Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Klaus Heintzinger, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Berggasse 4/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Mai 2021, Zl. W208 2240359-1/9E, betreffend Suspendierung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdisziplinarbehörde), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1962 geborene Revisionswerber steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Mai 2021 wurde der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) vom Dienst suspendiert, weil er im Verdacht stehe, er habe als Exekutivbeamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (zu I.) seit zumindest 2015 bis Ende 2020 eine unzulässige Nebenbeschäftigung ausgeübt bzw. unzulässige private Ermittlungs- und Beratungstätigkeiten durchgeführt und dazu 1. näher umschriebene Recherchen durchgeführt, die Ergebnisse interpretiert und an Auftraggeber aus der Privatwirtschaft weitergegeben, 2. ihm zugängliche Amtsgeheimnisse und klassifizierte Informationen, allenfalls auch Staatsgeheimnisse beschafft, nicht vorschriftsmäßig unter anderem im Privathaus verwahrt und an unbefugte Personen weitergegeben, 3. dem Amtsgeheimnis und/oder dem Datenschutz unterliegende Inhalte durch zumindest 17 E-Mails von seinem dienstlichen E-Mail-Account an seinen privaten E-Mail-Account versendet und 4. mindestens 382 Abfragen von personenbezogenen Daten aus diversen Applikationen des Bundesministeriums für Inneres bzw. nachrichtendienstlichen Evidenzen, zu denen er Zugang gehabt habe, ohne dienstlichen Bezug getätigt sowie noch unbekannte Mittäter dazu bestimmt, und die Erkenntnisse daraus an unbefugte Personen weitergegeben, sowie (zu II.) am 24. Jänner 2021 massiven körperlichen Widerstand gegen eine gerichtlich angeordnete Festnahme geleistet, um sein privates Mobiltelefon vor der Sicherstellung zu zerstören oder zumindest sperren zu können, und anschließend falsche Beschuldigungen gegen die einschreitenden Beamten erhoben, diese hätten ihn bei der Festnahme durch unverhältnismäßige Zwangsausübung misshandelt und beschimpft. Es bestehe dadurch - ungeachtet des Verdachts der Begehung näher genannter gerichtlicher Strafdelikte - der Verdacht von Dienstpflichtverletzungen gemäß §§ 43 Abs. 1 und 2, 44, 46 Abs. 1 und 56 BDG 1979.
3 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 5.3.2021, Ra 2020/09/0072; 21.12.2020, Ra 2020/09/0065 bis 0066; 15.9.2020, Ra 2020/09/0030). Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. In der Zulässigkeitsbegründung ist daher konkret darzutun, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 15.9.2020, Ra 2020/09/0030; 29.1.2020, Ra 2019/09/0162; 25.4.2019, Ra 2019/09/0060).
6 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen „ihrer Art“ das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z.B. bei schwerer Belastung des Betriebsklimas. Für eine Suspendierung sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite erforderlich (vgl. etwa VwGH 19.12.2017, Ra 2017/09/0045, mit Verweis auf VwGH 21.4.2015, Ro 2015/09/0004).
7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird mit näheren Darlegungen geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des „Neuheranziehens eines Suspendierungsgrundes im Beschwerdeverfahren“. Das Verwaltungsgericht habe den Suspendierungsgrund der Nebenbeschäftigung „erstmalig im angefochtenen Erkenntnis erwähnt und als Hauptgrund angeführt“. Die Dienstbehörde sei in der Disziplinaranzeige bzw. „in den jeweiligen Suspendierungsbescheiden“ nicht davon ausgegangen, dass eine Nebenbeschäftigung im Sinne des § 56 BDG 1979 vorliege, obwohl „schon im ursprünglichen Sachverhalt die entsprechenden Sachverhaltselemente - wie sie jetzt vom BVwG herangezogen werden - bekannt waren“. Im Weiteren wird in diesem Punkt ein Abweichen von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Sache“ des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht behauptet.
8 Mit diesem Vorbringen wird allerdings nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, enthält das vorliegende Zulässigkeitsvorbringen zu dem oben zu II. wiedergegebenen Verdacht weder Ausführungen noch wird diesbezüglich das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG behauptet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es aber schon, dass aufgrund einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung (im Verdachtsbereich) das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung gefährdet wären, um diese im Instanzenzug zu bestätigen, wenn eine Suspendierung nach ihrer Begründung auf mehrere Dienstpflichtverletzungen (im Verdachtsbereich) gestützt wird. Es muss im Allgemeinen nicht geprüft werden, ob auch alle anderen herangezogenen Dienstpflichtverletzungen (für sich alleine oder im Zusammenhalt) die Suspendierung rechtfertigen würden (vgl. VwGH 16.12.1997, 96/09/0266; 24.11.1997, 95/09/0201; 8.11.1995, 94/12/0208, VwSlg. 14 359 A). Weshalb demnach angesichts der vom Verwaltungsgericht zu II. im Verdachtsbereich vorgeworfenen schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung der in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision allein angesprochenen Rechtsfrage, die sich ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht zu I. vorgeworfene Dienstpflichtverletzung bezieht, Relevanz für den Verfahrensausgang zukommen sollte, wird vom Revisionswerber nicht dargelegt. In der Zulässigkeitsbegründung wird daher nicht konkret dargetan, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
10 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090171.L00Im RIS seit
12.10.2021Zuletzt aktualisiert am
12.10.2021