TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 W171 2246227-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs6
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3
VwGVG §8a

Spruch


W171 2246227-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Albanien, vertreten durch die BBU GmbH (Bundesagentur für Betreuungs- u. Unterstützungsleistungen), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2021, Zl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG i.V.m. § 52 Abs. 6 FPG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft seit dem 02.09.2021 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Bund der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Gewährung von Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabengebühr wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge BF genannt) wurde am 01.09.2021 in Zuge der Ermittlungen wegen eines vermuteten Ladendiebstahls festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt. Im Verfahren legte er einen albanischen Reisepass und einen italienischen Aufenthaltstitel, gültig bis 24.06.2022 vor.

Er gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, im Mai 2021 in Deutschland eine Strafe bekommen zu haben und abgeschoben worden zu sein. Er sei vor etwa einem Monat aus Italien gekommen um in Österreich zu arbeiten. Er habe zuerst in einem Hostel und später bei der Caritas genächtigt. Er habe keine Verwandten in Österreich und verfüge über keine Barmittel, sein Bruder habe ihm aber € 200,-- geschickt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen u. Asyl (in der Folge BFA genannt) vom 02.09.2021 wurde sohin die gegenständlich angefochtene Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung verhängt und ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung, der Sicherheit und Ordnung im Lande hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer tatsächlichen Rückführung des BF in einen möglichen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig. Da der BF nicht zu touristischen Zwecken im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei und sein Verhalten zur Zeit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit u. Ordnung darstelle, sei es nicht möglich, ihn zur freiwilligen Ausreise aufzufordern, da er doch kurz vor seiner Einreise nach Österreich aus Deutschland abgeschoben worden sei.

Mit Bescheid des BFA vom 09.09.2021 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen und die Abschiebung des BF nach Albanien für zulässig erklärt, eine freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Beschwerdeschrift vom 08.09.2021, bei Gericht eingelangt am 09.09.2021, wurde im Wesentlichen ausgeführt, die verhängte Schubhaft sei rechtwidrig, da sich die Behörde bei Verhängung der Schubhaft nicht mit der Frage einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 6 FPG auseinandergesetzt habe. Vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre eine Frist zur freiwilligen Ausreise einzuräumen gewesen, da der BF über einen italienischen Aufenthaltstitel verfüge und eine sofortige Ausreise des BF aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht geboten sei. Es fehle im Bescheid an einer nachvollziehbaren Gefährdungsprognose und sei dieser daher rechtswidrig.

Darüber hinaus sei keine Fluchtgefahr gegeben, da der BF nunmehr wisse, dass er in Österreich nicht arbeiten könne und daher nach Italien zurück wolle. Darüber hinaus sei der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Zi. 1 nicht gegeben, da zum Zeitpunkt der Festnahme des BF gegen diesen weder eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestanden habe, noch dieser von der Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer derartigen Maßnahme gewusst habe. Er habe sich daher dem Verfahren nicht entzogen und habe es nicht behindert. Weiters sei keine nachvollziehbare Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und zu Unrecht kein gelinderes Mittel herangezogen worden.

Begehrt wurde (neben der notorisch begehrten Abhaltung einer mündlichen Verhandlung) Verfahrenshilfe in Höhe der Eingabengebühr und Verfahrenskostenersatz.

Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 10.09.2021 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes

für die Aufwendungen. Dabei wurde wie nachstehend (verkürzt) ausgeführt:

„Nach illegalen Aufenthalt von unbestimmter Dauer, Verstöße gegen das Meldegesetz und Diebstahl, wurde der Fremde am 02.09.2021 in Schubhaft genommen.

Im Rahmen einer durchgeführten Einzelfallprüfung das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes sowie das Vorliegen einer ultima-ratio-Situation nachvollziehbar geprüft.

Auf die detaillierte Niederschrift und auf die Aussagen des BF vor der Polizei darf explizit hingewiesen werden.

Ein durchschlagender Sicherungsbedarf und somit das Vorliegen von Fluchtgefahr lässt sich zwanglos aus der Aktenlage ableiten.

Statische, wiederkehrende Vorwürfe der Beschwerde

Die Vorwürfe in der Beschwerde, „die Behörde behauptet fälschlich, hat sich damit nicht auseinandergesetzt, es fehlt die Gefährdungsprognose usw., sind mittlerweile feste Bausteine einer jeden BBU Beschwerde, unabhängig von der Behörde unternommenen Anstrengungen und Feststellungen.

