TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/7 Ra 2021/11/0076

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Veröffentlicht am 07.09.2021
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Index

E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

LSD-BG 2016 §19 Abs1
LSD-BG 2016 §19 Abs2
LSD-BG 2016 §21 Abs1 Z1
LSD-BG 2016 §21 Abs1 Z2
LSD-BG 2016 §22 Abs1
LSD-BG 2016 §26 Abs1 Z1
LSD-BG 2016 §26 Abs1 Z3
LSD-BG 2016 §28 Z1
VStG §16
VwGG §42 Abs2 Z1
62018CJ0064 Maksimovic VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des D M in M (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. Mai 2020, Zl. LVwG-302608/2/KLe/TO, betreffend Übertretungen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Mit dem Straferkenntnis der belangten Behörde vom 2. Jänner 2020 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als Verantwortlicher der Firma E d.o.o. mit Sitz in Slowenien verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass diese Firma als Arbeitgeberin sieben jeweils näher genannte, von ihr nach Österreich entsandte Arbeitnehmer im Rahmen eines näher bezeichneten Bauvorhabens in H. zu einem näher spezifizierten Zeitpunkt eingesetzt bzw. beschäftigt habe, wobei sie

-    die Meldung der Entsendung für drei der sieben Arbeitnehmer nicht rechtzeitig vor der Arbeitsaufnahme erstattet habe,

-    die Unterlagen über die Anmeldung eines der sieben Arbeitnehmer zur Sozialversicherung,

-    die ZKO-Meldung für einen der sieben Arbeitnehmer und

-    die Lohnunterlagen für alle sieben Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Abgabenbehörde nicht am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitgehalten oder zugänglich gemacht habe.

2        Wegen dieser Übertretungen des LSD-BG wurden über den Revisionswerber gemäß

-    § 26 Abs. 1 Z 1 iVm. § 19 Abs. 1 und 2 LSD-BG

-    § 26 Abs. 1 Z 3 iVm. § 21 Abs. 1 Z 1 LSD-BG

-    § 26 Abs. 1 Z 3 iVm. § 21 Abs. 1 Z 2 LSD-BG

-    § 28 Z 1 iVm. § 22 Abs. 1 LSD-BG

jeweils Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

3        2.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) der lediglich gegen den Strafausspruch gerichteten Beschwerde statt und setzte die verhängten Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen und die Kostenbeiträge herab. Die Erhebung einer ordentlichen Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4        2.2. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Schuldspruch des Straferkenntnisses sei in Rechtskraft erwachsen, da sich die Beschwerde des Revisionswerbers [lediglich] gegen die verhängte Strafhöhe gerichtet habe.

5        Betreffend die Strafhöhe habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033, ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs C-64/18 ua, Maksimovic ua) für Übertretungen wie die verfahrensgegenständlichen die Anordnung einer Mindeststrafe nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Lägen für einen Tatzeitpunkt Verstöße gegen die Bereitstellungsverpflichtung der Lohnunterlagen hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer vor, so sei es zwar einerseits mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn die Sanktion von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer abhängt, doch sei andererseits bei der Bemessung der Geldstrafen zu berücksichtigen, dass diese auch in ihrer Summe in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße stehen müssen und daher - insgesamt - kein unverhältnismäßiges Ausmaß erreichen dürfen, was sich durch eine Höchstgrenze für solche Strafen gewährleisten ließe.

6        Bei der Strafbemessung sei die genannte Judikatur berücksichtigt worden, und die nunmehr vom Verwaltungsgericht [jeweils] verhängte Geldstrafe sei in Bezug auf den Unrechtsgehalt der betreffenden Übertretung jedenfalls verhältnismäßig. Mit der nunmehr verhängten Geldstrafe werde darüber hinaus zweifelsfrei erreicht, dass die verhängte Geldstrafe in ihrer Summe kein unverhältnismäßiges Ausmaß erreiche.

7        3. Mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 1660/2020-13, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese mit Beschluss vom 26. März 2021, E 1660/2020-15, an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8        4. Gegen das Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

9        Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

10       5.1.Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Maksimovic u.a. C-64/18 zum österreichischen LSD-BG gebe es einerseits die Judikaturlinie des Verfassungsgerichtshofes, welcher in näher bezeichneten Entscheidungen festgestellt habe, dass durch die Verhängung von Geldstrafen in vergleichbaren Fällen gemäß § 26 bzw. § 28 LSD-BG das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei. Andererseits gebe es die Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes, welcher in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033, 0034, auch nach dem EuGH-Urteil weiterhin von der Anwendbarkeit der den genannten Normen des LSD-BG entsprechenden Vorgängernormen des AVRAG ausgegangen sei. Insofern fehle eindeutige Rechtsprechung zur Frage, ab welcher Höhe einer Geldstrafe im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vorliege und ob die Bestimmungen der §§ 26 und 28 LSD-BG derzeit überhaupt angewendet werden könnten bzw. ob sie nicht als dem Unionsrecht widersprechend unangewendet bleiben müssten. Insbesondere liege nach Auffassung der Revisionswerberin eine Judikaturdivergenz zwischen Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof vor, die eine Klarstellung erfordere. Sowohl nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als auch nach jener des Verwaltungsgerichtshofes sei es aber als Folge des Urteiles des EuGH C-64/18 u.a. unzulässig, Ersatzfreiheitsstrafen zu verhängen.

11       5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zutreffend geltend, die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen sei unzulässig gewesen (zur Unbeachtlichkeit des übrigen Vorbringens siehe die entsprechenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2020, Ra 2020/11/0192-0195, Rn. 18).

13       5.3. Die Revision ist auch begründet: Im vorliegenden Fall wurden jeweils Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen ist vor dem Hintergrund des Unionsrechts rechtswidrig (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, 0034, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18 ua., und zur Verletzung der Meldepflicht nach dem LSD-BG auch das Erkenntnis VfGH 27.11.2019, E 2893-2896/2019).

14       Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. September 2021

Gerichtsentscheidung

EuGH 62018CJ0064 Maksimovic VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110076.L00

Im RIS seit

12.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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