TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/6 LVwG-M-36/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2021
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Entscheidungsdatum

06.10.2021

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 2020 §13

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Beschwerde des Vereins „A“, vertreten durch die Obfrau B, *** in ***, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Polizei für die Bezirkshauptmannschaft Tulln, betreffend die Auflösung der Generalversammlung des Vereins „A“ am 9.4.2021, zu Recht erkannt.

I.       Gemäß § 28 Absatz 6 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen.

II.      Gemäß § 35 Absatz 1 und 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 Ziffer 3, 4 und 5 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517, hat der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Tulln Aufwandersatz (Vorlage-, Schriftsatz, Verhandlung) in der Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstigen Zwang zu leisten.

III.    Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Gang des Verfahrens:

Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2021 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch die Obfrau, die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde ein und brachte im Wesentlichen vor, dass die Hauptversammlung des Beschwerdeführers am 9.4.2021 um 19:25 Uhr durch Polizeikräfte aufgelöst wurde. Dies sei durch den Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft Tulln angeordnet worden. Als Begründung sei der Obfrau genannt worden, dass die Hauptversammlung aufgrund von COVID 19 nicht zulässig sei. Der Beschwerdeführer brachte weiter vor, dass vor der Hauptversammlung abgestimmt worden sei, ob die Mitglieder einverstanden seien, dass die Versammlung trotz COVID 19 stattfinde. Dies sei einstimmig angenommen worden. Die Regelungen der Regierung seien nicht zulässig und würden in das Recht auf Versammlungsfreiheit eingreifen. Darüber hinaus benötige der Verein endlich bestellte Organe.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 1.7.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt in der Beweis erhoben wurde durch die Einvernahme von B (Obfrau des Vereins „A“) und von C (Sekretärin des Vereins „A“), sowie durch Verlesung des Verwaltungsaktes.

2.       Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Die von der Obfrau des Beschwerdeführers eingebrachte Maßnahmenbeschwerde vom 13.5.2021 ist ausschließlich von der Obfrau unterschrieben. Eine Unterschrift des Schriftführers und des Kassiers fehlte bei dem Schriftsatz.

Unstrittig ist, dass am 9.4.2021 um 18:00 Uhr die erste Hauptversammlung des Vereins „A“ stattfand. Bei dieser Hauptversammlung waren Vereinsmitglieder und vereinsfremde Personen anwesend. Um 19:25 Uhr kamen Beamten der Polizei zu dieser Hauptversammlung und lösten diese nach Rücksprache mit dem Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft Tulln wegen der COVID 19 Vorschriften auf.

Der festgestellte Sachverhalt war im Wesentlichen unstrittig und ergab sich aus dem Vorbringen der Parteien und dem Verwaltungsakt.

3.       Rechtlich folgt:

Nach § 9 AVG sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeiten von am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Für einen Verein ist insofern maßgeblich, dass jeder Verein, der unter Beachtung der Ordnungsvorschriften des Vereinsgesetzes (vgl etwa das Vereinsgesetz 2002, BGBl I Nr 66) gegründet wurde, juristische Person ist und Rechtspersönlichkeit besitzt; bei Vereinen bestimmen deren Statuten den Vertreter; maßgebend sind jene Personen, die nach den Statuten zur Vertretung des Vereines nach außen berufen sind (Hinweis E vom 15. November 2001, 2000/07/0100, mwH).

Ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen für juristische Personen auch des öffentlichen Rechts können zwar nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen (Hinweis E vom 26. September 2013, 2011/07/0121, mwH). Sprechen die Normen jedoch von einer Vertretung nach außen schlechthin, so kann nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurückgegriffen werden. Dies kommt auch für die Antragstellung seitens eines nach dem Vereinsgesetz gebildeten Vereines betreffend ein Verwaltungsverfahren zum Tragen. (Nach der vorliegenden statutenmäßigen Vereinsregelung "vertritt der/die Obmann/Obfrau den Verein nach außen und führt die laufenden Geschäfte des Vereins" schlechthin. Die weitere Statutenregelung, wonach schriftliche Ausfertigungen des Vereines zu ihrer Gültigkeit auch der Unterschrift "des/der Schriftführers/Schriftführerin" bedürfen, bezieht sich auf die Art der Zeichnung von Schriftstücken und nicht auf die Vertretung des Obmannes bzw der Obfrau nach außen (Hinweis E vom 28. April 2011, 2009/07/0124)).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet das, dass die Unterschrift der Obfrau bei Erhebung der Maßnahmenbeschwerde als ausreichend anzusehen ist. Auch wenn die Unterschriften des Schriftführers und des Kassiers fehlen, handelt es sich nach der höchstgerichtlichen Judikatur bei den Bestimmungen in der Satzung um eine reine Art der Zeichnung und nicht um eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis. Aus § 13 Abs. 2 der Vereinsstatuten ergibt sich, dass die Obfrau den Verein nach außen vertritt.

Gemäß § 13. Abs.1 4. Covid 19 Schutzmaßnahmenverordnung (zum Vorfalls Zeitpunkt) sind Veranstaltungen untersagt.