Fest steht, dass der BF ohne finanzielle Mittel und ohne die Einreise belegen zu können, bei einer gerichtlich strafbaren Handlung im Bundesgebiet betreten wurde. Zuerst stritt er die Diebstahlshandlung ab, dann gab er sie vor dem BFA zu. Wieso die BBU behauptet er hätte finanzielle Mittel, nachdem der BF zugab sein Geld verspielt zu haben, ist nicht nachvollziehbar. Nachdem der BF aussagt, seit 30 Jahren regelmäßig zu spielen, liegt ganz evident eine Spielsucht vor. Mangelns finanzieller Mittel ist es evident, dass er gezwungen ist Diebstähle zu begehen, das ziehst sich wie ein roter Faden durch sein Leben, es sei hier erlaubt auf die Unterlagen der Deutschen Behörden hinzuweisen. Nachdem er kein Geld hat, kann er Österreich gar nicht freiwillig verlassen, es besteht eindeutig und nachvollziehbar die Gefahr der Beschaffungskriminalität. Es handelt sich beim BF um einen mehrfachen Wiederholungstäter, auch wenn keine gerichtliche Verurteilung vorhanden ist, sprechen die Unterlagen eine eindeutige Sprache. Um diese Gefährdungsprognose zu stellen und daraus die Notwendigkeit der Schubhaft abzuleiten bedarf es keiner Verurteilung, die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist nachweislich gefährdet.

Nichtvorliegen einer Fluchtgefahr

Die Behauptung, die Fluchtgefahr sei nicht gegeben, kann nur darauf zurückgeführt werden, dass die Beschwerdeverfasser sich mit der Situation nicht richtig auseinandergesetzt haben, bzw. dass sie Tatsachen negieren. Die Schubhaft wurde nicht angeordnet, weil er straffällig wurde, sondern weil aufgrund des Gesamtverhaltens und der Abwägung der Situation damit zu rechnen ist, dass er untertaucht. Die Behauptung er hätte nicht gewusst, dass er in Österreich nicht arbeiten dürfe und er wäre durch die MA 35 auf Arbeitssuche gewesen, müssen als Schutzbehauptung gewertet werden, da die MA 35 für die Arbeitsaufnahme gar nicht zuständig ist und ein Anruf beim Wiener Arbeitsamt am 10.09.2021 ergab, dass der BF nicht als arbeitssuchend gemeldet ist. Obendrein darf die Arbeitswilligkeit des BF aufgrund der Vorkommnisse der letzten 20 Jahre (laufende Diebstähle in Deutschland, angebliche Erhaltung durch die Geschwister) mehr als bezweifelt werden. Für das BFA ist klar, dass nachdem der BF schon mehrmals aus Deutschland abgeschoben wurde, ihm dort mehrmals auch mitgeteilt wurde, dass er sich in Italien aufzuhalten hat, er sich daran nicht hält, sich unrechtmäßig in Österreich aufhält und hier straffällig wird, keine Möglichkeit besteht den BF ohne Geld, ohne Greifbarkeit in die Freiheit zu entlassen. Eine Notschlafstelle der Caritas begründet keine Greifbarkeit, ist aber ein Beweis für Mittellosigkeit. Der BF operiert ja geradezu mit der Tatsache, dass er in Italien aufenthaltsberechtigt ist und aus diesem Grund ihm quasi nichts passieren kann, egal wohin er sich begibt.

Das BFA hat am 09.09.2021 eine RKE gegen den BF erlassen, geplant ist die Abschiebung ins Heimatland, von dort kann er ungehindert nach Italien einreisen. Entgegen der Behauptung der Beschwerde wurde dem BF am 02.09.2021 eindeutig mitgeteilt, dass die Einvernahme auch hinsichtlich einer Rückkehrentscheidung geführt wird (siehe Gegenstand der Amtshandlung S. 1, Entscheidung S.4)

Kooperationswilligkeit

In der Beschwerde, wird von der Kooperationsbereitschaft des BF gesprochen. Das ist ein probates Mittel der Beschwerdeverfasser die ultimo ratio Eigenschaft der Schubhaft zu untergraben, hätte nämlich der BF bis Dato Interesse an einer Kooperation gehabt, hätte sich das sicherlich einrichten lassen. Er hat in Österreich illegal gelebt, war und ist nicht gemeldet, es steht gar nicht in seinem Interesse mit den Behörden Kontakt zu halten. Nachweise über Übernachtungen in einem Hostel am HBF konnten nicht vorgelegt werden. Ein Rechtsanspruch auf eine etwaige gesetzliche finanzielle Unterstützung seitens des Bruders besteht nicht, außerdem, wie schon dargelegt, verspielt der BF das Geld. Wäre er an einer legalen Vorgehensweise interessiert gewesen, hätte er eine andere Vorgehensweise gewählt.

