TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 W116 2244729-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

BDG 1979 §118
BDG 1979 §123
BDG 1979 §43
BDG 1979 §91
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch


W116 2244729-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von Oberoffizial XXXX gegen den Einleitungsbeschluss der Bundesdisziplinarbehörde Wien vom 18.06.2021, GZ: 2021-0.371.785-3, Senat 23, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer steht als Briefzusteller in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und versieht seinen Dienst als Briefzusteller in der Zustellbasis XXXX .

2.       Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer ein, weil ihm zur Last gelegt wird

„am 25. Dezember 2020 um 18.00 Uhr im Gemeindegebiet von XXXX auf der XXXX auf der Höhe XXXX , Ausfahrt Gewerbegebiet XXXX , das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX (A) in einem durch Alkohol stark beeinträchtigten Zustand, nämlich mit einem gemessenen Alkoholgehalt der Atemluft von 1,12 mg/l, gelenkt und dadurch einen Verkehrsunfall mit Sachschaden und Eigenverletzung verursacht zu haben, indem er einen Wegweiser niederfuhr und in weiterer Folge gegen das Brückengeländer und die Leitschiene prallte, wodurch ihm die für seine Tätigkeit als Briefzusteller erforderliche Lenkerberechtigung für die Dauer von neun Monaten entzogen worden sei und er sich aufgrund der Eigenverletzung seither im Krankenstand befinde.

Es bestehe dadurch der Verdacht, dass der Beschwerdeführer die Dienstpflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 2 BDG 1979) schuldhaft verletzt und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen hat.“

Begründend wurde ausgeführt, dass sich der angelastete Sachverhalt, der inhaltlich detailliert wiedergegeben wurde, aus der Disziplinaranzeige der Österreichischen Post AG, Personalamt Salzburg, vom 18.05.2021, GZ: 0060-500150-2021, bzw. aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 05.01.2021, GZ: 30406-751/14446/3-2021, ergeben würde. Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten wurde im bekämpften Bescheid umfassend dargelegt:

