TE Bvwg Beschluss 2021/7/1 W105 1225238-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2021
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Entscheidungsdatum

01.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch


W105 1225238-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias: XXXX ; alias: XXXX ; alias: XXXX ), geb. XXXX , StA. Burundi (alias: Tansania), vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Laszlo Szabo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 04.06.2001 wurde der Beschwerdeführer mit einem gefälschten britischen Reisepass in Österreich festgenommen.

2. Unter dem Namen XXXX stellte er am 20.06.2001 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 09.11.2001 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Burundi für zulässig erklärt wurde.

3. Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26.09.2006 zu Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen nach §§ 28 Abs. 2, Abs. 3 erster Fall, Abs. 4 Z 3 und Abs. 5 SMG und desselben Verbrechens in Form der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft nach § 12 2. und 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt.

4. Die gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 09.11.2001 erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.07.2010 abgewiesen.

5. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 16.10.2006, Zahl XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Tirol vom 14.06.2007, Zahl XXXX , rechtskräftig abgewiesen.

6. Mit Schriftsatz vom 09.02.2017 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Nach der Durchführung von niederschriftlichen Einvernahmen und der Einholung eines Sprachanalysegutachtens sowie der Einbringung einer Säumnisbeschwerde gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.02.2019 XXXX , den Folgeantrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück. Zudem wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

7. Am 18.06.2020 fand vor dem BFA eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt, da die belangte Behörde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme eingeleitet hat. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll: Er sei gesund und nehme keine Medikamente. Seit 2001 befinde er sich in Österreich, davor habe er in Rumänien gelebt. Er sei dort und in Österreich wegen Suchtgifthandel verurteilt worden, in Rumänien sei er drei Jahre in Haft gewesen. Er lebe in Österreich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen zwei Söhnen, sie seien rumänische Staatsangehörige und volljährig. Er arbeite nicht und die Familie werde von seiner Lebensgefährtin finanziert. Auch sein älterer Sohn arbeite bereits.

8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.07.2020 hat das BFA dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Burundi zulässig ist (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.), und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über keinen gültigen Aufenthaltstitel für Österreich oder einen anderen Mitgliedsstaat der EU verfügt, er befinde sich unrechtmäßig im Bundesgebiet. Auch seien seine beiden Asylanträge rechtskräftig abgewiesen worden. Aufgrund der massiven Straffälligkeit im Bereich des Suchtmittelhandels, welche zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren geführt habe, könne von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung trotz der bestehenden Familienverhältnisse des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht Abstand genommen werden.

Zum Einreiseverbot führte das BFA unter Darlegung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers aus, dass dieser aufgrund seiner massiven Straffälligkeit im Bereich des Suchtmittelhandels eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, weshalb die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes auch in Anbetracht seiner familiären Beziehungen in Österreich notwendig sei. Dass gegen den BF bereits mit Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 14.06.2007 rechtskräftig ein Rückkehrverbot erlassen worden sei, stehe der nunmehrigen Erlassung eines Einreiseverbotes nicht entgegen, da das Rückkehrverbot nie seine Wirkung entfalten habe können.

9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der rechtsanwaltlichen Vertretung des Beschwerdeführers per E-Mail vom 13.08.2020 rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers schon lange Zeit zurückliege und er seine Strafe verbüßt habe. Die Gefahr einer neuerlichen Suchtmitteldelinquenz sei nicht gegeben. Er führe ein Familienleben, weshalb eine Duldung des Beschwerdeführers auszusprechen sei.

10. Am 07.09.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass gegen den Beschwerdeführer nie eine Ausweisung erlassen worden und somit das im Jahr 2006 ausgesprochene Rückkehrverbot nie in Geltung gelangt sei. Der illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers ergebe sich schon aus den zwei negativ und rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren. Deshalb sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes notwendig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang.

Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger von Burundi und am XXXX geboren. Er trat auch unter den Namen XXXX und XXXX in Erscheinung.

Der Beschwerdeführer führt eine langjährige Beziehung mit XXXX , einer rumänischen Staatsangehörigen, mit der er zwei gemeinsame Söhne hat. Beide Söhne sind bereits volljährig. Der Beschwerdeführer lebt im gemeinsamen Haushalt in Österreich mit seiner Lebensgefährtin und dem jüngeren, gemeinsamen Sohn.

Die belangte Behörde hat es gänzlich unterlassen, der Frage nachzugehen, ob dem Beschwerdeführer ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, und keine dahingehenden Ermittlungsschritte getätigt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Familie, zum Verfahrensgang sowie zur mangelhaften Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren ergeben sich aus dem diesbezüglich unzweifelhaften Inhalt des Verwaltungsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes (Z 1), Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG (Z 2), Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3), Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes (Z 4) und Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2 (Z 5).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu A) Zurückverweisung:

Der „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (im Folgenden: NAG) lautet:

„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht nach § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet daher die Rechtsgrundlage, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 28.03.2017, Ro 2016/09/0009) ist eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG zulässig, wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt sehr unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088; VwGH 23.02.2017, Ra 2016/09/0103).

Von der Möglichkeit der Zurückverweisung soll nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens missachtet und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes lediglich ansatzweise ermittelt.

Das BFA unterließ jegliche Ermittlungen betreffend das mögliche Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers. So ergaben sich zwar im Laufe des jetzigen Verfahrens - und der vorangegangen Verfahren - vielschichtige Anhaltspunkte für ein Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich, worauf das BFA auch im Sinne einer Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG einging. Komplett außer Acht gelassen wurde seitens der belangten Behörde jedoch der Aspekt, dass es sich sowohl bei der Lebensgefährtin als auch bei den Söhnen des Beschwerdeführers um rumänische Staatsangehörige und somit um EWR-Bürger im Sinne des § 52 NAG handelt.

Die Anhaltspunkte, die sich im behördlichen Verfahren ergeben haben, legen nahe, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers eine Lebenspartnerin im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 4 NAG sein könnte. Die belangte Behörde hätte genaue Ermittlungen zur Beziehung des Beschwerdeführers anstellen müssen und in der Folge wäre das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts jedenfalls zu prüfen gewesen. Der angefochtene Bescheid ist auch mangelhaft, da genaue Ermittlungen zu den Söhnen des Beschwerdeführers unterlassen wurden, obwohl sich ebenso aus diesem Verwandtschaftsverhältnis ein Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers ableiten lassen könnte.

Die Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde betreffend ein möglicherweise vorhandenes Aufenthaltsrecht nach dem Unionsrecht erschöpfte sich in bloßen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in einer Beziehung sei und zwei Söhne habe. Im ganzen Bescheid wurde trotz des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass es sich bei seiner Lebensgefährtin und den zwei gemeinsamen Söhnen um rumänische Staatsangehörige und folglich um EWR-Bürger handle, nicht auf ein etwaiges Aufenthaltsrecht aufgrund dieser Verwandtschaftsverhältnisse eingegangen. Die belangte Behörde stellte betreffend die Erlassung der Rückkehrentscheidung lediglich fest, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel für Österreich oder einen anderen Mitgliedstaat der EU verfügt. Dabei lässt die Behörde außer Acht, dass sich ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht - wie im Sinne des § 52 NAG - nicht aus einer nationalen gesetzlichen Bestimmung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Unionsrecht ergibt. Die Ausgabe einer Aufenthaltskarte durch die Behörden als bloße Bescheinigung dieses Aufenthaltsrechts hat daher lediglich deklaratorische Wirkung und stellt keinen konstitutiv begründeten Aufenthaltstitel dar (vgl. VwGH 8.7.2020, Ra 2019/22/0177).

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid somit lediglich feststellt, dass der Beschwerdeführer sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne dass sie auch nur ansatzweise auf das mögliche Vorliegen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts eingeht, handelt es sich um einen krassen Verfahrens- und Ermittlungsfehler. Da sich aus dem Ermittlungsverfahren klare Anhaltspunkte - wie insbesondere das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Staatsangehörigkeit der Angehörigen - für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht ergeben haben, macht es aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts den Anschein, dass die belangte Behörde weitere Ermittlungstätigkeiten diesbezüglich unterließ, damit diese dann vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden sollen, was auch in Anbetracht der komplizierten Sach- und Rechtslage (siehe unter anderem Stellungnahme des BFA vom 07.09.2020) im gegenständlichen Fall nicht unwahrscheinlich ist. In einem solch gelagerten Fall ist die Aufhebung und Zurückverweisung eines Bescheides nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geboten (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung liegt daher ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vor. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG kann nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Eine Nachholung der durchzuführenden Ermittlungsschritte und eine erstmalige Beurteilung des Falles durch das Bundesverwaltungsgericht kann - besonders im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde zu einem unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gar keine Ermittlungen unternommen hat - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Ausgehend von diesen Überlegungen ist im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen.

Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens wird das BFA zunächst einmal eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers abhalten und ihn eingehend zu seinem Familienleben - besonders im Hinblick auf die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht im Sinne des § 52 NAG (Lebenspartnerschaft, tatsächliche Unterhaltsgewährung) - befragen müssen. Diesbezüglich wird es auch geboten sein, sowohl die Lebensgefährtin als auch die Söhne des Beschwerdeführers zu laden und sie zu ihrem Verhältnis zum Beschwerdeführer zu befragen. In der Folge wird die belangte Behörde eine genaue Beurteilung zu treffen haben, ob im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Fall des Beschwerdeführers vorliegt oder ob dem etwaige Gründe entgegenstehen. Die bloße Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist für ein mangelfreies behördliches Verfahren nicht ausreichend.

Wie ausführlich dargelegt wurde, hat das BFA im behördlichen Verfahren essentielle Ermittlungstätigkeiten betreffend ein möglicherweise bestehendes Aufenthaltsrecht nach dem Unionsrecht unterlassen und eine diesbezügliche Prüfung gänzlich an das Bundesverwaltungsgericht ausgelagert. Eine Nachholung der durchzuführenden Ermittlungsschritte und eine erstmalige Beurteilung des Falles durch das Bundesverwaltungsgericht liegt nicht im Sinne des Gesetzes, weshalb gegenständlich kassatorisch vorzugehen ist.

Der angefochtene Bescheid war folglich zu beheben und die Rechtssache angesichts der darlegten Versäumnisse spruchgemäß an die belangte Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 Zweiter Satz VwGVG zurückzuverweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht familiäre Situation Familienangehöriger Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W105.1225238.3.00

Im RIS seit

11.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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