TE Vwgh Beschluss 2021/9/7 Ra 2020/11/0213

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Veröffentlicht am 07.09.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3R E15202000
E3R E19400000
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Datenschutz
90/02 Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
DSG 2000 §1 Abs2
EURallg
FSG 1997
FSG 1997 §24 Abs1 Z2
FSG 1997 §8 Abs6 Z1
FSG-GV 1997 §14 Abs5
FSG-GV 1997 §2 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6 Abs1 lita
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6 Abs1 lite
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art9 Abs2 litg
62013CJ0260 Aykul VORAB
62019CJ0439 Latvijas Republikas Saeima VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M H in N, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen 1.) das Erkenntnis und 2.) den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 20. Oktober 2020, Zlen. LVwG-651735/14/ZO/KA und LVwG-651509/27/ZO/KA, betreffend (ad 1.) Erteilung einer eingeschränkten Lenkberechtigung und (ad 2.) Einstellung eines Beschwerdeverfahrens betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2020, Ra 2020/11/0014, verwiesen, mit dem das (die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2019 abweisende) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 29. November 2019 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers („bis zum Nachweis Ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG“) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde.

2        In seinen Entscheidungsgründen führte der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst aus, die genannte Entziehung der Lenkberechtigung habe sich ausdrücklich auf § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz (FSG) gestützt, obwohl der Revisionswerber nicht (wie die genannte Bestimmung voraussetzt) erfolglos aufgefordert wurde, sich der amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Soweit sich die Entziehung aber auf § 24 Abs. 1 Z 1 iVm. § 8 FSG (Wegfall der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen) stütze, hätte sie gemäß § 25 Abs. 2 FSG nur für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung verfügt werden dürfen. Abgesehen davon reichten die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts zum früheren Alkoholkonsum des Revisionswerbers (ein mehr als zwei Jahre zurückliegendes Alkoholdelikt aus dem Jahre 2017) und zu seinem seitherigen Konsum fallbezogen nicht aus, um daraus seine gesundheitliche Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ableiten zu können.

3        Der Vollständigkeit halber wurde im zitierten Erkenntnis Ra 2020/11/0014 festgehalten, der Wegfall der gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers lasse sich (aufgrund des Inhalts der erstatteten psychiatrischen und amtsärztlichen Stellungnahmen) auch weder auf eine aktuelle Alkoholabhängigkeit iSd. § 14 Abs. 1 FSG-GV oder eine in der Vergangenheit gelegene Alkoholabhängigkeit (§ 14 Abs. 5 FSG-GV) stützen.

4        Mit dem im vor dem Verwaltungsgericht fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 20. Oktober 2020 (= Spruchpunkt I.) wurde, in teilweiser Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom 6. April 2020, dem Revisionswerber die Lenkberechtigung nunmehr befristet (bis zum 28. Februar 2022) erteilt, und zwar unter der näher präzisierten Auflage der Beibringung von insgesamt vier „Haaranalysen auf EtG“ sowie einer abschließenden Nachuntersuchung.

Unter einem wurde mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. Oktober 2020 (= Spruchpunkt II.) das Beschwerdeverfahren betreffend die mit erwähntem Bescheid vom 3. Juli 2019 verfügte Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers wegen Gegenstandslosigkeit eingestellt.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass gegen diese Entscheidungen (angefochtener Beschluss und angefochtenes Erkenntnis) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

5        Die befristete Erteilung der Lenkberechtigung mit der Auflage der Beibringung von Haaranalysen stützte das Verwaltungsgericht auf § 14 Abs. 5 FSG-GV und führte dazu begründend aus, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung und Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens im fortgesetzten Verfahren stehe ein in der Vergangenheit erfolgter gehäufter Alkoholmissbrauch seitens des Revisionswerbers fest.

6        Dazu nahm das Verwaltungsgericht zunächst Bezug auf das erwähnte Alkoholdelikt vom 5. März 2017 (Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,89 mg/l), das zur sechsmonatigen Entziehung der Lenkberechtigung geführt habe.

7        Aufgrund der danach eingeschränkten Erteilung der Lenkberechtigung habe der Revisionswerber über behördliche Anordnung in den Jahren 2017 und 2018 (im angefochtenen Erkenntnis aufgelistete) CDT-Werte beigebracht, die zur Entziehung seiner Lenkberechtigung wegen gesundheitlicher Nichteignung durch (rechtskräftigen) Bescheid vom 3. Mai 2018 geführt hätten.

