Entscheidungsdatum
18.08.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L525 2159758-1/27E
AUSFERTIGUNG DES AM 09.07.2021 VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. ZÖCHLING über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan vertreten durch BBU GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung öffentlich mündlicher Verhandlungen am 17.12.2020 und am 09.07.2021 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer – ein pakistanischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 26.7.20215 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 27.7.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Ausreisegründen befragt gab der Beschwerdeführer an er habe sein Land wegen der Taliban, weil er Schiite sei, verlassen. Sonst habe er keinen weiteren Fluchtgrund. Im Falle der Rückkehr in sein Heimatland habe er Angst um sein Leben, konkrete Hinweise auf staatliche Sanktionen im Falle der Rückkehr gäbe es keine.
Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge am 3.8.2016 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Befragt gab der Beschwerdeführer an, er stamme aus Parachinar, sei pakistanischer Staatsbürger, bekenne sich zum schiitischen Glauben und zur Volksgruppe der Paschtunen (Turi) und sei nie politisch tätig gewesen. Sein Reisepass sei im Iran gestohlen worden samt seinem Personalausweis. Er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er sei verheiratet und habe drei Kinder. Er habe in Pakistan ein großes Haus und er habe in Pakistan ein großes Geschäft gehabt, das Autoteile verkauft habe. Sein Vater und seine beiden Brüder würden in Dubai arbeiten. Er sei 2004 für ein paar Monate in Dubai gewesen. Seine Frau und seine Kinder und seine restliche Familie würde sich in seinem Heimatort in Pakistan befinden. Der Beschwerdeführer habe acht Jahre die Grundschule besucht und nach dem Abbruch der Schule habe er zunächst auf einem Feld gearbeitet und dann habe er das Geschäft eröffnet. Sein Onkel väterlicherseits würde jetzt das Geschäft führen. Der Beschwerdeführer verfüge außerdem über sechs Häuser in Parachinar, welche er vermieten würde. Er habe keine Probleme mit staatlichen Institutionen oder Behörde in Pakistan, aber er habe Probleme aufgrund seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit. Er habe im Mai 2015 Pakistan illegal verlassen. Zu seinen konkreten Ausreisegründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe als Busfahrer für Schüler gearbeitet. Am 22.1.2015 habe er dann einen Drohbrief der Taliban erhalten. Er habe den Brief vor der Tür seines Geschäftes gefunden. Er habe von Afghanistan die Autoteile gekauft und in Pakistan weiterverkauft. Die Taliban hätten ihn bedroht, dass er die Mädchen nicht in die Schule bringen solle, er habe aber weitergemacht. Am 27.4.2015 habe er den zweiten Drohbrief erhalten. Am 6. oder 7. Mai 2015 habe er dann Pakistan verlassen. Acht Personen hätten die Taliban entführt und bei vier hätten diese dann viel Geld kassiert und dann freigelassen. Bei weiteren vier Personen würde keiner wissen, wo sie sich befinden. Der Beschwerdeführer legte im Zuge der Einvernahme Drohbriefe und medizinische Unterlagen vor, sowie Empfehlungsschreiben, ein Schreiben eines schiitischen Vereins in Pakistan über die allgemeine Situation in Pakistan, ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Wohnsitzbestätigung aus Pakistan und seine Kopie seiner Heiratsurkunde.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl holte in weiterer Folge ein internistisches Gutachten ein mit dem Auftrag die vorgelegten Befunde auszuwerten und mit der Frage, falls Krankheiten festgestellt werden, diese einer Abschiebung entgegenstehen würden. Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer – soweit es das Fachgebiet der Inneren Medizin beträfe – an einer chronischen Leberentzündung auf Basis einer Hepatitis B leide. Eine fortgeschrittene Lebererkrankung bestünde nicht. Unabhängig davon bestehe beim Beschwerdeführer die Diagnostik eines Krampfanfallsgeschehens sowie eines Kavernoms, also eines cerebralen Geschehens. Dies überschreite das Fachgebiet der Inneren Medizin. Ausgehend vom Fachgebiet der Inneren Medizin bestünden keine Erkrankungen, die einer Abschiebung entgegenstehen würden.
