TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/12 W235 2239047-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.2021
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Entscheidungsdatum

12.07.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W235 2239047-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2021, Zl. 1138295402-201132099, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG und gemäß § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet sowie nach darauffolgender Einreiseverweigerung durch die deutschen Behörden am 14.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am XXXX 01.2016 in Italien einen Asylantrag stellte (vgl. AS 103). Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer eine italienische ID-Card, ausgestellt am XXXX 02.2017, bei sich (vgl. AS 135).

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst angab, dass er an keinen Krankheiten leide und über keine Familienangehörigen in Österreich oder in einem anderen Staat der Europäischen Union verfüge. Er habe Nigeria im Winter 2014 verlassen und sei über den Niger und Libyen, wo er ein Jahr gelebt habe, nach Italien gelangt. In Italien habe er sich fünf Jahre aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt. Dieser sei jedoch negativ ausgefallen und man habe den Beschwerdeführer auf die Straße gesetzt. Er wolle nicht zurück nach Italien, da es dort schlecht gewesen sei.

Dem Beschwerdeführer wurde weiters am 14.11.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Italien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag übergeben und von ihm unterfertigt (vgl. AS 159).

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 24.11.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien.

Mit Schreiben vom 09.12.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der italienischen Dublinbehörde mit, dass die Zuständigkeit im Fall des Beschwerdeführers wegen Unterlassung einer fristgerechten Antwort auf das österreichischen Wiederaufnahmegesuch auf Italien übergegangen ist.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde vom Beschwerdeführer nachweislich am 16.12.2020 übernommen (vgl. AS 199).

1.4. Am 17.12.2020 wurde der Beschwerdeführer nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren und unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Englisch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei er zunächst angab, dass es ihm gut gehe. In Italien habe er vor zwei Jahren keine Unterkunft mehr gehabt und habe daher gesundheitliche Probleme bekommen. Damit meine er Schmerzen im Brustkorb. In Österreich habe er hohen Blutdruck gehabt, wogegen ihm ein Arzt Medikamente gegeben habe. In Österreich sei er bei der Erstuntersuchung gewesen, habe darüber allerdings keine Unterlagen erhalten. Die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers hätten begonnen, als er in Italien gewesen sei und keine Unterkunft mehr gehabt habe. Das sei vor zwei Jahren gewesen. Er sei aus dem Lager geworfen worden und habe keine finanziellen Mittel gehabt, um einen Arzt aufzusuchen. Aktuell seien keine Behandlungstermine geplant. In Österreich oder im Gebiet der Europäischen Union habe der Beschwerdeführer keine Verwandten.

Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes, gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Italien zu treffen, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er nicht nach Italien zurückgehen werde. Er sei fünf Jahre in Italien aufhältig und davon zwei Jahre auf der Straße gewesen. Konkret den Beschwerdeführer betreffende Vorfälle habe es in Italien nicht gegeben, aber er habe eine Menge schlechter Leute getroffen als er auf der Straße gewesen sei. Beispielsweise sei die Mafia an ihn herangetreten. Der Beschwerdeführer habe sich jedoch nicht reinziehen lassen, da er damit nichts zu tun haben wolle. Die letzten zwei Jahre in Italien habe er kein Geld gehabt, um weiterzureisen. Er habe in einem verlassenen Haus gewohnt. Dann seien Weiße gekommen, die gesagt hätten, dass dieser Platz nicht gut sei. Sie hätten ihm Geld gegeben und gesagt, er solle gehen. Daraufhin habe der Beschwerdeführer Italien verlassen und sei hierhergekommen.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt bis zum 28.12.2020 eine schriftliche Stellungnahme zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen sowie zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes abzugeben. Bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt ist keine Stellungnahme eingelangt.

Im Verwaltungsakt befindet sich die Klientenkarte der Erstuntersuchung des Beschwerdeführers, der keine besonderen Auffälligkeiten zu entnehmen sind.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der Beschwerdeführer unter keinen Erkrankungen leide, die seiner Überstellung nach Italien entgegenstünden. Am 24.11.2020 habe das Bundesamt ein Konsultationsverfahren gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO mit Italien eingeleitet und am 09.12.2020 sei Italien vom Eintritt der Zuständigkeit durch Fristablauf gemäß § 25 Abs. 2 Dublin III-VO in Kenntnis gesetzt worden. Besonders enge familiäre oder enge private Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 9 bis 25 des angefochtenen Bescheides Feststellungen zum italienischen Asylverfahren, einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien, sowie zur COVID-19 Pandemie.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, in Italien Schmerzen im Brustkorb gehabt und in Österreich Medikamente gegen hohen Blutdruck bekommen zu haben. Weitere Krankheiten und Beschwerden habe er nicht und seien auch keine weiteren Behandlungstermine geplant. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt sowie aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergeben. Familiäre oder andere Anknüpfungspunkte in Österreich hätten seinen eigenen Angaben nicht entnommen werden können. Die Feststellungen zu Italien würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren, jene zur Pandemie hätten sich aus dem Amtswissen und aus den Angaben der Johns Hopkins University ergeben. Von der dem Beschwerdeführer in seiner Einvernahme eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme habe er bis dato keinen Gebrauch gemacht. Seitens des italienischen Innenministeriums sei betont worden, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt sei. Schwierige Lebensbedingungen – wie etwa regional bestehende Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten – würden selbst im Fall des Zutreffens keine die Schwelle des Art. 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität aufweisen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt sei. Im gegenständlichen Fall sei aus der Aktenlage nicht feststellbar, dass enge familiäre Anknüpfungspunkte zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich oder zu einem österreichischen Staatsbürger vorlägen. Ferner sei der Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz, als dass ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens anzunehmen wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 8 EMRK bzw. von Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Italien sei bereit, den Beschwerdeführer einreisen zu lassen und seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Italien treffenden Verpflichtungen dem Beschwerdeführer gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Italien als Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Die aktuelle COVID-19 Pandemie erfordere auch nicht die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung. Da es sich um eine Pandemie handle, sei das allgemeine Lebensrisiko am Erreger SARS-CoV-19 zu erkranken weltweit erhöht. Dazu komme, dass das individuelle Risiko des Beschwerdeführers an SARS-CoV-19 schwer oder gar tödlich zu erkranken, sehr niedrig sei. Das Risiko eines schweren Verlaufs der Erkrankung sei bei jungen, nicht immungeschwächten Menschen viel geringer als bei Menschen aus Risikogruppen. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe ihm aufgrund der COVID-19 Pandemie daher nicht. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Die Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht am 25.01.2021 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und regte an, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wurde verfahrenswesentlich ausgeführt, dass die Länderfeststellungen unvollständig seien und allesamt aus dem Jahr 2019 stammen würden. Sie seien sohin veraltet und nicht geeignet im Lichte der COVID-19 Pandemie die in Italien vorherrschende Unterbringungs- und Versorgungslage für Asylwerber darzulegen. Darüber hinaus könne nicht von einer Ausgewogenheit der Quellen gesprochen werden, da kaum Kritik am italienischen Asylsystem und an der Aufnahmesituation für Flüchtlinge geübt werde. Ergänzend werde ausgeführt, dass in es Italien per 25.01.2021 insgesamt 2.466.813 bestätigte Corona-Infektionen gebe, wobei bereits 85.461 Menschen an COVID-19 verstorben seien. Italien habe sich bereits im Frühjahr in einer Ausnahmesituation befunden und sei ein neuerlicher Zusammenbruch des italienischen Gesundheitssystems aufgrund der steigenden Infektionszahlen zu befürchten.

Personen, die unerlaubt eine staatliche Unterbringung verlassen hätten, würden das Recht auf Unterbringung verlieren und liefen Gefahr in Obdachlosigkeit zu fallen. Obdachlose seien den Auswirkungen der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert und würden mangels Wohnsitzmeldung auch keine Gesundheitskarte bekommen. In der Folge zitierte die Beschwerde Berichte von NGOs aus den Jahren 2019 und 2020 und führte dazu aus, dass der Beschwerdeführer mangels Gewährung dringend notwendiger medizinischer Versorgung in Italien gezwungen gewesen sei, Italien zu verlassen um sich in einem anderen EU-Land behandeln zu lassen. Bei einer Rückkehr laufe der Beschwerdeführer Gefahr erneut obdachlos zu werden und keine medizinische Versorgung zu erhalten. Ohne eine Wohnsitzmeldung bliebe dem Beschwerdeführer auch der Zugang zu einer allenfalls notwendigen medizinischen Behandlung verwehrt. Selbst wenn er zu einer Unterkunft kommen sollte, sei er aufgrund der besorgniserregenden Zustände einer großen Gefahr ausgesetzt, sich an COVID-19 anzustecken, da es in den überfüllten Lagern nicht möglich sei, die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten.

Ferner sei Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO nicht geeignet als Norm zur Zuständigkeitsfindung Anwendung zu finden, sondern normiere lediglich Verfahrensvorschriften. Unter Verweis auf die Entscheidung des EGMR Tarakhel gegen die Schweiz vom 04.11.2014 wurde ausgeführt, dass es nicht notwendig sei, dass systemische Mängel im Asylsystem bestünden, sondern auch individuelle Umstände in Verbindung mit gewissen Defiziten ausreichen könnten, um eine Überstellung unzulässig zu machen, wenn eine Gefährdung von Grundrechten vorliege.

4. Mit E-Mail vom 03.03.2021 gab das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts ist. Aufgrund eines Ersuchens des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte das Bundesamt die Aussetzung des Verfahrens an Italien bzw. die Verlängerung der Überstellungsfrist wegen unbekannten Aufenthalts vom 01.03.2021 (vgl. OZ 7).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Nigeria. Er hat Nigeria im Winter 2014 verlassen und reiste über den Niger nach Libyen, wo er ein Jahr lebte. Von Libyen aus gelangte der Beschwerdeführer nach Italien. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer über Italien, wo er am XXXX 01.2016 einen Asylantrag stellte, der in der Folge abgelehnt wurde, illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreiste. Nach einem ca. fünfjährigen Aufenthalt in Italien reiste der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er nach Einreiseverweigerung durch die deutschen Behörden am 14.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 24.11.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien. Aufgrund von Verfristung trat die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Verfahrens des Beschwerdeführers ein, was der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 09.12.2020 mitgeteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Ferner hat sich im Fall des Beschwerdeführers die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert, da der Beschwerdeführer flüchtig ist. Dieser Umstand wurde der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 01.03.2021 mitgeteilt.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer gibt an, an Schmerzen im Brustkorb zu leiden. Gegen hohen Blutdruck wurde ihm in Österreich ein Medikament verschrieben. Eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit wird nicht festgestellt. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht.

Es bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer seit dem 25.02.2021 über keine aufrechte Meldung mehr in Österreich verfügt.

1.2. Zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien:

Zum italienischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wurden im angefochtenen Bescheid auf den Seiten 9 bis 25 umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) einige legislative Änderungen (AIDA 4.2019).

[…]

b). Dublin-Rückkehrer:

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1.       Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2.       Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3.       Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthalts waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

c). Non-Refoulement:

Medienberichten zufolge wurden 2018 über 100 auf See aufgelesene Migranten nach Libyen zurückgebracht. Italienische Gerichte haben Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedstaaten, in denen Asylverfahren der besagten Afghanen bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement nach Afghanistan annulliert (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde auch das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten in Italien eingeführt. Da aber bislang keine entsprechende Liste sicherer Herkunftsstaaten beschlossen wurde, wird das Konzept in der Praxis derzeit nicht angewendet (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über ignorierte Versuche Asyl zu beantragen und kollektive Kettenabschiebungen nach Slowenien und weiter nach Bosnien-Herzegowina (AI 1.3.2019).

d). Versorgung:

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

?        Unterbringung, Verpflegung

?        Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

?        notwendige Transporte

?        medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

?        Hygieneprodukte

?        Wäschedienst oder Waschprodukte

?        Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

?        Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

?        Schulbedarf

?        usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegten Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängel hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 19-26/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, erscheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

e). Unterbringung:

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einem solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).

