TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/12 W211 2239094-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2021
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Entscheidungsdatum

12.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W211 2239094-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die BF, eine volljährige iranische Staatsangehörige, stellte am XXXX 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Rahmen ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF an, im Iran musiziert zu haben, festgenommen und verprügelt sowie mit Elektroschocks behandelt worden zu sein. Sie sei bereits früher nach Österreich gekommen, um Musik zu studieren, aber 2015 wieder in den Iran zurückgereist. 2018 sei sie wiedergekommen, dann in die Schweiz gereist und wieder rücküberstellt worden. Sie verfüge im Iran noch über ihre Eltern und zwei Brüder. Im Protokoll vermerkt wurde, dass die BF an einer paranoiden Schizophrenie leide.

Ein Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie diagnostizierte am XXXX 2019, dass die BF an einer damals unbehandelten paranoiden Schizophrenie mit florid-psychotischer Symptomatik leide, wobei es sich dabei um eine schwere psychische Erkrankung handle. Sie sei nicht einvernahmefähig.

Mit Beschluss vom XXXX 2020 wurde das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung für die BF geprüft wurde, vom Bezirksgericht (BG) XXXX wegen der gesetzlichen Vorsehung einer Rechtsberatung im Zulassungsverfahren eingestellt.

Mit Beschluss des BG XXXX vom XXXX 2020 wurde eine einstweilige (mit Beschluss vom XXXX 2020 nicht mehr einstweilige) Erwachsenenvertreterin für die BF zur Vertretung vor Gerichten, Behörden, Sozialversicherungsträgern und gegenüber privaten Vertragspartnern und - partnerinnen bestellt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am XXXX 2021 ein Parteiengehör an die BBU, die von der Erwachsenenvertretung bevollmächtigt worden war, insbesondere zu den bisher geführten Ermittlungsergebnissen und der beabsichtigten Abweisung des Antrags der BF.

Mit Stellungnahme vom XXXX 2021 führte die Vertretung der BF zusammengefasst aus, dass es sich bei der BF um eine besonders vulnerable und schutzwürdige Frau handeln würde, die wegen ihrer Teilnahme an musikalischen Aktivitäten festgenommen worden sei. Sie befürchte, im Falle einer Rückkehr in den Iran ins Gefängnis zu müssen und wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung im Iran in eine ausweglose Lage zu geraten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ihr in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte der BF amtswegig eine Rechtsberatung zur Seite.

Das BG XXXX beendete mit Beschluss vom XXXX 2021 das Erwachsenenschutzverfahren, da eine Unterstützung der BF durch die BBU bestehen würde.

Die Vertretung der BF, die BBU, brachte am XXXX 2021 eine Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX 2021 ein und brachte zusammengefasst vor, dass die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt, nur mutmaßliche Feststellungen zum Leben der BF in Österreich getroffen und eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen habe. Die BF befürchte, im Iran wegen ihrer Teilnahme an Musikaktivitäten verfolgt zu werden. Auch habe sich die belangte Behörde bei der Beurteilung der Zuerkennung von subsidiärem Schutz nur auf Mutmaßungen bezogen. Weiter sei die Interessensabwägung bei der Rückkehrentscheidung mangelhaft geblieben.

Mit Schreiben vom XXXX 2021 wurde der Akt und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Mit Schreiben vom XXXX 2021 fragte das Bundesverwaltungsgericht schriftlich bei der BBU, der Vertretung der BF, an, ob diese sich zur Zeit in Behandlung befände, und wenn ja, wie diese Behandlung aussehe.

Mit Stellungnahme vom XXXX 2021 legte die Vertretung der BF, die BBU, ihre Vollmacht zurück und führte dazu aus, dass die Kontaktaufnahme mit der BF problematisch sei. Sie könne nur über einen Freund erreicht und um Rückruf ersucht werden. Eine mehrmalige Kontaktaufnahme habe keine Früchte gezeigt. Aus einer schließlich erfolgten Nachricht an die BBU gehe hervor, dass die BF nicht mehr von der BBU vertreten werden wolle. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der BF, weshalb beim zuständigen BG die neuerliche Bestellung einer Erwachsenenschutzvertretung beantragt werde.