Conclusio

Die Verhängung des gelinderen Mittels setzt u.a. eine zumindest minimale Zuverlässigkeit der Verfahrensperson voraus. Der BF hat aufgrund seiner Verhaltensweise in Deutschland und in Österreich, jegliches Recht auf ein Vertrauen seitens der Behörde verspielt. Im Verfahrensgang und in den Unterlagen der deutschen Behörden sind die Verfehlungen genau aufgelistet. Es besteht eine aktuelle nationale Fahndungsnotierung in Deutschland. Trotzdem hat der zuständige Referent entgegen der Behauptung in der Beschwerde, die Möglichkeit des gelinderen Mittels in Betracht gezogen und hat auch in diesem Fall eine genaue Einzelprüfung vorgenommen. Nachdem der BF jedoch weder finanzielle Mitteln noch Familie im Bundesgebiet, noch ein gesichertes Wirtschafts- und Sozialleben hat, bzw. straffällig wurde, war das gelindere Mittel nicht zu verhängen.

Der BF hat gegen zahlreiche Gesetze in Österreich verstoßen. Die Behörde unternimmt alles, den BF so schnell wie möglich außer Landes zu bringen. Sollte der BF zur Rückkehrentscheidung ein Rechtmittelverzicht abgeben, kann die Überstellung nach Albanien schon in wenigen Tagen stattfinden. Die Behörde würde einer durch die BBU unterstützten Ausreise aus der Haft zustimmen.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1.       die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2.       den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF reiste illegal zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein, ist albanischer Staatsangehöriger und verfügt über einen aufrechten italienischen Aufenthaltstitel. In Österreich war und ist er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer Niederlassungsbewilligung. Er ist weder privat, noch familiär in Österreich integriert. Strafgerichtlich ist er in Österreich bisher unbescholten. Er wollte im Bundesgebiet einer (illegalen) Beschäftigung nachgehen. Der Beschwerdeführer wurde seitens des BFA nicht dazu aufgefordert bzw. verpflichtet, sich in das Hoheitsgebiet von Italien zu begeben.

Die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet ist nicht geboten. Es geht keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit von der Person des Beschwerdeführers aus.

Der BF kann sich jederzeit finanzielle Unterstützung von seinem Bruder holen. Dieser hat seine Unterstützung schriftlich zugesagt und auch in der Vergangenheit finanzielle Leistungen an den BF erbracht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Identität des Beschwerdeführers sowie seine Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem vorliegenden Reisepass (AS 9). Auch der weiter gültige italienische Aufenthaltstitel wurde vom Beschwerdeführer vorgelegt und war, weil aktenkundig, im Verfahren unstrittig.

Dass er strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich (Auszug vom 10.09.2021). Dass der BF beabsichtigt habe in Österreich eine (illegale) Arbeit aufzunehmen ergibt sich aus seinen glaubwürdigen Angaben vor der Behörde (AS 9). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keinen regulären österreichischen Aufenthaltstitel verfügte, ergibt sich aus den Auszügen des IZR und ZMR. Aus dem Einvernahmeprotokoll (AS 10 ff) ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer in Österreich in keiner Weise verankert ist und er sich ausschließlich zu Erwerbszwecken im Bundesgebiet aufhielt.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nicht aufgefordert wurde, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet von Italien zu begeben, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt und der entsprechenden rechtlichen Würdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Der BF ist nach eigenen Angaben in der Beschwerdeschrift nicht als mittellos zu bezeichnen. Es liegt eine Unterstützungserklärung eines Bruders in Italien vor und hat dieser auch bereits in der Vergangenheit den BF mit Geldüberweisungen finanziell mit wesentlichen Beträgen unterstützt. Das Verfahren hat keine Zweifel aufkommen lassen, dass der Bruder dies auch in Hinkunft weiter tun würde. Hiezu wurde ein Überweisungsbeleg der Fa. XXXX vom 18.08.2021 über einen Betrag von € 185,-- sowie eine Unterstützungserklärung des Bruders in Kopie dem Gericht vorgelegt.

