TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2020/04/0105

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2021
beobachten
merken

Index

E6J
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §353
BVergG 2018 §353 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg
62015CJ0355 Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich VORAB
62016CJ0131 Archus und Gama VORAB
62018CJ0333 Lombardi VORAB
62019CJ0771 NAMA VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der B GmbH in M, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Juni 2020, Zl. LVwG-840200/11/HW, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Das Land Oberösterreich (mitbeteiligte Partei) hat als Auftraggeber im Mai 2019 näher beschriebene Bauleistungen im Unterschwellenbereich in einem offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Revisionswerberin hat ein Angebot gelegt.

2        Mit Entscheidung des Auftraggebers vom 29. Juli 2019 wurde das Angebot der Revisionswerberin ausgeschieden. Der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2019 abgewiesen. Dagegen erhob die Revisionswerberin ordentliche Revision, die zu hg. Ro 2020/04/0007 protokolliert wurde.

3        Mit Schriftsatz vom 16. März 2020 beantragte die Revisionswerberin die Feststellung, dass der - mittlerweile in diesem Vergabeverfahren vom Auftraggeber an einen anderen Bieter erteilte - Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018), die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei.

4        Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 8. Juni 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diesen Feststellungsantrag als unzulässig zurück. Unter einem wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Pauschalgebührenersatz abgewiesen und die Revision für unzulässig erklärt.

Begründend verwies das Verwaltungsgericht auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH), der zufolge einem Bieter, der durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung eines Auftraggebers von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei, der Zugang zur Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden Auftrag und des Vertragsabschlusses verwehrt werden könne. Im vorliegenden Fall sei das Angebot der Revisionswerberin ausgeschieden und der dagegen gerichtete Nachprüfungsantrag vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich abgewiesen worden. Die Revisionswerberin sei daher durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden. Ihr komme daher keine Antragslegitimation hinsichtlich der nachfolgenden Zuschlagserteilung zu, weshalb der Feststellungsantrag als unzulässig zurückzuweisen sei.

5        Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit vor, die vom Verwaltungsgericht begründend herangezogenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes seien für den gegenständlichen Fall nicht einschlägig, weil es vorliegend um einen Feststellungsantrag (und nicht um einen Antrag auf Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung) gehe und die Revisionswerberin keine Möglichkeit gehabt habe, die Ungleichbehandlung der Revisionswerberin und der Zuschlagsempfängerin bei der Anfechtung der Ausscheidensentscheidung geltend zu machen.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

8        In seinem (auch vom Verwaltungsgericht begründend herangezogenen) Erkenntnis vom 1. Februar 2017, Ro 2014/04/0069, hat der Verwaltungsgerichtshof - gestützt auf die Aussagen des EuGH im Urteil vom 21. Dezember 2016 in der Rs. C-355/15, Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich (diesem Urteil lag wiederum ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren Ro 2014/04/0069 zugrunde) - ausgesprochen, dass der dort revisionswerbenden Bietergemeinschaft, deren Angebot rechtskräftig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden worden war, keine Antragslegitimation hinsichtlich der nachfolgenden Zuschlagserteilung zukam (Rn. 27 ff).

9        Auch der EuGH hat unter Bezugnahme auf sein Urteil in der Rs. C-355/15 wiederholt festgehalten, dass einem Bieter, dessen Angebot vom Auftraggeber im Vergabeverfahren ausgeschlossen worden ist, der Zugang zur Nachprüfung einer Zuschlagsentscheidung verwehrt werden kann, wenn die Entscheidung, diesen Bieter auszuschließen, durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung bestätigt worden ist, bevor das Gericht über die Klage gegen die Zuschlagsentscheidung entschieden hat, und der Bieter somit als endgültig vom Vergabeverfahren ausgeschlossen anzusehen ist (vgl. EuGH 11.5.2017, C-131/16, Archus und Gama, Rn. 57; 5.9.2019, C-333/18, Lombardi, Rn. 31; 24.3.2021, C-771/19, NAMA ua., Rn. 45).

10       Im vorliegenden Fall wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der im gegenständlichen Vergabeverfahren gegen sie ergangenen Ausscheidensentscheidung vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2019 abgewiesen. Ihre dagegen erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2020/04/0007, als unbegründet abgewiesen. Die Revisionswerberin ist somit rechtskräftig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden worden bzw. (in der Diktion des EuGH) als „endgültig ausgeschlossen anzusehen“. Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Antragslegitimation der Revisionswerberin verneint.

11       Daran vermag der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Umstand, wonach es im vorliegenden Fall um einen Feststellungsantrag und nicht um einen Nichtigerklärungsantrag gehe, nichts zu ändern, zumal auch dem bereits zitierten hg. Erkenntnis Ro 2014/04/0069 ein Feststellungsantrag zugrunde lag und nicht ersichtlich ist, weshalb hinsichtlich der Antragslegitimation insoweit zwischen der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung und der Bekämpfung der Zuschlagserteilung zu differenzieren wäre. Gleiches gilt für das Argument der Revisionswerberin, es handle sich bei der Ausscheidensentscheidung und der Zuschlagserteilung nicht um dieselbe Entscheidung und somit lägen verschiedene Verfahrensgegenstände vor. Auch dieser Umstand traf auf die dem hg. Erkenntnis Ro 2014/04/0069 zugrunde gelegene Konstellation zu, weshalb auch insoweit kein Grund ersichtlich ist, von der dort getroffenen Entscheidung im vorliegenden Fall abzuweichen.

12       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 8. September 2021

Gerichtsentscheidung

EuGH 62015CJ0355 Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich VORAB
EuGH 62016CJ0131 Archus und Gama VORAB
EuGH 62018CJ0333 Lombardi VORAB
EuGH 62019CJ0771 NAMA VORAB

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020040105.L00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten