TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/10 W128 2246033-1

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Veröffentlicht am 10.09.2021
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Entscheidungsdatum

10.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs6
SchOG §2 Abs1
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

Spruch


W128 2246033-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigte des mj. XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich vom 27.07.2021, Zl. Präs/3a-103-2/0137-allg/2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 23.06.2021 zeigte die Erziehungsberechtigte die Teilnahme des mj. XXXX (in der Folge als Kind bezeichnet) gemeinsam mit drei seiner Geschwister am häuslichen Unterricht auf der 2. Schulstufe (2. Klasse Volksschule) im Schuljahr 2021/2022 an.

2. Mit dem bekämpften Bescheid untersagte die belangte Behörde die Teilnahme am angezeigten häuslichen Unterricht und schloss unter einem die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aus. Begründend wird ausgeführt, dass Stellungnahmen der Volksschule XXXX sowie der Kinder- und Jugendhilfe XXXX eingeholt worden seien, die den Schluss zuließen, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG nicht gegeben sei. Drei Kinder der Erziehungsberechtigten hätten den Großteil des letzten Semesters im Homeschooling verbracht und die Schule erst wieder ab 25.05.2021 besucht.

Nach Rückmeldungen der Schulen seien die Lernpakete während des Homeschoolings unvollständig und unordentlich erledigt worden, darüber hinaus seien diese auch kaum von der Erziehungsberechtigten kontrolliert worden.

Auf Grund der Entwicklung im letzten Semester sei seitens der Kinder- und Jugendhilfe mit der Erziehungsberechtigten am 25.06.2021 eine Lernbetreuung eingerichtet worden. Als die Kinder wieder an die Schulen zurückgekehrt seien, habe sich gezeigt, dass sie in der Zwischenzeit ihre schulischen Leistungen abgebaut hätten, eine geringere Frustrationstoleranz sowie Konzentrationsschwierigkeiten aufwiesen und ihr Selbstwert gesunken sei. Es falle ihnen auch schwer, sich im Klassenverband wieder zurechtzufinden. Bei XXXX sei insbesondere zu beobachten gewesen, dass er bei Misserfolgen sehr niedergeschlagen wirkte und kaum neuen Lerninhalten zu folgen vermochte.

Aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe sei ein geregelter Schulbesuch wichtig, um den Kindern soziales Lernen zu ermöglichen und förderliche Strukturen zu gewährleisten. Aus den Wahrnehmungen der Schulen sei ersichtlich, dass die Erziehungsberechtigte nicht in der Lage sei, die nötigen Strukturen im häuslichen Unterricht zu gewährleisten. Seitens der Volksschule sei darauf hingewiesen worden, dass die Erziehungsberechtigte keine Termine eingehalten habe und es somit grob fahrlässig wäre, den häuslichen Unterricht zur Kenntnis zu nehmen, da dadurch den nunmehr vier zum häuslichen Unterricht abgemeldeten Kindern ausreichende Bildungschancen verwehrt würden.

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der nicht vorhandenen Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts mit dem Unterricht an einer öffentlichen Schule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung, evident sei, dass das Interesse des Kindes am weiteren Schulbesuch an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule deutlich überwiege. In der Rechtmittelbelehrung führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerde innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei der belangten Behörde einzubringen sei.

3. Mit Schreiben vom 19.08.2021 erhob die Erziehungsberechtigte rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend monierte sie zusammengefasst, dass die von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahmen falsch seien. Die Kinder hätten das Schuljahr positiv abgeschlossen und zwar überwiegend mit den Noten 1 und 2. Insofern widerspreche die Benotung auch der Aussage, dass die Lernpakete während der Homeschooling-Phase unvollständig und unordentliche erledigt worden seien. Aufgrund der COVID-19-Situation sei auch an öffentlichen Schulen ein geregelter Schulbesuch nicht möglich. Durch die vorgesehenen Maßnahmen würde „Mobbing“ von Kindern vorliegen.

4. Mit Schreiben vom 03.09.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der oa. Verfahrensgang.

Die Beschwerdeführerin zeigte am 23.03.2021 die Teilnahme des schulpflichtigen Kindes am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 an. Gleichzeitig wurde die Teilnahme von drei weiteren schulpflichtigen Geschwistern des Kindes, XXXX auf der 5. Schulstufe (Allgemeine Sonderschule), XXXX , geb. XXXX auf der 3. Schulstufe (Volksschule) und XXXX auf der 1. Schulstufe (Volksschule bzw. Vorschulstufe), am häuslichen Unterricht angezeigt.

Am 25.06.2021 schloss die Erziehungsberechtigte mit der örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfe eine Betreuungsvereinbarung betreffend die Kinder XXXX folgenden Inhalts:

„Grund für die Betreuung:

XXXX hat Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und es fällt ihr oft schwer neuen Lerninhalten zu folgen. Bei Misserfolgen wird sie als sehr niedergeschlagen beschrieben. Auch XXXX wirkt bei Misserfolgen sehr niedergeschlagen und es fällt ihm schwer mit dem Lernstoff mitzuhalten. Beide Kinder sind bereits zurückgestuft und durch die Corona-Maßnahmen und die Phase des Homeschoolings fehlen ihnen wichtige schulische Grundlagen.

XXXX Auffassungsgabe leidet unter seinem geringen Selbstvertrauen und Konzentrationsproblemen. In der Schule fällt es ihm schwer sich in der Gruppe einzuordnen. Nach der langen Phase des Homeschoolings fällt es den Kindern nun noch schwerer sich in der Schule wieder einzufinden. XXXX besitzt kaum mehr eine Frustrationstoleranz, schon Kleinigkeiten bringen ihn aus der Fassung. Alle drei Kinder können sich am Besten im Einzelsetting konzentrieren und so gut arbeiten. Die KM beschreibt, dass dabei immer wichtig ist wer es ist - die besten Erfolge lassen sich bei den Kindern über Beziehung erzielen

Ziel:

- Verbesserung der schulischen Leistungen.

- Die Kinder erfahren eine Stärkung ihres Selbstvertrauens und können auch mit Misserfolgen umgehen.

- Gemeinsame Freizeitaktivitäten zum Beziehungsaufbau finden statt.

- Vernetzung mit den Schulen.

- Vernetzung mit XXXX findet statt. Bei Bedarf werden die KE bei weiteren Terminen unterstützt.

Betreuungsausmaß: 8 Stunden wöchentlich.

Kostenbeitrag für die Erziehungsberechtigte: 40 Euro

Die Betreuung wird von den Kindeseltern und der KJH freiwillig und einvernehmlich vereinbart. Sie kann einvernehmlich von beiden Seiten abgeändert/beendet/verlängert werden.

Information und Zusammenarbeit mit der zuweisenden Kinder- und Jugendhilfe:

Es wird vereinbart, dass die Kinder- und Jugendhilfe vierteljährliche Verlaufsberichte über den Verlauf der Betreuung und die Erreichung der vereinbarten Betreuungsziele erhält, diese ergehen zugleich an die Familie.“

Die Betreuungsvereinbarung wurde von der Erziehungsberechtigten und einem Vertreter der Kinder- und Jugendhilfe unterfertigt.

In einer Stellungnahme per E-Mail am 14.07.2021 teilte die Leiterin der Volksschule XXXX der belangten Behörde Folgendes mit:

„Frau XXXX hält keine Termine ein, hat immer eine passende Ausrede und sagt offensichtlich oft die Unwahrheit. Die Kinder wurden wochenlang zuhause von ihrer Mutter „unterrichtet“, weil die Eltern Testverweigerer sind. Das hat so „gut“ funktioniert, dass ich die Kinder – und Jugendwohlfahrt um Hilfe gebeten habe, weil die Lernrückstände immer größer wurden. Gemeinsam haben wir dann erreicht, dass die Kinder in den Regelunterricht zurückgekehrt sind. Getestet wurden sie dreimal in der Woche per Spucktest in XXXX bei einer Physiotherapeutin. Ich fände es grobfahrlässig, wenn man es genehmigen würde, dass die 3 schulpflichtigen Kinder (es gibt noch 3 kleinere) zuhause unterrichtet werden können. Die Kinder- und Jugendwohlfahrt hat eine Lernbetreuung für die Familie organisiert, die in den Sommerferien einige der Defizite aufholen soll. Ich finde, dass es auch eine Vernachlässigung von Kindern ist, wenn man ihnen keine ausreichenden Bildungschancen gibt. Ich persönlich halte die Mutter nicht für geeignet, ihre Kinder zu unterrichten.“

XXXX besuchte im Schuljahr 2020/2021 die dritte Klasse der Volksschule XXXX . Ihre Leistung im Pflichtgegenstand Mathematik verschlechterte sich im zweiten Halbjahr von 2 auf 3.

XXXX besuchte im Schuljahr 2020/2021 die vierte Klasse der Volksschule XXXX und wurde nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule unterrichtet. Seine Leistungen in den Pflichtgegenständen Mathematik und Deutsch, Lesen, Schreiben verschlechterten sich im zweiten Halbjahr in beiden Fächern von 2 auf 3.

Die Zweitbeschwerdeführerin nahm im Schuljahr 2020/2021 den vorgegebenen Termin zur Schulfreifefeststellung des XXXX nicht wahr. In der Folge wurde von der Leiterin des Fachbereichs Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik im Rahmen einer Testung im Kindergarten festgestellt, dass er nicht schulreif ist.

Der geplante häusliche Unterricht sollte von der Erziehungsberechtigten, die keine höhere pädagogische Kompetenz aufweist, für vier Kinder auf vier verschiedenen Schulstufen abgehalten werden, wobei im Falle eines Kindes ( XXXX ) auch eine andere Schulart (Allgemeine Sonderschule) zum Tragen kommt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass der häusliche Unterricht, zu welchem der Erstbeschwerdeführer abgemeldet wurde, jenem an einer im § 5 SchPflG genannten Schule nicht gegeben ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem verwaltungsbehördlichen Verfahren, im Besonderen aus der Anzeige des „häuslichen Unterrichts“ sowie dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde. Der Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden. Insbesondere ist auf die von der Behörde eingeholten Stellungnahmen zu verweisen. Die Beschwerdeführer stellte deren Richtigkeit nur pauschal und unsubstantiiert mit dem Hinweis auf das positiv abgeschlossene Schuljahr in Abrede. Allerdings ist aus der von der Erziehungsberechtigten unterfertigten und als Urkunde unbedenklicher Betreuungsvereinbarung vom 25.06.2021 ersichtlich, dass der Erziehungsberechtigten die schulischen Defizite bekannt sein mussten.

Ebenso wurde Einsicht genommen in die hg. Akten W203 2246035, betr. XXXX , W129 2246034, betr. XXXX und W224 2246036, betr. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 lautet (auszugsweise):

„[…] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.

[…]

Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“

Gemäß Art. 14 Abs. 6 B-VG sind Schulen Einrichtungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unterrichtet werden und im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird.

Gemäß § 2 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962 idF BGBl. I Nr. 38/2015, hat die österreichische Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.

§ 11 SchPflG lautet (auszugsweise):

„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann […] auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

[…]

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

3.2.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 Abs. 3 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Die Untersagung der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. am häuslichen Unterricht i.S.d. § 11 Abs. 3 SchPflG ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 25.02.1971, 2062/70). Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, als dieses zu prüfen hat, ob die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG). Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch das Verwaltungsgericht erforderlich ist (siehe wieder VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201, m.w.N.).

Das Gesetz räumt der Behörde die Befugnis ein, die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht zu untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 1 oder 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist. Mit Wahrscheinlichkeit ist eine Tatsache als gegeben anzunehmen, wenn gewichtigere Gründe für ihr Vorhandensein sprechen als dagegen. Von großer Wahrscheinlichkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafür sprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74; 25.02.1971, 2062/70).