Das Bundesamt holte in weiterer Folge ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Die seitens der belangten Behörde gestellten Fragen beantwortete der Sachverständige dahingehend, als dass der Beschwerdeführer an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion, sowie an chronischen Kopfschmerzen nach Kraniotomie leide. Eine posttraumatische Belastungsstörung mit erhöhter Suizidgefahr bzw. der Gefahr einer lebensbedrohlichen Verschlechterung liege nicht vor. Der Beschwerdeführer sei zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derart orientiert, dass er in der Lage sei, im Asylverfahren schlüssig und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Von einer längeren Behandlungsbedürftigkeit sei nicht auszugehen.
Der Beschwerdeführer übermittelte abermals Befundberichte und eine Bestätigung über einen A2 Kursbesuch.
Im Akt befinden sich darüber hinaus auch zwei Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation, wonach Hepatits B und C in Pakistan behandelbar seien und durch einen Arzt in der medizinischen Grundversorgung gewährleistet werde. Ebenso seien psychische Erkrankungen in Pakistan behandelbar und es sei nach Informationen der Staatendokumentation nicht üblich, dass "Normalbürger" Drohbriefe von den Taliban erhalten würden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 02.05.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.)
Begründend führte das BFA aus, der Beschwerdeführer habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Stichhaltige Gründe für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder Todesstrafe im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan seien nicht hervorgekommen. Da auch kein Familienleben, schutzwürdiges Privatleben oder eine berücksichtigungswürdige Integration in Österreich stattgefunden hätte, wäre auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und die Abschiebung aus dem Bundesgebiet zu veranlassen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte begründend aus, der Beschwerdeführer halte seine Aussagen inhaltlich aufrecht. Seines Erachtens ergebe sich eine asylrelevante Verfolgung. Der Beschwerdeführer habe Drohbriefe erhalten, damit er mit den Busfahrten für Mädchen aufhöre. Der Beschwerdeführer habe versucht diesen Drohungen zu entgehen und habe seinen Bus verkauft und einen kleinen PKW gekauft. Nach Erhalt des zweiten Drohbriefes habe er das Land verlassen. Falls seinem Vorbringen keine Asylrelevanz zugebilligt werden sollte, so stelle der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, weil ihm im Falle der Abschiebung nach Pakistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK drohe. Im Falle der Rückkehr wäre er einem Klima ständiger Angst Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie "einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen" ausgesetzt.
Das erkennende Gericht führte am 17.12.2020 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer samt seiner Vertretung erschien. Der Beschwerdeführer legte dabei medizinischer Unteralgen und Integrationsschreiben bzw. –bestätigungen vor. Zur Stellungnahme wurden weiters Länderinformationen zur Behandelbarkeit von Epilespie und Hepatitis B in Pakistan überreicht. Die Vertreterin erstattete auch eine Stellungnahme im Zuge der mündlichen Verhandlung.
Das erkennende Gericht holte in weiterer Folge ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein zur Frage des konkreten Krankheitsbildes des Beschwerdeführers aufgrund der in der mündlichen Verhandlung und im Verfahren vorgelegten Unterlagen vor. Der Sachverständigte setzte sich dabei insbesondere mit der Frage der auseinander, ob die medizinischen Probleme des Beschwerdeführers lebensbedrohlich seien, ob die derzeit verabreichten Medikamente auch ersetzt werden könnten, ob die Hepatitis B Erkrankung des Beschwerdeführers Auswirkungen auf den medizinischen Zustand des Beschwerdeführers habe bzw. ob ein Zusammenhang zu einem höheren Risiko erkennbar sei, an einem schweren Covid-19 Verlauf zu erkranken und ob die Absetzung der Medikamente potentiell lebensbedrohlich sei.
