-Dolmetschern ebensowenig beurteilen kann, wie es direkten Zugriff auf die Liste der richterlichen Vorsitzenden der Begutachtungskommission hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 14 SDG gilt für den (allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten) Dolmetscher der II. Abschnitt mit Ausnahme des § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben b, f und i sowie des § 2a (mit in weiterer Folge, soweit relevant, darzustellenden Besonderheiten) sinngemäß.

Gemäß §§ 4 Abs. 1 1. Satz, 14 SDG darf die Eintragung des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetschers nur auf Grund eines schriftlichen Antrags vorgenommen werden. Gemäß §§ 4 Abs. 2 4. Satz, 14 SDG hat der entscheidende Präsident über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a (hier relevant: Sachkunde, d.h. Sprachkenntnis) und b sowie Z 1a SDG eine begründete Stellungnahme einer Kommission (§ 4a) einzuholen, gemäß § 14 Z 5a SDG kann der Präsident des Landesgerichts bei dringendem Bedarf in außereuropäischen Sprachen auf Antrag des Bewerbers eine Beschränkung des sachlichen Wirkungsbereichs auf die Erbringung mündlicher Dolmetschleistungen in einer solchen Sprache vorsehen; diesfalls hat sich die Prüfung der Sachkunde für die jeweilige Sprache auf mündliche Dolmetschtätigkeiten zu beschränken.

Das bedeutet, dass das Verfahren zur Entscheidung über den Antrag vorgezeichnet ist. Vor der Befassung der Kommission hat die Behörde zu klären – soweit der Antrag ausdrücklich nur für mündliche Dolmetschleistungen gemäß § 14 Z 5a SDG gestellt wurde – ob es sich um eine außereuropäische Sprache handelt und es für entsprechende allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscher einen dringenden Bedarf gibt. Ist dies nicht der Fall, wäre der Antrag – ohne Durchführung einer Prüfung durch die Begutachtungskommission – zurückzuweisen, allerdings wäre dem Antragsteller zuvor gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu belehren gewesen, dass eine Einschränkung des Antrags im Sinne des § 14 Z 5a SDG nicht zulässig ist und wäre dieser aufzufordern gewesen, einen Antrag ohne diese Einschränkung zu stellen (zur Anleitungspflicht der Behörde: VwGH 26.04.2006, 2005/12/0117). Erst nach Ablauf der zu stellenden Verbesserungsfrist wäre daher zurückzuweisen gewesen.

Wenn es sich aber um eine außereuropäische Sprache handelt und es für entsprechende allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscher einen dringenden Bedarf gibt, hätte die Behörde die Begutachtungskommission auffordern müssen, die Prüfung im Sinne des § 14 Z 5a SDG durchzuführen, d.h. diese hätte die Prüfung der Sachkunde auf mündliche Dolmetschtätigkeiten zu beschränken gehabt.

Beides war hier nicht der Fall, die Behörde hat den Antrag wie einen Vollantrag behandelt – dass der Beschwerdeführer auch beim mündlichen Prüfungsteil durchgefallen ist, kann diesen Fehler nicht sanieren, weil nicht auszuschließen ist, dass er, wenn die Prüfung auf diesen Teil beschränkt gewesen wäre, die Prüfung bestanden hätte – und damit die zwingenden Vorgaben des Gesetzes verletzt. Daher wird das Ermittlungsverfahren auf Grund der schwerwiegenden Ermittlungsfehler der Behörde zu wiederholen sein.

Eine Kassation des Bescheides und eine Zurückverweisung der Sache ist zulässig (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063), wenn der Sachverhalt nicht feststeht, weil (unter anderem) die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat oder die Behörde ähnlich schwerwiegende Ermittlungsfehler begangen hat. Dies ist hier der Fall, weil die Behörde eine dem Gesetz entsprechende Überprüfung der Fachkenntnis des Beschwerdeführers nicht herbeigeführt hat, sondern die Fachkenntnis überschießend überprüfen hat lassen.

Da die Behörde – wie oben festgestellt – die Angelegenheit auch schneller erledigen kann, ist der Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Hinsichtlich der materiellen Fragen findet sich ein klarer Wortlaut des Gesetzes, hinsichtlich der formellen Fragen ist auf die zitierte Judikatur zu verweisen, es stellt sich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

Schlagworte

Begutachtungskommission Dolmetscher Dolmetscherliste Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2244395.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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