[…]

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

[…]

Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

f). Medizinische Versorgung:

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden („residenza“) nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim „Wohnsitz“ zwischen „residenza“ und „domicilio“ (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des „domicilio“ garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Somit ist auch für Asylwerber weiterhin die Ausstellung einer Gesundheitskarte („tessera sanitaria“) möglich, mit welcher sie Zugang zu den medizinischen Leistungen erhalten. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmezentren Ärzte beschäftigt, die neben medizinischen Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen auch die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (VB 19.2.2019).

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das gilt unabhängig davon, ob sie staatliche Versorgung genießen oder nicht. Das Recht auf medizinische Versorgung entsteht formell im Moment der Registrierung eines Asylantrags, wobei es aber in der Praxis in einigen Regionen bis zu einigen Monaten Verzögerung kommen kann (AIDA 4.2019), weil bei bestimmten Quästuren die Zuweisung des Steuer-Codes (codice fiscale), die im Zuge der Formalisierung des Asylantrags erfolgt und für den Zugang zur medizinischen Versorgung wichtig ist, länger dauert. Bis dahin haben die betroffenen Asylsuchenden nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst erfolgt im zuständigen Büro des lokalen Gesundheitsdienstes (Azienda sanitaria locale, ASL), in der Gemeinde, in der der Asylwerber seinen Wohnsitz (dimicilio) hat. Im Zuge der Registrierung wird eine europäische Gesundheitskarte (tessera europea di assicurazione malattia) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Das Recht auf medizinische Versorgung sollte im Rahmen der Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen. Wenn die Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, besteht keine Garantie auf Zugang zu nicht notwendiger medizinischer Versorgung bis zur Erneuerung derselben, was aufgrund bürokratischer Verzögerungen einige Zeit dauern kann. Wenn Asylwerber keine Wohnsitzmeldung (domicilio) vorweisen können, erhalten sie auch keine Gesundheitskarte. Eines der größten Hindernisse für den Zugang zu Gesundheitsdiensten ist jedoch die Sprachbarriere (AIDA 4.2019).

Asylwerber können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei den ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Die Befreiung gilt zunächst für zwei Monate ab Asylantragstellung (da in diesem Zeitraum kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht). Um die Ticket-Befreiung danach beizubehalten, müssen sich die AW offiziell arbeitslos melden. Laut Gesetz ist die Ticket-Befreiung auch bei niedrigem Einkommen möglich, doch durch die neue Rechtslage mit Gesetz 132/2018 kommen Asylwerber mit niedrigem Einkommen nicht in diesen Genuss, da ihnen entsprechende Bestätigungen aufgrund mangelnder verwaltungsinterner Anweisungen nicht ausgestellt werden (AIDA 4.2019).

Asylwerber mit psychischen Problemen und Folteropfer haben dasselbe Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie italienische Bürger. In der Praxis haben sie die Möglichkeit, von speziellen Leistungen des nationalen Gesundheitsdienstes, spezialisierter NGOs oder privater Stellen zu profitieren. Die NGOs ASGI und Ärzte ohne Grenzen betreiben in Rom seit April 2016 ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern. ASGI arbeitet auch mit anderen Institutionen zusammen und beobachtet die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Migranten auf medizinische Versorgung (AIDA 4.2019).