Nach Erstattung des Gutachtens holte das erkennende Gericht eine Stellungnahme der Staatendokumentation ein, ob die im neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen erwähnten Medikamente, die der Beschwerdeführer einnimmt, in Pakistan verfügbar seien und ob es in der angefragten Provinz in Pakistan, nämlich Khyber Pakhtunkhwa, eine neurologische Betreuung gäbe.
Die Staatendokumentation erstatte mit Schreiben vom 29.4.2021 eine Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 3.5.2021 übermittelte das erkennende Gericht dem Beschwerdeführer (bzw. dem Vertreter) das Gutachten und die Stellungnahme der Staatendokumentation zum Parteiengehör.
Das erkennende Gericht führte am 9.7.2021 abermals eine mündliche Verhandlung durch zu welcher der Beschwerdeführer mit seinem Vertreter erschien. Die belangte Behörde entsandte abermals keinen Vertreter. Dem Beschwerdeführer wurden in aktuellen Corona-Zahlen zu Pakistan zur Stellungnahme überreicht. Der Vertreter verwies dahingehend auf das bisherige Vorbringen. Der Beschwerdeführer legte eine aktuelle Medikamentenverordnung vor, einen Termin für ein Schädel-MRI, ein Schreiben seiner Ärztin und eine Bestätigung vom Roten Kreuz vom 7.7.2021.
Nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus Pakistan und wuchs in einem Dorf in der Näher von Parachinar auf. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum schiitischen Glauben und zur Volksgruppe der Paschtunen. Der Beschwerdeführer wuchs im Dorf Barkai auf und hat dort acht Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer arbeitete nach der Schule zunächst in der Landwirtschaft, später verkaufte der Beschwerdeführer in seinem eigenen Geschäft Autos und Ersatzteile. Das Geschäft befindet sich in Parachinar City und wird aktuell vom Bruder und vom Onkel väterlicherseits betrieben. Der Vater und ein weiterer Bruder arbeiten in Dubai. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt in Parachinar City mehrere Häuser und werden diese vermietet. Die finanzielle Situation ist gut. Der Beschwerdeführer ist verheiratet in Pakistan und hat drei minderjährige Kinder. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit seiner Familie.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.
Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.
1.3. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit Juli 2015 im Bundesgebiet. Verwandte oder Familie des Beschwerdeführers befinden sich nicht im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Arbeit nach und befindet sich durchgehend seit 2015 in Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, wobei er kein Sprachzertifikat erworben hat. Eine Unterhaltung mit dem Beschwerdeführer auf Deutsch ist nicht möglich. Der Beschwerdeführer engagiert sich gelegentlich ehrenamtlich beim Roten Kreuz und hat 2018 insgesamt 120 Stunden im Rahmen eines sozialen Projektes für Asylwerber bei der Stadt Salzburg mitgearbeitet. Der Beschwerdeführer hat losen Kontakt mit einer österreichischen Familie und hat am 27.7.2020 an einer Dialogrunde zum Thema Gesundheit für Alle teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist gerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer leidet an einer Hepatitis B Erkrankung, wobei der Verlauf nicht schwerwiegend ist und keine fortgeschrittene Lebererkrankung besteht. Beim Beschwerdeführer besteht außerdem eine Temporallappenepilepsie linkshirnig, die ihre Ursache in einem Cavernom links temporal, welcher 2015 festgestellt wurde, gründet. Am Beschwerdeführer wurde eine Cavernomexstripation im Jahr 2016 durchgeführt, trotzdem sind epileptische Anfälle verblieben und erhielt der Beschwerdeführer eine medikamentöse antikonvulsive Therapie. Beim letzten stationären Aufenthalt im Klinikum Salzburg vom 20.1.2020 bis zum 24.1.2020 konnten nach Durchführung einer Video-EEG-Untersuchung keine epileptischen Anfälle abgeleitet werden. Auch damals (gemeint im Jahr 2020) zeigte sich im neurologischen Status ein unauffälliger Befund. Damals wurde im Befundbericht auch festgehalten, dass zum damaligen Aufnahmezeitpunkt kein Medikamentenspiegel nachweisbar war. Eine dauernde, lebenslange medizinische Behandlung ist nicht erforderlich, derzeit ist aber eine medikamentöse, antiepileptische Therapie notwendig. Der Beschwerdeführer erhält derzeit eine medikamentöse Therapie mit "Levetiracetam", wobei auch andere gängige antiepileptische Medikamente zur Behandlung in Frage kommen. Eine Weiterführung der antikonvulsiven Therapie ist empfehlenswert, andernfalls die Gefahr von neuerlichen epileptischen Anfällen besteht. Das Medikament Levetiracetam und Antikonvulsiva wie Valproinsäure bzw. Carbamazepin ist in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers erhältlich, ebenso gibt es eine neurologische Versorgung für den Beschwerdeführer.
