TE Vwgh Beschluss 2021/9/23 Ra 2021/15/0023

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Veröffentlicht am 23.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §303 Abs1
B-VG Art133 Abs4
LiebhabereiV §2 Abs1
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/15/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Dr. H K in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts vom 20. Jänner 2020, Zl. RV/6100631/2019, betreffend Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2008 bis 2012 sowie vom 23. Jänner 2020, Zl. RV/6100664/2019 betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2012, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber erklärte in den Streitjahren - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - neben seinen Einkünften als pensionierter Beamter (Bundesdienstpension) negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Erklärungen langten jeweils elektronisch beim Finanzamt ein, woraufhin dieses jeweils Einkommensteuerbescheide erließ.

2        Nach einer Außenprüfung im Juli 2014 nahm das Finanzamt die gegenständlichen Einkommensteuerverfahren wieder auf. Begründend wies es darauf hin, dass im Zuge der Außenprüfung festgestellt worden sei, dass der Revisionswerber in den streitgegenständlichen Jahren nicht nur einer Sachverständigen/Gutachtertätigkeit (für Wohnhäuser und Baugründe) nachgegangen, sondern auch als Immobilienvermittler und Buchhalter aufgetreten sei, er jedoch in den streitgegenständlichen Jahren nur eine (gemeinsame) Einnahmen/Ausgaben-Rechnung für einen Gewerbebetrieb erstellt und dem Finanzamt als Veranlagungsgrundlage vorgelegt habe. Die vom Revisionswerber erstellten Einnahmen/Ausgaben-Rechnungen beinhalteten sämtliche Einnahmen und Ausgaben eines Veranlagungsjahres. Damit lägen Einnahmen und Ausgaben vor, welche nicht nur der bisher bekannt gewesenen gewerblichen Tätigkeit als Gutachter/Sachverständiger zuzuordnen seien, sondern den zusätzlich ausgeübten Tätigkeiten der Immobilienvermittlung bzw. der Buchhaltertätigkeit, wobei die Tätigkeit als Immobilienvermittler und die Tätigkeit als Immobiliengutachter/Sachverständiger einander ergänzten und damit - neben dem Gewerbebetrieb als Buchhalter - als ein Gewerbebetrieb anzusehen seien. Die Außenprüfung habe auch festgestellt, dass der Revisionswerber Ausgaben geltend gemacht habe, bei welchen sich anlässlich der Außenprüfung erstmals gezeigt habe, dass diese entweder privat veranlasst seien oder Mischaufwand darstellten. Im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide sei nicht bekannt gewesen, dass private Fahrten vorlägen.

3        Die Außenprüfung sei zum Ergebnis gekommen, dass die beiden gewerblichen Tätigkeiten als Liebhaberei zu beurteilen und die daraus erzielten Verluste (Immobiliengutachter-Sachverständiger/Immobilienvermittler) bzw. Gewinne (Buchhaltung) nicht anzuerkennen seien, weshalb letztlich sowohl die Einkünfte als Immobiliengutachter-Sachverständiger/Immobilienvermittler als auch jene aus Buchhaltung unter den Einkünften aus Gewerbebetrieb mit Null festzusetzen seien. Die von der Außenprüfung getroffenen Feststellungen (Liebhaberei; zwei voneinander unabhängige Gewerbebetriebe; mangelnde betriebliche Veranlassung bei Ausgabenpositionen) würden ausreichen, um die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 bis 2012 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufzunehmen.

4        Der Revisionswerber erhob sowohl gegen die Wiederaufnahme als auch gegen die auf der Grundlage des Berichts der Außenprüfung ergangenen Sachbescheide Beschwerde.

5        Im ersten Rechtsgang gab das BFG der Beschwerde des Revisionswerbers betreffend Wiederaufnahme Folge und hob die Bescheide ersatzlos auf, wogegen das Finanzamt Amtsrevision erhob.

6        Mit Erkenntnis vom 24. Oktober 2019, Ra 2018/15/0097, hob der Verwaltungsgerichtshof daraufhin das Erkenntnis des BFG auf. Begründend führte er aus, dass die Bekanntgabe von Verlusten in der Einkommensteuererklärung bzw. der Einnahmen/Ausgaben-Rechnung einer amtswegigen Wiederaufnahme durch das Finanzamt nicht entgegensteht, weil die im Rahmen der Beurteilung der Liebhaberei anzuwendende Kriterienprüfung der Liebhabereiverordnung (§ 2 Abs. 1 LVO) sich nicht auf das Feststellen des Vorliegens von Verlusten beschränkt, sondern eine umfassendere Prüfung der Betätigung voraussetzt.