Bei den Gesundheitsdienstleistungen in den Zentren sehen die neuen Ausschreibungskriterien in Aufnahmezentren mit bis zu 50 Plätzen durchschnittlich nur noch vier Stunden ärztliche Betreuung pro Person und Jahr vor, Pflegepersonal ist in diesen Zentren keines mehr vorgesehen. In großen Zentren (bis zu 300 Plätzen) muss ein Arzt nur noch 24 Stunden pro Woche statt wie bisher rund um die Uhr anwesend sein. Für die Zentren ist keine Unterstützung durch interne Psychologen/Psychiater mehr vorgesehen. Die soziale Unterstützung für Zentren mit bis zu 50 Plätzen wurde auf sechs Stunden pro Woche reduziert, jene für Zentren mit bis zu 300 Plätzen auf 24 Stunden pro Woche (SFH 8.5.2019).

[…]

g). Zur COVID-19-Pandemie:

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Italien wurden bisher 2.276.491 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 78.755 Personen verstorben sind.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage unter Berücksichtigung der Neuerungen durch das „Salvini-Dekret“ bzw. das „Salvini-Gesetz“ und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen – darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO – samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Italien den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Staatsangehörigkeit, zu seiner Ausreise aus Nigeria, zu seinem weiteren Reiseweg (einschließlich der Aufenthaltsdauer in Libyen), sowie zu seiner illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Italien, zur Dauer seines dortigen Aufenthalts sowie zu seiner nunmehrigen unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, zur Einreiseverweigerung durch die deutschen Behörden und zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Erstbefragung sowie aus dem Akteninhalt (vgl. zur Einreiseverweigerung durch die deutschen Behörden AS 25f).

Dass der Beschwerdeführer am XXXX 01.2016 in Italien einen Asylantrag stellte, ergibt sich aus dem unbedenklichen Eurodac-Treffer und wurde darüber hinaus auch vom Beschwerdeführer selbst vorgebracht. So gab der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung an, dass er in Italien einen Asylantrag gestellt habe, der negativ ausgefallen sei (vgl. AS 101). Die Feststellung, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers in Italien abgelehnt worden war, gründet darüber hinaus auf dem Umstand, dass Italien dem auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO gestützten Wiederaufnahmegesuch nicht widersprochen hat. Darauf, dass die Zuständigkeit Italiens beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Die Feststellungen zum Wiederaufnahmegesuch der österreichischen Dublinbehörde und zum Übergang der Zuständigkeit an Italien aufgrund Verfristung sowie zur diesbezüglichen Mitteilung durch das Bundesamt und zur Bekanntgabe der Verlängerung der Überstellungsfrist ergeben sich darüber hinaus aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden im Rahmen des Konsultationsverfahrens. Dass sich die Überstellungsfrist aufgrund „Untertauchens“ des Beschwerdeführers auf 18 Monate verlängert hat, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer seit dem 25.02.2021 über keine aufrechte Meldung mehr in Österreich verfügt.

Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt II. 3.2.4.2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bzw. zum Nichtvorliegen einer körperlichen und/oder psychischen Erkrankung, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus der sich im Akt befindlichen Klientenkarte der Erstuntersuchung des Beschwerdeführers. In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zunächst noch an, dass er an keinen Krankheiten leide (vgl. AS 99), was auch der im Zuge der Antragstellung durchgeführten Gesundheitsbefragung zu entnehmen ist (vgl. AS 123). Zu den in der Einvernahme vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden (Schmerzen im Brustkorb, hoher Blutdruck) ist darauf zu verweisen, dass es sich diesbezüglich nicht um schwerwiegende Erkrankungen handelt und diese – den Angaben des Beschwerdeführers zufolge – bereits in Italien bestanden hätten. Dass dem Beschwerdeführer wegen seines hohen Blutdrucks Medikamente verschrieben wurden, gründet ebenfalls auf seinen eigenen Angaben vor dem Bundesamt. Auch die sich im Akt befindliche Klientenkarte der Erstuntersuchung des Beschwerdeführers beinhaltet keine Auffälligkeiten. Da der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt vorbrachte, dass keine Behandlungstermine geplant seien, war die (Negativ)feststellung zu treffen, dass eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit nicht festgestellt wird. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer mittlerweile seit einigen Monaten untergetaucht ist, was er wohl nicht getan hätte, würde er tatsächlich eine medizinische Behandlung bzw. Therapie benötigen.