Am XXXX 2021 unterzeichnete die BF ein Formular betreffend Unterstützungsleistungen für eine freiwillige Rückkehr. Am XXXX 2021 wurde dazu ein Widerruf protokolliert.

Aus Ungarn kam am XXXX 2021 die Nachricht, dass die BF mit ihrer österreichischen Asylkarte (§ 51 AsylG) an der rumänischen Grenze zurückgeschickt worden sei.

Mit Schreiben vom XXXX 2021 teilte die ÖB Teheran mit, dass sich die BF am heutigen Tage an diese gewandt und um Hilfe für die Rückreise nach Österreich gebeten habe. Sie habe angegeben, mit einem Heimreisezertifikat der iranischen Botschaft in Wien in den Iran gereist zu sein; ihr Pass befinde sich beim BFA. Es werde bemerkt, dass die BF angegeben habe, in ca. einem Monat zurück nach Österreich reisen zu wollen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur BF:

Die BF ist eine XXXX geborene iranische Staatsangehörige. Sie stammt aus Teheran, wo sich ihre Eltern und zwei erwachsene Brüder aufhalten.

Die BF leidet an einer paranoiden Schizophrenie mit florid-psychotischer Symptomatik. Sie ist nicht einvernahmefähig.

1.2. Zum Leben in Österreich:

Die BF verfügte in Österreich von September 2013 – September 2015 und von XXXX 2017- XXXX 2018 über Aufenthaltstitel der MA 35.

Die BF wurde zuletzt am XXXX 2019 aus der Schweiz nach Österreich überstellt und stellte daraufhin am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am XXXX 2021 hielt sich die BF an der rumänisch-ungarischen Grenze auf.

Jedenfalls am XXXX 2021 hielt sich die BF im Iran, in Teheran auf, wohin sie mithilfe eines Heimreisezertifikats der iranischen Vertretung in Österreich gereist war. Sie plant in ca. einem Monat nach Österreich zurückzukehren.

Die BF ist in Österreich nicht gemeldet und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

In Österreich lernte die BF etwas Deutsch und verfügt über Bekannte. Der BF verfügt in Österreich über keine engen familiären Bindungen.

1.3.    Zur maßgeblichen Situation Iran

a) Medizinische Versorgung (Letzte Änderung: 01.07.2021)

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 10.2020). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2020). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020, IOM 2020) und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).

Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2020). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2020).

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2020).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen 'Behvarz' (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise 'nahversorgt' werden. In Städten übernehmen sogenannte 'Gesundheitsposten' in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2020). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2020). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2020).

Es ist anzuführen, dass der Anteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2020).

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die 'Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste' (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die 'Imam Khomeini Stiftung', um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2020).

Für schutzbedürftige Gruppen in Iran gibt es zwei Arten von Zentren: öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familien usw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich, aber wie bereits erwähnt, gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden / Organisationen abgedeckt werden (IOM 2020).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen (ÖB Teheran 10.2020). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.12.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396#content_5, Zugriff 30.12.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 30.12.2020

?        IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4275%3Ahttps%3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dotdsintegration%2Eredirect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebamf%252Ede%252Fmilop%252Fcs%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&PreserveFragment=true, Zugriff 5.5.2021

?        Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf, Zugriff 11.1.2021

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 30.12.2020

b) Rückkehr (Letzte Änderung: 28.01.2021)

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus (AA 26.2.2020). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 26.2.2020). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2020).

Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regime-kritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 29.4.2020

?        Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administration/belgium/PLib/COI_Focus_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf, Zugriff 18.12.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 29.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 14.12.2020

c) Aus einer AB der Staatendokumentation vom 26.01.2011 (zur Behandelbarkeit von Anpassungsstörungen) geht hervor, dass zwar keine detaillierten Informationen über Krankenhäuser und Ärzte im Iran gegeben werden können, in denen bzw. die psychiatrische Krankheiten behandelt werden können bzw. behandeln, dass es aber viele Krankenhäuser für psychische Erkrankungen und über 600 Spezialisten für Psychiatrie in Teheran gibt.