1.4. Länderfeststellungen:
Die Feststellungen ergeben sich aus den dem Beschwerdeführer übermittelten Länderinformationen zu Pakistan der Staatendokumentation, dem eingeholten Gutachten und der Anfragebeantwortung der Staatendiokumentation vom 29.4.2021.
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).
Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).
Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt. Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).
Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen.
Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).
Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).
Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Rawalpindi, Lahore, Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand 21.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1 , Zugriff 21.12.2020
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_ %28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf; Zugriff 21.12.2020
• EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 21.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 21.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 21.12.2020
Relevante Terrorgruppen
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungs-behörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-Terrorismus-Gerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020).
Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurück-gelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020).
Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit
einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020).
Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite
Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des „Wilayat Pakistan“ (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. PIPS dokumentierte im Jahr 2019 einen Terroranschlag des ISKP, im Vergleich zu fünf im Jahr 2018. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020).
Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale
Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020).
Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich. Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020).
Quellen:
• EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_ Security_situation.pdf , Zugriff 16.12.2020
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396 , Zugriff 8.1.2019
• USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 – Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 19.10.2020
Khyber Pakhtunkhwa
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Bezirke (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts
unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete
unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa
eingegliedert (EASO 10.2020; vgl. AA 29.9.2020). Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Die Sicherheitslage in den Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts (KPTDs) hat sich im Jahr 2019 erheblich verbessert. Mit Ausnahme der Bezirke in Süd-Waziristan war in den übrigen sechs Bezirken der ehemaligen FATA ein erheblicher Rückgang an terroristischen Vorfällen und der daraus resultierenden Zahl an Opfern zu beobachten. Insgesamt wurde 2019 im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang der terroristischen Vorfälle um 16 Prozent und der Anzahl der Opfer um rund ein Viertel verzeichnet. Um andererseits die operative Kapazität terroristischer Gruppen in den ehemaligen FATA zu verringern, führten die pakistanischen Sicherheitskräfte im Rahmen der laufenden Militäroperationen im Jahr 2019 unter dem Code-Namen Radd-ul-Fasad nachrichtendienstlich gestützte Operationen (IBOs) durch. 2019 wurden insgesamt 54 solcher IBOs gemeldet, gegenüber 137 im Jahr 2018. Obwohl IBOs in allen Stammesbezirken von KP durchgeführt wurden, blieben Nord-Waziristan, Süd-Waziristan und Bajaur der Hauptschwerpunkt der Operationen. Am anfälligsten für terroristische Anschläge blieb, trotz eines Rückgangs derselben um 22 Prozent, die Provinz Nord-Waziristan (FRC 13.1.2020).
