TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/21 W159 2163004-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.2021
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Entscheidungsdatum

21.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3

Spruch


W159 2163004-2/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter

über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2020, Zl. IFA XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile I., II. III. und V. gemäß §§ 57, 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG, 52 Abs. 1 und 9 sowie 53 Abs. 1 FPG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste (spätestens) am 29.08.2014 irregulär in Österreich ein und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2017 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei und unter Spruchpunkt IV. eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die XXXX , fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2017 wurde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen, weil der Herkunftsstaat nicht ausreichend bzw. falsch festgestellt worden sei.

Nach neuerlicher Einvernahme des Antragstellers am 10.04.2018 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 16.04.2018 unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und unter Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.04.2019 erteilt.

Der Beschwerdeführer wurde bereits mit Urteil des LG XXXX vom 11.01.2016 wegen §§ 83 Abs. 1, 125, 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren sowie mit Urteil des BG XXXX vom 19.03.2018, XXXX wegen § 125 zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Weiters erfolgte eine Verurteilung durch das BG XXXX am 11.03.2019 zur Zahl XXXX wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten (unbedingt). Im kriminalpolizeilichen Aktenindex sind schon seit dem 16.08.2015 Anzeigen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahl, öffentlicher geschlechtlicher Handlungen sowie auch mehrere Ordnungswidrigkeiten enthalten.

Nachdem der Beschwerdeführer am 21.02.2019 einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gestellt hatte, wurde am 05.03.2019 ein Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 1 AsylG eingeleitet. Am 12.04.2019 langte beim Bundesamt eine Anzeige wegen Ordnungsstörung ein, wo der Beschwerdeführer sich mitten auf der Fahrbahn aufgehalten habe, Kraftfahrzeuge mit diversen Gegenständen beworfen habe und die Fahrzeuglenker mit Anschreien und Schlagen gegen die Scheiben an der Weiterfahrt gehindert habe und den Aufforderungen der Exekutive, die Fahrbahn zu verlassen nicht nachgekommen sei und sich gegen eine Festnahme gewehrt habe.

Am 15.04.2019 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers im Aberkennungsverfahren. Dabei wurde ihm unter anderem vorgehalten, dass er im alkoholisierten Zustand am Linzer Hauptbahnhof Passanten angepöbelt habe, gezielt Frauen belästigt habe, sich entblößt habe und gesagt habe, dass er „sie ficken wolle“. Nach der Festnahme durch die Polizei habe er in den Arrestantenwagen uriniert, was er auch zugab. Hingegen bestritt er, Mitbewohner in der Asylunterkunft mit dem Tode bedroht zu haben.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 26.08.2019 wurde unter Spruchteil I. der in erster Instanz zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt, unter Spruchteil II. die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, unter Spruchpunkt III. der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen, unter Spruchpunkt IV. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt V. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt VI. festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchpunkt VII. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.

In diesem Bescheid wurde insbesondere zum Beschwerdeführer festgehalten, dass er keine Angehörigen in Österreich habe, hier kein Familienleben führe und abgesehen von einer fünfwöchigen Zeit bei einer Personalleasingfirma in Österreich nicht gearbeitet habe, lediglich ein Deutschdiplom in Niveau A1 erworben habe, auch ein schützenwertes Privatleben oder eine besondere Bindung zu Österreich seien nicht festzustellen gewesen. Weiters wurde beweiswürdigend festgehalten, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten sei und durch hohes Aggressionspotential und unflätiges Verhalten Frauen gegenüber aufgefallen sei, wobei häufig Alkohol im Spiel gewesen sei. Schuldeinsicht oder Reue sei aus keiner der Aussagen ersichtlich. Weiters habe er einen Asylwerber bei einem Streit um ein Kleiderstück mit einem Messer verletzt und diesen mit dem Tode bedroht. Zur Situation im Heimatland wurde ausgeführt, dass diese sich nunmehr im Entscheidungszeitpunkt anders darstelle und der Beschwerdeführer durchaus verwandtschaftliche Kontakte nach Somalia (und Äthiopien) habe. Schließlich habe sich die Versorgungs- und Dürresituation in Somalia gebessert, wie auch aus der Kurzinformation der Staatendokumentation hervorgehe. Es sei dem Beschwerdeführer daher zumutbar, nachdem ihm die lokalen Gegebenheiten vertraut seien und er eine Berufserfahrung durch Mitarbeit im Friseursalon des Onkels habe, sich durch eigene Arbeit das notwendige Existenzminium zu verschaffen und sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er bei einer Rückkehr nach Somalia in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Es hätten sich auch im gesamten Ermittlungsverfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass im Falle seiner Rückkehr sein Recht auf Leben gefährdet wäre oder er Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre. Die angeblichen Ereignisse um seine frühere Freundin Sahra seien selbst nach seinen eigenen Angaben mindestens sieben Jahre her, seien aber durch alle Instanzen als nicht glaubhaft eingestuft worden. In Österreich habe er keine nennenswerten sozialen Kontakte aufgebaut, kaum gearbeitet und auch kaum eine Weiterbildung besucht, sondern sei die meiste Zeit durch Linz gestreift, wo er Alkohol getrunken habe, Fußball geschaut habe und Wettbüros aufgesucht habe. Ein schützenswertes Privatleben habe daher nicht glaubhaft gemacht werden können.

Zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage in der Heimat wesentlich verändert habe, sodass der Schutz nicht mehr in der Republik Österreich gewährleistet werden müsse. Die Asylgründe seien nicht glaubhaft gewesen, der Beschwerdeführer leide auch an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und sei angesichts seines Alters, seines Geschlechtes, seines Gesundheitszustandes, seiner Ausbildung und seiner Arbeitsfähigkeit sowie seines kulturellen und religiösen Hintergrundes und aufgrund der familiären Anknüpfungspunkte nicht anzunehmen, dass er Gefahr laufe, in eine aussichtslose Lage zu geraten, sodass der subsidiäre Schutz abzuerkennen gewesen sei und daher auch der Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter auszusprechen gewesen sei und der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abzuweisen gewesen sei (Spruchteile II und III). Die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nach § 57 würden nicht vorliegen (Spruchpunkt IV.). Zu Spruchpunkt V. wurde nochmals darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben in Österreich führe und zum Privatleben insbesondere hervorzuheben sei, dass er bereits dreimal strafgerichtlich verurteilt worden sei und insgesamt über Jahre ein Verhalten gesetzt habe, das wenig geeignet sei, sich in die Gesellschaft und ein geordnetes Zusammenleben einzufügen. Es sei auch keine verfestigte Integration zu erkennen und sei er mit den kulturellen und sozialen Gepflogenheiten in seinem Heimatstaat nach wie vor vertrauter als mit den österreichischen Gegebenheiten. Es sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung zulässig. Zu Spruchpunkt VI. wurde auf die Judikatur hingewiesen, dass eine Rückkehrmöglichkeit eines gesunden Revisionswerbers nach Mogadischu sogar ohne familiäre Unterstützung möglich wäre und dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine reale Verletzung einer durch Art. 3 EMRK entspringenden Rechte drohe. Es stünde einer Abschiebung nach Somalia auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen und sei diese daher als zulässig zu bezeichnen. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären auch nicht hervorgekommen (Spruchpunkt VII.) Dieser Bescheid ist am 08.10.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.02.2020, Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls, des Vergehens der sexuellen Belästigung, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, die er nach wie vor verbüßt.

Mit Schreiben vom 14.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer schriftlich das Parteiengehör, insbesondere zur Frage eines Einreiseverbotes (unter Anführung der gesetzlichen Bestimmung) eingeräumt und zahlreiche Fragen gestellt. Von dem Recht zur Abgabe einer Stellungnahme machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 02.10.2020, Zahl IFA XXXX wurde unter Spruchteil I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt II. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei, unter Spruchpunkt VI (richtig: IV.) eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie unter Spruchpunkt V. ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang, insbesondere die hinsichtlich des Beschwerdeführers ergangenen Strafurteile angeführt. Zum Privat- und Familienleben wurde ausgeführt, dass der Antragsteller eine Freundin habe, bei der er nach seiner Haftentlassung Unterkunft nehmen könne, aber im Übrigen sei kein berücksichtigungswürdiges bzw. schützenswertes Familienleben festgestellt worden. In der Folge wurden Feststellungen zu Somalia getroffen. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes wurde insbesondere ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, ein legales Einkommen zu erwirtschaften und dass er mittellos sei und sich auch nicht in Grundversorgung befinde und in Österreich viermal strafrechtlich rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Vergangenheit habe belegt, dass er fortlaufend und immer wiederkehrend in seinem straffälligen Verhalten verharrt habe und sich bewusst nicht an die österreichischen Gesetze halte. Im vorliegenden Fall überwiege die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung, sodass eine unverzügliche Ausreise notwendig sei. Es sei auch keine positive Zukunftsprognose möglich gewesen.

Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde ausgeführt, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass der Beschwerdeführer keine der Voraussetzungen des § 57 AsylG erfülle und daher ein solcher Aufenthaltstitel nicht zu erteilen gewesen sei. Zu Spruchpunkt II. wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer kein aufrechtes Familienleben in Österreich führe. Zu seinem Privatleben sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer es nicht geschafft habe, sich beruflich zu integrieren und auch keine besonderen Bindungen zum Bundesgebiet habe, sondern mehrfach in Österreich straffällig geworden sei, sodass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen gewesen sei und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei. Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass das BFA die Zulässigkeit der Abschiebung bereits geprüft habe. Der Beschwerdeführer werde in seinem Heimatland weder verfolgt noch drohe ihm die Todesstrafe noch sei sein Leben in Gefahr. Es stünde auch einer Zulässigkeit der Abschiebung keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen, sodass die Voraussetzungen für eine Abschiebung nach Somalia vorlägen. Im vorliegenden Fall habe eine freiwillige Ausreise nicht zugestanden werden können und sei die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (nach Entlassung aus der Strafhaft) erforderlich. Deswegen sei auch die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde abzuerkennen gewesen. Zum Spruchpunkt V. wurde schließlich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden sei und dass das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle und würden auch die familiären und privaten Anknüpfungspunkte keinen Verbleib in Österreich rechtfertigen. Es sei daher unter der Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seiner Lebensumstände und seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bescheidadressat, vertreten durch die XXXX , Beschwerde „in vollem Umfang“, regte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an, wobei die Beschwerde rechtzeitig war. Nach kursorischer Darstellung des Verfahrensganges wurde darauf hingewiesen, dass es bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besonders auf die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ankomme, dies gelte auch für die Gefährdungsprognose hinsichtlich des Einreiseverbotes. Im gegenständliche Fall habe jedoch nicht einmal eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA stattgefunden und vermag die Einräumung des schriftlichen Parteiengehörs die Verschaffung eines persönlichen Eindruckes nicht zu ersetzen. Bei der für die Erstellung eines Einreiseverbotes zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtfehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Diesbezüglich müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer sich hinsichtlich seiner Taten reumütig zeige und sein zukünftiges Leben in Freiheit bei einem ordentlichen Lebenswandel fortsetzen möchte. Die Behörde lasse eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, warum im konkreten Fall ein achtjähriges Einreiseverbot (?) notwendig sei. Ein zehnjähriges Einreiseverbot erscheine jedenfalls unverhältnismäßig und stelle ein willkürliches Verhalten der Behörde dar. Das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen dürfe nämlich nicht regelmäßig erfolgen und sei eine einzelfallbezogene Bemessung vielmehr unabdingbar. Zu Gunsten des Beschwerdeführers sei auch zu berücksichtigen, dass er zum ersten Mal strafgerichtlich verurteilt worden sei (?) und der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft worden sei. Es wurde nochmals unter Hinweis auf die Judikatur des VwGH die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt und sei zu diesem Zweck auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde zu beheben.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2020, Zahl XXXX wurde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer aktuell in Strafhaft befinde und voraussichtlich erst am 28.09.2022 enthaftet werde und daher keinerlei Eile geboten sei und diese Praxis des BFA lediglich bewirke, dass das Bundesverwaltungsgericht gezwungen sei, innerhalb einer Woche eine Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu treffe, welche faktisch keine Auswirkung habe.