Aus einer AB von ACCORD (12.06.2006, a-4907, zur Behandelbarkeit psychiatrischer Erkrankungen) geht ua hervor: Bezug nehmend auf Daten der World Health Organization (WHO) aus dem Jahr 2004 berichtet das UK Home Office in seiner "Operational Guidance Note: Iran" vom Dezember 2005 von 21% der iranischen Bevölkerung, die wahrscheinlich unter psychischen Krankheiten leiden würden. Gemäß einem Mandat des Gesundheitsministers aus dem Jahr 1997 seien dementsprechend 10% der Krankenbetten für psychiatrische PatientInnen vorgesehen. Im Bereich der Erstversorgung stünden sozialpsychologische Dienste mehr als einem Fünftel der städtischen und mehr als vier Fünftel der ländlichen Bevölkerung zur Verfügung.

Zur Frage der Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen berichtet der Iran bei den Ministerial Round Tables 2001 / World Health Assembly / World Health Organization (WHO), dass in Anschluss an ein Pilotprojekt aus dem Jahr 1987 Initiativen zur Steigerung des Bewusstseins für Fragen psychischer Gesundheit ergriffen worden seien. Durch ein weit reichendes Trainingsprogramm für medizinisches Personal und im Sozialbereich tätige Personen und die Eröffnung einer großen Zahl von Zentren für psychische Gesundheit sowohl in ländlichen, als auch in städtischen Gebieten, sei sozialpsychologische Betreuung nun 6% der ländlichen und 12% der städtischen Bevölkerung zugänglich. Mit dem Ziel einer Ausdehnung der sozialpsychologischen Programme im Jahr 2001 und danach sei das iranische Programm für psychische Gesundheit überarbeitet worden, ein neues Gesetz für psychische Gesundheit sei in Vorbereitung und es gebe Bestrebungen, die Zahl der ambulanten und stationären Zentren für psychische Gesundheit zu erhöhen.

1.4. Der BF droht im Falle einer Rückkehr in den Iran keine Gefährdung aus einem der Gründe, wie sie in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufgezählt sind.

1.5. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr: Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würden.

2. Beweiswürdigung:

Zu den Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.1. Die Feststellungen zum Geburtsjahr, Staatsangehörigkeit, zur Herkunft und zu den Angehörigen der BF gründen sich auf die diesbezüglich nicht zweifelhaften Angaben der BF im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Einvernahmefähigkeit beruht auf dem psychiatrisch/neurologischen Sachverständigengutachten vom XXXX 2019 (AS 259ff).

2.2. Die Feststellungen zur Antragstellung, zum Aufenthalt in der Schweiz und an der ungarisch-rumänischen Grenze sowie zur Heimreise ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Die Feststellungen zur fehlenden Meldung und zum fehlenden Leistungsbezug beruhen auf Auszügen aus dem GVS und aus dem ZMR vom heutigen Tag.

Die Feststellungen zum Leben in Österreich beruhen auf dem Verwaltungsakt; die Deutschkenntnisse der BF ergeben sich aus dem Emailverkehr, den sie mit der belangten Behörde führte, und ihre Bekanntschaften aus der Stellungnahme der BBU.

2.3.    Die Länderfeststellungen unter 1.3. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran sowie auf zwei oben näher bezeichneten Anfragebeantwortungen. An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen aus dem Länderinformationsblatt hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel. Die ABs hingegen sind schon älter, können aber einen ergänzenden Eindruck darüber vermitteln, wie mit der Behandlung von psychischen Erkrankungen im Iran umgegangen wird.

2.4. Es wird gegenständlich nicht übersehen, dass die BF an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, die Zweifel an der Verlässlichkeit ihrer Angaben im Verfahren aufkommen lassen kann sowie bei Fragen einer Rückkehr mitberücksichtig werden muss.