7        Mit den angefochtenen Erkenntnissen, in denen das BFG die Revision jeweils nicht zuließ, wies das BFG daraufhin im zweiten Rechtsgang die Beschwerde des Revisionswerbers einerseits betreffend Wiederaufnahme anderseits betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2012 ab. Begründend führte es zur Wiederaufnahme aus, das Finanzamt habe im Rahmen der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt, dass sich ungeachtet der anhaltenden Verluste des Revisionswerbers „ein Bemühen durch Verbesserungsmaßnahmen und ein Ertragsstreben ... aus den Feststellungen der Betriebsprüfung“ nicht ergeben. Aus der Sachverständigen/Gutachtertätigkeit des Revisionswerbers hätten sich im Prüfzeitraum nur Verluste ergeben, wobei mit Ablauf des Jahres 2008 auch seine Eintragung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger geendet habe. Den Aufwendungen aus der Tätigkeit als Immobilienvermittler (für Akquirierungen, Besichtigungen, Lageerkundungen, Fotos, Behördenfahrten, Besprechungen) seien im gesamten Prüfungszeitraum überhaupt keinerlei Erlöse gegenüber gestanden. Mit der Art und Weise, wie er seine Tätigkeit betrieben habe, sei bereits im Prüfzeitraum festgestanden, dass die Erwirtschaftung eines künftigen Gesamterfolgs in einem angemessenen Zeitraum nicht möglich sei. Die unterschiedlich ausgeübten Tätigkeiten des Revisionswerbers seien der Behörde im Einzelnen erst durch die abgabenbehördliche Prüfung bekannt geworden und hätten sie zur Wiederaufnahme berechtigt.

8        Die Bekanntgabe von Verlusten in der Einkommensteuererklärung bzw. der Einnahmen/Ausgaben-Rechnung des Revisionswerbers stehe - der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2019, Ra 2018/15/0097, folgend - einer amtswegigen Wiederaufnahme durch das Finanzamt nicht entgegen, weil die im Rahmen der Beurteilung der Liebhaberei anzuwendende Kriterienprüfung der Liebhabereiverordnung (§ 2 Abs. 1 LVO) sich nicht auf das Feststellen des Vorliegens von Verlusten beschränke, sondern eine umfassendere Prüfung der Betätigung voraussetze. Da dem Finanzamt erst durch die durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung die näheren Umstände der Betätigung des Revisionswerbers, seine unterschiedlichen Tätigkeitsfelder und die damit jeweils in Zusammenhang stehenden Aufwendungen bekannt geworden seien, stellten diese Umstände einen Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar. Im Hinblick auf die gebotene Ermessensübung spreche für die Wiederaufnahme das Prinzip der Rechtsrichtigkeit, dem grundsätzlich der Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen sei. Die steuerlichen Auswirkungen könnten auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

9        Auch hinsichtlich der gesondert erfolgten Festsetzung der Einkommensteuer 2008 bis 2012 begründete das BFG seine diesbezüglichen Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen näher.

10       Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die eine Verletzung im Recht auf Nichtwiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2012 und im Recht auf erklärungsgemäße Veranlagung geltend macht.

11       Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber vor, das BFG habe gegen das Überraschungsverbot, also auch gegen das Recht auf Gehör, verstoßen, weil es ihm weder im Verfahren betreffend Wiederaufnahme noch im Verfahren betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2012 nach Zustellung des Revisionserkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes Gelegenheit gegeben habe, zum Sachverhalt und dessen rechtlicher Beurteilung Stellung zu nehmen. Wäre dem Revisionswerber diese Möglichkeit eingeräumt worden, hätte er zu der vom Verwaltungsgerichtshof in Ra 2018/15/0097 aufgezeigten Notwendigkeit einer umfassenderen Prüfung der Betätigung im Sinne der zur Beurteilung der Liebhaberei anzuwendenden Kriterienprüfung der Liebhabereiverordnung (§ 2 Abs. l LVO) Stellung nehmen können. Er hätte dann zu den „neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismitteln im abgeschlossenen Verfahren“ (§ 303 Abs. lit. b BAO) Stellung nehmen können. Die Beurteilung durch das BFG wäre dann eine andere gewesen. Das BFG habe nicht ausreichend begründet, warum es nunmehr zu einem anderen Ergebnis im Hinblick auf § 303 Abs. 1 lit. b BAO als im vorangegangenen Rechtsgang komme. Gleiches gelte für seine Ermessensübung.

12       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. zB VwGH 9.4.2020, Ra 2020/16/0052).

17       Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2020/19/0051, mwN).

18       Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht, die nicht näher darlegt, welches Vorbringen der Revisionswerber erstattet hätte, sondern lediglich pauschal vorbringt, der Revisionswerber hätte zu den „neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismitteln im abgeschlossenen Verfahren“ Stellung nehmen können, wodurch die Beurteilung durch das BFG eine andere gewesen wäre.

19       Es kann daher dahingestellt bleiben, ob – wie in der Revision behauptet – ein Fall des Überraschungsverbotes vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht nach einem – auch dem Revisionswerber zugestellten – aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in Befolgung des § 63 Abs. 1 VwGG eine Kriterienprüfung nach § 2 Abs. 1 LVO vorgenommen hat.

20       Im Übrigen wies das BFG zu seiner Ermessensübung daraufhin, dass diese vor dem Hintergrund erfolgt sei, dass die steuerlichen Auswirkungen im Revisionsfall nicht als bloß geringfügig angesehen werden könnten (vgl. dazu zuletzt VwGH 30.6.2021, Ra 2019/15/0125). Dem setzt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nichts Konkretes entgegen.

21       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021150023.L00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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