Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §56Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das am 20. Jänner 2021 mündlich verkündete und am 4. Februar 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-101/032/16118/2020-16, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (mitbeteiligte Partei: A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien - dem nunmehrigen Amtsrevisionswerber - vom 20. Oktober 2020 wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für die Absonderung des bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers X.Y. im Betrag von € 120,58 gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 iVm § 7 EpiG stattgegeben; das Mehrbegehren in der Höhe von € 91,84 wurde abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass ein Nachweis, dass die von der mitbeteiligten Partei für den Absonderungszeitraum geltend gemachten Sonderzahlungen tatsächlich ausbezahlt worden seien, nicht erbracht worden sei.
2 Mit dem angefochtenen, am 20. Jänner 2021 mündlich verkündeten und am 4. Februar 2021 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde stattgegeben und das beantragte Mehrbegehren im Betrag von € 91,84 zuerkannt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht legte dem zugrunde, dass X.Y. seit 3. Februar 2020 Dienstnehmer der mitbeteiligten Partei sei. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 14. Juni 2020 sei X.Y. gemäß § 7 EpiG für den Zeitraum vom 28. April 2020 bis einschließlich 13. Mai 2020 abgesondert worden. Mit Antrag vom 25. September 2020 habe die mitbeteiligte Partei die Vergütung gemäß § 32 EpiG für die Entgeltfortzahlung im Zeitraum vom 12. Mai 2020 bis 13. Mai 2020 im Betrag von € 212,42 beantragt. Das monatliche Grundgehalt des X.Y. habe bis inklusive Juni 2020 € 1.590,18, danach € 1.623,18 betragen. X.Y. habe in den drei Monaten vor seiner Absonderung weiters Bezüge aus üblicherweise anfallenden leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten in der Höhe von durchschnittlich täglich € 29,24 erhalten. Auf X.Y. sei ein näher genannter Kollektivertrag anwendbar, demzufolge X.Y. grundsätzlich einmal jährlich eine Urlaubs- und eine Weihnachtssonderzahlung (fällig am 30. Juni und am 30. November) in der Höhe des Bruttomonatsgehalts erhöht um 15% für das jeweils vorangegangene Jahr seit dem letzten Stichtag gebühre. Auf Grund des unterjährigen Eintritts habe X.Y. am 30. Juni 2020 eine Urlaubssonderzahlung in der Höhe von 149/366 und eine Weihnachtssonderzahlung in der Höhe von 302/366 des eben genannten Betrags gebührt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt sei X.Y. von der mitbeteiligten Partei eine Urlaubssonderzahlung in der Höhe von € 744,47 (Auszahlung im Juni 2020) und eine Weihnachtssonderzahlung in der Höhe von € 1.540,18 (Auszahlung im November 2020) ausbezahlt worden. Von den genannten Beträgen seien von Dienstgeberseite Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von jeweils 17,53% der Bemessungsgrundlage abgeführt worden.
4 In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Antrag der mitbeteiligten Partei sei gemäß § 49 Abs. 2 EpiG in der am 8. Juli 2020 in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 62/2020 rechtzeitig gestellt worden. Der mitbeteiligten Partei stehe gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 EpiG ein Anspruch auf Vergütung im Hinblick auf die Absonderung ihres Dienstnehmers im beantragten Zeitraum vom 12. Mai 2020 bis 13. Mai 2020 gegenüber dem Bund zu, dessen Höhe sich nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) bemesse. Die Bestimmungen des EFZG über die Fortzahlung des Entgelts seien arbeitsrechtlicher Natur. Der Begriff des Entgelts sei daher im arbeitsrechtlichen und nicht im sozialversicherungsrechtlichen Sinn zu verstehen (Verweis auf VwGH 26.2.1976, 1248/75, VwSlg. 9002 A). Als regelmäßiges Entgelt im Sinne des § 3 Abs. 2 EFZG gelte das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre (§ 3 Abs. 3 EFZG). Bei Akkord-, Stück- oder Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten bemesse sich das fortzuzahlende Entgelt gemäß § 3 Abs. 4 EFZG nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten. Gemäß § 32 Abs. 3 EpiG gehe der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Dieser gesetzlichen Ausgestaltung zufolge sei für den Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 3 iVm Abs. 1 Z 1 EpiG zum einen erforderlich, dass ein regelmäßiges Entgelt iSd § 3 Abs. 2 EFZG vorliege und zum anderen, dass dieses Entgelt vom Arbeitgeber tatsächlich ausbezahlt worden sei.
5 Dem Vergütungsanspruch sei der aliquote Anteil des Bruttomonatsbezugs zugrunde zu legen. Darüber hinaus seien leistungsbezogene Prämien oder Entgelte in die Ermittlung des regelmäßigen Entgelts einzubeziehen, weil diese dem Arbeitnehmer gebührt hätten, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Es sei hierbei in sinngemäßer Anwendung des § 3 Abs. 4 EFZG auf die Durchschnittsbetrachtung der letzten 13 Wochen abzustellen.
6 Fraglich sei, ob die von der mitbeteiligten Partei dem Dienstnehmer für den Absonderungszeitraum geleisteten Sonderzahlungen in die Berechnung des regelmäßigen Entgelts einzubeziehen seien. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe der Arbeitnehmer Anspruch auf die Sonderzahlungen in voller Höhe, wenn ein Entgeltfortzahlungsanspruch in voller Höhe bestehe (Verweis auf OGH 29.1.2015, 9 ObA 135/14i). Als regelmäßiges Entgelt gelte nach § 3 EFZG das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Es sei vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhalte, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch bestehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich das aufgrund des EFZG „fortzuzahlende Entgelt“ auf das laufende Entgelt, weshalb Sonderzahlungen kein erstattungsfähiges Entgelt darstellten (Verweis auf VwGH 29.3.2000, 96/08/0233, VwSlg. 15387 A; 26.2.1976, 929/75, VwSlg. 9000 A). Diese Rechtsprechung sei allerdings zu dem in § 8 Abs. 2 EFZG aF verweisenden Begriff des „fortgezahlten Entgelts“ und nicht zum in § 32 Abs. 3 EpiG verwendeten Begriff des „regelmäßigen Entgelts“ iSd § 3 Abs. 2 EFZG ergangen, weshalb daraus für den Revisionsfall nichts zu gewinnen sei. Auch der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gehe in einem - für das Verwaltungsgericht rechtlich nicht verbindlichen - näher genannten Erlass offenbar davon aus, dass Sonderzahlungen beim Vergütungsanspruch aliquot zu erfassen seien.
7 Vor diesem Hintergrund seien Sonderzahlungen - sofern dem Dienstnehmer aufgrund von Kollektivvertrag, Arbeitsvertrag oder Gesetz ein Anspruch darauf eingeräumt sei und sie dem Dienstnehmer tatsächlich geleistet worden seien - vom Begriff des regelmäßigen Entgelts iSd § 3 Abs. 2 EFZG iVm § 32 Abs. 3 EpiG umfasst. Im Revisionsfall habe der Dienstnehmer im Absonderungszeitraum Anspruch auf aliquote Leistung der Urlaubs- und der Weihnachtssonderzahlung gehabt. Dass diese Sonderzahlungen nicht im Monat der Absonderung, sondern erst im Juni 2020 bzw. November 2020 ausbezahlt worden seien, sei für den Bestand des Vergütungsanspruchs nicht relevant, weil sich die in diesen Monaten ausbezahlten Sonderzahlungen unzweifelhaft auch auf den Absonderungszeitraum bezogen hätten und diesem verrechnungstechnisch aliquot zuzuordnen seien. Schließlich seien die auf die eben dargestellten Beträge entfallenden Dienstgeberbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung in den Vergütungsanspruch einzubeziehen.
8 Die dargestellten Entgeltbestandteile seien dem abgesonderten Dienstnehmer nach dem EFZG von der mitbeteiligten Partei tatsächlich geleistet worden, die Beiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung seien abgeführt worden. Nach der im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes bestehenden Sach- und Rechtslage sei damit gemäß § 32 Abs. 3 EpiG der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund auf die mitbeteiligte Partei übergegangen.
9 Diese Überlegungen würden im Revisionsfall eine Gesamtsumme für den Vergütungsbetrag von € 212,94 ergeben. Da dieser Betrag über dem von der mitbeteiligten Partei beantragten Betrag liege, sei das mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abgewiesene Mehrbegehren zuzuerkennen gewesen.