Der Beschuldigte habe mit dem näher umschriebenen Verhalten eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit a iVm § 5 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 begangen. Da bei ihm die Verkehrszulässigkeit nicht mehr gegeben gewesen sei bzw. aufgrund des extrem hohen Grades der Alkoholisierung (2,24 Promille) und des Verschuldens eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden und Eigenverletzung, sei ihm gemäß § 24 Abs. 1 FSG die Lenkerberechtigung für den Zeitraum von neun Monaten (ab dem 25. Dezember 2020 bis einschließlich 25. September 2021) entzogen worden. Weiters sei von der Bezirkshauptmannschaft XXXX angeordnet worden, dass der Beschuldigte ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken eines Fahrzeuges gemäß § 8 Führerscheingesetz samt verkehrspsychologischer Stellungnahme beizubringen und sich auf eigene Kosten einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker zu unterziehen habe, widrigenfalls die Lenkerberechtigung bis zur Befolgung dieser Anordnung entzogen bleiben würde. Da der Beamte zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben auf die Benützung eines dienstlichen Kraftfahrzeuges angewiesen sei, habe ihm daher bewusst sein müssen, welche Auswirkungen der Verlust der Lenkerberechtigung auf seine Arbeit habe. Die Inbetriebnahme eines PKWs in alkoholisiertem Zustand würde in jedem Fall eine grobe Gesetzesübertretung darstellen und habe bei einem Zusteller, der zur Ausübung seines Dienstes ein Fahrzeug lenken muss, auch einen disziplinären Überhang. Als erschwerend sei der hohe Grad der Alkoholisierung, der vom Beschuldigten verursachte Unfall und in weiterer Folge die unfallbedingte Eigenverletzung zu werten. Der Beschuldigte würde sich seit dem Unfall nach wie vor im Krankenstand befinden. Laut dem von der Dienstbehörde eingeholten Befund von Dr. Köhler vom 25.02.2021 sei die Krankenstandsdauer aufgrund der näher angeführten Verletzungen mit weiteren drei bis vier Wochen ab Untersuchungsdatum prognostiziert worden. Demnach würde der Beschuldigte voraussichtlich bis in die zweite Hälfte März 2021 ausfallen, somit für mindestens zweieinhalb Monate. Da es sich bei dem Unfall um Eigenverschulden gehandelt habe, habe der Dienstgeber nicht die Möglichkeit von einer dritten Person Regress zu fordern. Mildernd sei die ausgezeichnete Dienstbeschreibung, seine bisherige disziplinäre Unbescholtenheit und die Möglichkeit, ihn nach Wiedererlangen seiner Dienstfähigkeit für die Dauer des Führerscheinverlustes auf einem Fußrayon einzusetzen. Dennoch habe der Disziplinarbeschuldigte mit seiner Handlungsweise das ihm vom Dienstgeber entgegengebrachte Vertrauen gröblich verletzt und gegen die ihm auferlegten Dienstpflichten, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, in schwerwiegender Weise verstoßen. Aufgrund des hohen Grades der Alkoholisierung und des damit einhergehenden langen Zeitraumes des Verlustes der Lenkerberechtigung habe mit einer Disziplinarverfügung in diesem Fall nicht mehr das Auslangen gefunden werden können, sondern sei Disziplinaranzeige zu erstatten gewesen. Rechtlich führte die Disziplinarkommission nach Anführung von §§ 43 Abs. 2 und 123 BDG 1979 sowie einschlägiger Judikatur des VwGH zum Einleitungsbeschluss im Wesentlichen aus, dass mit Blick auf den dargestellten Sachverhalt ein ausreichender Verdacht schuldhafter Dienstpflichtverletzungen nach § 43 Abs. 2 iVm § 91 Abs. 1 BDG 1979 zu bejahen sei. Der Vorwurf, ein Briefzusteller habe in seiner Freizeit seinen Privat-PKW in stark alkoholisiertem Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden und Eigenverletzung verursacht, der den Entzug der Lenkerberechtigung und einen längeren Krankenstand zur Folge hatte, sei jedenfalls geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben, nämlich die Zustellung von Briefen mit einem Dienst-PKW, zu beeinträchtigen. Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Z1 bis 4 BDG 1979 würden nicht vorliegen und die Verjährungsfristen nach § 94 Abs. 1 BDG 1979 seien noch nicht abgelaufen. Das Disziplinarverfahren sei daher einzuleiten gewesen. Die Klärung der Rechts- und Schuldfrage würde dem Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben.

3.       Mit E-Mail vom 21.07.2021 brachte der Beschwerdeführer dagegen rechtzeitig eine Beschwerde bei der Bundesdisziplinarbehörde ein. In dieser wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Auslöser der Verzweiflung des Beschwerdeführers seine Scheidung und der Verkauf des Hauses gewesen sei, in welchem sie gemeinsam drei Kinder großgezogen hätten. Der plötzliche Wechsel in eine kleine Wohnung und die Einsamkeit seien für ihn eine psychische Belastung gewesen. Besonders in der Weihnachtszeit sei er in ein tiefes Loch gefallen. Nach seinen schweren Verletzungen habe er versucht, seinen Dienst zu Fuß als Briefträger zu verrichten, habe aber wegen der Schmerzen nicht mehr weiterarbeiten können. Er hoffe nach der Wiedererlangung seines Führerscheins wieder ein geregeltes Leben mit Zuversicht führen zu können und ersuche um eine menschliche Betrachtung des Sachverhalts.

4.       Mit Schreiben vom 22.07.2021 legte die Bundesdisziplinarbehörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verfahrensakten zur Entscheidung vor.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer steht als Briefzusteller in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und versieht seinen Dienst als Briefzusteller. Zur Erfüllung seines Dienstes ist der Beschwerdeführer grundsätzlich auf die Benützung eines dienstlichen Kraftfahrzeuges angewiesen.