Gemäß Abs. 3 Z. 5 leg cit gilt Abs. 1 nicht für unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß Abs. 3 Z 1, 2, 4 bis 7, 9, 10, 11 und 12 gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Zusätzlich ist

1.) bei Veranstaltungen gemäß Abs. 3 Z 1, 2, 4 bis 7, 10 und 11 eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen. Bei Zusammenkünften nach Abs. 3 Z 9 darf der Mindestabstand von zwei Metern gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, kurzfristig unterschritten werden.

Im gegenständlichen Fall wurden die Mitglieder des Beschwerdeführers von den Gründerinnen zur 1. Hauptversammlung mit Schreiben vom 15.3.2021 eingeladen. Dieser Einladung beiliegend war ein Wahlvorschlag für die Obfrau und eine Sekretärin. Die Tagesordnung umfasste insgesamt 7 Tagesordnungspunkte. Die Änderung der Statuten stand nicht auf der Tagesordnung.

Es gab auch keinen Antrag auf Änderungen der Statuten vor der Generalversammlung. Gemäß § 9 Abs. 4 der Vereinsstatuten sind Anträge für die Vollversammlung spätestens 3 Tage vor dieser dem Vorstand anzuzeigen.

Am 9.4.2021 um 18:00 Uhr begann die Generalversammlung. Der Generalversammlung wohnten Vereinsmitglieder aber auch Personen die keine Mitglieder des Vereines waren bei. In der Folge wählten die Mitglieder die Obfrau und eine Sekretärin. Hierzu ist anzumerken, dass laut den Statuten der Vorstand aus Obfrau, Schriftführer und Kassier besteht. Daraus folgt, dass kein handlungsfähiger Vorstand gewählt wurde. Dies bewirkt gemäß § 11 Abs. 2 der Vereinsstaturen, dass jedes Mitglied, zumindest aber die Obfrau, einen gerichtlichen Kurator beantragen hätte müssen und dieser eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen gehabt hätte. Die von der Obfrau des Beschwerdeführers vorgebrachte geplante Änderung der Statuten unter dem Punkt Allfälliges, wäre selbst, wenn sie zustande gekommen wäre, nicht wirksam gewesen, da sie entgegen der Tagesordnung erfolgt wäre. Darüber hinaus sind bei der Wahl des Vorstandes die jeweils geltenden Statuten beachtlich und nicht geplante oder gewünschte Statuten, die noch nicht beschlossen sind.

Gemäß § 13. 4. Covid 19 Schutzmaßnahmenverordnung waren Veranstaltungen untersagt. Ausgenommen waren Veranstaltungen für nicht unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist. Die Beschwerdeführerin brachte in der Verhandlung vor, dass unter den Mitgliedern einige keinen Zugang zu einem Computer auf Grund des Altes hätten bzw. einen Computer nicht bedienen könnten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Abhaltung in digitaler Form nicht möglich gewesen sei, fehlt es an einem Grund, weshalb es sich um eine unaufschiebbare Zusammenkunft gehandelt hat. Die Generalversammlung wählte – wie oben ausgeführt – lediglich eine Obfrau und eine Sekretärin (die keine Funktion laut Statuten hat). Die Wahl des unvollständigen Vorstandes hat zur Folge, dass unverzüglich eine weitere außerordentliche Generalversammlung einzuberufen gewesen wäre. Daher war die Generalversammlung vom 9.4.2021 entbehrlich und nicht notwendig.

Weiters hätte gemäß § 13. 4. Covid 19 Schutzmaßnahmenverordnung die Verpflichtung zum Tragen von einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard bestanden. Ebenso wäre ein Mindestabstand von 2 Metern gegenüber Personen die nicht im gemeinsamen Haushalt leben vorgeschrieben gewesen. Diese Vorschriften wurden unstrittig nicht eingehalten. Gab die Obfrau des Beschwerdeführers doch an, über kein COVID 19 Konzept verfügt zu haben und verwies lediglich auf den Beschluss zu Beginn der Generalversammlung.

Aus all den oben angeführten Gründen – keine unaufschiebbare Zusammenkunft, keine Masken, kein Abstand, Vereinsfremde Personen bei der Generalversammlung – war die Generalversammlung jedenfalls in dieser Form unzulässig. Folglich hat die belangte Behörde die Generalversammlung – die im Übrigen laut Protokoll auch schon fast beendet war – zu Recht aufgelöst.

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass die Maßnahmen der Regierung nicht wirksam gewesen seien und ein Treffen der Vereinsmitglieder notwendig gewesen sei, wird auf die höchstgerichtliche Judikatur des VfGH zu den einzelnen COVID Maßnahmen verwiesen. Es liegt auf der Hand, dass die Verhinderung von großen Versammlungen oder Zusammenkünften auch die Gefahr der Bildung eines COVID Clusters minimiert und damit der Verbreitung des COVID Virus dient. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde abgewiesen. Daher war die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer unterliegende Partei. Aufwandsersatz ist nur auf Antrag der Partei zu leisten. Ein solcher Antrag wurde gestellt.

4.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; COVID-19; Verein; Veranstaltung; unaufschiebbare Zusammenkunft; Versammlung; Auflösung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.36.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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