Die Feststellung zur fehlenden Gefährdung der BF im Falle einer Rückkehr gründet sich einerseits darauf, dass die BF selbst bereits einer freiwilligen Rückkehr zustimmte – wobei nicht übersehen wird, dass sie diese Zustimmung widerrief. Dennoch reiste die BF, unter Zuhilfenahme und Organisation eines Heimreisezertifikats, selbständig in den Iran zurück und gab zwar bei der ÖB Teheran an, wieder nach Österreich zu wollen, dies aber erst in ca. einem Monat. Aus der freiwilligen Heimkehr wie auch aus dem Faktum, dass die BF der ÖB Teheran gegenüber keinen dringlichen Wunsch äußerte, nach Österreich zurück zu kehren, lässt sich die nachvollziehbare Sorge einer Gefährdung nicht ableiten.

Auch geben die aktuellen Länderinformationen keinen Hinweis darauf, dass insbesondere psychisch kranke Menschen im Iran einer besonderen Gefährdung, zB als bestimmte, abgegrenzte Gruppe, ausgesetzt wären. Auch die in der Stellungnahme vom XXXX 2021 zitierten Länderinformationen geben keine Auskunft über eine besondere Gefährdung der BF wegen ihrer Erkrankung. Dass es zu Problemen mit einer psychischen Betreuung in Haftanstalten kommen kann, wird nicht angezweifelt, allerdings ergibt sich aus dem Verfahrensverlauf und auch aus der aktuellen Heimreise der BF kein Hinweis darauf, dass die BF tatsächlich mit einer Haft im Iran bedroht wäre, weshalb diese Berichtslage nicht relevant ist.

Die Länderinformation zur medizinischen Grundversorgung im Iran weisen im Gegenteil darauf hin, dass es grundsätzlich im Land auch Behandlungsmöglichkeiten für schutzbedürftige Gruppen, wie psychisch Kranke, gibt. Dass diese Behandlung uU mit Wartezeiten oder mit einem finanziellen Aufwand verbunden ist, wird nicht übersehen. Allerdings ergeben sich aus dem Verfahren auch keine Hinweise darauf, dass die BF keinen Zugang zu einer Behandlung im Iran haben würde.

Dass mit einer so schweren psychischen Erkrankung wie jener der BF ein soziales Stigma im Iran einhergehen kann, wird nicht verkannt und auch nicht übersehen. Dass ein solches mit entsprechender Schwere jedoch insbesondere auf die BF zutrifft, kann aus den Verfahrensergebnissen nicht abgeleitet werden: sie verfügt im Iran noch über ihre Eltern und zwei erwachsene Brüder und kann daher in Fragen der Lebensführung bzw. auch in Lebensbereichen, in denen sie uU durch ihre Krankheit schlechter gestellt wäre, als andere Menschen, auf die Unterstützung ihrer Familie zählen. Dass sie daher von Arbeitslosigkeit oder Obdachlosigkeit aufgrund ihrer Krankheit und deren Auswirkungen im Besonderen betroffen wäre, lässt sich nicht erkennen.

Gegen eine Gefährdung wegen einer Beteiligung an unerwünschten oder illegalen musikalischen Aktivitäten spricht, dass die BF freiwillig und nach Botschaftskontakt in den Iran zurückreiste. Eine solche kann daher nicht angenommen werden. Das gleiche gilt für die in der Beschwerde dargestellte Gefährdung der BF als Frau im Falle einer Rückkehr.

Eine Gefährdung der BF aus einem der Gründe, wie sie in der GFK abschließend aufgezählt sind, lässt sich den Verfahrensergebnissen daher nicht entnehmen.

2.5. Zur Rückkehrsituation der BF: Der Umstand, dass die BF im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, ergibt sich in erster Linie aus ihrer persönlichen Situation: Die BF entschloss sich zur freiwilligen Heimreise in den Iran und kann dort auf die Unterstützung ihrer Eltern und zweier erwachsener Brüder zurückgreifen. Entsprechende Anhaltspunkte dafür, dass die BF daher im Falle einer Rückkehr in den Iran in eine aussichtslose Lage geraten würde, lassen sich den Verfahrensergebnissen nicht entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Asylabweisung:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn sie einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Für die BF haben sich im Verfahren unter Berücksichtigung ihrer Angaben, ihrer Krankheit und der aktuellen Länderberichte keine Hinweise darauf ergeben, dass sie im Falle einer Rückkehr in den Iran einer aktuellen oder maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr wegen ihrer politischen oder religiösen Gesinnung, ihrer Ethnie, Nationalität oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe unterliegen würde.

