TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/20 96/02/0397

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Veröffentlicht am 20.12.1996
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §92 Abs1;
StVO 1960 §92 Abs3;
StVO 1960 §93 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der H GesmbH in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 25. Juni 1996, Zl. MA 65-12/163/96, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 92 Abs. 3 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 92 Abs. 3 StVO der Ersatz von Kosten für die Entfernung von Streusplitt, die am 27. Februar 1996 von einem örtlich umschriebenen Gehsteig vorgenommen worden sei, vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

    Im Beschwerdefall sind zunächst die Vorschriften des § 93

Abs. 1 erster Satz StVO von Bedeutung, wonach die Eigentümer

von Liegenschaften in Ortsgebieten ... dafür zu sorgen haben,

daß die ... dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und

Gehwege ... in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und

Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.

Nach § 92 Abs. 1 erster Satz StVO ist jede gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung der Straße durch feste oder flüssige Stoffe, insbesondere durch Schutt, Kehricht, Abfälle und Unrat aller Art, sowie das Ausgießen von Flüssigkeiten bei Gefahr einer Glatteisbildung verboten.

Nach § 92 Abs. 3 StVO können Personen, die den Vorschriften der vorhergehenden Absätze zuwiderhandeln, abgesehen von den Straffolgen, zur Entfernung, Reinigung oder zur Kostentragung für die Entfernung oder Reinigung verhalten werden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde von Belang - im wesentlichen ausgeführt, dem gegenständlichen Verfahren liege die Entfernung von Streusplitt auf dem Gehsteig, der von der vertraglich hiezu beauftragten Beschwerdeführerin zur Vermeidung der Sturzgefahr von Passanten bei Eis- und Schneelage ausgestreut worden sei, zugrunde. Unbestrittenermaßen habe am Tag der Entfernung des Streusplitts durch den Magistrat eine Wetterlage ohne Schneedecke oder Glatteis geherrscht, sodaß der aufgetragene Streusplitt "funktionslos" auf dem Gehsteig gelegen sei. "Rechtlich gesehen" sei davon auszugehen, daß es sich bei der Auftragung von Streusplitt zur Vermeidung der Rutsch- und Sturzgefahr bei entsprechenden Witterungsverhältnissen um eine allgemein übliche und notwendige Maßnahme gemäß § 93 StVO handle. Sobald die Witterungsverhältnisse jedoch keinen unmittelbar bevorstehenden oder bereits stattfindenden Schneefall bzw. Kälteeinbruch mit Glatteisbildung indizierten und der Gehsteig bereits schnee- und eisfrei sei, habe dieser Streusplitt zur Hintanhaltung von gröblicher Verunreinigung sowie Rutsch- und Sturzgefahr für die Fußgänger durch die darin enthaltenen Steine verschiedener Größe ebenso unverzüglich entfernt zu werden. Die Reinigungspflicht in der schnee- und eisfreien Zeit erstrecke sich nur auf die Beseitigung von gröblichen oder die Sicherheit der Fußgänger gefährdenden Verunreinigungen. Starker Streusplittbelag sei jedoch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/02/0041) eine "gröbliche Verunreinigung bzw. sicherheitsgefährdend". Es könne kein Zweifel daran bestehen, daß die Unterlassung der unverzüglichen Entfernung von Streusplitt in der schnee- und eisfreien Zeit die Sicherheit der Straßenbenützer gefährde.

Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet zwar der belangten Behörde insoweit bei, als starker Streusplittbelag an sich eine "gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung der Straße" darstellen kann (wenn auch in dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/02/0041, welches nicht zu § 92 Abs. 1, sondern zu § 93 Abs. 1 StVO ergangen ist, eine solche Aussage nicht getroffen wurde).

Gerade die auch von der belangten Behörde vorgenommene Zusammenschau von der im § 93 Abs. 1 erster Satz StVO enthaltenen Anrainerverpflichtung, Gehsteige bei Schnee und Glatteis zu bestreuen, mit dem Verbot des § 92 Abs. 1 erster Satz StVO zeigt aber, daß bei Beantwortung der Frage, ob Streugut eine gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung darstellen kann, auch der Jahreszeit maßgebliche Bedeutung zukommt. Ein in Erfüllung der Verpflichtung des § 93 Abs. 1 erster Satz StVO aufgebrachtes Streugut in üblicher Menge kann daher während einer Jahreszeit, in welcher durchaus häufig noch mit Schnee oder Glatteis zu rechnen ist, keine gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung der Straße nach § 92 Abs. 1 erster Satz StVO darstellen; dies selbst dann nicht, wenn die erwähnten Witterungsverhältnisse nicht als "unmittelbar bevorstehend" erwartet werden.

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeuten die obigen Darlegungen, daß Ende Februar (noch) nicht davon ausgegangen werden kann, ein auf dem Gehsteig aufgebrachtes Streugut (daß dieses die übliche Menge überstieg, hat die belangte Behörde nicht behauptet) sei bereits eine Verunreinigung im Sinne des § 92 Abs. 1 erster Satz StVO, was aber auch zur Folge hat, daß eine Kostentragung im Sinne des § 92 Abs. 3 StVO nicht in Betracht kommt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996020397.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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