Die Operationen der Armee zur Aufstandsbekämpfung in KP (einschließlich der ehemaligen FATA) trugen langfristig zu einem höheren Sicherheitsniveau in der Provinz bei, und führten zu einer Verringerung des Einflusses der Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP - Pakistan Movement of Taliban) auf den größten Teil des Stammesgürtels. Diese Militäraktionen bewirkten jedoch
auch die Vertreibung von Millionen von Bewohnern aus diesem Gebiet. Insgesamt hat sich die Sicherheit in diesen Gebieten verbessert, ist aber weiterhin fragil. Die Netzwerke der TTP bleiben sowohl auf afghanischer Seite als auch in einigen pakistanischen Bezirken entlang der Grenze aktiv (EASO 10.2020; vgl. FRC 13.1.2020). Die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP bleibt aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wiederherstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den KPTDs Nord- und Süd-Waziristan durchzuführen (FRC 13.1.2020; vgl. EASO 10.2020). Die militanten Gruppen haben ihre Taktiken, Strategien und Aussichten geändert, um sich an das veränderte Umfeld anzupassen. Anstelle von Selbstmordattentaten, die früher die bevorzugte und wirksamste Taktik waren, wenden die Militanten jetzt hauptsächlich gezielte Tötungsaktionen gegen Mitarbeiter von Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, politische Vertreter, Stammesälteste und Mitglieder von Anti-Taliban-Stammesmilizen der KPTD an (FRC 13.1.2020).
Die Pak Institute for Peace Studies (PIPS) dokumentierte im Jahr 2019 insgesamt 170 Gewaltvorfälle in der Provinz. Dies ist ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2018 (183). PIPS zählte 125 Terroranschläge im Jahr 2019. Gemäß der Beobachtung von PIPS, setzten Militante im Jahr 2019 Taktiken wie Selbstmordattentate, Schusswaffen, Sprengsätze sowie Handgranaten und Raketen ein. Der Trend, dass Militante Zivilisten, Regierungsbeamte und -institutionen, Stammesälteste und Sicherheitspersonal angreifen, setzte sich im Jahr 2019 fort. Zu den Bezirken in KP, in denen 2019 die meisten Terroranschläge stattfanden, gehören Nord-Waziristan (53 Anschläge), Dera Ismael Khan (14 Anschläge) und Bajaur (11 Anschläge) (PIPS 2020; vgl. EASO 10.2020). In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 beobachtete PIPS insgesamt 100 Vorfälle, von denen 49 als terroristische Anschläge in der Provinz genannt wurden. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 fanden in folgenden Bezirken von KP die meisten terroristischen Angriffe statt: Nord-Waziristan, Bajaur und Peshawar (EASO 10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_ %28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 28.12.2020
• Dawn (updated 31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 30.10.2020
• EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 28.12.2020
• FRC – FATA Research Center (13.1.2020): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2019, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2020/01/1.-Final-Security-Report-former-FATA-2019.pdf; Zugriff 27.10.2020
• PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of
Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20
FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 27.10.2020
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf , 28.12.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 29.01.2021
Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).
Die Regierung von Premierminister Imran Khan hat jedoch seit dem Amtsantritt im Juli 2018 die Beschränkungen für Medien, die politische Opposition und NGOs sowie das harte Vorgehen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verschärft (HRW 14.1.2020; vgl. AI 30.1.2020). Das Militär verschärfte seine Kontrolle über die Wirtschaft, die Außenpolitik und die nationale Sicherheit und mehrere Mitglieder der politischen Opposition wurden wegen angeblich politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert (AI 30.1.2020).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet [siehe Kapitel Folter und unmenschliche Behandlung], bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v.a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle [siehe Kapitel Blasphemiegesetze] (AA 29.9.2020). Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu den Menschenrechtsproblemen bei. Einige Mitarbeiter von Geheimdiensten, Polizei und anderen Sicherheitskräften halten Gefangene in Isolationshaft und weigern sich, deren Aufenthaltsort preiszugeben. Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen berichten über Fälle von Personen, die im Polizeigewahrsam starben, angeblich aufgrund von Folter (USDOS 11.3.2020).