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 27.04.1974, Zl. 16 u. 17/74 ausgesprochen, dass sowohl die hohe Organisationsform des Unterrichtes an einer öffentlichen Schule als auch die höhere pädagogische Ausbildung der an öffentlichen Volksschulen beschäftigten Personen Gründe darstellen können, welche gegen die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes sprechen, wenn Kinder verschiedener Altersstufen zu unterrichten sind. In diesem Fall nämlich entsteht durch mehrere Kinder verschiedenen Alters eine Struktur des Unterrichts, die jener an einer öffentlichen Schule nahe kommt und sowohl eine erhöhte Organisation und auch ein höheres pädagogisches Wissen notwendig machen. Die unterrichtende Person ist dabei vermehrt mit Aufgaben konfrontiert, die für gewöhnlich von „professionellen“ Lehrpersonen an öffentlichen Schulen erledigt werden, was demgegenüber beim Unterricht eines einzelnen Kindes nicht gegeben ist. Dies untermauert der Verwaltungsgerichtshof auch damit, als er ausführt, dass die hohe Organisationsform des Unterrichts und die höhere pädagogische Ausbildung immer dann aktuell sind, wenn Kinder verschiedener Altersstufen von Personen, die keine pädagogische Ausbildung genossen haben, unterrichtet werden.

Dementsprechend ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob die unterrichtende Person in concreto in der Lage ist, den Unterricht in einer – einer mehrstufigen Klasse an einer öffentlichen Volksschule – vergleichbaren Struktur adäquat abzuhalten und nicht darauf, ob sie die entsprechenden Befähigungen dazu aufweist.

3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Die belangte Behörde hat – durch gutachterliche Stellungnahmen untermauert – festgestellt, dass in der Homeschooling-Phase des vergangenen Schuljahres Unzulänglichkeiten in Bezug auf den Unterrichtserfolg des schulpflichtigen Kindes entstanden sind, die ein Einschreiten der Kinder- und Jugendhilfe notwendig gemacht haben. Bei den älteren Geschwistern konnte ein Leistungsabfall im zweiten Semester des Schuljahres 2020/2021 festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin müsste im Schuljahr 2021/2022 vier Kinder auf vier verschiedenen Schulstufen im häuslichen Unterricht unterrichten, wobei in einem Fall auch eine andere Schulart, nämlich die Allgemeine Sonderschule, zum Tragen kommt. Zusätzlich kann die Zweitbeschwerdeführerin im häuslichen Unterricht nicht auf „Lernunterlagen“ oder „Lernpakete“ durch die örtlichen Pflichtschulen wie in der Homeschooling-Phase des vergangenen Schuljahres zurückgreifen.

Weil die belangte Behörde zur Recht folgerte, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegt, lag es im Ermessen der belangten Behörde, die Teilnahme am häuslichen Unterricht zu untersagen.

Die belangte Behörde hat die getroffene Ermessensentscheidung im Sinne des Gesetzes (den schulpflichtigen Kindern in ihrem eigenen Interesse und dem der Allgemeinheit in einer objektiv überprüfbaren Form das nötige Elementarwissen zu vermitteln) geübt. Damit erschöpft sich die Befugnis einer inhaltlichen Überprüfung der Ermessensausübung durch das Bundesverwaltungsgericht. Der Untersagung des häuslichen Unterrichts im Schuljahr 2021/2022 ist daher nicht entgegenzutreten.

Ein gesonderter Abspruch bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung.

Aufgrund der Untersagung des häuslichen Unterrichts, hat das Kind gemäß § 5 SchPflG seine Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen zu erfüllen.

3.2.4. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

Einen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte die Zweitbeschwerdeführerin nicht, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von Amts wegen ist nicht erforderlich.

3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Ermessensübung Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht öffentliche Schule Öffentlichkeitsrecht Unterrichtserfolg Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2246033.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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