TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 W129 2246034-1

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs6
SchOG §2 Abs1
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

Spruch


W129 2246034-1/ 2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigte der XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich vom 27.07.2021, Präs/3a-103-2/0140-allg/2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 23.06.2021 zeigte die Erziehungsberechtigte die Teilnahme des schulpflichtigen Kindes mj. XXXX , (in der Folge als Kind bezeichnet) gemeinsam mit drei Geschwistern am häuslichen Unterricht auf der 3. Schulstufe (3. Klasse Volksschule) im Schuljahr 2021/2022 an.

2. Aus Anlass dieser Anzeige holte die Bildungsdirektion für Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) eine Stellungnahme der Volksschule XXXX sowie der Kinder- und Jugendhilfe XXXX ein, zumal die Beschwerdeführerin drei weitere Kinder, welche im Schuljahr 2020/2021 am Unterricht der öffentlichen Volksschule XXXX teilnahmen, nunmehr ebenfalls zur Teilnahme am häuslichen Unterricht abgemeldet hat.

3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid ordnete die belangte Behörde an, dass die Teilnahme des Kindes an häuslichem Unterricht nach dem Lehrplan der Volksschule für das Schuljahr 2021/22 untersagt werde (Spruchpunkt I.). Einer allfälligen Beschwerde werde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.).

Begründend wird ausgeführt, dass aus den eingeholten Stellungnahmen der Volksschule XXXX sowie der Kinder- und Jugendhilfe XXXX hervorgehe, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz nicht gegeben sei. Während des Homeschoolings im vergangenen Schuljahr seien die Lernpakete (für drei weitere Kinder der Beschwerdeführerin) unvollständig und unordentlich erledigt worden, darüber hinaus auch kaum von der Beschwerdeführerin kontrolliert. Auf Grund der Entwicklung im letzten Semester des Schuljahres 2020/2021 sei seitens der Kinder- und Jugendhilfe mit der Beschwerdeführerin als Erziehungsberechtigte am 25.06.2021 eine Lernbetreuung für die drei im Schuljahr 2020/2021 schulpflichtigen Kinder eingerichtet worden. Die Beschwerdeführerin habe keine Termine eingehalten und es wäre somit grob fahrlässig, den häuslichen Unterricht zur Kenntnis zu nehmen, da dadurch den Kindern ausreichende Bildungschancen verwehrt würden. Auf Grund der Erfahrungen im letzten Schuljahr mit den drei älteren schulpflichtigen Kindern der Beschwerdeführerin müsse der häusliche Unterricht für das Kind untersagt werden.

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der nicht vorhandenen Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts mit dem Unterricht an einer öffentlichen Schule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung, evident sei, dass das Interesse des Kindes am weiteren Schulbesuch an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule deutlich überwiege. In der Rechtmittelbelehrung führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerde innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei der belangten Behörde einzubringen sei.

4. Mit Schreiben vom 19.08.2021 erhob die Erziehungsberechtigte rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend monierte sie zusammengefasst, dass die von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahmen falsch seien. Die Kinder hätten das Schuljahr positiv abgeschlossen und zwar überwiegend mit den Noten 1 und 2. Insofern widerspreche die Benotung auch der Aussage, dass die Lernpakete während der Homeschooling-Phase unvollständig und unordentlich erledigt worden seien. Die Gleichwertigkeit gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz sei daher gegeben. Des Weiteren erstattete die Beschwerde Ausführungen zum Thema Maskenpflicht, PCR- bzw. Antigentests an Schulen. Aufgrund der COVID-19-Situation sei auch an öffentlichen Schulen ein geregelter Schulbesuch nicht möglich. Durch die vorgesehenen Maßnahmen würde Mobbing von Kindern vorliegen.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

5. Die belangte Behörde übermittelte die gegenständlichen Beschwerde samt Verwaltungsakt am 03.09.2021 dem Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin zeigte am 23.03.2021 die Teilnahme des schulpflichtigen Kindes XXXX , am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 an (3. Schulstufe, Volksschule). Gleichzeitig wurde die Teilnahme der drei Geschwister des Kindes, XXXX auf der 5. Schulstufe (Allgemeine Sonderschule), XXXX auf der 2. Schulstufe (Volksschule) und XXXX auf der 1. Schulstufe (Volksschule), am häuslichen Unterricht angezeigt.

1.2. Die Beschwerdeführerin nahm im Schuljahr 2020/2021 den vorgegebenen Termin zur Schulfreifefeststellung des Kindes XXXX nicht wahr.

1.3. Am 25.06.2021 schloss die Beschwerdeführerin als Erziehungsberechtigte mit der örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfe eine Betreuungsvereinbarung betreffend die Kinder XXXX im Betreuungsausmaß von 8 Stunden wöchentlich unter anderem zum Zweck der Verbesserung der schulischen Leistungen. Die Vereinbarung weist den Wortlaut auf:

„Grund für die Betreuung:

XXXX hat Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und es fällt ihr oft schwer neuen Lerninhalten zu folgen. Bei Misserfolgen wird sie als sehr niedergeschlagen beschrieben. Auch XXXX wirkt bei Misserfolgen sehr niedergeschlagen und es fällt ihm schwer mit dem Lernstoff mitzuhalten. Beide Kinder sind bereits zurückgestuft und durch die Corona-Maßnahmen und die Phase des Homeschoolings fehlen ihnen wichtige schulische Grundlagen.

XXXX Auffassungsgabe leidet unter seinem geringen Selbstvertrauen und Konzentrationsproblemen. In der Schule fällt es ihm schwer sich in der Gruppe einzuordnen. Nach der langen Phase des Homeschoolings fällt es den Kindern nun noch schwerer sich in der Schule wieder einzufinden. XXXX besitzt kaum mehr eine Frustrationstoleranz, schon Kleinigkeiten bringen ihn aus der Fassung. Alle drei Kinder können sich am Besten im Einzelsetting konzentrieren und so gut arbeiten. Die KM beschreibt, dass dabei immer wichtig ist wer es ist - die besten Erfolge lassen sich bei den Kindern über Beziehung erzielen

Ziel:

- Verbesserung der schulischen Leistungen.

- Die Kinder erfahren eine Stärkung ihres Selbstvertrauens und können auch mit Misserfolgen umgehen.

- Gemeinsame Freizeitaktivitäten zum Beziehungsaufbau finden statt.

- Vernetzung mit den Schulen.

- Vernetzung mit XXXX findet statt. Bei Bedarf werden die KE bei weiteren Terminen unterstützt.

Betreuungsausmaß: 8 Stunden wöchentlich.

Kostenbeitrag für die Erziehungsberechtigte: 40 Euro

Die Betreuung wird von den Kindeseltern und der KJH freiwillig und einvernehmlich vereinbart. Sie kann einvernehmlich von beiden Seiten abgeändert/beendet/verlängert werden.

Information und Zusammenarbeit mit der zuweisenden Kinder- und Jugendhilfe:

Es wird vereinbart, dass die Kinder- und Jugendhilfe vierteljährliche Verlaufsberichte über den Verlauf der Betreuung und die Erreichung der vereinbarten Betreuungsziele erhält, diese ergehen zugleich an die Familie.“

Die Betreuungsvereinbarung wurde von der Erziehungsberechtigten und einem Vertreter der Kinder- und Jugendhilfe unterfertigt.

1.4. In einer Stellungnahme per E-Mail am 14.07.2021 teilte die Leiterin der Volksschule XXXX der belangten Behörde unter anderem mit, dass sie die Beschwerdeführerin ihren Beobachtungen und Erfahrungen aus dem abgelaufenen Schuljahr zufolge nicht für geeignet ansehe, ihre Kinder zu unterrichten.

1.5. Der geplante häusliche Unterricht sollte von der Beschwerdeführerin als Erziehungsberechtigten für vier Kinder auf vier verschiedenen Schulstufen abgehalten werden, wobei im Falle eines Kindes ( XXXX ) auch eine andere Schulart (Allgemeine Sonderschule) zum Tragen kommt.

1.6. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass der häusliche Unterricht, zu welchem das Kind abgemeldet wurde, jenem an einer im § 5 SchPflG genannten Schule nicht gegeben ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem verwaltungsbehördlichen Verfahren, im Besonderen aus der Anzeige des „häuslichen Unterrichts“ sowie dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde, und dem Vorlageantrag. Der Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden. Insbesondere ist auf die von der Behörde eingeholten Stellungnahmen der Volksschule XXXX sowie der Kinder- und Jugendhilfe XXXX zu verweisen. Die Beschwerdeführerin stellte deren Richtigkeit nur pauschal und unsubstantiiert mit dem Hinweis auf das positiv abgeschlossene Schuljahr in Abrede. Allerdings ist aus der von der Beschwerdeführerin als Erziehungsberechtigten unterfertigten und als Urkunde unbedenklicher Betreuungsvereinbarung vom 25.06.2021 ersichtlich, dass der Beschwerdeführerin als Erziehungsberechtigten die schulischen Defizite bekannt sein mussten.

Ebenso wurde Einsicht genommen in die hg. Akten W203 2246035, betr. XXXX , W128 2246033, betr. XXXX , sowie W224 2246036, betr. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 lautet (auszugsweise):

„[…] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.

[…]

Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“

3.3. Gemäß Art. 14 Abs. 6 B-VG sind Schulen Einrichtungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unterrichtet werden und im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird.

3.4. Gemäß § 2 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962 idF BGBl. I Nr. 38/2015, hat die österreichische Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

3.5. Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.

3.6. § 11 SchPflG lautet:

Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

3.7. Art. 17 StGG garantiert die Freiheit des häuslichen Unterrichts auf jedem theoretischen Wissensgebiet ohne jede Beschränkung (vgl. VfSlg. 4579/1963 und 4990/1965). Die Garantie des Art. 17 Abs. 3 StGG ist im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 2 StGG zu sehen. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, die Erteilung häuslichen Unterrichts irgendwelchen Beschränkungen - wie beispielsweise der Festlegung des Erfordernisses einer fachlichen Befähigung für die Erteilung eines solchen Unterrichts - zu unterwerfen (VfSlg. 2670/1954; VwGH 29.1.2009, 2008/10/0332). Die Regelungen des Schulpflichtgesetzes beziehen sich daher ausschließlich auf die Frage, ob ein Kind durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht bereits seine Schulpflicht erfüllt, oder ob es dazu des Besuches einer allgemeinen Pflichtschule bedarf (vgl. VwGH 29.01.2009, 2008/10/0332 mwN).

Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 Abs. 3 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018 = VfSlg. 20.311/2019).

3.8. Die Untersagung der Teilnahme am häuslichen Unterricht im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 25.02.1971, 2062/70). Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, als dieses zu prüfen hat, ob die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG). Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch das Verwaltungsgericht erforderlich ist (VwGH 24.1.2014, 2013/09/0133; 5.3.2014, 2013/05/0041; 29.4.2015, Ra 2015/05/0021, 26.9.2019, Ra 2018/10/0201, mwN).

Das Gesetz räumt der Behörde die Befugnis ein, die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht zu untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 1 oder 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist. Mit Wahrscheinlichkeit ist eine Tatsache als gegeben anzunehmen, wenn gewichtigere Gründe für ihr Vorhandensein sprechen als dagegen. Von großer Wahrscheinlichkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafür sprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74; 25.02.1971, 2062/70).

3.9. Wie bereits der Wortlaut des § 11 Abs. 3 SchPflG deutlich macht, ist der einzige Grund, aus welchem die Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht zur Kenntnis genommen wird, sondern die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagt wird, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegende Gleichwertigkeit des Unterrichts (vgl. VwGH 26.9.2019, Ra 2018/10/0201).