Das Verschwindenlassen von Personen wird in Pakistan häufig als Instrument benutzt, um abweichende Meinungen und Kritik an militärischen Maßnahmen zu unterdrücken. Zu den Einzelpersonen und Gruppen, die Opfer des Verschwindenlassens werden, gehören Sindhis, Belutschen, Paschtunen, Schiiten, politische Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Mitglieder und Unterstützer religiöser und nationalistischer Gruppen, mutmaßliche Mitglieder bewaffneter Gruppen und Angehörige von in Pakistan verbotenen religiösen und politischen Organisationen (AI 21.5.2020; vgl. HRCP 4.2020). Der vom Innenministerium eingesetzten Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIOED) wurden bis 31.12.2019 6.506 Fälle zur Kenntnis gebracht, wovon 4.365 Fälle abgeschlossen werden konnten (COIOED 1.1.2020).
Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten halten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte ab. Per Gesetz von 2012 wurde 2015 die Nationale Kommission für Menschenrechte als unabhängiges Komitee eingerichtet. Im November 2015 wurde wieder ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte eingerichtet. Doch nur selten bestrafen Behörden Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 11.3.2020).
Die derzeitige Regierung setzt das von ihrem Vorgänger im Jahr 2015 begonnene harte Vorgehen gegen in- und ausländische NGOs fort. Im Jänner 2019 waren nur 74 von 141 internationalen NGOs, die seit 2015 einen Antrag auf Registrierung gestellt hatten, zugelassen worden (FH 4.3.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_ % 28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 11.12.2020
• AI – Amnesty International (21.5.2020): Menschenrechtsverteidiger seit November 2019 vermisst, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2020-05/159-2_2019_DE_Pakistan .pdf, Zugriff 11.12.2020
• AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023879.html, Zugriff 11.12.2020
• COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances, Pakistan (1.1.2020): Monthly
Progress on Cases of Alleged Enforced Disappearances – Dezember 2019, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2020/01/MONTHLY-SUMMARY-DECEMBER-2019.pdf, Zugriff 19.10.2020
• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030906.html, Zugriff 11.12.2020
• HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http:
//hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf Zugriff 19.10.2020
• HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022680.html , Zugriff 11.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 19.9.2020
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 29.01.2021
Pakistan ist ein multiethnischer und multilingualer Staat (GIZ o.D.). In Pakistan gibt es 74 verschiedene Sprachen (Ethnologue o.D.), wobei nur wenige - Urdu, Paschto, Punjabi, Belutschisch, Sindhi und Saraiki - institutionalisiert verwendet werden (Dawn 27.6.2019).
Laut CIA World Factbook leben in Pakistan 233,5 Milionen Menschen. Die ethnische Zusammensetzung lautet wie folgt: Punjabi 44,7 %, Paschtunen 15,4 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 8,4 %, Muhajirs 7,6 %, Belutschen 3,6 %, andere ethnische Gruppen 6,3 % (CIA 24.9.2020). Laut Volkszählung 2017 ist die Bevölkerungsverteilung nach Muttersprache: Punjabi 44,15 %, Paschto 15,42 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 10,53 %, Urdu 7,57 %, Belutschisch 3,57 %, andere 4,66 % (PBS 2017).
Quellen:
• CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.09.2020): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 15.10.2020
• Dawn – (27.6.2019): Remember the dying languages of northern Pakistan, https://www.dawn.com/news/1489343/remember-the-dying-languages-of-northern-pakistan , Zugriff 15.10.2020
• Ethnologue – Languages of the World (o.D.): Pakistan, https://www.ethnologue.com/country/PK, Zugriff 15.10.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (o.D.): Pakistan, https://www.liportal.de/pakistan/, Zugriff 15.10.2020
• PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017): Province wise provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL% 20WISE% 20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 15.10.2020
Paschtunen
Letzte Änderung: 29.01.2021
Gemäß Volkszählung 2017 stellen paschtunische Muttersprachler mit 15,4 % der Bevölkerung
(ca. 32 Millionen Menschen) die zweitgrößte Sprachgruppe Pakistans. Von ihnen leben ca. 22,6 Millionen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa [inkl. ehem. FATA], wo sie ca. 77,7 % der Bevölkerung ausmachen; sowie ca. 3,7 Millionen in der Provinz Belutschistan, wo sie ca.
29,6 % der Bevölkerung ausmachen. Etwa zwei Millionen Paschtunen leben im Sindh, 1,3 Millionen im Punjab und 0,2 Millionen im Hauptstadtterritorium Islamabad (aggregiert aus PBS 2017a und PBS 2017c).
Viele Pakistanis assoziieren die Aktivitäten von Aufständischen im Land mit Paschtunen, die auf beiden Seiten der pakistanisch-afghanischen Grenze leben (DW 20.3.2017). Weil die pakistanische Taliban-Bewegung vornehmlich eine paschtunische Bewegung ist, sind viele Paschtunen durch eine Art Sippenhaft als „Islamisten“ oder „militante Kämpfer“ gebrandmarkt worden (EASO 10.2018). Zudem hegen Teile der pakistanischen Elite Ressentiments gegen die Paschtunen, weil diese zur Gründungszeit Pakistans separatistischen Bestrebungen anhingen. Dabei hat die Idee einer Vereinigung der paschtunisch besiedelten Gebiete zu einem „Groß-Paschtunistan“ unter den pakistanischen Paschtunen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Afghanistan kaum noch Anhänger (DW 20.3.2017).
Im Zuge des Kampfes gegen islamistische Aufständische kam es seitens der Sicherheitskräfte
zu einem ethnischen Profiling von Paschtunen, insbesondere von Angehörigen einkommensschwacher Gruppen (DW 20.3.2017). Im Rahmen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ kam es zu Übergriffen an sowie zu Verschleppungen und außergerichtlichen Tötungen von Paschtunen (EASO 10.2018).
Im Jahr 2018 erlebte Pakistan den Aufstieg des Pashtun Tahafuz Movement (Pashtun Protection Movement/PTM). Diese Bürgerrechtsbewegung fordert Schutz und Rechte für die paschtunische Minderheit im Land. Hierzu gehören etwa die Aufklärung von außergerichtlichen Tötungen, ein Ende willkürlicher Angriffe und Misshandlungen, die Rückkehr verschwundener Personen und die Räumung von Landminen in den ehemaligen Stammesgebieten (EASO 10.2019; vgl. HRCP 3.2019).
Die Behörden versuchen, Sympathisanten durch Verhaftungen, Einschüchterungen und Schikanen an der Teilnahme friedlicher Veranstaltungen zu hindern (HRCP 3.2019). Seit Bestehen der PTM wurden hunderte ihrer Aktivisten verhaftet (Euronews 7.2.2019). Ab Frühjahr 2019 haben die pakistanischen Behörden ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Die Behörden setzen ihre Maßnahmen gegen Mitglieder der PTM fort. Es kam mitunter zur Folterung und zur Tötung von Führungsmitgliedern der PTM. In einem Fall, namentlich am 26.5.2019 in Nord-Waziristan, kam es bei einer Demonstration auch zur Tötung von 13 PTM-Demonstranten. Nach diesem Ereignis ging die Regierung hart gegen die PTM vor und verhaftete viele Führungskräfte der Gruppe sowie Unterstützer der Basis. PTM-Aktivisten konnten zwar viele dieser Verhaftungen vor Gericht erfolgreich anfechten; allerdings werden einige der danach Freigelassenen seither vermisst (USDOS 11.3.2020).