Für die BF konnte daher keine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität festgestellt werden, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids abzuweisen war.

3.2.    Zur Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist der Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status der Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Aus dem Verfahren ergaben sich keine Hinweise darauf, dass der BF im Falle einer Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohen würde. Die BF verfügt im Iran über Familienangehörige, von denen sie Unterstützung in der Lebensführung und auch der Behandlung ihrer Krankheit erwarten kann. Dafür spricht insbesondere auch, dass die BF freiwillig in den Iran zurückkehrte, wo sie sich zur Zeit aufhält.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids abzuweisen war.

3.3      Zum Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG, zur Rückkehrentscheidung, zur Zulässigkeit der Abschiebung, zur Frist für die freiwillige Ausreise

3.3.1.  Nach § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Fremde sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist weiter eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, die Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn die Drittstaatsangehörige, die im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Die BF hält sich nicht mehr im Bundesgebiet auf, weshalb eine entsprechende Aufenthaltsbewilligung nach § 57 AsylG nicht erteilt werden kann.

3.3.2. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben der Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt der Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat der Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben der Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes der Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger_innen oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation der Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse der Fremden auf Fortsetzung ihres Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse der Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt der Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration der Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes der Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (EGMR, Maslov/Österreich, 23.06.2008, 1638/03, RN 63). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration der Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Die BF hält sich nicht mehr in Österreich auf, weshalb ein Eingriff in das Privatleben der BF in Österreich durch eine Rückkehrentscheidung bereits als vernachlässigbar angesehen werden muss. Sie verfügt in Österreich auch über keine familiären Bande, und hielt sich außerdem zuletzt nur etwas mehr als zweieinhalb Jahre im Land auf, wobei in dieser Zeit von keinen besonderen Integrationserfolgen gesprochen werden kann.

Hingegen verbrachte sie den Großteil ihres Lebens im Iran, ist dort sozialisiert, verfügt dort über Familienangehörige und wohl auch über ein soziales Netzwerk. Darüber hinaus kehrte sie im Sommer 2021 freiwillig in den Iran zurück.

Der Aufenthalt der BF in Österreich ist damit bereits durch ihre Aufenthaltsdauer zu kurz, um von einer belastbaren Entwicklung privater Interessen an einem Verbleib im Sinne des Art. 8 EMRK sprechen zu können. Im Lichte dieses damit relativ kurzen Aufenthalts in Österreich, dem die weit längere und wesentlichere soziale Bindung im Iran gegenüberzustellen ist, sowie im Lichte ihrer Rückkehr in den Iran können die Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung und an einem geordneten Fremdenwesen nicht überwiegen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die privaten Interessen der BF am Verbleib im Bundesgebiet (vgl dazu VfSlg 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass der BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt, was auch gegenständlich nicht der Fall ist.

Dem BFA ist daher beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der angefochtene Bescheid einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

3.3.3. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung der Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 51 Abs. 1 FPG auf Antrag der Fremden zu entscheiden, ob die Abschiebung gemäß § 50 FPG unzulässig ist. Bezieht sich ein Antrag gemäß § 51 Abs. 1 FPG auf den Herkunftsstaat der Fremden, gilt dieser Antrag gemäß § 51 Abs. 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist nach den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für die Betroffene als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben der Betroffenen oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

Aus dem Verfahren kamen keine Gründe hervor, die die Annahme erlauben würden, dass eine Abschiebung der BF in den Iran nach § 50 FPG unzulässig ist.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht gegenständlich nicht. Eine Abschiebung der BF in den Iran ist (wäre) daher zulässig.

3.3.4. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Besondere Umstände, die gegen die in § 55 Abs. 2 FPG vorgesehene Frist sprechen würden, wurden von der BF nicht behauptet und sind auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind. Die Frist ist daher zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

3.3.5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. - VI. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter 3. dargestellte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behandlungsmöglichkeiten Glaubhaftmachung Intensität Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz medizinische Versorgung non refoulement öffentliches Interesse psychische Erkrankung Rückkehrentscheidung Rückkehrsituation soziales Netzwerk Verfolgungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2239094.2.01

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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