3.10. Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 27.04.1974, Zl. 16 u. 17/74 ausgesprochen, dass sowohl die hohe Organisationsform des Unterrichtes an einer öffentlichen Schule als auch die höhere pädagogische Ausbildung der an öffentlichen Volksschulen beschäftigten Personen Gründe darstellen können, welche gegen die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes sprechen, wenn Kinder verschiedener Altersstufen zu unterrichten sind. In diesem Fall nämlich entsteht durch mehrere Kinder verschiedenen Alters eine Struktur des Unterrichts, die jener an einer öffentlichen Schule nahe kommt und sowohl eine erhöhte Organisation und auch ein höheres pädagogisches Wissen notwendig machen. Die unterrichtende Person ist dabei vermehrt mit Aufgaben konfrontiert, die für gewöhnlich von „professionellen“ Lehrpersonen an öffentlichen Schulen erledigt werden, was demgegenüber beim Unterricht eines einzelnen Kindes nicht gegeben ist. Dies untermauert der Verwaltungsgerichtshof in auch damit, als er ausführt, dass die hohe Organisationsform des Unterrichts und die höhere pädagogische Ausbildung immer dann aktuell sind, wenn Kinder verschiedener Altersstufen von Personen, die keine pädagogische Ausbildung genossen haben, unterrichtet werden.

Dementsprechend ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob die unterrichtende Person in concreto in der Lage ist, den Unterricht in einer – einer mehrstufigen Klasse an einer öffentlichen Volksschule – vergleichbaren Struktur adäquat abzuhalten und nicht darauf, ob sie die entsprechenden Befähigungen dazu aufweist

3.11. Die belangte Behörde ist auf Grund der ihr im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegenden Verfahrensergebnisse zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegt. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall– durch gutachterliche Stellungnahmen untermauert – festgestellt, dass in der Homeschooling-Phase des vergangenen Schuljahres Unzulänglichkeiten in Bezug auf den Unterrichtserfolg der schulpflichtigen Geschwister entstanden sind, die ein Einschreiten der Kinder- und Jugendhilfe notwendig gemacht haben. Bei den älteren Geschwistern konnte ein Leistungsabfall im zweiten Semester des Schuljahres 2020/2021 festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin müsste im Schuljahr 2021/2022 vier Kinder auf vier verschiedenen Schulstufen im häuslichen Unterricht unterrichten, wobei in einem Fall auch eine andere Schulart, nämlich die Allgemeine Sonderschule, zum Tragen kommt. Zusätzlich kann die Beschwerdeführerin im häuslichen Unterricht nicht auf „Lernunterlagen“ oder „Lernpakete“ durch die örtlichen Pflichtschulen wie in der Homeschooling-Phase des vergangenen Schuljahres zurückgreifen.

3.12. Weil die belangte Behörde zur Recht folgerte, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegt, lag es im Ermessen der belangten Behörde, die Teilnahme am häuslichen Unterricht zu untersagen. Hat die belangte Behörde von diesem Ermessen im Sinne der erfolgten Untersagung Gebrauch gemacht, dann hat sie das ihr eingeräumte Ermessen im Sinne des Gesetzes (den schulpflichtigen Kindern in ihrem eigenen Interesse und dem der Allgemeinheit in einer objektiv überprüfbaren Form das nötige Elementarwissen zu vermitteln) gehandhabt. Mit dieser Feststellung aber erschöpft sich die Befugnis einer inhaltlichen Überprüfung der Ermessensausübung durch das Bundesverwaltungsgericht.

Die belangte Behörde hat daher die getroffene Ermessensentscheidung im Sinne des Gesetzes geübt, weshalb der Untersagung des häuslichen Unterrichts im Schuljahr 2021/2022 nicht entgegenzutreten ist.

Ein gesonderter Abspruch bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung.

Aufgrund der Untersagung des häuslichen Unterrichts hat das Kind gemäß § 5 SchPflG seine Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen.

3.13. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

Einen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin nicht, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von Amts wegen ist nicht erforderlich.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 Schulpflichtgesetz 1985 (VwGH 25.2.1971, 2062/70; 25.4.1974, 0017/74; 27.3.2014, 2012/10/0154 sowie auch VwGH 29.5.1995, 94/10/0187, VwSlg. 14.669 A/1997, VwGH 25.4.2001, 2000/10/0187, VwSlg 17.545 A/2008), hinsichtlich des Unterlassens der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Ermessensübung Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht öffentliche Schule Öffentlichkeitsrecht Unterrichtserfolg Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2246034.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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