Grundsätzlich anerkennt die Regierung, dass einige der von der PTM gemachten Vorwürfe legitim sind. Gleichzeitig behauptet sie aber, dass externe Kräfte die PTM als Instrument zur Schürung ethnischer Spaltungen im Land einsetzen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
• AI – Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-killings/, Zugriff 17.10.2020
• DW – Deutsche Welle (20.3.2017): Why Pakistan associates terrorism with Pashtuns and Afghans, https://www.dw.com/en/why-pakistan-associates-terrorism-with-pashtuns-and-afghans/a-38024338, Zugriff 24.11.2020
• EASO – European Asylum Support Office (10.2019): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019113/ 2019_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf; Zugriff 16.10.2020
• EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/1446962/ 1226_1539768050_pakistan-security-situation-2018.pdf , Zugriff 16.10.2020
• Euronews (7.2.2019): Pashtun activists fear crackdown after arrests in Pakistan,
https://www.euronews.com/2019/02/07/pashtun-activists-fear-crackdown-after-arrests-in-pakistan, Zugriff 17.10.2020
• HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 17.10.2020
• PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/ /DISTRICT_WISE_CENSUS_RESULTS_CENSUS_2017.pdf, Zugriff 16.10.2020
• PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017c): Population by Mother Tongue, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//tables/POPULATION%20BY%20MOTHER%20TONGUE.pdf, Zugriff 16.10.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 17.10.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 29.01.2021
Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale
Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 11.3.2020). Die starke Militärpräsenz in den Gebieten Azad Jammu and Kashmir (AJK) sowie Gilgit-Baltistan (GB) und die Gefahr von Beschuss und anderer Gewalt entlang der Grenzkontrolllinie schränken die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung im Land ein (FH 4.3.2020a). Es gibt einige rechtliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, die Beschäftigung oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (FH 4.3.2020b).
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor
Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 11.3.2020). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).
Quellen:
• FH – Freedom House (4.3.2020a): Freedom in the World 2019 – Pakistani Kashmir, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030907.html, Zugriff 18.11.2020
• FH – Freedom House (4.3.2020b): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030906.html, Zugriff 16.11.2020
• HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http:
//hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, Zugriff 8.10.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 8.10.2020
Grundversorgung
Letzte Änderung: 29.01.2021
Derzeit macht der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
aus, der industrielle Sektor trägt zu einem Viertel des BIP bei und der größte Sektor für Handel und Dienstleistung trägt bis zu über 50 % des BIP bei. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40 % der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60 % der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglich-keiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020).
Die Arbeitslosigkeit lag mit Stand 2017 offiziell bei etwa 7,8 % (CIA 24.9.2020). Kritisch ist vor
allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5 % des BIP (GIZ 9.2020).
Das Tameer-e-Pakistan-Programm ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme, um Einkommensquellen für Arme zu verbessern und Arbeitsplätze im Land zu schaffen (IOM 2019). Das Kamyab Jawan Programm, eine Kooperation des Jugendprogramms des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Chancen am Arbeitsmarkt verbessern (Dawn 11.2.2019).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert,
doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 9.2020). Am Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) für 2019, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, hat sich Pakistan gegenüber den Vorjahren auf Rang 152 verschlechtert (AA 29.9.2020).
Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, lediglich rund 60 % der Bevölkerung (Frauen: 46 %) können lesen und schreiben. Nur etwas über 2 % des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 9.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3% BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_ %28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 10.10.2020
• CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.9.2020): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 10.10.2020
• Dawn (11.2.2019): Govt aims to create a million jobs for youth under Kamyab Jawan Programme, https://www.dawn.com/news/1463174, Zugriff 15.10.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (9.2020): Pakistan, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwicklung/#c39827, Zugriff 11.11.2020
• IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 15.10.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 29.01.2021
Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) und Rural Health Centers mit einem Einzugsbereich von 25.000 bis 100.000 Menschen. Die Sekundärversorgung erfolgt in Tehsil Head Quarters und District Head Quarters mit einem Einzugsbereich von 500.000 bis 3 Millionen Menschen. Diese Einrichtungen bieten eine große Zahl ambulanter und stationärer Behandlungen an. Der tertiäre Sektor bietet eine hoch spezialisierte stationäre Versorgung (IJARP 10.2017). Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 957 Personen, ein Krankenhausbett für 1.500-1.600 Personen und einen Zahnarzt für 9.730 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 3.2019; vgl. HRCP 18.4.2018).
Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73 % der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57 % in den Städten und 83 % am Land (ILO 2017). Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R.