10 Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Magistrats der Stadt Wien.
12 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision wird unter anderem geltend gemacht, aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ergebe sich, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem in § 32 Abs. 3 EpiG verwendeten Begriff des „regelmäßigen Entgelts“ fehle. Es stelle sich die Rechtsfrage, „ob und gegebenenfalls welche Sonderzahlungen des Arbeitgebers“ bei der Bemessung des Vergütungsanspruchs gemäß § 32 Abs. 3 EpiG zu berücksichtigen seien.
14 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
15 Das Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950 idF BGBl. I Nr. 136/2020 (EpiG), lautet auszugsweise:
„Vergütung für den Verdienstentgang.
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
...
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
...
Frist zur Geltendmachung des Anspruches auf Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentganges.
§ 33. Der Anspruch auf Entschädigung gemäß § 29 ist binnen sechs Wochen nach erfolgter Desinfektion oder Rückstellung des Gegenstandes oder nach Verständigung von der erfolgten Vernichtung, der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.
...
Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2
§ 49. (1) Abweichend von § 33 ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen.
(2) Bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen beginnen mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 neu zu laufen.“
16 § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz, BGBl. Nr. 399/1974, lautet:
„Höhe des fortzuzahlenden Entgelts
§ 3. (1) Ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt darf wegen einer Arbeitsverhinderung für die Anspruchsdauer gemäß § 2 nicht gemindert werden.
(2) In allen anderen Fällen bemißt sich der Anspruch gemäß § 2 nach dem regelmäßigen Entgelt.
(3) Als regelmäßiges Entgelt im Sinne des Abs. 2 gilt das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre.
(4) Bei Akkord-, Stück- oder Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten bemißt sich das fortzuzahlende Entgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten.
(5) Durch Kollektivvertrag im Sinne des § 18 Abs. 4 Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, kann geregelt werden, welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt nach diesem Gesetz anzusehen sind. Die Berechnungsart für die Ermittlung der Höhe des Entgelts kann durch Kollektivvertrag abweichend von Abs. 3 und 4 geregelt werden.“
17 Die Amtsrevision nimmt unter Verweis auf einen Erlass des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 20. Juli 2020 den Standpunkt ein, dass „allfällige Sonderzahlungen, die von den Arbeitgebern viertel- oder halbjährlich geleistet werden, nur dann (aliquot) zu berücksichtigen sind, wenn sie in einem Monat, in den der Absonderungszeitraum fällt, auch tatsächlich ausbezahlt“ worden seien. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz habe auch nachfolgend bestätigt, dass die von sämtlichen Bundesländern praktizierte Variante beizubehalten sei und „die Sonderzahlungen nur für den Monat der Absonderung“ zustünden. Diese Ansicht werde auch vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in einer näher genannten Entscheidung vertreten. Das Verwaltungsgericht Wien habe hingegen „Entgelte berücksichtigt, die im Monat der Absonderung weder fällig noch dem Arbeitnehmer ausbezahlt worden waren“. Würden „Sonderzahlungen, die zwar nicht im Monat der Absonderung, jedoch bis zum Einlangen des Antrags des Arbeitgebers auf Zuerkennung einer Vergütung“ geleistet worden seien, aliquot zugesprochen, würde dies zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichstellung „jeweils nach dem der Absonderung zugrundeliegenden Krankheitsverdacht“ führen, zumal gemäß § 49 Abs. 1 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges - abweichend von § 33 EpiG - lediglich im Falle einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme binnen drei Monaten geltend zu machen sei. Die vom Verwaltungsgericht Wien vorgenommene Berücksichtigung einer Weihnachtssonderzahlung bedeute, dass Arbeitgeber in den - fristgerecht einzubringenden - Anträgen „Vergütungen für im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht fällige und auch tatsächlich noch nicht ausbezahlte Entgelte, somit Ansprüche, die nicht auf sie übergangen sind, geltend machen könnten“.
18 Dem ist Folgendes zu erwidern:
19 Nach § 32 Abs. 3 erster Satz EpiG ist die gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. für jeden Tag, der von der in § 32 Abs. 1 leg. cit. genannten behördlichen Verfügung umfasst ist, zu leistende Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen.
20 Dem Gesetz ist demnach unmissverständlich zu entnehmen, dass die Bemessung des für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütungsbetrages nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des EFZG vorzunehmen ist. Als regelmäßiges Entgelt im Sinne des EFZG gilt gemäß dessen § 3 Abs. 3 jenes Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre (vgl. VwGH 29.3.1984, 84/08/0043, VwSlg. 11388 A). Darin kommt das sogenannte „Ausfallsprinzip“ zum Ausdruck, wonach der Arbeitnehmer während dieser Nichtarbeitszeiten einkommensmäßig so gestellt werden soll, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, und er daher weder einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden noch auch einen wirtschaftlichen Vorteil erringen soll (vgl. VwGH 13.5.2009, 2006/08/0226, mit Verweis auf VwGH 5.3.1991, 88/08/0239, VwSlg. 13397 A; 21.9.1993, 92/08/0248).
21 In Bezug auf den in § 3 Abs. 3 EFZG verwendeten Begriff des regelmäßigen Entgelts ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch besteht (vgl. OGH 23.2.2018, 8 ObA 53/17b). Sonderzahlungen sind eine Form aperiodischen Entgelts, d.h. mit abweichenden Fälligkeitsterminen; sie sollen die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten, werden daher als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit geleistet (vgl. OGH 26.11.2013, 9 ObA 82/13v). Im Übrigen ist der in diesem Zusammenhang heranzuziehende Entgeltbegriff weit auszulegen. Unter ihm ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung jede Art von Leistung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer für die zur Verfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird. Es kommt auf die Funktion der jeweiligen Leistung als Abgeltung der Arbeitsleistung, nicht aber auf die Bezeichnung, die steuer- oder die sozialrechtliche Beurteilung an. Vom Entgeltbegriff sind daher auch Akkordlöhne und Prämien, Zuschläge, Zulagen (ohne Aufwandersatzcharakter), Provisionen, Sonderzahlungen, Entfernungszulagen und Gewinnbeteiligungen oder anstelle einer Ist-Gehaltserhöhung vereinbarte Mitarbeiterbeteiligungen erfasst, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen, Trinkgelder sowie Sozialleistungen des Arbeitgebers, auch wenn sie regelmäßig geleistet werden (vgl. OGH 28.2.2011, 9 ObA 121/10z, mwN). Wie bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt, erweist sich die zum Erstattungsbetrag gemäß § 8 EFZG aF und dem dort verwendeten Begriff des „fortgezahlten Entgelts“ ergangene hg. Rechtsprechung (vgl. VwGH 29.3.2000, 96/08/0233, VwSlg. 15387 A, mwH) daher nicht als einschlägig.
22 Demnach ist bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung nach § 7 EpiG zu leistenden Vergütung auch jenes Entgelt zu berücksichtigen, das aus kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert; dies gilt freilich nicht für Sonderzahlungen, die der Arbeitnehmer - nach den kollektiv- oder einzelvertraglichen Bestimmungen - vom Arbeitgeber für die Zeit der Absonderung bzw. des Entfalls der Pflicht zur Entgeltzahlung jedenfalls erhält und die daher bei ihm keinen Ausfall an Entgelt bewirken, der auf den Arbeitgeber übergehen könnte. Dass dies aber hier der Fall wäre, wird vom Amtsrevisionswerber nicht behauptet. Entgegen der (im Ergebnis) vom Amtsrevisionswerber offenbar vertretenen Ansicht lässt sich dem EpiG eine Norm des Inhalts, dass derartige Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden, nicht entnehmen. Eine derartige Sichtweise ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil Sonderzahlungen als aperiodisches Entgelt gerade nicht das Entgelt für die nur im Auszahlungsmonat geleistete Arbeit darstellen, sodass eine - wie offenbar vom Amtsrevisionswerber vertretene - auf die Tage der Absonderung umgelegte Berücksichtigung des gesamten Auszahlungsbetrages an Sonderzahlungen im Auszahlungsmonat zu einer Überbemessung des Vergütungsbetrages führen würde.
23 Entgegen der Ansicht des Amtsrevisionswerbers stehen dem auch die weiteren in diesem Zusammenhang getroffenen Regelungen des EpiG nicht entgegen:
24 Nach § 32 Abs. 3 zweiter Satz EpiG haben die Arbeitgeber ihnen (d.h. den in einem Arbeitsverhältnis stehenden Personen) den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Nach § 32 Abs. 3 dritter Satz EpiG geht der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über.