Nachdem eine Vorführung des Beschwerdeführers zu einer Beschwerdeverhandlung am 28.01.2021 nicht möglich war, war eine solche am 09.04.2021 hingegen möglich und wurde der Beschwerdeführer zu dieser Verhandlung aus der Strafhaft vorgeführt. Ein Vertreter der BBU ist nicht erschienen. Der Beschwerdeführer war jedoch ausdrücklich damit einverstanden, dass die Verhandlung ohne einen Rechtsberater durchgeführt werde. Er gab an, dass er sich seit September 2014 in Österreich aufhalte und in der Zwischenzeit in keinen anderen Staaten gewesen sei. Seine Familienangehörigen seien in Europa, seine Eltern seien schon verstorben, sein Onkel, der nach dem Tod seines Vaters weitgehend die Stelle seines Vaters eingenommen habe, halte sich nunmehr in Schweden auf. Er habe mit diesem jedoch keinen Kontakt, hingegen mit seinen Kindern habe er Kontakt über Facebook. Da er viel Alkohol trinke, habe er seine Nummer vergessen. Sonst sei er mit niemandem im Somalia in Kontakt. Er sei sieben Jahre lang in Somalia in die Schule gegangen und habe in XXXX in Somaliland gelebt. Sein Onkel habe als Friseur gearbeitet und habe ihn versorgt. Er selbst habe in Somalia nicht gearbeitet. Er habe ab und zu Bauchschmerzen und nehme dafür Medikamente. Alkohol konsumiere er in der Justizanstalt keinen mehr. Er habe einmal versucht eine Therapie zu machen, im Jahre 2018. Er habe einen Termin bekommen, aber diesen Termin vergessen. Er sei niemals verheiratet gewesen und habe auch keine Kinder. Verwandte in Österreich habe er auch nicht. Er habe eine Freundin. Sie heiße XXXX . Sie sei österreichische Staatsbürgerin, auch hier geboren und aufgewachsen. Den vollständigen Namen wisse er nicht. Sie war 35 Jahre alt, derzeit sei sie arbeitslos. Früher habe sie als Verkäuferin gearbeitet. Sie habe keine Kinder. Sie habe ihn nicht in der Haft besucht. Sie wisse nicht, wo er wirklich sei. Seit er in Haft sei, habe er auch keinen Kontakt mehr mit ihr.

In Österreich habe er einen Basisdeutschkurs und A1- gemacht, ein A1-Diplom habe er. Gefragt nach weiteren Ausbildungen gab er an, dass er bei der XXXX in XXXX gearbeitet habe. Gefragt nach weiteren Qualifikationen, die er in Österreich erworben habe, verneinte er dies. Er habe sechs Monate für die XXXX gearbeitet. Er sei für eine Leasingpersonalfirma tätig gewesen. Er habe einerseits in der Keksabteilung gearbeitet und dann in der Produktion von Ketchup und Mayonnaise. Bevor er diese Stelle bekommen habe, sei er in Grundversorgung gewesen. Dann sei er eine Zeitlang obdachlos in Wien gewesen. Dort habe er ein paar Monate gelebt. In Wien sei er in einem Obdachlosenheim gewesen, wo er etwas zu essen und eine Schlafstelle bekommen habe. Eine Mietwohnung habe er nie gehabt. Er habe in XXXX in einem Asylheim gelebt und dann in Wien, dann wieder in XXXX und dann in Wien in einem Obdachlosenheim und in XXXX habe er einer Notschlafstelle genächtigt. Befragt nach XXXX , wo er mehr als ein Jahr gemeldet gewesen sei, gab er an, dass er auch in XXXX gewesen sei. Über Vorhalt, dass er in Österreich insgesamt viermal, vor allem wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sei, zuletzt wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der sexuellen Belästigung, außerdem habe er zahlreiche Ordnungswidrigkeiten begangen, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht an alles erinnern könne und wenn er Alkohol trinke vergesse er alles. Er trinke schon seit zehn Jahren Alkohol. Er habe auch schon in Somalia Alkohol getrunken. In Äthiopien könne man Alkohol bekommen, aber man konnte ihn dort auch nicht legal kaufen. Seit er in Haft sei, trinke er keinen Alkohol mehr. Im Gefängnis arbeite er in der Druckerei von 07:00 Uhr bis 14:00 Uhr. Anschließend gehe er in seine Zelle und sehe fern. Er habe in der Haft keine Ausbildung und auch keine Therapie gegen Alkoholmissbrauch gemacht. Er bekomme im Gefängnis auch von niemandem Besuch. Auch sonst sei er mit niemandem in Kontakt. In Somalia habe er niemanden und er wollte auch nicht dorthin zurückkehren. Gefragt, ob er noch irgendetwas, insbesondere für das Einreiseverbot vorbringen möchte, gab er an, dass er nur Probleme habe, wenn er Alkohol trinke. Er möchte mit dem Alkoholtrinken aufhören und wenn er enthaftet werde, möchte er arbeiten gehen und „brav sein“.

Am Schluss der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 31.03.2021, soweit verfahrensrelevant, vorgehalten und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt, wobei er ausdrücklich auf die Möglichkeit der Kontaktnahme mit dem Gefängnissozialdienst und über diesen mit der BBU hingewiesen wurde. Verlesen wurde der Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem vier Verurteilungen aufscheinen. Trotz Zuwarten weit über die eingeräumte Frist hinaus ist keinerlei Stellungnahme eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger und wurde XXXX geboren. Er hat sich die meiste Zeit in XXXX , Somaliland, aufgehalten. Spätestens am 29.08.2014 gelangte er irregulär nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 26.08.2019, Zahl XXXX wurde der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2018 zuerkannt Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt, die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich. Er ist nicht gut integriert, sein Leben ist durch schweren Alkoholmissbrauch, der bereits in Somalia begonnen hat, gezeichnet. Der Beschwerdeführer hat nur sehr kurzfristig in Österreich gearbeitet und lediglich ein Sprachdiplom A1 vorgelegt. Er hatte eine österreichische Freundin, mit der er aktuell keinen Kontakt mehr hat. Auch sonst hat er weder mit Personen aus Somalia noch mit anderen Personen außerhalb der Haft Kontakt. Es ist daher auch kein intensives Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich festzustellen.

