TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/12 W254 2244588-1

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Veröffentlicht am 12.08.2021
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Entscheidungsdatum

12.08.2021

Norm

AVG §61 Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §27 Abs2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

Spruch


W 254 2244588-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde des mj. Erstbeschwerdeführers XXXX XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion Oberösterreich vom 21.06.2021, Zl. Präs/3a-103-2/76-2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt 1. des Bescheides lautet:

„1. Die Teilnahme des mj. XXXX XXXX an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2021/22 wird gemäß § 11 Schulpflichtgesetz (SchPflG) untersagt XXXX XXXX hat im Schuljahr 2021/22 die Schulpflicht durch den Besuch an einer öffentlichen Schule bzw. einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der am XXXX geborene Erstbeschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2020/21 die 6. Schulstufe der 2. Klasse der Mittelschule XXXX , die er nicht positiv abschließen konnte, da er in den Gegenständen Mathematik, Deutsch und Englisch mit „Nicht genügend“ beurteilt wurde.

Am 11.06.2021 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin mittels ausgefüllten Formular die Teilnahme an häuslichem Unterricht gemäß § 11 Abs. 3 des Schulpflichtgesetzes (SchPflG) an. Diesem war ein Begleitschreiben angefügt, in welchem die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere ausführte, dass sie den Besuch der Mittelschule wegen der Corona bedingten Auflagen nicht befürworte und der Erstbeschwerdeführer die Schulstufe im „Home Schooling“ wiederholen solle. Der Erstbeschwerdeführer habe große Lücken in den Hauptfächern.

2.       Mit Bescheid der Bildungsdirektion Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 21.06.2021, zugestellt am 30.06.2021 wurde in Spruchpunkt 1. die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers am häuslichen Unterricht nach dem Lehrplan der 2. Schulstufe der MS XXXX für das Schuljahr 2021/22 untersagt.

In Spruchpunkt 2. des Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin über keine Kenntnisse vom einschlägigen Lehrplan verfüge und der Erstbeschwerdeführer Schwächen im Bereich der Ordnung und Organisation habe.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde unter anderem ausgeführt, dass eine Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen möglich sei.

3.       Mit Schreiben vom 14.07.2021 wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben und dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin mit der Ablehnung des Antrags nicht einverstanden sei. Unter anderem brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass aufgrund eines Missverständnisses die Behörde fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass sie sich nicht mit dem Lehrstoff auskenne. Sie verstehe auch nicht, weshalb nicht auf die Möglichkeit eines Gesprächs zurückgegriffen worden sei.

4.       Die gegenständliche Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt wurde am 22.07.2021 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, ohne von der Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der schulpflichte Erstbeschwerdeführer hat im Schuljahr 2020/21 die 6. Schulstufe der 2b Klasse der Mittelschule XXXX nicht erfolgreich abgeschlossen, da er in den Unterrichtsgegenständen, Deutsch, Englisch und Mathematik mit „Nicht genügend“ beurteilt wurde, weshalb er diese Schulstufe wiederholen muss.

Die Anzeige des häuslichen Unterrichts für das Schuljahr 2021/22 wurde von der Bildungsdirektion Oberösterreich untersagt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Die Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer die 6. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen hat, ergibt sich aus dem von der belangten Behörde übermittelten Schülerstammblatt sowie dem Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin. Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A)

3.1.1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Gemäß § 27 Abs. 2 Schulpflichtgesetz beträgt in den Fällen des § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz die Frist zur Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht fünf Tage. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides ist jedoch fälschlicherweise eine Beschwerdefrist von vier Wochen angeführt.

§ 61 Abs. 3 AVG regelt für den Fall, dass im Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist, dass das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig gilt.

Aufgrund dieser Regelung gilt die Beschwerde vom 14.07.2021 als rechtzeitig.

3.1.2.  Zur Frage der Erfüllung der Schulpflicht bzw. Zulässigkeit der Teilnahme an häuslichem Unterricht:

Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz 1985 dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985 kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG veran-kerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Aus-bildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 11 Abs. 4 SchPflG, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nach-gewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 leg. cit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).

3.1.3.  Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der schulpflichtige Erstbeschwerdeführer hat das Schuljahr 2020/21 nicht erfolgreich abgeschlossen und muss die 6. Schulstufe wiederholen.

Aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat.

Folglich ist ein Wiederholen einer Schulstufe nur im Rahmen eines Schulbesuches an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zulässig.

Vor diesem normativen Hintergrund war die Beschwerde bereits abzuweisen. Bei der Rechtsanwendung hat das Verwaltungsgericht ohne Bindung an die Rechtsmeinung der Verwaltungsbehörde oder der Beschwerde vorzugehen (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 836).

Da bereits aufgrund des Umstandes, dass das Schuljahr 2020/21 nicht erfolgreich abgeschlossen wurde, der häusliche Unterricht zu untersagen war, ist auf die Frage der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts nicht mehr einzugehen.

Ein gesonderter Abspruch über die aufschiebende Wirkung in Spruchpunkt 2. des Bescheides erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung. Abgesehen davon stellte die Zweitbeschwerdeführerin keinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind (vgl. VwGH vom 12.04.2021, Ra 2021/03/0016). Außerdem ist das Schulrecht weder von Art. 6 EMRK und noch von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Wie bereits in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, stützt sich das vorliegende Erkenntnis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzulässigkeit der Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen des häuslichen Unterrichts (vgl. VwGH vom 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht häuslicher Unterricht negative Beurteilung öffentliche Schule Öffentlichkeitsrecht Pflichtgegenstand Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittelfrist Spruchpunkt - Abänderung Untersagung Wiederholen einer Schulstufe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2244588.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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