Am 18.05.2021 erstattete die Österreichischen Post AG, Personalamt Salzburg, GZ: 0060-500150-2021 (auf Grundlage des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 05.01.2021, GZ: 30406-751/14446/3-2021), gemäß § 110 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 die gegenständliche Disziplinaranzeige gegen den Beschwerdeführer.

Es besteht ein hinreichend begründeter Verdacht, dass der Beschwerdeführer das ihm hier zum Vorwurf gemachte und oben unter Punkt I/2 beschriebenen Verhalten begangen und damit seine Dienstpflichten verletzt hat. Der Sachverhalt ist für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Es steht auch unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden. Ebenso haben sich keine offenkundigen Gründe für eine Einstellung ergeben (§ 118 Abs. 1 BDG 1979).

2.       Beweiswürdigung:

Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorgelegten lückenlosen und ausreichend dokumentierten Aktenlage, insbesondere aus der vorliegenden Disziplinaranzeige der Österreichischen Post AG, Personalamt Salzburg, vom 18.05.2021, GZ: 0060-500150-2021, bzw. aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 05.01.2021, GZ: 30406-751/14446/3-2021. Die Richtigkeit des von der Disziplinarkommission angenommenen – in der Disziplinaranzeige näher ausgeführten – Sachverhalts wird im Übrigen auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Vielmehr versucht er die Ursache für seine Alkoholisierung, welche letztlich zum Unfall am 25.12.2020 geführt hat, mit der Verzweiflung über seine Scheidung, den Verkauf seines Hauses und seine nunmehrige Einsamkeit zu rechtfertigen.

Damit liegt ein ausreichend begründeter Verdacht vor, dass der Beschwerdeführer die ihm zum Vorwurf gemachte Handlung tatsächlich begangen hat.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl 1930/1 (WV) idF. BGBl I 2012/51 (Verwaltungsgerichts-Novelle 2012) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt.

Gemäß § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF. BGBl. I 2013/122, beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid einer Bundesbehörde in einer Angelegenheit der unmittelbaren Bundesverwaltung und wurde rechtzeitig innerhalb der Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG eingebracht. Sie ist damit zulässig.

3.2.    Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 2013/10, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 135a Abs. 3 Beamten- Dienstrechtsgesetz 1979- BDG 1979 BGBl. Nr. 333/1979, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2020 hat das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden, wenn gegen ein Erkenntnis, mit dem die Disziplinarstrafe der Entlassung oder der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, Beschwerde erhoben wurde oder wenn die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben hat. Da hier keine dieser Voraussetzungen zutrifft, ist im vorliegenden Fall Einzelrichterzuständigkeit gegeben.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) wird durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Dies ist hier der Fall, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aufgrund der eindeutigen Aktenlage feststeht. Es sind auch keine Umstände hervorgetreten, zu deren weiteren Klärung eine mündliche Erörterung notwendig erscheinen würde. Darüber hinaus liegen im Hinblick auf den Spruchinhalt auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Gegenstand dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. So hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 21.04.2015, Zl. 2014/09/0042, im Zusammenhang mit Einleitungsbeschlüssen nach § 123 BDG 1979 folgendes ausgeführt:

„Mit einer Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe eines Beamten wird in der Regel eine Entscheidung über eine zivilrechtliche Streitigkeit iSd Art. 6 Abs. 1 MRK getroffen (vgl. E 9. September 2014, Ro 2014/09/0049; E 14. Oktober 2011, 2008/09/0125). Bei der Entscheidung über einen Einleitungsbeschluss im Disziplinarverfahren der Beamten nach § 123 BDG 1979 wird im Unterschied zu einem Disziplinarerkenntnis jedoch noch nicht über die Schuld und Strafe entschieden. Es handelt sich vielmehr um einen vorbereitenden verfahrensrechtlichen Bescheid, der den Eintritt der Verjährung verhindert, und eine Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes und erst eine Voraussetzung für die Entscheidung in der Sache selbst aber keine abschließende Entscheidung darüber darstellt. Der Beschuldigte hat auch nach Erlassung eines Einleitungsbeschlusses die Möglichkeit, alle zu seiner Verteidigung sprechenden Umstände geltend zu machen.“