Die Feststellung zum Nichtvorhandensein besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Gegenteiliges ist auch dem sonstigen Akteninhalt nicht zu entnehmen. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer dezidiert an, über keine Familienangehörigen in Österreich zu verfügen bzw. in Österreich keine Verwandten zu haben (vgl. AS 97 bzw. AS 217). Dass der Beschwerdeführer seit dem 25.02.2021 über keine aufrechte Meldung in Österreich mehr verfügt, ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 08.07.2021.

2.2. Die Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Italien ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen und insbesondere auch die geänderte Rechtslage nach dem „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ berücksichtigen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. In der Einvernahme vor dem Bundesamt wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine schriftliche Stellungnahme zu den ausgefolgten Länderberichten abzugeben. Von dieser Möglichkeit hat weder der Beschwerdeführer noch seine (damalige) Vertretung Gebrauch gemacht.

Zum Beschwerdevorbringen, die vom Bundesamt herangezogenen Länderfeststellungen seien unvollständig und veraltet, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen lediglich unsubstanziiert in den Raum gestellt wurde, da nicht ausgeführt wurde, gegen welche Teile der Länderfeststellungen sich die Kritik des Beschwerdeführers richtet. Es ist zwar korrekt, dass die Länderberichte im angefochtenen Bescheid aus dem Jahr 2019 stammen, allerdings führt die Beschwerde nicht an, inwiefern sich die Lage in Italien betreffend die Unterbringung und Versorgung von Asylwerbern im Vergleich zu den in der Beschwerde zitierten Berichten von NGOs – die im Übrigen zum Teil ebenfalls aus dem Jahr 2019 stammen – verändert hat. Wenn die Beschwerde weiters ausführt, dass nicht von einer Ausgewogenheit der Quellen gesprochen werden könne, kann dies ebenso wenig nachvollzogen werden, zumal sich die Beschwerde selbst auf die Länderberichte des Bundesamtes – insbesondere betreffend die Unterbringungssituation – bezieht.

Hinzu kommt, dass die Beschwerdeausführungen lediglich allgemein gehalten sind und keinen Bezug zum Beschwerdeführer und seinem Vorbringen aufweisen. Insbesondere lassen die Ausführungen in der Beschwerde betreffend eine dem Beschwerdeführer eventuell drohende Obdachlosigkeit sowie hinsichtlich auftretender Probleme bei der Ausstellung einer Gesundheitskarte den Umstand vollkommen außer Acht, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers – seinen eigenen Angaben zufolge – bereits „vor zwei Jahren“ (sohin ca. Ende 2018) abgewiesen wurde und ihm sohin die Rechte eines Asylwerbers in Italien nicht mehr zustanden. Wogegen sich im Einzelnen die Kritik der Beschwerde an den Länderfeststellungen des Bundesamtes richtet, ist sohin nicht erkennbar. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die ein differenziertes Bild zeichnen und ebenso auf die Situation von Dublin-Rückkehrern Bezug nehmen, zu entkräften.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell und erwähnen auch die aktuelle COVID-19 Pandemie, zeichnen jedoch – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Italien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie die Anordnung von Verhaltensregeln im öffentlichen Raum wie z.B. „Maskenpflicht“, aber auch die in jüngerer Zeit wieder erfolgten Lockerungen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann, was gegenständlich der Fall ist, da nach wie vor Dublin-Überstellungen nach Italien aus den Mitgliedstaaten durchgeführt werden und eine Aussetzung auch in Zukunft nicht geplant ist. Andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um keine vulnerable Person handelt und keine Anzeichen dafür vorlagen, dass er zu den Personengruppen mit einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken – wie ältere und/oder immungeschwächte Personen – gehört.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 A

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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