Beim Beschwerdeführer liegen nicht nur zahlreiche Eintragungen im kriminalpolizeilichen Index und auch Verwaltungsstrafen wegen Ordnungswidrigkeiten vor, sondern wurde dieser wie folgt in Österreich verurteilt:

1.       mit Urteil des LG XXXX vom 11.01.2016, XXXX wegen §§ 83 Abs. 1 125 StGB, 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren

2.       mit Urteil des BG XXXX vom 19.03.2018, XXXX wegen § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen

3.       mit Urteil des BG XXXX vom 11.03.2019, XXXX wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten und

4.       mit Urteil des LG XXXX vom 11.02.2020, XXXX wegen §§ 218 Abs. 1, 127, 139 iVm § 15, 87 iVm § 15 und 269 iVm § 15 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Zu den Verurteilungen wurde zunächst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer einen räuberischen Diebstahls einer Kamera, indem er das Opfer mit einer befüllten Plastikflasche schlug; begangen habe, dann einer Frau, die sich ihm gegenüber hilfsbereit zeigte, unvermittelt mit beiden Händen auf die Brüste griff und schließlich einen unbekannten Mann küsste und ihm einen Sack mit Zigarettenpackungen wegnahm, dann, nachdem der Beschwerdeführer offenbar eine Mülltonne in einer Grünanlage ausgeleert hatte und ein Polizeibeamter ihn aufforderte, den Müll wegzuräumen, diesen mit einer Geste drohte, ihm in den Hals zu stechen und schließlich einen anderen Somalier mit einer zerbrochenen Glasflasche gezielt gegen den Kopf und Halsbereich geschlagen hatte. Das Gericht wertete es als mildernd, dass ein teilweises Geständnis vorgelegen sei und es teilweise beim Versuch geblieben sei, als erschwerend jedoch die drei einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und Verbrechen sowie der äußerst rasche Rückfall. Weiters wurde festgehalten, dass es dem Beschwerdeführer durchaus bewusst war, dass er unter Alkoholkonsum sowohl den Respekt vor fremden Eigentum als auch vor körperlicher und sexueller Integrität anderer verliere und sich aggressiv und unkooperativ zeige. Die Verletzungen mit der abgeschlagenen Glasflasche führten zu Schnittverletzungen bei dem Opfer, das stationär im XXXX versorgt werden musste. Laut gerichtsmedizinischem Gutachten seien die eingetreten Verletzungen wohl noch als leichte Körperverletzung zu qualifizieren, eine bloß geringfügig tiefere Schnittführung hätte jedoch bereits zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können.

Der Beschwerdeführer behauptet wohl gelegentlich unter Bauchschmerzen zu leiden, hat jedoch keine diesbezüglichen Befunde und Medikamentenvorschreibungen vorgelegt, sodass davon auszugehen ist, dass er gesund ist. Er arbeitet auch in der Haft und besteht kein Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat auch als Person keinen positiven Eindruck hinterlassen.

Zu Somalia wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

1.       COVID-19

Letzte Änderung: 29.03.2021

Zwischen 19.3.2020 und 2.1.2021 wurden über 81.000 Menschen getestet, knapp 4.700 waren infiziert (HIPS 2021, S.24). Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wieder aufgenommen (PGN 10.2020, S.9).

Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt (HIPS 2021, S.24). Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten (DEVEX 13.8.2020). Mitte Feber 2021 warnte die Gesundheitsministerin vor einer Rückkehr der Pandemie. Die Zahl an Neuinfektionen und Toten stieg an (Sahan 16.2.2021b). Ende Feber 2021 wurden alle Demonstrationen in Mogadischu verboten, da eine neue Welle von Covid-19 eingetreten war. Zwischen 1. und 24. Feber verzeichnete Somalia mehr als ein Drittel aller Covid-19-Todesopfer der gesamten Pandemie (PGN 2.2021, S.16). Testungen sind so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden (STC 4.2.2021). Die Zahl an Infektionen dürfte höher liegen, als offiziell bekannt. Viele potenziell Infizierte melden sich nicht, da sie eine gesellschaftliche Stigmatisierung fürchten (UNFPA 12.2020, S.1). Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil (DEVEX 13.8.2020). Mit Stand 9.3.2021 waren in Somalia 4.544 aktive Fälle registriert, insgesamt 319 Personen waren verstorben. Seit Beginn der Pandemie waren nur 84.278 Tests durchgeführt worden (ACDC 9.3.2021).

Die informellen Zahlen zur Verbreitung von Covid-19 in Somalia und Somaliland sind also um ein Vielfaches höher als die offiziellen. Einerseits sind die Regierungen nicht in der Lage, breitflächig Tests (es gibt insgesamt nur 14 Labore) oder gar Contact-Tracing durchzuführen. Gleichzeitig behindern Stigma und Desinformation die Bekämpfung von Covid-19 in Somalia und Somaliland. Mit dem Virus geht eine Stigmatisierung jener einher, die infiziert sind, als infiziert gelten oder aber infiziert waren. Mancherorts werden selbst Menschen, die Masken tragen, als infiziert gebrandmarkt. Die Angst vor einer Stigmatisierung und die damit verbundene Angst vor ökonomischen Folgen sind der Hauptgrund, warum so wenige Menschen getestet werden. Es wird berichtet, dass z.B. Menschen bei (vormals) Infizierten nicht mehr einkaufen würden. IDPs werden vielerorts von der Gastgemeinde gemieden – aus Angst vor Ansteckung. Dies hat auch zum Verlust von Arbeitsplätzen – z. B. als Haushaltshilfen – geführt. Dabei fällt es gerade auch IDPs schwer, Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Sie leben oft in Armut und in dicht bevölkerten Lagern, und es mangelt an Wasser (DEVEX 13.8.2020).

Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist (UNFPA 12.2020, S.1). Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNSC 13.11.2020, Abs.51). UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) (UNSC 13.8.2020, Abs.69). Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet; von 150 Betten verfügen nur 11 über ein Beatmungsgerät und Sauerstoffversorgung (Sahan 25.2.2021c). In ganz Somalia und Somaliland gab es im August 2020 für Covid-Patienten nur 24 Intensivbetten (DEVEX 13.8.2020). Es gibt so gut wie keine präventiven Maßnahmen und Einrichtungen. Menschen, die an Covid-19 erkranken, bleibt der Ausweg in ein Privatspital – wenn sie sich das leisten können (Sahan 25.2.2021c). Der türkische Rote Halbmond hat Somalia im Feber 2021 weitere zehn Beatmungsgeräte zukommen lassen (AAG 26.2.2021). Im März 2021 spendete die Dahabshil Group dem Staat Sauerstoffverdichter, mit denen insgesamt 250 Patienten versorgt werden können. Die Firma übernimmt auch die technische Instandhaltung (Sahan 11.3.2021). Insgesamt bleiben Test- und Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19-Infizierte aber beschränkt (UNFPA 12.2020, S.1).

Nachdem die Bildungsinstitutionen ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat. Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert (UNFPA 12.2020, V-VI).

Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen (IPC 3.2021, S.2; vgl. UNFPA 12.2020). Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10% (IPC 3.2021, S.2). Auch der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (UNFPA 12.2020, S.1).

Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als vier Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. Möglicherweise werden diese zusätzlich getestet und in Quarantäne geschickt. In Hargeysa werden Personen ohne Test auf eigene Kosten in eine von der Regierung benannte Unterkunft zur zweiwöchigen Selbstisolation geschickt. Die Landverbindungen zwischen Dschibuti und Somaliland wurden wieder geöffnet, der Hafen in Berbera ist in Betrieb (GW 12.2.2021).

Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing. Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (GW 12.2.2021).

Quellen:

•        AAG - Anadolu Agency [Türkei] (26.2.2021): Turkish Red Crescent donates 10 ventilators to Somalia, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkish-red-crescent-donates-10-ventilators-to-somalia/2158421, Zugriff 1.3.2021

•        ACDC - African Union Center for Disease Control and Prevention (9.3.2021): Africa CDC Dashbord Covid-19, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 10.3.2021

•        DEVEX / Sara Jerving (13.8.2020): Stigma and weak systems hamper the Somali COVID-19 response, https://www.devex.com/news/stigma-and-weak-systems-hamper-the-somali-covid-19response-97895, Zugriff 12.10.2020

•        GW - GardaWorld (12.2.2021): Somalia: Authorities maintain coronavirus disease restrictions as of Feb. 12/update9, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/442256/somalia-authorities-maintain-corona virus-disease-restrictions-as-of-feb-12-update-9, Zugriff 10.3.2021

•        HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf , Zugriff 12.2.2021

•        IPC - Integrated Food Security Phase (3.2021): Somalia – IPC Acute Food Insecurity and Acute Malnutrition Analysis January-June 2021, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-ipc-acute-food-insecurity-and-acute-malnutrition-analysis-january-june, Zugriff 9.3.2021

•        PGN - Political Geography Now (2.2021): Somalia Control Map & Timeline - February 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2021/02/somalia-control-map-2021. html

•        PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2020/10/somalia-mapof-al-shabaab-control.html

•        RE - Radio Ergo (25.2.2021): No masks, gloves or oxygen in Mogadishu hospital, says grieving husband who lost pregnant wife to COVID19, https://radioergo.org/en/2021/02/25/no-masks-glove s-or-oxygen-in-mogadishu-hospital-says-grieving-husband-who-lost-pregnant-wife-to-covid19/, Zugriff 10.3.2021

•        Sahan - Sahan / Mogadishu Times (11.3.2021): The Somali Wire Issue No. 100, per e-Mail, Originallink auf Somali: http://mogtimes.com/articles/41259/Sawirro-Dahabshiil-Group-oo-ka-jawaabtay-baaqii-DF-kuna -wareejisay-Oxygen

•        Sahan - Sahan / Somali Wire Team (25.2.2021c): Editor’s Pick – COVID-19 has not been prevented, it is used as a political weapon, in: The Somali Wire Issue No. 87, per e-Mail

•        Sahan - Sahan / Hiiraan Online (16.2.2021b): The Somali Wire Issue No. 83, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.hiiraan.com/news/2021/Feb/wararka_maanta15-176705.htm

•        STC - Safe the Children (4.2.2021): 840,000 children going hungry as Somalia declares state of emergency over locust invasion, https://www.savethechildren.net/news/840000-children-goinghungry-somalia-declares-state-emergency-over-locust-invasion, Zugriff 3.3.2021

•        UNFPA - UN Population Fund (12.2020): COVID-19 Socio-Economic Impact Assessment for Puntland, https://somalia.unfpa.org/en/publications/covid-19-socio-economic-impact-assessment-puntland, Zugriff 11.3.2021

•        UNSC - UN Security Council (13.11.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/1113], https://www.ecoi.net/en/file/local/2041334/S_2020_1113_E.pdf , Zugriff 2.12.2020

•        UNSC - UN Security Council (13.8.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/798], https://www.ecoi.net/en/file/local/2036555/S_2020_798_E.pdf , Zugriff 9.10.2020

2.       Politische Lage

Letzte Änderung: 29.03.2021

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Letzte Änderung: 29.03.2021

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 2.4.2020, S.5). Während Süd/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2020, S.4).

