Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Dr. Kurt Fassl und Mag. Alexander Haase, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P***** S*****, vertreten durch die Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, wegen (restlich) 2.782,61 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2021, GZ 6 Ra 31/21g-19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger kam am Abend mit seinem Fahrrad zu Sturz, weil seine am Fahrradlenker abgelegte Jacke abrutschte und das Vorderrad blockierte. Die Jacke war dem Kläger bereits am Vormittag einmal abgerutscht, wodurch damals das Vorderrad „aushakelte“, der Kläger aber nicht stürzte, sondern nach Befestigung des Rades weiterfahren konnte.
[2] Die Vorinstanzen entschieden, dass angesichts des Geschehens vom Vormittag dem Kläger am Unfall eine seinen Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließende grobe Fahrlässigkeit nach § 1154b Abs 1 ABGB bzw § 2 Abs 1 EFZG zur Last fiel. Diese Beurteilung bedarf entgegen der Zulassungsbeschwerde keiner höchstgerichtlichen Korrektur.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Kläger zieht in seinem Rechtsmittel zu Recht nicht in Zweifel, dass er rechtswidrig und schuldhaft handelte. Das Mitführen der Jacke am Lenker ist zwar nicht ausdrücklich verboten (vgl § 68 Abs 3 und 5 StVO). Als Ladung (vgl RIS-Justiz RS0121511; vgl auch König in König/Dauer, Straßenverkehrsrecht46 [2021] § 22 StVO Rz 12) muss die Jacke aber nach der – auch für Radfahrer geltenden (vgl Kettler in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht I [2016] § 22 StVO Rz 4) – Bestimmung des § 61 Abs 1 Satz 1 StVO so transportiert werden, dass der sichere Betrieb des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird. Jedenfalls gegen diese Bestimmung, die auch dem Schutz seiner eigenen absoluten Rechtsgüter dient (vgl RS0128517), verstieß der Kläger (vgl Grubmann, StVO [2015] § 61 Anm 3 mN zur VwGH-Rspr) und handelte bereits hierdurch rechtswidrig (vgl Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1154b ABGB Rz 14).
[4] Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (RS0030644, zB 2 Ob 310/02f; vgl jüngst 8 Ob 98/20z [Rz 22]). Die Beurteilung des Verschuldensgrads bildet wegen ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Da dem Kläger aufgrund des Vorfalls vom Vormittag die Gefahr eines Abrutschens der Jacke und dessen mögliche Folgen bewusst sein mussten, ist die Entscheidung der Vorinstanzen, sein neuerliches ungesichertes Mitführen der Jacke am Fahrradlenker sei grob fahrlässig gewesen, entgegen der Ansicht der außerordentlichen Revision nicht unvertretbar.
Textnummer
E132807European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00049.21W.0914.000Im RIS seit
12.10.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022