8        Mit (rechtskräftigem) Bescheid vom 2. Oktober 2018 sei die Lenkberechtigung des Revisionswerbers durch Befristung und mit der Auflage der vierteljährlichen Vorlage von „Haaranalysen auf EtG“ eingeschränkt (offensichtlich gemeint: eingeschränkt erteilt) worden. Der Revisionswerber habe dazu Haaranalysen (Probenahmen am 4. Dezember 2018, 28. März 2019 und 12. Juni 2019) samt einer psychiatrischen Stellungnahme (in dieser sei die Rede von riskantem bis schädlichem Alkoholgebrauch im Jahr 2017, der aber zu „keiner nachhaltigen Suchterkrankung“ geführt habe) vorgelegt.

9        Die Amtsärztin habe im Vorfall vom 5. März 2017 (Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem derart hohen Alkoholwert) einen Hinweis auf eine psychologische Adaption des Organismus an den Zustand chronischer Intoxikation gesehen, aus dem sich eine verminderte Kontrollfähigkeit betreffend Alkoholkonsum ergebe. Beim Revisionswerber seien die diagnostischen Kriterien (nach ICD-10) eines schädlichen Gebrauchs „an der Grenze zur Abhängigkeit“ gegeben.

10       Auf der Grundlage des im fortgesetzten Verfahren eingeholten medizinischen Gutachtens vom 10. August 2020 stellte das Verwaltungsgericht fest, auch der vom Revisionswerber beigebrachte Laborwert vom Mai 2018 (51 pg/mg EtG) zeige einen übermäßigen Alkoholkonsum im 3-monatigen Beobachtungszeitraum. Der Wert vom Juli 2018 (90 pg/mg EtG) befinde sich sogar an der „Grenze zum exzessiven Alkoholkonsum“. Selbst die Haaranalysen des Revisionswerbers vom März, Juni und August 2019 belegten noch einen erheblichen Alkoholkonsum (nach den Referenzwerten habe dieser 10 Tage lang täglich mehr als 60g Alkohol betragen, was etwa 1,5 Liter Bier entspreche). Erst die Haaranalyse vom Dezember 2019 (15 pg/mg) belege einen geringen Alkoholkonsum des Revisionswerbers.

11       Die Ansicht des medizinischen Sachverständigen, eine dauerhafte Veränderung der Konsumgewohnheiten bedürfe beim schädlichen Gebrauch von Alkohol eines Zeitraumes von 2 Jahren, um eine stabile Verhaltensänderung annehmen zu können, sei nachvollziehbar und führe somit gemeinsam mit den vom Sachverständigen als notwendig befundenen weiteren Haaranalysen zur gegenständlichen Einschränkung der Lenkberechtigung.

12       Die mit Spruchpunkt II. wegen Gegenstandslosigkeit verfügte Einstellung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des eingangs erwähnten Bescheides vom 3. Juli 2019 (der die Entziehung der Lenkberechtigung „bis zum Nachweis Ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG“ angeordnet hatte) begründete das Verwaltungsgericht (u.a.) damit, dass die dem Revisionswerber zuletzt bis 2. Oktober 2019 befristet erteilt gewesene Lenkberechtigung bereits erloschen sei und über die gesundheitliche Eignung des Revisionswerbers mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis (Spruchpunkt I.) ohnedies abgesprochen worden sei. Daher habe der Bescheid vom 3. Juli 2019 „zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei rechtliche oder tatsächliche Wirkungen“ mehr.

13       Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich sowohl gegen das angefochtene Erkenntnis (Spruchpunkt I.) als auch gegen den angefochtenen Beschluss (Spruchpunkt II.).

14       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

15       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

16       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

17       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).

18       Zur Zulässigkeit der gegen das angefochtene Erkenntnis (Spruchpunkt I.) erhobenen Revision wird zunächst dessen Abweichen von der hg. Judikatur (Hinweis auf die Erkenntnisse VwGH 20.9.2018, Ra 2017/11/0284, und VwGH 26.4.2018, Ra 2018/11/0031) ins Treffen geführt, aus der sich ergebe, dass selbst die Begehung eines schweren Alkoholdeliktes (§ 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960) mit einem Alkoholisierungsgrad von 0,8 mg/l nicht automatisch die Verneinung der gesundheitlichen Eignung rechtfertige.

19       Damit wird eine Rechtsfrage, der gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, schon mangels Vergleichbarkeit der zitierten Erkenntnisse mit dem vorliegenden Fall nicht aufgezeigt: Einerseits wurde gegenständlich (anders als noch im Vorerkenntnis Ra 2020/11/0014) die gesundheitliche Eignung des Revisionswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht verneint, sondern vielmehr die eingeschränkte gesundheitliche Eignung bejaht, der durch Befristung der Lenkberechtigung und Auflage Rechnung zu tragen sei. Andererseits legte das Verwaltungsgericht - wie aufgezeigt - dieser Beurteilung (anders als im zitierten Erkenntnis Ra 2018/11/0031) nicht bloß ein Alkoholdelikt (fallbezogen jenes vom 5. März 2017) zugrunde, sondern vielmehr die Feststellung, beim Revisionswerber sei seit dem letztgenannten Zeitpunkt bis in die jüngere Vergangenheit (August 2019) von einem gehäuften Alkoholmissbrauch iSd. § 14 Abs. 5 FSG-GV auszugehen (anders daher Ra 2017/11/0284, in welchem lediglich ein diesbezüglicher Verdacht bestand).

20       Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

21       Werden in den Fällen der §§ 5 bis 16 ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben, so dürfen diese niemals alleine, sondern immer nur in Verbindung mit einer Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung bei Ablauf dieser Befristung verfügt werden (§ 2 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV).

22       Das angefochtene Erkenntnis bewegt sich daher innerhalb der Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn es gegenständlich als entscheidungsrelevant zugrunde legte, ob beim Revisionswerber in der rezenten Vergangenheit (z.B. VwGH 31.7.2017, Ra 2017/11/0064) gehäufter Alkoholmissbrauch iSd. § 14 Abs. 5 FSG-GV anzunehmen sei, und diese Frage nach der Lage des Falles bei einer Gesamtbetrachtung der den Revisionswerber betreffenden Umstände (insbesondere der Ergebnisse seiner Laborwerte betreffend seinen Alkoholkonsum im Zeitraum 2018 bis zum August 2019) bejahte.

23       Anders als die Revision zu ihrer Zulässigkeit ausführt, kommt es nach der hg. Judikatur (vgl. den zitierten Beschluss VwGH Ra 2017/11/0064) gemäß § 14 Abs. 5 (iVm. § 2 Abs. 1) FSG-GV nicht auf eine gesondert anzustellende Prognose an, etwa ob beim Betreffenden damit zu rechnen sei, er werde wieder in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand aktiv am Straßenverkehr teilnehmen (vielmehr hat der Verordnungsgeber in der letztgenannten Bestimmung diese Befürchtung bei einem gehäuften Alkoholmissbrauch in der Vergangenheit bereits vorweggenommen; vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2017/11/0284, Rn 27). Dafür kann, anders als die Revision an anderer Stelle zu ihrer Zulässigkeit ausführt, auch nicht die Rn 16 des zitierten Vorerkenntnisses Ra 2020/11/0014 und dessen Bindungswirkung ins Treffen geführt werden, weil die Ausführungen des letztzitierten Erkenntnisses eine andere Rechtsfrage (gesundheitliche Nichteignung) betrafen.

24       Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit mit Judikaturzitaten geltend macht, für eine Auflage, die auf eine „absolute Alkoholabstinenz“ abziele, fehle eine Rechtsgrundlage, ist ihr zu entgegnen, dass die Lösung des Revisionsfalles von dieser Frage nicht abhängt, weil in der gegenständlichen Auflage eine solche Alkoholabstinenz nicht vorgeschrieben wurde.

25       Ebenso wenig gelingt es, mit der Behauptung der unzureichenden Begründung des vorgeschriebenen 3-Monatsintervalls der angeordneten Haaranalysen eine Abweichung von der hg. Judikatur darzutun, weil das Verwaltungsgericht diesbezüglich dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen (das im Übrigen entgegen den Zulässigkeitsausführungen den notwendigen formalen Aufbau - hier als Anamnese und Stellungnahme bezeichnet - aufweist) gefolgt ist und die Revision nicht konkret vorbringt, dass der Revisionswerber dem auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten sei.

26       Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, dass die mittels Haaranalyse gewonnenen EtG-Werte Gesundheitsdaten darstellten und Eingriffe in das Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß § 1 Abs. 2 DSG nur aufgrund von Gesetzen zulässig seien (Hinweis auf VwGH 11.9.2019, Ra 2019/02/0110, und VwGH 10.12.2018, Ra 2018/12/0060). Das FSG enthalte aber keinerlei Bestimmungen, unter welchen Voraussetzungen, in welcher Form und in welchem Ausmaß in das Recht auf Datenschutz eingegriffen werden dürfe.