25 Dem Gesetz liegt demnach zugrunde, dass der dem Arbeitnehmer gebührende Vergütungsbetrag vom Arbeitgeber an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen ist und der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber übergeht. Bei dem dem Arbeitnehmer ausgezahlten Vergütungsbetrag handelt es sich begrifflich nicht um Entgelt, sondern um eine auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhende Entschädigung (Vergütung) des Bundes, für die der Arbeitgeber in Vorlage tritt. Gemäß § 32 Abs. 3 zweiter Satz EpiG hat der Arbeitgeber kraft Gesetzes die Schuld des Bundes in Form des Vergütungsbetrages der Person gegenüber, die den Verdienstentgang erlitten hat, zu erfüllen; mit dem Zeitpunkt der Auszahlung des gebührenden Vergütungsbetrages an den Arbeitnehmer geht dessen Vergütungsanspruch gegenüber dem Bund auf den Arbeitgeber über (vgl. nochmals VwGH 29.3.1984, 84/08/0043, VwSlg. 11388 A). Den genannten Bestimmungen lässt sich nicht entnehmen, dass ein stufenweiser Übergang des Vergütungsanspruches - entsprechend den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen - ausgeschlossen werden sollte.
26 Auch die in § 33 und § 49 Abs. 1 EpiG genannten Fristen stehen dem nicht entgegen: Diese sehen (u.a.) eine Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 EpiG binnen sechs Wochen (§ 33) bzw. drei Monaten (§ 49 Abs. 1 EpiG) vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, vor, widrigenfalls der Anspruch erlischt.
27 Entgegen der Ansicht des Amtsrevisionswerbers wird damit lediglich eine Fallfrist für die Geltendmachung eines aus behördlichen Maßnahmen resultierenden Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 EpiG ab Aufhebung dieser behördlichen Maßnahmen normiert (vgl. zur materiell-rechtlichen Frist des § 33 EpiG VwGH 23.4.2002, 2000/11/0061, VwSlg. 15815 A). Diese Bestimmung kann nicht dahingehend verstanden werden, dass eine derartige Geltendmachung (noch) nicht möglich bzw. zulässig wäre, wenn der Antrag zwar nach der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen, aber vor den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen bzw. vor erfolgter Zahlung durch den Arbeitgeber gestellt wird. Diese vom Amtsrevisionswerber eingenommene Sichtweise kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, würde damit doch in allen Fällen, in denen die für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Termine außerhalb der sechswöchigen bzw. dreimonatigen Frist ab der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen lägen, eine Geltendmachung des Anspruchs von vornherein verunmöglicht. Ein derartiger Norminhalt ist dem Gesetzgeber aber nicht zusinnbar. Vielmehr ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges vom Arbeitgeber binnen der genannten Fristen geltend zu machen, auch wenn der Übergang im Sinne des § 32 Abs. 3 zweiter Satz EpiG - allenfalls teilweise - erst nach diesem Zeitpunkt eintritt. Dass die Behörde - so ihr für noch nicht übergegangene Ansprüche nicht ohnehin auch (vorsorglich gestellte) Anträge des Arbeitnehmers vorliegen - in einer derartigen Konstellation zweckmäßiger Weise über noch nicht übergegangene Ansprüche nicht vor den (vom Arbeitgeber diesbezüglich behaupteten) für diese Zahlungen „im Betrieb üblichen Terminen“ zu entscheiden haben wird, folgt aus der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion. Auf Näheres ist hier allerdings nicht einzugehen, lagen dem Verwaltungsgericht - von der Revision unbestritten - doch insofern bereits übergegangene Ansprüche vor.
28 Soweit sich der Amtsrevisionswerber im Weiteren gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellung, dass X.Y. in den drei Monaten vor seiner Absonderung Bezüge aus üblicherweise anfallenden leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten in der Höhe von durchschnittlich täglich € 29,24 erhalten habe, wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. etwa VwGH 25.6.2020, Ra 2020/02/0046 bis 0047, mwN). Die Revisionsausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der vom Verwaltungsgericht dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.
29 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
30 Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Juni 2021
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090094.L05Im RIS seit
20.12.2021Zuletzt aktualisiert am
14.02.2022