Staatlichkeit: Somalia hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Somalia hat in den vergangenen Jahren auf vielen Gebieten große Fortschritte erzielt. Der Staat ist etwa bei Steuereinnahmen effektiver geworden. Junge Somalis und Angehörige der Diaspora sind in der Zivilgesellschaft aktiv, und Mogadischu selbst hat sich stark verändert (BBC 18.1.2021). Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 2.4.2020, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 4.3.2020a, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2020, S.33). Die Regierung ist bei der Umsetzung von Aktivitäten grundsätzlich stark von internationalen Institutionen und Geberländern abhängig (FH 4.3.2020a, C1). Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 11.3.2020, S.24). Generell sind drei entscheidende Punkte abzuarbeiten: die Überarbeitung der Verfassung; der Aufbau der föderalen Architektur; und die Entwicklung eines angemessenen Wahlsystems. Der Stillstand zu Anfang des Jahres 2021 ist das Ergebnis des Versagens der Regierung Farmaajo, auch nur einen dieser Punkte zu lösen (ECFR 16.2.2021).

Regierung: Die Präsidentschaftswahl fand im Feber 2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmaajo“ zum Präsidenten (AA 2.4.2020, S.6; vgl. ÖB 3.2020, S.2; USDOS 11.3.2020, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 11.3.2020, S.1). Premierminister Hassan Ali Kheyre wurde mit einem Misstrauensvotum des Parlaments am 25.7.2020 seines Amtes enthoben (UNSC 13.8.2020, Abs.5). Im September 2020 wurde Mohamed Hussein Roble als neuer Premierminister angelobt (UNSC 13.11.2020, Abs.6). Insgesamt verfügt die Regierung in der eigenen Bevölkerung und bei internationalen Partnern nur über wenig Glaubwürdigkeit. Das Vertrauen in den Staat ist gering (BS 2020, S.34/40).

Parlament: Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Anfang 2017 besetzt (USDOS 11.3.2020, S.24). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt (AA 2.4.2020, S.6; vgl. USDOS 11.3.2020, S.24). Beide Häuser wurden also in indirekten Wahlen besetzt, das Unterhaus nach Clanzugehörigkeit. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 11.3.2020, S.1). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2020, S.11). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2020, S.20). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 2.4.2020, S.4; vgl. BS 2020, S.20). Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 11.3.2020, S.26; vgl. ÖB 3.2020, S.3; BS 2020, S.11). Auch die Regierung ist entlang dieser Formel organisiert (ÖB 3.2020, S.3). Insgesamt wird das Parlament durch Stimmenkauf entwertet, und es hat auf die Tätigkeiten von Präsident und Premierminister wenig Einfluss (BS 2020, S.20).

Demokratie: Seit 1969 wurde in Somalia keine Regierung mehr direkt gewählt (FP 10.2.2021).

Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2020, S.11/15). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 11.3.2020, S.23f) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clanstrukturen) vergeben (AA 2.4.2020, S.5f). Für 2021 vorgesehene Wahlen wurden zuerst verschoben (UNSC 13.8.2020, Abs.7). Und es kam im September 2020 hinsichtlich des Prozederes zu einer Einigung mit den Bundesstaaten. Das vereinbarte Modell entspricht in etwa jenem von 2016. Dabei werden von Ältesten, Bundesstaaten und Vertretern der Zivilgesellschaft

Wahldelegierte ausgesucht, welche wiederum die einzelnen Parlamentsabgeordneten wählen. Pro Abgeordnetem sollen 101 Wahlmänner und -Frauen ausgewählt werden (2016: 51). Statt der National Independent Electoral Commission soll die Wahl von sogenannten Electoral Implementation Committees (EIC) umgesetzt werden. Die Abgeordneten zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten ausgewählt (UNSC 13.11.2020, Abs.2f; vgl. FP 10.2.2021). Neben einem 25köpfigen EIC des Bundes sollte zusätzlich in jedem Bundesstaat ein eigenes elfköpfiges EIC eingesetzt werden (UNSC 13.11.2020, Abs.21). Dieses Modell war von allen relevanten politischen Stakeholdern, von Parteien und Vertretern der Zivilgesellschaft vereinbart und vom Bundesparlament ratifiziert worden (UNSC 13.11.2020, Abs.88).

Politische Lage: Allerdings hat sich um die Bestellung der Mitglieder dieser EICs ein neuer Konflikt entsponnen (FP 10.2.2021). Präsident Farmaajo war schließlich nicht in der Lage, sich mit Ahmed „Madobe“, Präsident von Jubaland, und Said Deni, Präsident von Puntland, auf die Umsetzung des im September 2020 vereinbarten Fahrplans für Neuwahlen zu einigen (IP 12.2.2021; vgl. FP 10.2.2021). Und so ist das Mandat des Parlaments im Dezember 2020 ausgelaufen (SG 8.2.2021), jenes von Präsident Farmaajo formell am 8.2.2021 (IP 12.2.2021; vgl. ECFR 16.2.2021). Damit verfügt Somalia über keine legitime Regierung mehr. Allerdings weigert sich Farmaajo sein Amt abzugeben (ECFR 16.2.2021). Er hofft offenbar darauf, dass das Parlament Artikel 53 des Wahlgesetzes in Kraft setzt, wonach Wahlen ausgesetzt und die Amtszeit der Regierung im Katastrophenfall um sechs Monate verlängert würde. Die Covid-19Pandemie bietet hier einen Vorwand (BMLV 25.2.2021).

Die Führer von Puntland und Jubaland (FP 10.2.2021; vgl. Sahan 22.2.2021) sowie eine Allianz aus 14 Präsidentschaftskandidaten, darunter die ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamed und Sharif Sheikh Ahmed, erkennen Farmaajo nicht mehr als Präsidenten an (Sahan 9.2.2021b; vgl. IP 12.2.2021, FP 10.2.2021). Die Allianz aus Oppositionsparteien sprach sich für die Bildung einer Übergangsregierung aus (FP 10.2.2021). Somalia befindet sich somit in einer schweren Verfassungs- und politischen Krise (Sahan 9.2.2021a). Das Versagen, einen Kompromiss zu finden, hat nicht nur den demokratischen Prozess unterminiert, es hat die Sicherheit Somalias vulnerabel gemacht (FP 10.2.2021). Denn al Shabaab hat sich die politische Krise zu Nutzen gemacht und die Angriffe seit Anfang 2021 verstärkt (IP 12.2.2021). Es besteht die Angst, dass Präsident Farmaajo durch das Festklammern an der Macht einen neuen Bürgerkrieg auslösen könnte (SG 8.2.2021). Ende Feber und Anfang März 2021 wurden neuerliche Verhandlungen über eine Umsetzung des beschlossenen Wahlsystems angesetzt – auf Druck der internationalen Gemeinschaft (AMISOM 3.3.2021; vgl. UNSOM 2.3.2021).

Föderalisierung: Auch wenn diese Entscheidung zur Föderalisierung umstritten war, und die Umsetzung von Gewalt begleitet wurde, konnten neue Bezirks- und Regionalverwaltungen etabliert werden. Neben Puntland wurden in den letzten Jahren vier neue Bundesstaaten geschaffen: Galmudug, Jubaland, South-West State (SWS) und HirShabelle. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet (BS 2020, S.10; vgl. AI 13.2.2020, S.13). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (Banadir Regional Administration/BRA) (AI 13.2.2020, S.13). Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).

Die Fortschritte der Jahre 2012-2016 wurden von der Regierung Farmaajo weitgehend rückgängig gemacht (ECFR 16.2.2021). Dass in vier der fünf Bundesstaaten im Zeitraum 2018-2019 eine neue Führung gewählt werden solle, sah die Bundesregierung als Chance, sich durch die Platzierung loyaler Präsidenten Einfluss zu verschaffen. Dementsprechend mischte sich die Bundesregierung in die Wahlen ein (HIPS 2020, S.1/4ff; vgl. ECFR 16.2.2021). Zudem hat sie Truppen entsendet, um die politische Kontrolle zu erlangen (ECFR 16.2.2021). Die Präsidenten von HirShabelle, dem SWS und von Galmudug gelten nunmehr als der somalischen Bundesregierung freundlich gesinnt (Sahan 11.2.2021b).

Grundsätzlich gibt es politische Uneinigkeit über die Frage, ob Bundesstaaten semi-autonom sein sollen oder ob mehr Macht bei der Bundesregierung zentralisiert sein soll (ISS 15.12.2020). Die entstandene Pattsituation zwischen Bund und Ländern hat anfangs zum Stillstand bei wichtigen Fragen geführt – etwa hinsichtlich der Wahlen, der Verfassung und der Sicherheit (UNSC

13.2.2020, Abs.6). Schließlich hat Farmaajo Somalia aber an den Rand eines institutionellen Kollaps’ geführt (ECFR 16.2.2021).

Bei der Auseinandersetzung zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten kommt u. a. die Krise am Golf zu tragen: Der Konflikt zwischen den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) – unterstützt von Saudi-Arabien – und Katar – unterstützt von der Türkei – wurde auch nach Somalia exportiert und trägt dort erheblich zur Vertiefung der Spaltung bei (BS 2020, S.41). Zudem leidet AMISOM an den Spannungen zwischen der Bundesregierung und dem Nachbarland Kenia sowie am Konflikt in Äthiopien – beide Staaten sind Truppensteller (ISS 15.12.2020).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.4.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028000/Deutschland___Ausw%C3%A4r tiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_ Somalia_%28Stand_Januar_2020%29%2C_02.04.2020.pdf , Zugriff 15.4.2020

•        AI - Amnesty International (13.2.2020): „We live in perpetual fear“: Violations and Abuses of Free-dom of Expression in Somalia [AFR 52/1442/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024685/AFR 5214422020ENGLISH.PDF , Zugriff 25.2.2020

•        AMISOM (3.3.2021): 3 March 2021 - Morning Headlines, Newsletter per E-Mail, Originallink auf Somali: https://puntlandpost.net/2021/03/01/guddiga-doorashooyinka-oo-ka-hadlay-ismari-waaga -doorashada/

•        BBC - BBC News (18.1.2021): Somali concern at US troop withdrawal, https://www.bbc.com/news /world-africa-55677077 , Zugriff 3.2.2021

•        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-si cherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf , Zugriff 3.12.2020

•        BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (25.2.2021): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

•        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/ content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf , Zugriff 4.5.2020

•        ECFR - European Council on Foreign Relations / Matt Bryden / Theodore Murphy (16.2.2021): Somalia’s election impasse – A crisis of state building, https://ecfr.eu/article/somalias-election-im passe-a-crisis-of-state-building/ , Zugriff 22.2.2021

•        FH - Freedom House (4.3.2020a): Freedom in the World 2020 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2035807.html , Zugriff 12.10.2020

•        FP - Foreign Policy (10.2.2021): Will Somalia’s Missed Election Lead to Chaos? https://foreignpol icy.com/2021/02/10/somalia-missed-election-chaos-mogadishu/ , Zugriff 12.2.2021

•        HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf , Zugriff 12.2.2021

•        HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2020): State of Somalia Report 2019, Year in Review, http://www.heritageinstitute.org/wp-content/uploads/2020/01/HIPS_2020-SOS-2019-Rep ort-English-Version.pdf , Zugriff 17.3.2021

•        IP - Indigo Publications (12.2.2021): Africa Intelligence – Under pressure from Turkish and Qatari sponsors, Farmajo clings to presidency, mit Zugangsberechtigung verfügbar auf: https://www.africa intelligence.com/archives, Zugriff 12.2.2021

•        ISS - Institute for Security Studies (15.12.2020): Regional conflicts add to Somalia’s security concerns, https://issafrica.org/iss-today/regional-conflicts-add-to-somalias-security-concerns , Zugriff 3.2.2021

•        ISS - Institute for Security Studies / Meressa K Dessu / Dawit Yohannes (28.2.2019): Is this the right time to downsize AMISOM?, https://issafrica.org/iss-today/is-this-the-right-time-to-downsize -amisom , Zugriff 8.2.2021

•        ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (3.2020): Asylländerbericht Somalia, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2042214/%C3%96B+2020-03-00.pdf , Zugriff 21.1.2021

•        Sahan - Sahan / Rashid Abdi (22.2.2021): Editor’s Pick – A tell-all speech by Puntland’s Deni, in: The Somali Wire Issue No. 87, per e-Mail

•        Sahan - Sahan / Puntland Times (11.2.2021b): The Somali Wire Issue No. 80, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://puntlandtimes.ca/2021/02/maamulada-taageersan-dowladda-oo-aan-weli-ka-hadlin-shirkii-farmaajo-ku-baaqay-ee-garoowe/

•        Sahan - Sahan / Matt Bryden (9.2.2021a): Editor’s Pick - Ku Qabso ku Qadi Mayside, in: The Somali Wire Issue No. 78, per e-Mail

•        Sahan - Sahan / Keydmedia (9.2.2021b): The Somali Wire Issue No. 78, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.keydmedia.net/news/farmaajo-wuxuu-dalka-geliyay-xaalad-hubanti-laaan-ah

•        SG - Somali Guardian (8.2.2021): Somalia on Knife Edge as President’s Term Ends,https://somaliguardian.com/somalia-on-knife-edge-as-presidents-term-ends/ , Zugriff 12.2.2021

•        UNSC - UN Security Council (13.11.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/1113], https://www.ecoi.net/en/file/local/2041334/S_2020_1113_E.pdf , Zugriff 2.12.2020

•        UNSC - UN Security Council (13.8.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/798], https://www.ecoi.net/en/file/local/2036555/S_2020_798_E.pdf , Zugriff 9.10.2020

•        UNSC - UN Security Council (13.2.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/121], https://www.ecoi.net/en/file/local/2025872/S_2020_121_E.pdf , Zugriff 26.3.2020

•        UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2019/393], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009264/S_2019_393_E.pdf , Zugriff 28.1.2021

•        UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (2.3.2021): Joint Statement on further Dialogue among political Leaders, https://unsom.unmissions.org/joint-statement-further-dialogueamong-political-leaders , Zugriff 3.3.2021

•        USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/SOMALIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 17.3.2020

Somaliland

Letzte Änderung: 29.03.2021

Die Republik Somaliland hat sich im Mai 1991 für unabhängig erklärt, wurde aber bis dato international nicht anerkannt (BS 2020, S.4; vgl.AA2.4.2020, S.5). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 2.4.2020, S.5). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen seiner Bundesstaaten (PGN 10.2020, S.4).

Somaliland ist politisch, wirtschaftlich und in Sicherheitsfragen größtenteils vom Rest des Landes entkoppelt (HIPS 2021, S.19). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine Zivilverwaltung, Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.7.2019, S.1), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eine Regierung, eine Verfassung und seit Jahren über ökonomische Stabilität (DW 30.11.2018).

Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und war auch bei demokratischen Reformen erfolgreich (BS 2020, S.4/33). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 2021, S.19), und mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA 8.2017, S.94). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren. Politische Entscheidungen können i.d.R. umgesetzt werden, allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2020, S.11). Seit 1997 herrschen Frieden und politische Stabilität (BS 2020, S.32). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu auch schon einiges beigetragen (BS 2020, S.37). Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent (Spiegel 1.3.2021). Die Bindung bzw. das Commitment Somalilands zum demokratischen System ist groß (BS 2020, S.20). Die meisten Somaliländer unterstützen die Regierung und vertrauen dieser (JF 14.8.2020). Die Demokratie in Somaliland wird als konsolidiert bezeichnet, das demokratische System ist allerdings anfällig für Einflussnahme und Clanpolitik (BS 2020, S.13/20).

Das Land kämpft mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem hohen Maß an Armut geprägt (BS 2020, S.33). Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig. Auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clanpatronage (BS 2020, S.5). Zudem sind staatliche Institutionen – wie erwähnt – hinsichtlich der Umsetzung ihrer Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden (BS 2020, S.13). Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2020, S.36).

Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen durchgeführt (AA 2.4.2020. S.5; vgl. ICG 12.7.2019, S.1). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2020, S.4f). Außerdem ist es schon mehrfach zur relativ friedlichen Machtübergabe an neugewählte Präsidenten gekommen (BS 2020, S.37; vgl. Spiegel 1.3.2021).

Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 86 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. FH 4.3.2020b, A2). Parlamentswahlen wurden zuletzt 2005 abgehalten und sind seit Jahren überfällig (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. FH 4.3.2020, A2), sie wurden mehrfach verschoben (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Zuletzt wurden im November 2019 sowohl die Amtszeit des Guurti als auch jene des Repräsentantenhauses um drei (HIPS 2020, S.9), nach anderen Angaben um zwei Jahre verlängert (UNSC 13.2.2020, Abs.12). Die Wahlen sollen nun 2022 stattfinden. Die Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland (AA 2.4.2020, S.4ff). Nach neueren Angaben sind für Mitte 2021 Lokal- und Parlamentswahlen vorgesehen (UNSC 13.11.2020, Abs.10). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreiche Wählerregistrierung gelobt (Sahan 10.2.2021).

Das Guurti sollte eigentlich regelmäßig einer Wahl unterzogen werden. Eine solche hat jedoch seit 1993 nie stattgefunden, da der rechtliche Rahmen unklar ist. Zuletzt hat das Guurti die eigene Amtszeit auf 2023 verlängert (FH 4.3.2020b, A2). Es gibt Vorwürfe, wonach im Oberhaus politische Korruption herrscht (USDOS 11.3.2020, S.25). Über das Guurti aber auch generell verfügen Clanälteste über eine einflussreiche Rolle in der Politik (FH 4.3.2020, B3).

Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich mehrfach verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (AA 2.4.2020, S.6; vgl. FH 4.3.2020b, A1). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Seine Angelobung erfolgte im Dezember 2017 (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Die Wahl wurde a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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