27       Der Verwaltungsgerichtshof hat in den beiden letztgenannten Entscheidungen ausgeführt, dass ein vergleichbares Vorbringen die Zulässigkeit der jeweiligen Revision nicht begründen könne, weil jeweils näher genannte einfachgesetzliche Bestimmungen eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der dort fallbezogenen Gesundheitsdaten (im einen Fall die Alkoholblutwerte des Patienten einer Krankenanstalt, im anderen Fall ärztliche Atteste) boten. Abgesehen davon (so sinngemäß Ra 2018/12/0060, Rz 22) laufe dieses Revisionsvorbringen auf die Frage hinaus, ob einfachgesetzliche Bestimmungen mit der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG vereinbar seien, wobei die Frage der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Regelungen keine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG begründe.

28       Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Gemäß § 8 Abs. 6 Z 1 FSG hat der zuständige Bundesminister durch Verordnung die näheren Bestimmungen, unter welchen Auflagen oder Beschränkungen Personen, bei denen bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen, als zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet zu gelten haben, festzusetzen. Dem entsprechend schreibt § 14 Abs. 5 FSG-GV für Fälle (u.a.) des in der Vergangenheit liegenden gehäuften Missbrauchs von Alkohol bzw. der Alkoholabhängigkeit ärztliche Kontrolluntersuchungen und die Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme als Auflage vor.

29       Die Revision bringt in diesem Zusammenhang auch vor, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten setze gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung [EU] 2016/679 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016; im Folgenden: DSGVO ) die Einwilligung der betroffenen Person voraus, die der Revisionswerber nicht erteilt habe. Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten als eine besondere Kategorie personenbezogener Daten sei daher gemäß Art. 9 Abs. 1 iVm. Abs. 2 lit. a DSGVO untersagt.

30       Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen übergeht die Revision, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO erfolgen kann, wenn (lit. e leg. cit.) die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt (vgl. ebenso die Ausnahme des Art. 9 Abs. 2 lit. g betreffend u.a. Gesundheitsdaten). Der EuGH hat ausgesprochen, dass die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit ein von der Union anerkanntes Ziel im allgemeinen Interesse darstellt und die Mitgliedstaaten daher berechtigt sind, die Straßenverkehrssicherheit als „Aufgabe..., die im öffentlichen Interesse liegt“, im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. e der DSGVO einzustufen (Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima, C-439/19, Rn. 108, mit Verweis auf das Urteil vom 23. April 2015, Aykul, C?260/13; im letztgenannten Urteil [Rn. 83] hat der EuGH im Übrigen „den Nachweis der Abstinenz von jeglichem Konsum berauschender Mittel während der Dauer eines Jahres [...] als ein wirksames und zum Ziel der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr im Verhältnis stehendes Präventionsmittel“ bezeichnet).

31       Zur Zulässigkeit der Revision betreffend den angefochtenen Beschluss (Spruchpunkt II.) wird lediglich ausgeführt, dass die mit der Einstellung des Beschwerdeverfahrens einhergehende Rechtskraft des Bescheides vom 3. Juli 2019 (Entziehung der Lenkberechtigung „bis zum Nachweis Ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG“) einer Wiedererteilung der Lenkberechtigung entgegen stehe, solange der Revisionswerber dieser Anordnung nicht entsprochen habe.

32       Abgesehen davon, dass damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht gesetzmäßig im Sinne der oben zitierten hg. Judikatur präzisiert wird, ist diesem Vorbringen entgegen zu halten, dass mit dem gegenständlichen angefochtenen Erkenntnis (als contrarius actus zum genannten Entziehungsbescheid vom 3. Juli 2019) die Lenkberechtigung (wenngleich eingeschränkt) rechtskräftig erteilt wurde und - insoweit - die gesundheitliche Eignung des Revisionswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen bejaht wurde. Im Zulässigkeitsvorbringen wird nicht aufgezeigt, von welcher hg. Rechtsprechung das Verwaltungsgericht abgewichen sei, wenn es eine noch andauernde Verletzung von Rechten des Revisionswerbers durch den letztgenannten Bescheid verneinte.

33       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

34       Die Revision war daher - vorliegendenfalls in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2021

Gerichtsentscheidung

EuGH 62013CJ0260 Aykul VORAB
EuGH 62019CJ0439 Latvijas Republikas Saeima VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110213.L00

Im RIS seit

26.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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