TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/26 W129 2245576-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §4
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §42 Abs6
StGG Art17

Spruch


W129 2245576-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigte des am XXXX geborenen XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 12.07.2021, Zl. I-1043/7188-2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am 02.07.2021 zeigte die Beschwerdeführerin die Teilnahme ihres schulpflichtigen Sohnes am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 (7. Schulstufe) an.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die Bildungsdirektion für Niederösterreich (belangte Behörde) gemäß § 11 Abs 3 und 4 Schulpflichtgesetz (SchPflG) die Teilnahme des Sohnes der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 auf der 7. Schulstufe und ordnete an, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 seine Schulpflicht in einer öffentlichen Schule oder in einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen hat.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus:

Die Teilnahme des Sohnes der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 sei zu untersagen, da der Sohn im Schuljahr 2020/21 die NMS XXXX (6. Schulstufe) besucht und diese Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, Rz 16 und 18) sei ein rechtzeitiges Antreten zur Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 nicht zulässig.

3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Begründend führte sie (hier relevant und sinngemäß) im Wesentlichen aus:

Ihr stehe nach Art 17 StGG 1867 das Recht auf häuslichen Unterricht ihres Kindes zu. Dies gehe auch aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (Nr. 3576/J-BR/2018 vom 14.12.2018) durch den zuständigen Bildungsminister Faßmann hervor. Ihr Sohn sei zum Aufstieg in die nächste Schulstufe berechtigt, es sei unklar, warum er nicht zur Externistenprüfung antreten dürfe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der am XXXX geborene Sohn der Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2020/2021 die 2. Klasse (6. Schulstufe) der NÖ Mittelschule XXXX .

Das Jahreszeugnis vom 02.07.2021 weist im Pflichtgegenstand Mathematik die Beurteilung „Nicht genügend“ auf, die übrigen Pflichtgegenstände wurden positiv absolviert.

Der Sohn der Beschwerdeführerin ist zum Aufstieg in die 7. Schulstufe berechtigt.

Mit am 02.07.2021 ausgefülltem Formularantrag zeigte die Beschwerdeführerin die Teilnahme ihres Sohnes am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 auf der 7. Schulstufe an.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchteil A)]

3.1.1. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht.

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnischen Schule – mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Nach § 25 Abs 1 zweiter Satz SchUG gilt eine Schulstufe (nur) dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.

Gemäß § 42 Abs 6 SchUG gilt als „Grundvoraussetzung für die Zulassung zur Ablegung einer Externistenprüfung (…)“ unter anderem: Hat der Prüfungskandidat vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen, so darf er zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten.

3.1.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

3.1.3. Nach der bereits von der belangten Behörde ausdrücklich zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007), ergibt sich aus § 42 Abs. 6 SchUG, dass ein (rechtzeitiger, noch vor Ende des Schuljahres erfolgender) Antritt zu einer Externistenprüfung unzulässig ist, wenn im Schuljahr zuvor eine Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen wurde.

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat die zweite Klasse NMS im Schuljahr 2020/21 ungeachtet seiner Berechtigung zum Aufstieg in die nächste Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen, da er im Pflichtgegenstand Mathematik negativ beurteilt wurde (§ 25 Abs 1 zweiter Satz SchUG).

3.1.4. Dies bedeutet jedoch, dass eine Sperrfrist von (vollen) 12 Monaten, gerechnet ab 02.07.2021, für einen Antritt zu einer Externistenprüfung besteht, sodass ein rechtzeitiger Antritt und Nachweis der erfolgreichen Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 (in Niederösterreich am 01.07.2022) knapp, aber doch nicht zulässig und somit nicht möglich ist.

Vor diesem normativen Hintergrund ist der Bildungsdirektion für Niederösterreich nicht entgegenzutreten, wenn sie den ihr von der Beschwerdeführerin angezeigten häuslichen Unterrichtes von vornherein für unzulässig erachtete und daher – unter Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht an einer der in § 5 SchPflG genannten Schulen – untersagt hat.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass ein rechtzeitiger Antritt und Nachweis der erfolgreichen Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 (in Niederösterreich am 01.07.2022) nicht zulässig und somit nicht möglich ist, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung häuslicher Unterricht negative Beurteilung Pflichtgegenstand Prüfungsantritt Sperrfrist Unterrichtserfolg Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2245576.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten