TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/8 Ro 2020/04/0007

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §129 Abs2
BVergG 2018 §137
BVergG 2018 §137 Abs3
BVergG 2018 §138 Abs1
BVergG 2018 §138 Abs5
BVergG 2018 §141 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der B GmbH in M, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Oktober 2019, Zl. LVwG-840181/16/HW, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Das Land Oberösterreich (mitbeteiligte Partei) hat als Auftraggeber im Mai 2019 näher beschriebene Bauleistungen im Unterschwellenbereich in einem offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Revisionswerberin hat ein Angebot gelegt.

2        Mit E-Mail vom 1. Juli 2019 teilte der Auftraggeber der Revisionswerberin mit, dass sich im Zuge der vertieften Angebotsprüfung zahlreiche Unklarheiten und Auffälligkeiten in der Kalkulation der Revisionswerberin ergeben hätten, und forderte die Revisionswerberin gemäß § 138 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) auf, zu mehreren (in 33 Punkte gegliederten) Fragen eine schriftliche Aufklärung abzugeben. Die Revisionswerberin erstattete dazu ein Antwortschreiben.

3        Mit Schreiben vom 29. Juli 2019 übermittelte der Auftraggeber der Revisionswerberin die auf eine Mehrzahl von Gründen gestützte Entscheidung über das Ausscheiden ihres Angebotes. Mit Antrag vom 9. August 2019 begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung.

4        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Oktober 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diesen Antrag - ebenso wie den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung wurde für zulässig erklärt.

5        Nach Darstellung der wesentlichen Inhalte der im Verfahren ergangenen Schriftsätze, der zugrundeliegenden Ausschreibung und weiterer Bezug habender Unterlagen, des Aufklärungsersuchens des Auftraggebers vom 1. Juli 2019 und des dazu erstatteten Antwortschreibens der Revisionswerberin sowie der Ausscheidensentscheidung vom 29. Juli 2019 traf das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen betreffend die in der Ausscheidensentscheidung herangezogenen Ausscheidensgründe.

6        In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - zunächst fest, dass die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung zulässig gewesen sei. Bei Unklarheiten sei gemäß § 138 BVergG 2018 eine verbindliche Aufklärung zu verlangen bzw. eine kontradiktorische Überprüfung vorzunehmen. Zwar erachtete das Verwaltungsgericht einzelne (näher dargestellte) vom Auftraggeber herangezogene Ausscheidensgründe als nicht gegeben. Allerdings habe der Auftraggeber das Angebot der Revisionswerberin auf Grund nachstehender Umstände zu Recht ausgeschieden:

Hinsichtlich näher genannter Positionen habe der Auftraggeber zutreffend den Ausscheidensgrund des § 141 Abs. 2 BVergG 2018 herangezogen, weil das Antwortschreiben der Revisionswerberin (im Zusammenhang mit der Kalkulation dieser Positionen bzw. mit bestimmten vom Auftraggeber abgefragten Transportstrecken und -zeiten) einer nachvollziehbaren Begründung entbehrt und die bestehenden Unklarheiten nicht beseitigt habe. Dass es sich bei diesen Positionen im Verhältnis zur Angebotssumme nur um „Bagatellpositionen“ handle, ändere daran nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nichts, weil bei gegenteiliger Auffassung ein Bieter einem Aufklärungsersuchen bei Bagatellpositionen nie nachkommen müsste. Der Auftraggeber sei auf Basis der im Vergabeverfahren vorgelegenen Unterlagen (auf eine im Vergabenachprüfungsverfahren erstmals vorgebrachte Erklärung sei - so das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht Bedacht zu nehmen) auch zu Recht von nicht plausiblen Teilpreisen in mehreren, näher bezeichneten Positionen ausgegangen, weil die Positionspreise auf Grund der kalkulierten Transportkosten betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar seien. Dies führe zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises, womit der Ausscheidenstatbestand des § 141 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018 erfüllt sei. Diesen Ausscheidenstatbestand sah das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich der gänzlich fehlenden Materialansätze bei jenen Positionen als erfüllt an, die das Liefern von Material beinhalteten. Auch bei einer - von der Revisionswerberin ins Treffen geführten - Verwendung von Aushubmaterial hätten die Aufwendungen für die Gewährleistung der Eignung dieses Aushubmaterials bei diesen Positionen berücksichtigt werden müssen. Da die Revisionswerberin vorgebracht habe, sie habe diese Aufwendungen bei anderen Positionen berücksichtigt, liege insoweit eine unzulässige Verlagerung von Kosten auf andere Positionen vor. Eine derartige unzulässige Mischkalkulation erachtete das Verwaltungsgericht auch bei einer weiteren Position (im Zusammenhang mit den Kosten für ein Einbaugerät) als gegeben. Die Verschiebung von verlangten Kosten zwischen den Leistungspositionen führe - wenn die Ausschreibung wie im vorliegenden Fall eine Auspreisung verschiedener konkreter Leistungspositionen verlange - zur Ausschreibungswidrigkeit des Angebotes, weshalb - so das Verwaltungsgericht weiter - insoweit auch der Ausscheidenstatbestand des § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 erfüllt sei. Schließlich ging das Verwaltungsgericht hinsichtlich näher bezeichneter Positionen noch davon aus, dass die Revisionswerberin bei der Auspreisung von Fremdleistungen entgegen den Vorgaben der Ausschreibung sowie der ÖNORM B 2061 zusätzlich zum Rechnungsbetrag für die Fremdleistung und dem Gesamtaufschlag weitere Kosten aufgeschlagen habe. Die Preise in diesen Positionen seien daher nicht plausibel bzw. entgegen den Festlegungen in der Ausschreibung kalkuliert worden.

7        Das Verwaltungsgericht erachtete die ordentliche Revision als zulässig. Es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung,

„ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Ausscheiden gemäß § 141 Abs. 2 BVergG auch bei Aufklärungen betreffend Bagatellpositionen zulässig ist, sowie ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei Vorliegen nicht plausibler Teilpreise in (mehreren) nicht wesentlichen Positionen ein Ausscheiden gemäß § 141 Abs. 1 Z. 3 BVergG zu erfolgen hat, sowie, ob bei Anwendung der ÖNORM B2061 bei der Auspreisung von Fremdleistungen neben dem im K3-Blatt ausgewiesenen Gesamtzuschlag (auf die Kosten der Fremdleistungen) ein zusätzlicher Bearbeitungsaufwand aufgeschlagen werden darf.“

8        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9        Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       4. Die Revision verweist in ihrer Zulässigkeitsbegründung auf die seitens des Verwaltungsgerichtes angeführten grundsätzlichen Rechtsfragen. Zur Anwendung des § 141 Abs. 2 bzw. des § 141 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018 bei Bagatellpositionen bzw. bei nicht wesentlichen Positionen fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Gleiches gelte für die Frage im Zusammenhang mit der Auspreisung von Fremdleistungen, wobei eine grundsätzliche Bedeutung zu bejahen sei, weil die ÖNORM B 2061 in zahlreichen Vergabeverfahren für anwendbar erklärt werde. Hinsichtlich des Ausscheidenstatbestandes des § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 sei das Verwaltungsgericht von den Festlegungen in der Ausschreibung abgegangen bzw. habe diese entgegen dem objektiven Erklärungswert ausgelegt.

11       Die Revision erweist sich zwar schon im Hinblick auf die zu § 141 Abs. 2 BVergG 2018 aufgeworfene Rechtsfrage als zulässig, auf Grund nachstehender Erwägungen jedoch nicht als berechtigt.

12       5. Die maßgeblichen Regelungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65, lauten auszugsweise:

Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung

§ 137. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

(2) Der öffentliche Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn

[...]

3.  nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(3) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

[...]

Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote

§ 138. (1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter übermittelten Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Dokumentation über die Prüfung der Angebote beizuschließen.

(2) Die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen.

[...]

(5) Stellt der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung fest, dass die angebotenen Preise nicht angemessen sind, so hat er vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Der öffentliche Auftraggeber darf das Angebot nur ausscheiden, wenn trotz des Vorbringens des Bieters die Preise für den öffentlichen Auftraggeber nicht betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Er hat das Angebot jedenfalls auszuscheiden, wenn die Prüfung ergibt, dass der Bieter die in § 93 genannten Bestimmungen nicht berücksichtigt hat. Die Prüfung hat unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Bieters zu erfolgen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind in die Dokumentation der Prüfung der Angebote aufzunehmen.

[...]

Ausscheiden von Angeboten

§ 141. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

[...]

3.   Angebote, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen, oder

[...]

7.   den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, oder

[...]

(2) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung kann der öffentliche Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärungen einer nachvollziehbaren Begründung entbehren. [...]

[...]“

13       6.1. Die Revisionswerberin bestreitet zum einen, dass ihre Antwort auf das Aufklärungsersuchen des Auftraggebers unzureichend gewesen wäre. Da § 137 Abs. 1 BVergG 2018 vorsehe, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise von vergleichbaren Erfahrungswerten auszugehen sei, sei ein Verweis auf Erfahrungswerte grundsätzlich ausreichend, zumal Bieter bei vielen Ansätzen auf ihre eigenen Erfahrungswerte angewiesen seien. Bei einem Verbot des Heranziehens eigener Erfahrungswerte wären Bieter gezwungen, auf außerhalb ihrer Einflusssphäre liegende Ansätze zurückzugreifen, was einer Ausschaltung des Wettbewerbs gleichkäme. Eine noch detailliertere Erklärung der Ansätze sei vorliegend nicht möglich gewesen.

14       Zum anderen verweist die Revisionswerberin darauf, dass der addierte Preis jener Positionen, hinsichtlich derer der Ausscheidensgrund des § 141 Abs. 2 BVergG 2018 vom Verwaltungsgericht bejaht worden sei, 0,31 % des von der Revisionswerberin angebotenen Gesamtpreises ausmache. Da es sich bei § 141 Abs. 2 BVergG 2018 um eine „Kann-Bestimmung“ handle, verfüge der Auftraggeber bei der Anwendung über Ermessen, das jedoch durch die Grundsätze des Vergabeverfahrens begrenzt werde. Dem Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen werde aber nicht entsprochen, wenn Auftraggeber „(vermeintlich) nicht nachvollziehbare Aufklärungen betreffend (preislich) völlig vernachlässigbare Positionen heranziehen“ und das betroffene Angebot ausscheiden würden.

15       6.2. Der Auftraggeber hält dem in seiner Revisionsbeantwortung entgegen, dass der (vom Verwaltungsgericht verwendete) Begriff „Bagatellpositionen“ gesetzlich nicht existiere. Der Begriff wäre auch deshalb nicht sinnvoll, weil bei einem Bauvorhaben mit - wie vorliegend - 800 bis 1000 Positionen die ganz überwiegende Anzahl an Positionen nur einen geringfügigen Anteil am Gesamtpreis ausmachen würden. Unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der Revisionswerberin könnte sich ein Bieter nahezu jedem Aufklärungsverlangen durch den Auftraggeber unter Hinweis auf die vermeintliche Unbeachtlichkeit der Position entziehen. Zudem könne ein Positionspreis auch deshalb niedrig sein, weil der Bieter - wie hier der Fall - bestimmte Ansätze nicht einkalkuliert hat. Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof (in näher zitierten Entscheidungen) ein Ausscheiden wegen unzureichender Aufklärung betreffend (vermeintlich) geringfügige Positionspreise bereits als gerechtfertigt angesehen.

16       Zwar geht auch der Auftraggeber davon aus, dass Erfahrungswerte grundsätzlich zur Preisplausibilisierung geeignet sein können. Allerdings seien konkrete Erfahrungswerte offenzulegen, die dem Auftraggeber eine Beurteilung ermöglichen würden. Einem - wie vorliegend erfolgten - bloß allgemeinen Verweis auf Erfahrungswerte komme hingegen kein Erklärungswert zu. Ein - von der Revisionswerberin angedachtes - nochmaliges Nachfragen wäre dem Auftraggeber schon aus Gleichheitsgründen verwehrt gewesen.

17       7.1. Die Regelung des § 141 Abs. 2 erster Satz BVergG 2018 sieht einen fakultativen Ausscheidenstatbestand für den Fall vor, dass ein Bieter eine verlangte Aufklärung nicht oder nicht nachvollziehbar gegeben hat. Diese Regelung knüpft an das in § 138 Abs. 1 BVergG 2018 normierte Vorgehen bei einer Mangelhaftigkeit der Angebote an, wonach vom Bieter Aufklärung zu verlangen ist, wenn sich bei der Angebotsprüfung Unklarheiten über ein Angebot ergeben und diese Unklarheiten für die Beurteilung des Angebotes von Bedeutung sind. § 138 Abs. 5 BVergG 2018 sieht zudem ausdrücklich vor, dass der Auftraggeber vom Bieter eine derartige Aufklärung zu verlangen hat, wenn er im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung (gemäß § 137 Abs. 3 BVergG 2018) feststellt, dass die angebotenen Preise nicht angemessen sind.

18       Dass es dem Auftraggeber im vorliegenden Fall überhaupt nicht gestattet gewesen wäre, eine Aufklärung hinsichtlich der von ihm angenommenen Unklarheiten bei der Kalkulation der in Rede stehenden Positionen im Angebot der Revisionswerberin zu verlangen, wird in der Revision nicht behauptet und ist für den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis auch nicht ersichtlich. § 138 Abs. 1 BVergG 2018 verlangt zwar eine Bedeutung der Unklarheit für die Angebotsbeurteilung. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass eine derartige Bedeutung einen bestimmten Anteil des Wertes einer Position am Gesamtpreis voraussetzen würde bzw. eine solche Bedeutung bei einer Position mit dem hier in Rede stehenden Anteil am Gesamtpreis von vornherein zu verneinen wäre.

19       In den Erläuterungen zu § 137 BVergG 2018 (RV 69 BlgNR 24. GP 153) wird festgehalten, dass bei der Prüfung der Preisangemessenheit „keine Einschränkung der Prüfmöglichkeit des Auftraggebers (zB auf sogenannte ‚wesentliche Positionen‘) besteht“. Wenn sich die Prüfung der Preisangemessenheit auf einzelne - allenfalls auch nicht wesentliche - Positionen beziehen kann, dann kann sich (da § 138 Abs. 5 BVergG 2018 ein Verlangen nach Aufklärung auch als Folge einer vertieften Angebotsprüfung bzw. bei Zweifeln an der Angemessenheit eines Preises vorsieht) aber auch ein Verlangen nach Aufklärung auf Unklarheiten bzw. Zweifel betreffend eine (wenn auch nicht wesentliche) Position beziehen.

20       Dass das - im angefochtenen Erkenntnis in seinen wesentlichen Teilen wiedergegebene - Aufklärungsverlangen des Auftraggebers unpräzise oder nicht hinreichend deutlich gewesen wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich (vgl. dazu, dass Aufklärungsersuchen klar und konkret formuliert sein müssen, etwa Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015] Rz. 1540; sowie Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], BVergG 2006 § 129 Rz. 140).

21       7.2. Ausgehend davon dringt die Revisionswerberin aber auch mit ihrem Vorbringen betreffend das dem Auftraggeber in § 141 Abs. 2 BVergG 2018 eingeräumte Ermessen und die Beachtung der Vergabegrundsätze nicht durch. Es wäre schon aus systematischen Erwägungen nicht verständlich, wenn ein Auftraggeber hinsichtlich der Verpflichtung, bei Unklarheiten Aufklärung zu verlangen, keinen Beschränkungen (auf bestimmte Positionen) unterliegt, hinsichtlich der daran anknüpfenden Folge des Ausscheidens eines Angebotes bei unterbliebener Aufklärung hingegen schon. Auch der Wortlaut des § 141 Abs. 2 BVergG 2018 enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der darin normierte Ausscheidensgrund bei Unklarheiten betreffend die Preisplausibilität auf bestimmte (wesentliche) Positionen beschränkt wäre (vgl. weiters VwGH 9.10.2002, 2000/04/0039, wo der Verwaltungsgerichtshof ein Ausscheiden auf Grund des Fehlens einer nachvollziehbaren Aufklärung in einem Fall akzeptiert hat, in dem sich das Aufklärungsersuchen auf nicht wesentliche Positionen bezogen hat).

22       Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass der dem Auftraggeber durch eine (wie in § 141 Abs. 2 BVergG 2018 vorgesehene) „Kann-Bestimmung“ im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung eingeräumte Beurteilungsspielraum (ob er ein Angebot ausscheidet oder nicht) durch die Grundsätze des Vergaberechts, insbesondere den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, begrenzt wird (VwGH 21.3.2011, 2008/04/0083, Pkt. II.2.4.; 22.6.2011, 2011/04/0011, Pkt. II.3.2.). Zudem ist die Zielsetzung dieser Bestimmung, nämlich im Wege der Aufklärung von Unklarheiten ein bewertungsfähiges Angebot zu erhalten, zu berücksichtigen; der Auftraggeber wird daher alle Angebote auszuscheiden haben, die ohne die erteilte Aufklärung einer weiteren Prüfung nicht zugänglich sind (vgl. erneut VwGH 2008/04/0083, Pkt. II.2.4.). Es wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter nicht in Einklang zu bringen, wenn ein Auftraggeber das Angebot eines Bieters, hinsichtlich dessen Unklarheiten bestehen, eine nachvollziehbare Aufklärung aber unterblieben ist, in der weiteren Angebotsprüfung berücksichtigen und gegebenenfalls auch den Zuschlag auf dieses Angebot erteilen müsste (vgl. dazu, dass der fakultative Ausscheidensgrund der Vorgängerbestimmung des § 129 Abs. 2 BVergG 2006 dem Auftraggeber keinen großen Ermessensspielraum einräumt, etwa Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015] Rz. 1540, 1613; sowie Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], BVergG 2006 § 126 Rz. 29, § 129 Rz. 148).

23       7.3. Zum weiteren Revisionsvorbringen betreffend den Ausscheidensgrund nach § 141 Abs. 2 BVergG 2018, wonach ein Verweis auf Erfahrungswerte für die Preisplausibilisierung ausreichend sei, ist Folgendes anzumerken: Das Verwaltungsgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis das Aufklärungsverlangen des Auftraggebers und das dazu erstattete Antwortschreiben der Revisionswerberin dar. Ausgehend davon hielt es fest, dass (näher dargestellte) konkrete Fragestellungen des Auftraggebers unbeantwortet geblieben bzw. konkret verlangte Informationen von der Revisionswerberin nicht geliefert worden seien.

24       Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem BVergG 2006) festgehalten, dass glaubwürdig dargelegte Erfahrungen bei der Prüfung der Preisangemessenheit berücksichtigt werden dürfen (VwGH 16.5.2018, Ra 2017/04/0152, Rn. 32). Das bedeutet umgekehrt aber nicht, dass ein - wie vorliegend erfolgter - nicht weiter substantiierter Verweis auf Erfahrungswerte per se schon hinreichend ist, um bestehende Unklarheiten betreffend die Kalkulation einzelner Positionen zu beseitigen.

25       Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Aufklärung durch die Revisionswerberin bezüglich der in Rede stehenden Positionen als nicht hinreichend angesehen hat, um damit die bestehenden Unklarheiten auszuräumen bzw. die betriebswirtschaftliche Nachvollziehbarkeit der Preise darzulegen.

26       8. Da das Verwaltungsgericht somit zutreffend vom Vorliegen des Ausscheidensgrundes nach § 141 Abs. 2 BVergG 2018 ausgegangen ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Ausscheidensgründe bzw. das dazu erstattete Revisionsvorbringen.

27       Die vorliegende Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

28       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

29       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. September 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020040007.J00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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