TE Vwgh Beschluss 2021/9/9 Ra 2021/09/0134

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Veröffentlicht am 09.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art133 Abs4
COVID-19-EinreisebeschränkungsV 2020
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §25
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z7
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 22. Dezember 2020, Zl. LVwG-751123/3/KLi/SW, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 1. Oktober 2020 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 11. Mai 2020 auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für das einem näher bezeichneten Arbeitnehmer während dessen Absonderung vom 23. März bis 4. April 2020 fortbezahlte Entgelt abgewiesen.

2        Begründend ging die belangte Behörde davon aus, dass der Antrag auf eine Einreiseerklärung dieses Arbeitnehmers gestützt worden sei, wonach sich dieser zu einer selbstüberwachten Heimquarantäne aufgrund der Rückkehr aus einer als Risikogebiet eingestuften Region verpflichtet habe. Ein derartiger Sachverhalt sei aber von den anspruchsbegründenden Tatbeständen des § 32 Abs. 1 EpiG nicht erfasst.

3        In der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass der in der Rede stehende Arbeitnehmer bis zum 21. März 2020 in Thailand gewesen sei und die Passagiere „im Zuge des Rückflugs am 21. März 2020“ darauf aufmerksam gemacht worden seien, dass sie das Formular „Erklärung zur Ein- und Durchreise“ ausfüllen und beim Ausstieg aus dem Flugzeug abgeben müssten. Hätte der Arbeitnehmer das Formular nicht ausgefüllt und abgegeben, hätte er nicht nach Österreich einreisen dürfen. Diese Auskunft sei diesem „im Zuge der Einreise nach Österreich“ erteilt worden. Im Weiteren vertrat die Revisionswerberin mit umfangreichen Darlegungen die Ansicht, dass die auf Grund der vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gestützt auf § 25 EpiG erlassenen Verordnung über die Einreise auf dem Luftweg nach Österreich, BGBl. II Nr. 105/2020, angeordnete Heimquarantäne einer Absonderung bzw. Überwachung im Sinne der §§ 7 und 17 EpiG gleichzuhalten und gemäß § 32 EpiG zu vergüten sei.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 22. Dezember 2020 wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - aus, die Aufzählung der Alternativen in § 32 Abs. 1 EpiG sei als taxativ anzusehen. Die verordneten Maßnahmen in Form von Einreisebeschränkungen aus dem Ausland im Sinne des § 25 EpiG, der in § 32 Abs. 1 leg. cit. keine Erwähnung finde, rechtfertigten keinen Vergütungsanspruch nach dieser Bestimmung.

6        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 10. März 2021, E 222/2021-11, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7        Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

8        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 5.3.2021, Ra 2020/09/0072; 21.12.2020, Ra 2020/09/0065 bis 0066; 15.9.2020, Ra 2020/09/0030). Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. In der Zulässigkeitsbegründung ist daher konkret darzutun, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0162; 25.4.2019, Ra 2019/09/0060; 7.7.2016, Ro 2016/09/0006).

11       Die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage mittlerweile durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 23.4.2021, Ra 2021/09/0070; 25.2.2020, Ra 2019/09/0108; 21.2.2020, Ra 2019/09/0116).

12       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht geklärt, ob „die durch § 1 in der 105. VO normierte 14-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne eine Maßnahme iSd § 32 Abs. 1 EpiG“ darstelle.

13       Dazu ist die Revisionswerberin auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen: In den hg. Beschlüssen vom 23. April 2021, Ra 2020/09/0070, und vom 8. Juni 2021, Ra 2021/09/0091 (ergangen zur Verordnung BGBl. II Nr. 105/2020), auf deren Begründungen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits eine interpretative Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG aufgrund von „generellen Quarantäneanordnungen“ verneint (vgl. zur Entschädigung für Verdienstentgang wegen Heimquarantäne nach Reiserückkehr auch VfGH 2.3.2021, E 4202/2020; siehe weiters VfGH 26.11.2020, E 3544/2020, wonach gegen die in § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG zum Ausdruck kommende Differenzierung, dass zwar Entschädigungen im Falle kleinräumiger Verkehrsbeschränkungen nach § 24 EpiG, nicht jedoch im Falle - letztlich alle betreffender - Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Ausland nach § 25 EpiG gewährt werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen).

14       In der Zulässigkeitsbegründung wird im Weiteren geltend gemacht, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht geklärt, ob „die nicht in Bescheidform ergangene Aufforderung zum Antritt einer 14-tägigen Heimquarantäne als ein auf § 7 EpiG gestützter Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu deuten“ sei. § 7 EpiG schließe nicht aus, dass die Anordnung der Absonderung auch in der Form eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgen könne.

15       Mit diesem Vorbringen wird allerdings nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, lassen sich dem Vorbringen der Revisionswerberin im behördlichen Verfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht doch keine Hinweise darauf entnehmen, dass im Revisionsfall ein derartiger, der Gesundheitsbehörde zurechenbarer und die Absonderung gemäß § 7 EpiG des in Rede stehenden Arbeitnehmers für den angesprochenen Zeitraum verfügender Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgelegen wäre. Derartiges wurde von der Revisionswerberin im Verfahren vor der Behörde bzw. in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht auch nicht behauptet. Aus dem oben wiedergegebenen Vorbringen der Revisionswerberin lässt sich ein derartiger behördlicher Akt jedenfalls nicht ableiten. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann aber nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 18.2.2021, Ra 2021/16/0006; 23.4.2018, Ra 2017/11/0221; 23.4.2015, Ra 2015/07/0031, VwSlg. 19 104 A).

16       Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090134.L00

Im RIS seit

12.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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