2.3. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Anwendung des § 52 Abs 6 FPG:

„In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG zu lesen ist. Dort wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen wird, hat es zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer "Verpflichtung" des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben (VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310). Die Frage der "Unverzüglichkeit" stellt sich dann in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der "Verpflichtung" ergangen ist. Wird ihr "unverzüglich" entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben, andernfalls ist sie zu verhängen.“ (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234)

§ 52 FPG setzt die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie um (siehe dazu RV 1078 BlgNR 24. GP 29). Art. 6 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Dass die Behörde dieser im Hinblick auf den Daueraufenthaltstitel des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland gebotenen Anordnung nachgekommen wäre, wurde weder im angefochtenen Bescheid festgestellt, noch ergibt sich dies aus den vorgelegten Verwaltungsakten.“

[…]

„Der Mitbeteiligte war sodann aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet jenes Mitgliedstaates zu begeben, von dem der ihm erteilte Aufenthaltstitel stammt (hier: Spanien). Das hat das BFA indes nicht getan. Der Mitbeteiligte wurde zwar im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10. April 2015 zur unverzüglichen Ausreise aus Österreich aufgefordert. Diese Ausreiseaufforderung erfolgte jedoch nicht in Bezug auf Spanien, sondern - nur so konnte sie angesichts der Aufforderung, das ihm ausgehändigte Informationsblatt bei der österreichischen Botschaft seines Heimatlandes persönlich zu übergeben, verstanden werden - in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Volksrepublik China. Die ausgesprochene Ausreiseverpflichtung war demnach von ihrer Zielrichtung her verfehlt, weshalb sie auch nicht die Konsequenz nach sich ziehen konnte, dass nunmehr eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Damit erweist sich die ersatzlose Behebung der Rückkehrentscheidung und der mit ihr verbundenen Aussprüche im Ergebnis als zutreffend.“ VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234

Gemäß § 52 Abs. 6 FPG hat sich ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 leg.cit. zu erlassen.

Nach der Judikatur des VwGH ist § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG zu lesen. Schon aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung ergibt sich unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber damit die Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie beabsichtigte (vgl. 1078 BlgNR XXIV. GP, S 29). In der Bestimmung wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Ausreiseverpflichtung nicht entsprochen wird oder eine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, hat eine Rückkehrentscheidung zu erfolgen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer „Verpflichtung“ des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Die Frage der „Unverzüglichkeit“ stellt sich in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der „Verpflichtung“ ergangen ist. Wird ihr „unverzüglich“ entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234 mit Verweis auf das Erkenntnis vom 10.04.2012, 2013/22/0310).

Hinsichtlich der Frage, ob vom Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht und daher seine sofortige Ausreise erforderlich ist, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefährdungsprognose zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0453). Es ist darüber hinaus auch zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgesprochen hat, dass es im Kontext des § 52 Abs. 6 FPG nicht schlichtweg auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ankommt, sondern (iS eines zusätzlichen Kriteriums) darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007).

Auf BS 4 des gegenständlichen Schubhaftbescheids führt das BFA als Begründung für die Unterlassung einer Aufforderung des BF zur Ausreise nach Italien wie folgt an:

„Ihr persönliches Verhalten stellt zur Zeit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Es ist evident, dass Sie sich gemäß § 6 SGK nicht aus touristischen Zwecke im Bundesgebiet aufhältig sind und somit illegal. Aufgrund dessen liegen die Voraussetzungen vor zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Es ist nicht möglich, Sie zur freiwilligen Ausreise aufzufordern, wurden Sie doch kurz vor Ihrer Einreise nach Österreich aus Deutschland abgeschoben. Sie haben keine Barmittel, keine Unterkunft und wurden mehrmals bei Ladendiebstahlsdelikten betreten.

Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.“

Das BFA stellt daher nahezu begründungslos fest, dass der BF durch sein Verhalten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Weitere Ausführungen sind jedoch unterblieben. Auch die im angefochtenen Bescheid sonstigen getroffenen Feststellungen reichen für diese Annahme jedoch nicht aus. Für diese Annahme wäre eine Einzelfallprüfung erforderlich, für die insoweit auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erstellung einer Gefährlichkeitsprognose bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots zurückgegriffen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2011/21/0237). Es wäre daher auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen gewesen, ob, und im Hinblick auf welche Umstände die geforderte Annahme gerechtfertigt wäre. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht etwa auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Straffälligkeit des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Dasselbe gilt für das den Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen zu Grunde liegende Verhalten (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 10. September 2013, Zl. 2013/18/0052, und vom 19. Februar 2013, Zl. 2012/18/0230, mwN). Wenn auch ein öffentliches Interesse an der Verhinderung von möglichen Straftaten unbestritten ist, so reichen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen jedoch für eine nachvollziehbare Darstellung der Gefährdungsannahme nicht aus. Die belangte Behörde setzt sich nicht mit den maßgeblichen Kriterien für eine rechtskonforme Gefährdungsprognose auseinander, wonach das Gesamtverhalten des BF eine sichtliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle würde. Er ist zudem auch unbescholten. Aus diesen Gründen ist – in Stattgabe der Beschwerde – die mit Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides verhängte Schubhaft gemäß § 52 Abs. 6 FPG wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben.

4. Im vorliegenden Fall konnte auch von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Akt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Es hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Fehlerhaftigkeit des Bescheides der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich sein wird.

Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Objektiviert man das bisherige Verhalten des BF in Österreich so ergibt sich, dass er (neben einer illegalen Einreise) hier gegen das Meldegesetz verstoßen hat und gegen ihn eine (? mehrere) Diebstahlsanzeige(n) vorliegen dürften. Das Gericht vermag angesichts eines möglichen Diebstahls eines Ladekabels und eines Meldevergehens keine ins Gewicht fallende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Inland für die Zukunft zu erblicken, die ein Abgehen von der gem. § 52 Abs. 6 FPG vorgesehenen Aufforderung an den BF, binnen Frist nach Italien zurückzukehren, rechtfertigen würde. Die Tatsache, dass der BF aus Deutschland abgeschoben wurde lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf ein zu erwartendes Verhalten des BF im Zusammenhang mit einer Ausreiseverpflichtung aus Österreich zu. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt III.– Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die beschwerdeführende Partei vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Die Eingabengebühr wurde bisher nicht entrichtet und war daher auch nicht ersatzfähig.

Zu Spruchpunkt IV. Verfahrenshilfe

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Das BFA-VG sieht für seinen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffenden Anwendungsbereich allerdings keine ausdrückliche Regelung vor, ob oder inwieweit im Rahmen der kostenlosen Rechtsberatung nach § 52 BFA-VG auch eine Befreiung von allfälligen zu entrichtenden Gerichtsgebühren oder anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren (§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO) möglich ist (siehe etwa auch VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004). Für Beschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 7 Abs. 1 BFA-VG sind die Bestimmungen des VwGVG anzuwenden. Da in diesen Fällen eine gesetzliche Gebührenbefreiung nicht besteht, unterliegen derartige Beschwerden der Verpflichtung zur Entrichtung der Eingabegebühr nach § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b GebG iVm BuLVwG- EGebV. Im vorliegenden Fall handelt es sich dabei um eine Gebühr von € 30,--.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr findet somit in § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1Z 1 lit. a ZPO grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage.

Entgegen den Ausführungen im Antrag auf Verfahrenshilfe bringt der BF im Rahmen der Beschwerdeschrift dem entgegengesetzt vor, eben gerade nicht mittellos zu sein (Beschwerdeseite 7). Er führt aus, dass er von seinem namentlich genannten Bruder wiederholt Geldzuwendungen erhält und legt zum Beweis einen XXXX Überweisungsbeleg über eine Überweisung in Höhe von € 185,-- vom 18.08.2021 vor. Diese Summe ist zwar als gering zu betrachten, es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die BF durch die Anhaltung im PAZ keinerlei Aufwendungen für Unterkunft oder Nahrung zu tätigen hatte und auch seiner offenbar bestehenden Spielsucht nicht nachgeben könnte. Es wäre ihm daher durchaus möglich gewesen, die Euro 30 für die Eingabengebühr aus den offenbar periodischen Zuwendungen seines Bruders zu begleichen, ohne dadurch in seiner Existenz bedroht zu sein. Die angegebene Vermögenslosigkeit wäre daher bei Einholung neuerlicher zugesagter Unterstützung durch den Bruder (siehe Unterstützungserklärung) nicht in der Form vorgelegen, dass ihm die Begleichung der Eingabengebühr nicht möglich gewesen wäre. Eine Person kann nicht hinsichtlich der Zahlung von Gerichtsgebühren mittellos sein, jedoch im Bezug auf die Qualifikation von Tatbestandsmerkmalen für die Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung eine Mittellosigkeit qualifiziert (unter Beigabe glaubwürdiger Urkunden) bestreiten. Der BF hat nach Ansicht des Gerichts im Rahmen des Schubhaftverfahrens glaubwürdig dargetan, gerade nicht mittellos zu sein.

Es war daher gemäß § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO der gegenständliche Antrag abzuweisen und die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr nicht zu erteilen.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Eingabengebühr Einreiseverbot Gefährdungsprognose illegale Einreise Kostenersatz Meldepflicht Mittellosigkeit öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit öffentliches Interesse Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Strafanzeige Verfahrenshilfe Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2246227.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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