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Verwaltungsverfahren - VStGNorm
AVG §66 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kundegraber, über die Beschwerde des Dr. JK, Rechtsanwalt in Wien I, Liliengasse 1, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Juli 1986, Zl. MA 70-9/692/86/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1986, Zl. 85/02/0164, wurde ein Bescheid der Wiener Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, mit dem der Beschwerdeführer für schuldig erkannt worden war, am 31. August 1984 um 13.30 Uhr in Wien 1., Ballgasse 2, das für ihn zugelassene Kraftfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen W ... abgestellt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. n StVO 1960 begangen zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung damit begründet, daß das Abstellen eines Fahrzeuges am Tatort, einer beschilderten Fußgängerzone, wohl § 24 Abs. 1 lit. i StVO 1960, nicht aber die als verletzte Verwaltungsvorschrift herangezogene lit. n dieser Gesetzesstelle verletzen könne.
Mit dem als „Berufungsbescheid (Ersatzbescheid)“ bezeichneten Bescheid vom 2. April 1986 wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien „unter Bedachtnahme auf das ....... Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ...... gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und das Verfahren hinsichtlich der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nach § 24 Abs. 1 lit. n StVO 1960 vorgenommenen Tatanlastung gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt“.
In der Folge erging an den Beschwerdeführer ein neuerliches Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Juni 1986, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, am 31. August 1984 um 13.30 Uhr in Wien 1., Ballgasse 2, das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W ... in einer deutlich beschilderten Fußgängerzone ...... gehalten und dadurch § 24 Abs. 1 lit. i StVO 1960 verletzt zu haben; über ihn wurde deswegen neuerlich eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde das genannte Straferkenntnis vom 10. Juni 1986 bestätigt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer ist mit seiner Behauptung, der angefochtene Bescheid verletze den Grundsatz „ne bis im idem“ und sei aus diesem Grunde rechtswidrig, im Recht. Die belangte Behörde hat das gegen den Beschwerdeführer wegen der am 31. August 1984 dadurch begangenen Tat, daß er sein Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort abgestellt hat, eingestellt. Damit war das Verwaltungsstrafverfahren abgeschlossen. Eine neuerliche Entscheidung über den gegen den Beschwerdeführer im abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren erhobenen Tatvorwurf hätte nur unter der Voraussetzung erfolgen dürfen, daß die Einstellung - etwa im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens - aufgehoben worden wäre.
Die belangte Behörde ist damit im Unrecht, daß der Beschwerdeführer im zweiten Rechtsgang einer anderen Tat schuldig erkannt worden sei. Der Unterschied zu dem im ersten Rechtsgang ergangenen, vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid liegt lediglich in der rechtlichen Beurteilung der Tat, m. a. W. in der Subsumtion der Tat unter eine andere Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950. „Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. So steht es auch der Berufungsbehörde zu, die als erwiesen angenommene Tat einer anderen Strafnorm zu unterstellen als dies die Erstbehörde getan hat. Ergeht in der Sache, das heißt über die Tat, eine rechtskräftige Entscheidung, wozu auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zählt, so ist es der Behörde verwehrt, in der selben Sache, das heißt über dieselbe Tat, eine weitere Entscheidung zu fällen.
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 20. November 1986
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1986020136.X00Im RIS seit
13.10.2021Zuletzt aktualisiert am
13.10.2021