Es konnte daher von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt steht der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

3.3.    Zu Spruchteil A):

3.3.1.  Zu der in der Beschwerde geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Bescheides:

Der Beschwerdeführer machte in seiner Beschwerde geltend, dass die Disziplinarkommission zu Unrecht festgestellt hätte, dass er mit dem ihm im Spruch des Einleitungsbeschlusses vorgeworfenen Verhalten im Verdacht stehe, schuldhaft gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß §§ 91 BDG 1979 begangen zu haben.

3.3.2.  Zu den maßgeblichen Bestimmungen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Beamten- Dienstrechtsgesetzes 1979- BDG 1979 BGBl. Nr. 333/1979 idF. BGBl. I Nr. 153/2020 lauten:

„Allgemeine Dienstpflichten

§ 43. […]

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. […]

Dienstpflichtverletzungen

§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.

Einstellung des Disziplinarverfahrens

§ 118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn

1.       der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2.       die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.         Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4.       die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

(2) Das Disziplinarverfahren gilt als eingestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.

Einleitung

§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Bundesdisziplinarbehörde die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.

(3) Sind in anderen Rechtsvorschriften an die Einleitung des Disziplinarverfahrens Rechtsfolgen geknüpft, so treten diese nur im Falle des Beschlusses der Bundesdisziplinarbehörde, ein Disziplinarverfahren durchzuführen, und im Falle der (vorläufigen) Suspendierung ein.“

3.3.3.  Zur Auslegung:

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).

In seiner Entscheidung vom 17.02.2015, Zl. 2014/09/0007, hat der VwGH zum Einleitungsbeschluss weiter Folgendes ausgeführt: Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. In dieser Phase des Verfahrens ist aber jedenfalls zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob keine genügenden Verdachtsgründe vorliegen und hingegen allenfalls offenkundige Gründe für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens gegeben sind (§ 118 Abs. 1 BDG 1979). Stellt sich nämlich nach Erlassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 idF der Dienstrechts-Novelle 2011 heraus, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahren nach § 118 Abs. 1 BDG 1979 vorliegen, so darf das Disziplinarverfahren nicht mehr gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 eingestellt werden, in einem solchen Fall ist der Beschuldigte hingegen von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen (vor der Dienstrechts-Novelle 2011 trat diese Wirkung erst nach dem Verhandlungsbeschluss ein: vgl. E 18. Februar 1998, 95/09/0112; E 18. Dezember 2012, 2010/09/0180, dessen Funktion nunmehr vom Einleitungsbeschluss übernommen wird).

Da es sich beim Einleitungsbeschluss um eine Entscheidung im Verdachtsbereich handelt, muss die darin enthaltene rechtliche Beurteilung des zur Last gelegten Verhaltens noch keine abschließende sein (VwGH vom 31.01.2001, Zl. 2000/09/0144).

Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).

Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gem. § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).

3.3.3.  Zur Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt:

Auf Grundlage des in der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde dargestellten und durch entsprechende Beweismittel gestützten Sachverhalts, den der Beschwerdeführer auch nicht bestreitet, kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde deswegen ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet hat. Wie sich aus der entsprechenden Gesetzesstelle, der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung nämlich unmissverständlich ergibt (vgl. § 43 Abs. 2 BDG 1979), sind Beamte verpflichtet, in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Demnach kann auch außerdienstliches Verhalten eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 darstellen.

Der VwGH hat dazu insbesondere ausgeführt (VwGH 26.01.2012, 2011/09/0181): „Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Damit wird der Forderung Rechnung getragen, § 43 Abs. 2 BDG 1979 wolle in das außerdienstliche Verhalten des Beamten nur "in besonders krassen Fällen" eingreifen. Der damit gewählte Bezugspunkt führt dazu, dass etwa an das Verhalten von Kriminalbeamten insoweit besonders qualifizierte Anforderungen gestellt werden, als diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben in der Regel zum Schutz von Verletzungen des gesamten StGB (also auch der §§ 81 und 88 StGB, deren Tatbestände in beträchtlichem Maß durch Vorfälle beim (alkoholbeeinträchtigten) Lenken von Kraftfahrzeugen erfüllt werden) berufen sind und von ihnen zu erwarten ist, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen. Aber auch Ermittlungstätigkeiten im Dienste der StVO 1960 zählen zu den Aufgaben eines Kriminalbeamten. Ein Kriminalbeamter, der dennoch schuldhaft in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr lenkt und in diesem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht, vereitelt schon im Hinblick auf diesen Teilaspekt des Schuldspruches die vom Gesetzgeber zur Herabminderung der Verkehrsunfälle verfolgten Ziele. Hinzu kommt, dass ein Verhalten außer Dienst aufgrund der besonderen Aufgaben des Beamten die Bedingungen für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 erfüllen kann, wenn diese Umstände in ihrer Art, Ausgestaltung und Gewichtung einem besonderen Funktionsbezug vergleichbar sind. Eine solche Konstellation, die einem besonderen Funktionsbezug gleichkommt, wird vor allem dann gegeben sein, wenn aufgrund von Auswirkungen des außerdienstlichen Verhaltens der Beamte in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beeinträchtigt ist.“

Vor diesem Hintergrund ist den Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu folgen, dass die Verursachung eines Verkehrsunfalls in stark alkoholisiertem Zustand, welcher einen Sachschaden und eine Eigenverletzung zur Folge hat und einen neunmonatigen Führerscheinentzug und einen längeren Krankenstand nach sich zieht, bei einem Briefzusteller, der seinen Dienst grundsätzlich mit einem Dienstfahrzeug zu leisten hat, eine solche Konstellation aufweist, die einem besonderen Funktionsbezug gleichkommt, weil ihn die Auswirkungen in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeiten beeinträchtigen, und darüber hinaus auch geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit, in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen.

Die in der Beschwerde geschilderten Umstände, nämlich seine Verzweiflung nach einer Scheidung und wegen des darauffolgenden Hausverkaufs, welche seinen übermäßigen Alkoholkonsums verursachten hätten, sind dagegen nicht geeignet, den vorliegenden Verdacht einer schuldhaft begangenen Dienstpflichtverletzung bereits im Stadium des Einleitungsbeschlusses vollständig zu entkräften. Ob dieser Verdacht letztlich auch für einen Schuldspruch reichen wird, wird im weiteren Disziplinarverfahren zu klären sein. Die vom Beschwerdeführer hier ins Treffen geführten Umstände, welche nach seiner Auffassung eine Rechtfertigung bzw. Entschuldigung des ihm vorgeworfenen Verhaltens darstellen, werden von der Disziplinarbehörde im Rahmen des nun weiter zu führenden Disziplinarverfahrens in einer mündlichen Verhandlung zu erheben und entsprechend zu würdigen sein (vgl. VwGH vom 05.07.1993, 91/10/0130 und vom 21.06.2000, 97/09/0143).

Die belangte Behörde hat den beschwerdegegenständlichen Einleitungsbeschluss zu Recht erlassen, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4.    Zu Spruchteil B):
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im gegenständlichen Fall ist eine Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen würde. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben umfassend dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Die oben dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich zudem auf den konkreten Fall.

Schlagworte

außerdienstliches Verhalten begründeter Tatverdacht besonderer Funktionsbezug Dienstpflichtverletzung Einleitung Disziplinarverfahren öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W116.2244729.1.00

Im RIS seit

12.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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